Es sollte einige Zeit verstreichen bis ich Celendhril wiedersah. Tatsächlich kamen ab und an kurze Nachrichten von ihm, doch dies immer unter einem anderen Namen. Schon damals hätte mir klar sein sollen, dass selbst eine einfache Freundschaft zu einem adligen Sonnenelfen nur Schmerz bringen würde. Niemand würde seinen Umgang mit einem Halbelfen tolerieren.
Ich wurde damals in das Pantelon der Bogenschützen eingeteilt, welches Wache auf der Stadtmauer hielt, meist in den Nächten. Und diese kamen mir jedes Mal länger vor.
Die meiste Zeit verbrachte ich damals damit, in den Himmel zu schauen und Minute für Minute der Bahn des Sternes Meledan zu folgen.
Meledan... der Stern, welcher die goldene Scheibe am Morgen den Himmel empor zog.
Mein kleiner Stern.... So nannte er mich damals.
Mein kleiner Stern.... Diese Worte klingen heute noch in meinen Ohren, zusammen mit seinem warmen Atem.
Mein kleiner Stern.... Diese drei einfachen Wörter würden in späterer Zeit nur noch Leid und Zerstörung bringen.
Oh hätte er mich an diesem einen frühen Morgen doch einfach ignoriert, wie alle anderen in dieser verfluchten Stadt.
Kapitel 4 : Visionen
Celendhril ging, wie fast jeden Tag, in den Park um sich gemütlich unter seine geliebte Eiche zu setzten und ein Buch zu lesen. Zumindest versuchte er es. Doch sobald sein Rücken die Rinde berührte war er nicht mehr im Stande zu lesen. Neben sich sah er das kleine Loch des Pfeiles, der ihn damals beinahe getötet hätte. Einige Meter vor sich lag der grasbewachsene Hügel, auf dem damals der junge Krieger stand und in den dämmrigen Himmel sah.
Celendhril hatte viele kleinere Nachrichten in die Kaserne geschickt. Meist nur dummes Geplänkel. Ab und an hatte er gefragt, ob die beiden sich nicht mal wieder unter dieser Eiche treffen wollten. Einfach nur um zu reden. Die Sicht des Magiers verschwamm als ihm Tränen in die Augen traten. Er wollte sie schließen, um die Tränen weg zu drücken, doch jedes Mal, wenn er seine Lider schloss, waren diese Augen in seinem Geist. Es war eine Qual. Der Drang, diesen Augen wieder entgegen zu treten, entwickelte sich zu einer regelrechten Folter. Seit fast drei Wochen schon hatte Celendhril nicht mehr geschlafen.
Erst letzte Nacht wieder hatte er in seinem gemütlichen Bett gelegen und versucht, die Augen zu schließen. Immer wieder hielt er sich die schweißnassen Hände vors Gesicht um ihm etwas Dunkelheit zu spenden. Dieses Blau leuchtete zu hell, stach ihn mitten ins Herz. Es flüsterte ihm zu. Und das was die Augen flüsterten gefiel ihm auf eine seltsame Art. Die magischen Flüsse seines Körpers gerieten immer wieder in Schwingung und darauf reagierte sein Körper extrem. Magische und sexuelle Ekstase lagen so nahe beieinander und immer wieder schien er sich einzubilden, wie dieser Moschusduft an ihm vorbei wehte. Er weinte bittere Tränen und bat um Erlösung, doch von der Vision hatte er keine zu erwarten. Deshalb ließ er seine warmen Hände unter die Decke gleiten. Erlösung konnte er sich in solchen Stunden nur selbst verschaffen. Nach einiger Zeit spürte er, wie eine warme, leicht vor Magie prickelnde Flüssigkeit über seine zitternden Finger lief. Er schwitze am ganzen Körper. Es schien immer schlimmer zu werden. Inzwischen verwandelten sich seine Orgasmen in reine Schmerzen. Doch kaum lag er, wie leer gesaugt, wieder still auf dem Bett, kamen die kristallblauen Augen und verhöhnten ihn. Er würde nur Erlösung und Befriedigung finden, würde er sich dem Träger hingeben. Es hasste es, sich selbst zu befriedigen. Er hatte es vorher nie getan, hatte es auch nie nötig gehabt. Es waren immer genug wunderschöne Frauen um ihn gewesen, doch dieser eiskalte Blick in seinen Gedanken zwang ihn förmlich dazu. Wenn er sich verweigerte, hatte er immer das Gefühl als würde seine Energie in einer riesigen Welle aus seinem Körper brechen und in zerstören.
Seine Muskeln zitterten immer noch von den Anstrengungen von heute Morgen. Er versuchte, sich in diesem friedvollen Hain etwas abzulenken. Doch selbst dies gelang ihm nicht.
Er kam nicht dahinter warum er diese Visionen hatte. Warum sie ihn so peinigten und vor allem was seine Seele an diesen Jungen band. Doch er musste es herausfinden.
Vor lauter Schlafmangel hatte seine sonst so goldbraune Haut eine blasse Färbung angenommen. Tiefe Schatten hatten sich unter die strahlenden Augen gelegt und jeder bei Hofe hatte schon bemerkt, dass etwas mit Celendhril nicht stimmte. Sein Bruder wollte ihm einen Heiler schicken, doch der Magier schmiss ihn mit einem Wutanfall aus dem Zimmer, sodass sich die letzte Woche niemand mehr auch nur in die Nähe seiner Tür getraut hatte.
Celendhrils Blick schwankte zu einem Übungsplatz am anderen Ende des Parks, in dem die Sonnenklingen meist Bogenschießen trainierten. Auch heute hatte sich dort wieder eine Gruppe zusammengefunden, doch der Sonnenelf entdeckte unter den Kriegern keinen schwarzbraunen Zopf, der sich beim Schießen im Wind bewegte.
Er hatte gar nicht bemerkt, wie sich eine Person neben ihn setzte, als er die Sonnenklingen beobachtete.
"Celendhril, was ist nur los mit dir?", fragte eine weibliche Stimme und der Magier drehte sich erschrocken um.
Violette Augen erwiderten seinen Blick und er erkannte Alya, seine Cousine.
Kraftlos lehnte er den Kopf gegen den Baum hinter sich.
"Alya was tust du hier?", fragte er leicht gereizt.
"Ich merke, dass etwas nicht mit dir stimmt. Mein Zimmer liegt genau über deinem und ich höre die Schreie..."
"Ich ..es... es ist nichts."
"Und ich spüre die Magie, Cel... Dieselbe Energie wie an... an dem Abend", erklärte sie weiter ohne ihn anzuhören.
Mit einem Seufzen verbarg er sein Gesicht mit den Händen.
Erschrocken sah Alya mit an, wie der sonst so willensstarke Magier anfing zu beben. Er weinte.
In den ganzen 218 Jahren, die er nun schon lebte, hatte ihn noch niemand weinen gesehen. Vorsichtig nahm sie ihn in den Arm.
Die Adlige hatte Celendhril praktisch groß gezogen während seine Eltern mit den Regierungstätigkeiten zu beschäftigt waren. Man sah es ihr, wie allen Elfen, nicht an, doch sie hatte inzwischen schon mehr als fünfhundert Winter gesehen. Und die letzten zweihundert hatte sie ihr Herz Celendhril geschenkt.
Sie wusste, dass er sie nicht mochte und es auch noch nie getan hatte. Und doch hatte er ihr vor einigen Wochen das gegeben, was sie immer wollte. Und noch mehr. Ihr Körper verlangte nach mehr, so erschreckend das Erlebnis auch gewesen war. Und nun lag der Mann, der bei den Feierlichkeiten mit solch schmerzhafter Heftigkeit mit ihr geschlafen hatte, weinend in ihren Armen wie ein kleiner, verängstigter Junge.
Celendhril wusste was seine Cousine jetzt denken musste, doch es war ihm gleich. Alles war ihm egal. Er musste nur Meledan wiedersehen.
Auch Meledan litt in diesen Tagen unter Schlafmangel. Seine Nächte wurden von, wie er dachte, Alpträumen angefüllt. Jeder Schlaf wurde davon unterbrochen, dass die Sonne ihn verfolgte. Er rannte und rannte doch konnte ihr nicht entkommen. Bis er merkte, dass es zwei goldenen Sonnen waren. Langsam verschlangen sie ihn. Er zitterte immer wenn er an dieses Gefühl dachte. Eine Mischung aus Schmerz und Lust, bis er durchgeschwitzt und in voller Ekstase aufwachte. Nun stand er vor einem der Tore des Parks. Er wusste, dass Celendhril da sein musste. Er war es jeden Tag. In seinen Nachrichten stand immer wieder, er würde jeden Morgen unter der Eiche sitzen und würde sich freuen, wenn der Halbelf ihm etwas Gesellschaft leisten würde. Doch Meledan traute sich nicht. Er war seit Wochen nicht beim Training gewesen. Wie ein aufgescheuchtes Huhn lief er vor dem Park hin und her, war sich nicht sicher ob er es wagen sollte. Sein Herz verlangte danach. Es schrie ihn förmlich an. Doch der Halbelf hatte mehr als alles andere Angst davor, zurückgewiesen zu werden.
Dennoch straffte er die Schultern und schwang sich den Bogen über diese.
Er war ein erwachsener Mann. Ein Kind in der Zeitrechnung der Elfen, doch er wollte sich nicht vor Angst verkriechen. Und so ging er über die Wiesen in Richtung des Übungsplatzes. Seine blauen Augen sahen sich im Park nach dem Eichenhain um und fanden diesen. Sie fanden auch das goldene Leuchten der langen Haare. Die Robe des ersten Magiers und neben ihm ein Buch. Doch genauso fanden sie den Mann, nachdem sich Meledan mehr verzehrte als alles andere, in den Armen einer wunderschönen Sonnenelfe.
Er spürte, wie sich sein Magen verkrampfte und sein Blick sich verschleierte. Langsam liefen ihm kleine Tränen die Wangen herunter und er legte einen Pfeil auf.
Diesesmal würde er richtig zielen. Ein kurzer Blick und er schoss den Pfeil in Richtung der Eiche.
Er blieb über den Köpfen der Beiden in der Rinde hängen. Alya erschrak sich und entließ Celendhril aus ihrer Umarmung. Dieser neigte den Kopf und schaute nach oben. Grünes Gefieder zierte den Pfeil am Ende und er wusste genau, dass Meledan hier war. Dass Meledan ihn und seine Cousine gesehen hatte. Der Magier spürte, wie die arkanen Ströme in seinem Körper zu fließen begannen. Und er schrie seine Cousine an zu verschwinden, sonst hätte er sie vermutlich vor Wut in Stücke gerissen.
Doch Meledan war schon längst verschwunden und er schwor sich, den Palastgarten nie wieder zu betreten.