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One litre of Tears

~100 fanfiction challenge~
von

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005. Outsides

005. Outsides
 

Viele Dinge, die ihr noch vor einiger Zeit möglich gewesen sind, konnte sie nun mehr kaum oder gar nicht bestreiten. Den Basketballclub hatte sie aufgeben müssen und auch konnte sie nicht mehr so einfach laufen, wie sonst. Sie brauchte länger als andere, um vom einen Klassenraum in den nächsten zu gelangen. Am Sportunterricht konnte sie schon lange nicht mehr teilnehmen und auch das Treppenlaufen fiel ihr von Tag zu Tag schwerer.

All das hatte Aya inzwischen allerdings akzeptiert und konnte damit mit leben. Es waren nicht die Schwierigkeiten im Alltag, die ihre Gedanken trübten, denn trotz allem ging sie mit klarem Schritt vorwärts. Nein, viel mehr waren es die anderen, die ihr Sorgen bereiteten. Die andern, Mari, Saki, die ihr jeden Tag halfen und deshalb ebenso so oft zu spät kamen, wie sie selbst. Die ihr jede Schwierigkeit abnahmen und somit auch die täglichen Aufgaben erleichterten.

Dennoch konnte Aya von Tag zu Tag ganz genau sehen, wie sich auch auf den Gesichtern ihrer Freunde Müdigkeit abzeichnete.

Jedoch war sie ihnen deswegen nicht einmal böse, im Gegenteil, es überraschte Aya viel mehr, dass sie solange die Verantwortung mit übernommen hatten.

Sie bemühten sich so sehr um ihre Freundin, aber trotzdem konnte Aya ihnen an den Augen ablesen, dass sie sich manchmal wünschten, diese Problemanhäufung nicht auf sich nehmen zu müssen.

Ebenso Aya. Solange sie nur selbst den Schmerz ertrug, den ihr ihre Krankheit immer wieder verpasste, war alles in bester Ordnung.

Doch zog sie in ihr Leiden auch noch andere mit hinein, und das wollte sie nicht.

Aya wollte die anderen so wenig wie möglich belasten.

Sie wollte wieder alleine zur Schule gehen, aber letzten Endes war es schon so schlecht um ihre Beinmuskulatur bestellt, dass ihre Eltern sie zur Schule hinfuhren und wieder abholten.

Sie wollte alleine die Treppen hochgehen, doch nachdem sie einmal stürzte und Mari somit ebenfalls in Mitleidenschaft zog, ließ sie sich lieber helfen.

Aya wollte ebenso wenig den Unterricht stören, und verminderte ihre Trinkverhalten, doch führte dies nur zu einem Ohnmachtsunfall, der viel aufwendiger war, als wenn sie weiterhin ganz normal getrunken hätte.

Zu diesem Zeitpunkt hatte sie Asou-kun in Mitleidenschaft gezogen.

Man konnte es drehen und wenden wie man wollte, sie war einfach auf Hilfe angewiesen!
 

Ayas heutiger Schultag war bereits verfrüht beendet, da sie zu Mizuno-sensei ins Krankenhaus musste, um sich einen Check-Up zu unterziehen. Von Mari und Saki zur Eingangshalle begleitet und verabschiedet, musste Aya allerdings noch einmal kehrt machen: Sie hatte ihre Hefte, welche sie für die Hausaufgaben bräuchte, unter ihrem Pult vergessen.

Mit dem Rollstuhl wendend, in welchem sie sich fortan in den Schulgängen bewegte, rollte sie bis zu den Treppenstufen. Mit etwas zittrigen Beinen stand sie vorsichtig auf, stützte sich am Treppengeländer ab.

Schritt für Schritt ging Aya die Treppe hinauf. Sie wusste nicht, wie lange sie brauchte, doch kam es ihr wie eine halbe Ewigkeit vor, als sie schließlich den bekannten Flur erreichte. Sich an der Wand abstützend weiterschleppend, erreichte sie das Klassenzimmer, wollte gerade hineingehen, als sie die Stimme Tomita-sans hörte, die wohl das Wort in der Homeromm Stunde erhoben hatte:

„Weder für Ikeuchi noch für uns ist das eine tragbare Situation. Ich denke nicht, dass wir so weitermachen können.“

An der Tür halt machend, lauschte Aya genauer.

„Es ist nicht fair, wenn wir sie so handeln. Lasst uns eben zehn Minuten warten“, erklang es von einem Jungen.

„Ich... fände es zwar auch besser, wenn der Unterricht wieder pünktlich beginnt, aber Ikeuchi zu bitten, sich schneller zu bewegen ist unmöglich!“

„Was denkst du darüber?“, leitete Tomita die Diskussion erneut an,

„Nun... Aya... hat es auch sehr schwer.“

Aufhorchend drückte Aya ihr Ohr noch etwas weiter an die Tür. Mari wurde aufgefordert zu sprechen... und sie konnte genau hören wie deren Stimme leicht schwankte. „Sie versucht jedem so wenig Umstände wie möglich zu machen und strengt sich an. Und wir helfen ihr, weil wir Freunde sind.“

„Ist es aber nicht auch ihre Teilschuld, dass du nicht am Basketballspiel teilnehmen kannst, weil du dir deine Hand bei ihrem Sturz verletzt hast?“

„Das schon, aber...“

„Und was ist mit dir?“

„Wir... holen Aya jeden Morgen vom Schultor ab und begleiten sie ins Gebäude. Wir helfen ihr, ihre Sachen zu tragen oder den Unterrichtsraum zu wechseln. Sie ist sehr nett... und... wir sind Freunde.“ Saki. „Aber manchmal... ist es einfach zu viel und ich habe Angst die Abschlussprüfungen nicht zu schaffen! Ich bin so schlecht im Lernen und ich nehme an verschiedenen Clubs teil. Es bleibt nicht einmal genug Zeit zum Spielen!!“ In einem weinerlichen Ton abbrechend, konnte Aya draußen einfach nur ihre Augen schließen, um die eigenen Tränen zu verbergen.

„Ist gut, ich habe schon verstanden!“, mischte sich nun der Lehrer ein und hob beschwichtigend die Hände, „Ich werde die Meinung der Klasse an Ikeuchis Eltern weiterleiten.“

„Hinterhältig, findet ihr nicht?“ Asou-kun nun also auch noch...? „Wenn sie anwesend ist, tut ihr so freundlich. Und wenn sie sich für ein Missgeschick entschuldigen will, sagt ihr 'Nicht doch, alles in Ordnung' und nun... redet ihr so etwas. Das ist wirklich hinterhältig.“

Der Lehrer wandte sich seinem Schüler zu, versuchte wieder Ruhe zu gewinnen, bevor die Situation eskalieren konnte:

„Asou, ich weiß, was Sie sagen wollen, aber-“

„Wenn ihr so denkt, wäre es besser gewesen, ihr wäret von Anfang an nicht so freundlich gewesen!“, ließ sich Asou nicht ins Wort reden und machte weiter, „Es ist nicht so, dass sie euch nicht versteht. Wenn euch etwas nicht passt, wenn ihr Angst habt mit dem Unterricht nicht hinterher zu kommen, dann sagt es ihr und sie wird versuchen eine möglichst lastarme Lösung zu finden!“

„Asou, es ist gut-“

„Und Sie genauso!“

„W-Was?“

„Warum sagen Sie ihr nicht ebenso direkt, was Sache ist? Dann könnten Sie ihr mit erhobenen Kopf gegenüber treten und Ikeuchi würde sich trauen und Ihnen Antwort geben!“ Stillschweigend nahm es der Lehrer hin. Auch wenn Asou etwas ungestüm und unhöflich gesprochen hatte, hatte der Junge dennoch mit jedem einzelnen Wort recht. Vermutlich war auch dies der Grund, warum niemand anderes etwas im Raum sagte.

Aya konnte sich draußen immer noch nicht bewegen.

Er hatte für sie Partei ergriffen, aber dennoch machte es die Angelegenheit nicht unbedingt besser. Vor der Tür verharrend, bekam sie nicht mit, wie Asou seinen Kopf in ihre Richtung drehte und verwundert aufsah.

„Ikeuchi.“

Augenblicklich flogen alle Köpfe der Klasse herum. Nun gab es kein Zurück. Aya schob vorsichtig die Tür auf.

„Entschuldigung, ich habe etwas vergessen.“ Sich zu ihrem Platz schleppend, vorbei an Mari, die reuevoll den Kopf gesenkt hielt, holte sie schließlich das Heft hervor und ging in dem selben mühevollen Schritt zurück, verließ den Klassenraum.

Jetzt wusste sie also, was über sie gedacht und erzählt wurde. So wie sie es selbst bereits vermutet hatte. Am Treppengeländer stehen bleibend, verschnaufte sie einen kurzen Moment, um sich dann wieder nach unten zu bewegen.

In dem Augenblick hörte sie hallende Schritte. Als sich Aya umdrehte, erblickte sie Asou, der mit regungsloser Miene vor ihr stand. Schließlich um sie herumgehend, hockte er sich am Treppenansatz hin.

„Steig auf.“

Binnen weniger Sekunden hatte er sie huckepack genommen und trug Aya die Etagen runter. Sie konnte einfach nichts sagen, sich nicht einmal bedanken. Zu viele Gedanken und doch kein einziger spukten ihr im Kopf herum.

Sich von Asou ebenso in den Rollstuhl helfen lassend, schob er sie schließlich aus dem Schulgebäude, langsam den Heimweg entlang. Letzten Endes erreichten sie eine Brücke... die, welche ein Knotenpunkt in beider Leben gebildet hatte, denn hier hatten sie sich unter einem unglücklichen Zufall kennen gelernt...

Kaum hatten sie die Überführung erreicht, war es mit Ayas vorgeschobener Ruhe vorbei. Die Augen zusammen kneifend, kullerten auch schon die ersten Tränen über die Wange, die in ein Schluchzen übergingen. Das war einfach zu viel.

Asou blickte einen kurzen Moment zu ihr, bevor er ein Taschentuch aus der Jackentasche zog und es ihr etwas hilflos anbot.

Aya nahm es entgegen, sah dann jedoch zu ihm auf, wie er immer noch stillschweigend dastand und in die Ferne zu starren schien.

„Sag etwas!“, flehte sie ihn an, „Irgendetwas! Rede von Pinguinen... oder Fischen... oder Hunden... Diese Tiere werden irgendwann auch nicht mehr aufwachen können!!“ Wieso schwieg er nur? „Erzähl eine Geschichte... oder eine Lüge!! Ich werde nicht böse sein!!“

Unter diesen Tränen der Verzweiflung war es schließlich auch für Asou zu viel des Guten.

„Ich konnte nichts tun.“, atmete er einmal aus, „Einfach das zu sagen, was ich denke, Anmaßungen zu stellen. Dabei bin ich auch nicht besser als die anderen.... von deiner Krankheit wissend, dich immer von der Seite ansehend und dann solche Sätze von mir zu geben, wie ein Dummkopf.

Es ist genauso wie mein Vater sagte... ich bin immer noch ein Kind.“

Aya wandte langsam ihren Blick von ihm ab. Sie kannte es nicht, dass er so sprach. Auf gewisse Weise... tat es ihr weh...

„Nein, das stimmt nicht.“, setzte sie entgegen und schien nach den richtigen Worten zu suchen, „Du ermutigst mich jedes Mal. Du hörst mir zu, wenn ich Dinge sage, die ich anderen nicht erzählen kann. Auf meinem Weg, weiter zu gehen... stimmst du mich fröhlich. Du bist an meiner Seite. Wenn ich mich deprimiert fühle, leistest du mir immer Gesellschaft.“

Asou sah sie ein klein wenig ungläubig an.

Auf Ayas Lippen bildete sich ein kleines Lächeln. Sie meinte es so, wie sie es gesagt hatte...

Die beiden schwiegen eine Zeit und Aya nutzte diese Chance, um ihre Gedanken erneut ordnen zu können und somit den Schlussstrich zu setzen, den sie setzen musste... ihre Zeit an der Higashikou war vorbei. Sie hatte lange dafür gekämpft, doch irgendwann... hatte sie zumindest diesen Kampf verloren. Es war Zeit voran zu schreiten.

Aya setzte ihre Hände an die Räder des Rollstuhls und schob sich ein paar Meter vor. Asou eilte ihr nach, legte die Hände an die Griffe, doch hallten in diesem Moment zwei andere Worte in seinen Ohren: „Bye bye.“

Das war es also wirklich...

Auf die Knie fallend, hielt er seinen Kopf gesenkt, weinte bittere Tränen.

Er hatte gewusst, dass es irgendwann dazu kommen würde, dass auch er irgendwann nicht weiter wissen würde... und dennoch hatte er versucht, jenen Tag zu verdrängen und zu hoffen.

… Zwar konnte Aya ihm nicht in die Augen sehen, doch wusste sie, dass nun selbst Asou-kun, in gewisser Weise an ihrem Schicksal zerbrochen war.



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