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Dunkelgrau

Teru Mikami
von

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Weiß

Die Tür war hinter ihm schwer ins Schloss gefallen, die nicht erleuchteten Räume lagen totenstill im Zentrum des mehrstöckigen Gebäudes einer einfachen Oberschichtwohnsiedlung.

Seine Hände zitterten voller Ehrfurcht, als er behutsam das unscheinbare Notizbuch aus seinem Versteck hervorholte.
 

„Kami-sama...“
 

Im trüben Zwielicht stand die Zeit von jetzt an still.

Keuchend stieß er die Luft aus seinen verkrampften Lungen.
 

„Kami-sama.“
 

Lange stand er einfach nur da, starrte mit gebanntem Blick auf die leere Seite, starrte auf den lichtspendenden Bildschirm, konzentrierte sich nur auf seinen vom schweren Atmen brennenden Hals, ließ den Schmerz in seine Brust kriechen, hinunter bis in den Bauch wo er sich schließlich als befreiender Schrei mit all den anderen angestauten Emotionen entlud.
 

„Kami-sama!“
 

Sein Handgelenk setzte an, er spürte wie die kleine Kugel dem Papier nachgab und seinen winzigen Bewegungen kompromisslos folgte. Eine schwer erträgliche Euphorie sprudelte durch seine Hand, schoss wie eine heiße Welle in seinen Arm und durchströmte ihn schließlich bis in die Fußspitzen.
 

„Sakujo.“
 

Ein schlechter Mensch verließ diese Welt, erhielt seine gerechte Strafe.
 

„Sakujo.“
 

Voller Freude zog er den Stift über die dünnen Linien während sich sein Bewusstsein im Widerhall seiner eigenen Stimme verlor.
 

„Sakujo!“
 

Die Seite füllte sich, mit jedem Schuldigen, welcher unter dem immer schneller werdenden Rhythmus seines Mantras vernichtet wurde, stieg das Gefühl der Entschädigung für all das Leid, all die Verzweiflung die er als Kind hatte erdulden müssen.
 

„Sakujo! Sakujo! Sakujo!“
 

Nie wieder sollte eine dieser Gestalten jemandem Leid zufügen, nie wieder sollte ein guter Mensch unter ihnen leiden, nie wieder wollte er ihre verlogenen Visagen anstarren müssen. Der Klang seiner Stimme verschmolz mit dem Kratzen des Stiftes, das Wort verlor seinen Sinn und wurde zum Herzschlag einer Zeremonie der Bereinigung.
 

„Sakujo! Sakujo! Sakujo! Sakujo!“
 

Alles verlor sich im weißen Glanz göttlicher Gerechtigkeit, die anfängliche Euphorie wurde zu einem verzweifelten Krampf in der Brust, verzog das so makellose Gesicht zu einer Fratze der Unersättlichkeit. Taumelnd stieß er gegen den schweren Schreibtisch, riss die Spitze immer kraftvoller über das Notizbuch, als würde er sie tief in die Rippen derer bohren, die das Leben nicht verdient hatten.
 

„Sakujo! Sakujo! Sakujo! Sakujo!“
 

Er sah sie vor sich, die angsterfüllten Augen auf ihn gerichtet, wie sie versuchten wie dreckiges Gewürm vor ihrem Tod davon zu kriechen. Im Kritzeln hörte er sie wehleidig um Gnade winseln. Sehnsüchtig nach Vergeltung zerriss er ihre verdorbenen Leiber mit der Kraft ihrer armseligen Namen, nur noch als Erinnerung eines gescheiterten Daseins im Namen Gottes in das Buch des Todes gebannt.
 

„Sakujo! Sakujo! Sakujo! Sakujo! Sakujo!“
 

Ein letzter Ruck ging durch den schreibenden Arm, im dumpfen Schein des Computers blitzte der silberne Stift wie eine Sternschnuppe in einem bewölkten Sommerhimmel, beendete schwungvoll die dicht beschriebene Seite und erlöste ihn von den flehenden Hitzewallungen seines Wahns. Auf seinem Brustkorb lastete ein schwerer Stein der Erschöpfung, der ihn vor seinem zum Altar gewordenen Schreibtisch in die Knie zwang.

Seine Gesichtszüge wurden wieder weicher, aus der Grimasse des Sinnenrauschs wurde das selige Schmunzeln eines schuldlosen Kindes.



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