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Regen

Du kannst nicht verstanden werden, wenn du nicht verstanden werden willst.
von

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unter der Brücke

Der Junge hatte sich die Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Er saß unter der Brücke, die Beine angezogen, die Arme darum geschlungen und das Kinn auf die Knie gelegt.

Es war kein komfortabler Ort. Es war weder warm noch bequem, aber es war wenigstens trocken. Missmutig starrte er zu dem Bereich der jenseits der trockenen Zone unter der Brücke lag. Prasselnd fiel der Regen auf die Erde und in das trübe, graue Wasser des vorbeiziehenden Flusses.

Kleine Sturzbäche aus Regenwasser flossen die Böschung hinab und vereinigten sich mit dem Fluss. Drüben, am anderen Ufer konnte der Junge Menschen sehen, die mit bunten Regenschirmen die Uferpromenade entlangliefen. Niemand sah zu ihm herüber und selbst wenn jemand zu ihm sah, so würde er doch nichts weiter sehen, als einen grauen in sich zusammengesunkenen Haufen, der hinter den Regenschleiern verschwamm und fast gänzlich verschwand.

Der Junge seufzte und starrte den herabprasselnden Regen an, als suche er darin nach einem bestimmten Bild, oder einem Muster. Wie Tränen. Dachte der Junge Als würde jemand da oben weinen.

Dabei war er doch so ziemlich der einzige, der einen Grund zum Weinen hatte. Aber er weinte nicht. Er weinte nie.

Zitternd zog er die Beine fester an sich. Ihm war kalt, so kalt. Wenn wenigstens seine graue Sweatshirtjacke endlich trocknen würde, aber darauf konnte er bei den Temperaturen wohl lange warten. Vorsichtig wackelte er mit den Zehen. Sie waren schon ganz steif, denn nicht einmal Schuhe trug er.

Er trug immer noch dieselbe Kleidung, die er getragen hatte, als er von zu Hause fortgelaufen war. Woher sollte er auch andere Kleider bekommen? Sicher er konnte welche stehlen, Geld besaß er nämlich keins. Aber er war eigentlich ein ehrlicher Mensch und ihm behagte die Vorstellung nicht, etwas zu klauen. Seine ganzen Ersparnisse befanden sich noch bei ihm zu Hause.

Er seufzte wieder und schüttelte den Kopf, versuchte verzweifelt die Gedanken an sein zu Hause abzuschütteln. Er wollte nicht daran denken. Nicht jetzt und am besten überhaupt nie mehr.

Trübsinnig hob er den Kopf und starrte wieder in den Regen. Versuchte den fallenden Tropfen mit den Augen zu folgen, aber sie waren zu schnell.

Er schloss die Augen. Er war so müde. Aber schlafen wollte er nicht. Was wenn ihn hier unten jemand fand, während er schlief? Er musste doch in der Lage sein, fortzulaufen und das war er nicht, wenn er schlief.

Er hörte Schritte und rutschte so weit nach oben, dass er mit dem Kopf fast an die Brücke stieß. Gleichzeitig versuchte er, sich so klein wie möglich zu machen und zog die Kapuze noch ein Stück tiefer ins Gesicht.

Ein Mädchen betrat den schmalen Fußweg, der direkt am Wasser verlief. Eigentlich war das Betreten dieses Weges verboten, aber das schien sie nicht zu kümmern. Sie trug eine zerrissene schwarze Strumpfhose, einen knielangen ausgeblichenen Rock, löchrige Chucks und eine ausgefranste Jacke, die wohl einmal rot gewesen war.

Am rechten Handgelenk trug sie ein Nietenarmband und um den Hals ein Stachelhalsband. Ihre schwarzen Haare sollten wohl wild gestylt sein, aber dank des Regens hingen sie schlaff herunter.

In der linken Hand hielt sie eine Bierflasche.

Zögernd starrte sie zu ihm hoch, dann kletterte sie den Abhang hinauf und setzte sich neben ihn. „Wie heißte?“

Er schwieg, warf ihr nur von der Seite aus einen Blick zu.

Sie zuckt die Achseln. „Auch egal. Hier“, sie hielt ihm die Bierflasche hin „Willste?“

Zögernd griff er nach der Flasche und nahm einen Schluck. Es schmeckte scheußlich. Mit der einen Hand wischte er sich den Mund ab, mit der anderen gab er dem Mädchen die Flasche zurück.

Sie nahm ebenfalls einen Schluck. „Was tuste überhaupt hier? Das is eigentlich mein Platz. Ich hab dich hier noch nie gesehn. Eigentlich ja auch sonst niemand.“

Er starrte geradeaus. „Bin von zu Hause fortgelaufen.“

„Oh.“, machte das Mädchen. „Warum das denn? Hatteste Zoff mit deinen Alten?“

Der Junge zog die Augenbrauen zusammen. „So in etwa.“

Eine Weile schwiegen sie beide, dann räusperte sich das Mädchen. „Ich bin übrigens Katrin.“

Der Junge nickte. „Tom.“

„Also Tom. Was für Zoff hatteste denn? Oder willste nich darüber reden?“

Tom schüttelte den Kopf. „Lieber nicht.“

„Na dann nich.“, meinte Katrin nur und verfiel wieder in Schweigen.

Eine Weile später seufzte sie. „Meine Alte hat mich immer geschlagen un mein Alter au. Aber seltener. Der war ja fast nie da.“

Sie schob die Ärmel ihrer Jacke nach oben und zeigte ihm einen hässlichen Bluterguss, der sich über ihren ganzen Unterarm erstreckte. Dann schob sie ihre Jacke nach oben und deutete auf einen großen blaugrünvioletten Fleck auf ihrer rechten Seite. „Da. Hab ich ihm zu verdanken.“ Sie lächelte.

„Warum lächelst du? Ich finde so etwas nicht lustig.“

Katrin schüttelte den Kopf. „Was soll ich n sonst tun. Soll ich flennen? Das hilft mir au nich weiter.“

Tom nickte betreten. „Stimmt schon.“

Wieder verfielen beide in Schweigen und Tom lauschte dem Regen, der auf die Erde niederprasselte.

Nach einer Weile seufzte das Mädchen wieder. „Bist wohl nich so der gesprächige Typ.“

„Nicht mehr.“, murmelte Tom.

„Wasn los?“

„Ich bin krank.“

„Na kein Wunder.“, kritisch starrte sie auf seine nackten Füße.

Der Junge schüttelte den Kopf. „Das meine ich nicht. Ich bin richtig krank. Todkrank, wenn du verstehst was ich meine.“

Das Mädchen zog eine Augenbraue hoch. „Wie meinste?“

Er seufzte resigniert. „Ich habe eine tödliche Krankheit. Mit jeder Stunde, die verstreicht, mit jedem Tag, der vergeht rückt mein Tod näher.“

Sie sah ihn mit schief gelegtem Kopf an. „Das is aber eigentlich bei jedem so. Is das der Grund, warum du von zu Hause fort bist?“

„Ja und nein. Du würdest es nicht verstehen.“, er seufzte „Niemand versteht mich.“

„Stimmt.“, meinte das Mädchen. „Weil du nich mal versuchst, es zu erklären. Wie solln dich denn die Leute verstehn, wenn du dein Maul nich aufkriegst?“

Er zuckte zusammen. Daran hatte er noch nicht gedacht.

„Weißt du“, fuhr das Mädchen fort. „Ich hab au lange Zeit gedacht, niemand würde mich verstehn, aber des stimmt gar nich. Oft gibt es ganz viele, die dich sehr gut verstehn, aber du siehst sie nich, weil du zu sehr in Selbstmitleid versinkst. Du bist der festen Überzeugung, dass dich niemand verstehen kann un darum siehst du sie nich. Die, die dich verstehn.“

Tom sagte nichts. Sein Gehirn versuchte die Worte zu verarbeiten, die das Mädchen gerade ausgesprochen hatte.

Katrin schüttelte den Kopf. „Wenn du wirklich ne tödliche Krankheit hast solltest du bei denen sein, die dir wichtig sin un denen du wichtig bist.“ Sie zog einen Zettel aus der Tasche und reichte ihn ihm. „Das bist doch du, oder?“

Der Junge starrte den Zettel an. Es war ein Bild von ihm, ungefähr ein halbes Jahr her. Darunter stand: Wer hat diesen Jungen gesehen? Wir vermissen unseren Sohn. Wir vermissen ihn so sehr. Wenn irgendjemand einen Hinweis hat, dann soll er ihn bitte der Polizei, oder direkt uns melden. Telefon: 0XXX-XXXXX

Tom ließ den Zettel sinken.

Eigentlich hatte er gar keinen wirklichen Streit mit seinen Eltern gehabt. Er liebte seine Eltern und sie waren ihm wichtig. Er hatte sie nur nicht weiter belasten wollen und außerdem war er davon ausgegangen, dass sie ihn sowieso nicht verstanden.

Er stand auf. „Ich muss was erledigen.“

Katrin nickte. „Das glaub ich aber auch. Vergiss mich nich un genieß das Leben. Es ist au so schon kurz genug.“

Sie lächelte und er lächelte zurück, dann kletterte er hinab auf den schmalen Weg und rannte los. Rannte immer weiter. Seine nackten Füße spritzten das Regenwasser auf, In kürzester Zeit war er völlig durchnässt, aber er wurde nicht langsamer.

Immer weiter rannte er und der Regen fiel von oben herab, wie Tränen, aber er hatte keinen Grund mehr zu weinen.

Na du da oben. Dachte er jetzt musst du wohl alleine heulen.

Wie als Antwort darauf, riss die Wolkendecke ein kleines Stück auf und ein Sonnenstrahl fand seien Weg hindurch. Einen Moment lang spannte sich ein Regenbogen über den Fluss und die Welt schien zu glitzern, dann schloss sich die Wolkendecke wieder und der Lichtstrahl verschwand.

Tom lächelte und breitete die Arme aus, als versuche er die ganze Welt zu umarmen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von: abgemeldet
2009-03-30T20:38:58+00:00 30.03.2009 22:38
Jaa schade >.< , mäp ich frag mich auch wie dieser tom aussieht!!! :D wollte lulu da nich nen bild maln? x3, die geschichte ist echt tooolligg
ich frag mich manchmal wie du auf diese genialen einfälle kommst :D ich mag deine geschichten :3
Von:  LittleMissMel
2009-03-27T19:00:55+00:00 27.03.2009 20:00
uups hab jetz erst gemerkt dass das ein one-shot ist...Dann besteht ja wohl kaum die möglichkeit, dass irgender mit irgendwem zusamm kommt
Schade eigentlich...
Von:  LittleMissMel
2009-03-27T18:58:31+00:00 27.03.2009 19:58
schöne story^^
Vor allem Katrin find ich cool ;)
Ich fänds auch schön wenn die zs kommen
*daumen hoch*
weiter so!!! XD
Von:  PONPON
2009-03-13T14:51:22+00:00 13.03.2009 15:51
wunderschön *-*
wie sieht tom denn aus?
und ich fänds toll wenn er mit katrin
zusammen kommt x3
*knuddl*


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