Prolog
Nach zwölf Krimigeschichten im Inuyashafandom wollte ich mich einmal in einer anderen Kultur versuchen, die ich allerdings erfunden habe.
Ich hoffe, auch dieser Krimi findet eure Zustimmung, auch, wenn ganz sicher keine Romanze vorkommt...
1. Prolog
Die Bibliothek zeugte von der Sammelleidenschaft des Hausherrn. Aber keine der fünf Personen um den Tisch hatte einen Blick für die kostbaren Folianten an den Wänden. Schon seit fast einer halben Stunde herrschte Schweigen am runden Holztisch. Immer wieder glitten die Blicke der vier Männer und der einzigen Frau über die Zeitungen, die auf der Platte lagen. Schreiend verkündeten die Überschriften die schreckenerregenden Skandale der letzten Tage:
„Blutleere Frau beim Picknick – Freunde verschwunden!“
„Ganze Familie gnadenlos ausgelöscht – ohne Blut! Vampire in Edinburgh?“
„Das Rätsel der Blutsauger!“
„Wieder ein Vampir-Mord! - Was unternimmt die Polizei?“
Die dunkelhaarige Frau richtete sich auf und zupfte die Spitzen an den Ärmeln ihres altmodisch wirkenden Kleid ein wenig zu Recht: „Wir haben nun fast die gesamte Nacht hier gesessen und nachgedacht. Aber es gibt eigentlich nur wenige Möglichkeiten, die uns noch offen stehen. Wir müssen etwas unternehmen.“
„Meine liebe Catriona, da sind wir uns einig. Wir Vampire leben seit Jahrtausenden mit den Menschen – und wir sind mit unserer Taktik der Unauffälligkeit immer gut gefahren. Solch eine Pressehatz auf uns – oder eher, jemanden, der uns nachmacht, können wir nicht hinnehmen. Das ist gegen unsere ureigensten Regeln.“ Der Sprecher trug Kilt, die herkömmliche schottische Tracht. Er war der einzige Mann der Runde, der die Haare kurz geschnitten hatte.
„Natürlich, Gordon, darüber waren wir uns schon vor Stunden einig. Die Polizei hat jetzt einen Vampirjäger, einen Parapsychologen, angestellt. Niemand natürlich, der uns wahren Vampire schaden könnte, aber dennoch…es könnte die Jagd deutlich erschweren.“
„Das hat es doch schon. Diese Ausgangssperre…“ wandte ein Dritter ein: „Überdies könnte uns der Hohe Rat fragen, warum wir nicht vorher etwas mitbekommen haben.“
„Das wäre nur der Fall, wenn es sich bei dem Täter um einen von uns oder einen unserer Schüler, unserer Kinder, handeln würde. Und das glaube ich nicht.“ Der Hausherr richtete sich auf: „Es muss sich entweder um einen Menschen handeln, der glaubt, ein Vampir zu sein und dabei über Leichen geht – oder aber um einen Fremden. Wir fünf sind die einzigen Vampire in Schottland, natürlich mit unseren Schülern, aber ….nun, wir kennen uns alle seit Jahrhunderten, und ich bezweifle wirklich, dass einer von uns auf so eine verrückte Idee kommen würde. Allerdings ist nicht gesagt, dass diese Mordserie nun aufhören wird. So oder so müssen wir den Hohen Rat aller Vampire informieren – wenn sie es nicht sowieso schon wissen. Die Nachrichten in ganz Europa waren voll davon.“
„Sir Angus…“ warf einer anderer ein: „Dir ist klar, wenn wir den Hohen Rat informieren, wird er selbst Ermittlungen gegen uns einleiten. Schön, wir haben nichts zu verbergen, aber den Inquisitor in der Gegend, ja, auf dem Hals zu haben…“
„Das weiß ich, Ronald. Ich bin ihm einmal begegnet.“ Und da alle etwas erstaunt den Hausherrn ansahen: „Es war kurz vor der französischen Revolution. Unser „Vater“ nahm mich damals allein mit nach Rom, wie ihr euch wohl erinnert. Er hatte ein Treffen mit einer Vampirin namens Donna Inanna. Sie war - und ist - Ratsmitglied. Einer so alten und mächtigen Frau bin ich nie zuvor und nie nachher begegnet. Ich weiß nicht, was unser Meistervater damals von ihr wollte, bei dem Gespräch war ich nicht zugegen, aber wir trafen sie später ein wenig außerhalb von Rom. Sie nutzte da ein Anwesen, das einem anderen gehörte. Unser „Vater“ fragte sie eher beiläufig, ob sie nichts dagegen hätte, hier zu wohnen und sie zuckte die Schultern. Der Kadash sei ein reizender Gastgeber. Ich konnte mit diesem Begriff damals nichts anfangen, aber als er kam…“ Sir Angus sah in die Runde: „Er kam und ich spürte die Macht von Jahrtausenden. Selbst Donna Inanna war dagegen ein Nichts. Keine Chance, war alles, was ich noch denken konnte. Sie hatte wohl bemerkt, wie er auf mich wirkte, denn sie sagte, und das habe ich nie vergessen: mein Junge, ein wahrer Vampir tötet nicht. Weder seine Nahrungswesen noch einen Artgenossen. Um unser aller Frieden zu wahren ist es jedoch notwendig, Vampire, die verrückt werden und Gebissene schaffen, zu töten. Der Kadash ist derjenige von uns, der allein diese Blutschuld trägt. Darum spürst du den Schauer, wenn du ihn triffst. Aber sei ihm dankbar, denn er erspart uns allen viel Leid.“
„Wie sah er aus?“ erkundigte sich Catriona neugierig.
„Er war dunkel, dunkel die Haut, die Haare. Mehr weiß ich nicht mehr. Alles ging unter in dieser unglaublichen Ausstrahlung der Macht. Ich glaube, er ist wohl der älteste Vampir, der sich noch nicht zurückgezogen hat.“
Die anderen nickten. Es geschah immer wieder, dass sich mächtige Vampire aus den Händeln der Welt zurückzogen, um in der Einsamkeit ihren weiteren Studien nachzugehen. Natürlich, sobald sie keine Schüler mehr hatten, die der Lenkung bedurften. Auch ihr Meister hatte dies getan. Sie wussten nicht, wo er nun lebte. Es war verpönt, den Wunsch nach Einsamkeit zu ignorieren.
Sir Angus fuhr fort: „Dann schreiten wir zur Abstimmung. Catriona McKenzie, für dich und deine Schüler:.?“
Sie nickte: „Für mich und Archibald und James. Wir informieren den Hohen Rat.“
„Gordon MacGregor? Für dich und deine Schüler?“
„Einverstanden. Für mich, Arthur, Henry und Eleanor.“
„Sir Ronald McDonald? Für dich und deine Schüler?“
„Ich habe in der Tat Bedenken, den Inquisitor zu rufen. Aber ich sehe keine Alternative. Einverstanden. Für mich, Margaret, Mary und Charles.“
„Henry Stuart? Für dich und deine Schüler?“
„Wir werden sehen, ob der Inquisitor überhaupt von Nutzen sein kann. Wenn es ein Mensch ist oder mehrere Menschen sind, die diese Morde begangen haben, wird er kaum mit der Polizei zusammenarbeiten. Ist es allerdings ein ortsfremder, verrückt gewordener Vampir, wäre es sicherlich sinnvoll, auch unsererseits Ermittlungen anzustellen. Nun gut. Einverstanden. Für mich, Michael, Edward und Christopher..“
„Danke. Und ich, Sir Angus Douglas, stimmt ebenfalls mit „einverstanden“, für mich und meine Schüler: Frances, Thomas und Neville. – So werde ich die Taube abgehen lassen. Ich weiß nicht, wo sich der Hohe Rat der Vampire im Moment befindet, aber es mag sein, dass es Tage braucht, ehe der Inquisitor eintreffen kann. Ich möchte daher euch allen und euren Schülern die Gastfreundschaft meines Hauses anbieten.“
Die anderen vier neigten dankend die Köpfe.
Henry Stuart meinte jedoch: „Ich erkenne dein Angebot an, auch, wenn es wohl ein wenig beengt werden dürfte. Das größere Problem dürfte die Nahrung sein. Soweit ich weiß, herrscht hier in Edinburgh im Moment Ausgangssperre von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang.“
„Ja“, erklärte Sir Ronald: „Die Menschen gehen eben fälschlicherweise davon aus, dass wir uns wie dieser jämmerliche Abschaum von Gebissenen verhalten würden und im Sonnenlicht sterben.“ Sonne war unangenehm, zu lange verursachte sie Brennen auf der Haut, schlussendlich einen Sonnenbrand, wenn man sie nicht gewohnt war, aber sie brachte keinen wahren Vampir um.
„Wir sind einstweilen nicht auf die Jagd angewiesen, meine Freunde“, meinte der Hausherr: „Für eine solche Situation habe ich mir auf gewissen Umwegen Blutkonserven verschafft.“
„Frances?“ fragte Catriona mit gewissem Lächeln: „Deine Schülerin wird sehr nützlich.“
„Ja. Womöglich ist es manchmal sehr gut, mit der Zeit zu gehen. – Dann bitte ich euch, eure Schüler entsprechend zu informieren. Ich werde es auch tun und den Brief an den Hohen Rat schreiben.“
Zwei Tage später war der Inquisitor in Edinburgh.
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Im nächsten Kapitel beginnen also die Ermittlungen.
bye
hotep