Ice Cool
Es tut mir leid, ich habe die ersten Kapitel schon vor einer ganzen Weile verfasst, sie sind also nicht allzu überragend ^^"
------>
Es war die schneidende Frostluft die ihn an diesem Morgen, ungewohnt früh, weckte.
Schlaftrunken öffnete er seine tiefschwarzen Augen und verzog den Mund zu einem herzhaftem Gähnen. Er sog tief die Luft ein und streckte sich ausgiebig, bevor er wie vom Blitz getroffen zusammenfuhr und sich die verrutschte Bettdecke bis zur Nasenspitze zog.
“Was zum-?”
Der junge Mann mit der naiven, viel zu hellen Stimme versuchte das Zittern, das von ihm Besitz ergriffen hatte, niederzukämpfen, während er nach der Ursache des plötzlich eiszeitlichen Klimas seines Zimmers suchte.
Sein Blick huschte zu dem großen Fenster, durch dessen staubiges Glas ihn tapfer ein paar erste Strahlen der aufgehenden Sonne entgegen blitzten. Es war fest verschlossen. Genauso wie die schwere eiserne Tür, die sein kleines Zimmer von dem Parkplatz des Studios trennte.
Aber warum verdammte Scheiße is’ es dann nur so kalt hier drin?
2D warf verstohlen einen Seitenblick auf den Kleiderhaufen, der achtlos in der -zu seinem Leidwesen hintersten- Ecke des Zimmers lag.
Er wünschte sich auf einmal er hätte am gestrigen Abend mehr angezogen als die pinkfarbenen Boxershorts.
Wagemutig streckte er einen der blassen Arme unter der Decke hervor, zog ihn jedoch prompt wieder an den wärmenden Körper zurück.
KALT!
Der Sänger spielte kurz mit dem Gedanken einfach wieder in sein wunderbar weiches Kopfkissen zu sinken und den restlichen Winter durchzuschlafen.
So wie es die Kaninchen machten! Einfach warten bis das Schlimmste vorüber war, und man keine Angst mehr haben musste, sofort schockgefrostet zu werden, wenn man das Bett verließ… Hielten Kaninchen eigentlich Winterschlaf?
2D wusste es nicht, und eigentlich war es ihm auch egal. Er wollte nur möglichst schnell zum Kong flüchten und sich aufwärmen.
Okay bei drei steh ich auf, nahm er sich mutig vor und krallte die langen Finger in die Enden seiner dünnen Bettdecke.
Äh… Eins, zwei… drei!
2D zögerte kurz, doch dann riss er sich die Decke vom Körper und sprang schwungvoll aus dem Bett.
Als seine nackten Füße die Fliesen seines Zimmers berührten, zog er zischend die eisige Luft ein.
Im Eiltempo hechtete er zu dem angepeilten Ziel, grapschte sich Jeans, Socken, sowie Rollkragenpullover und machte schlitternd kehrt.
Beinahe hätte er den Halt verloren und sich der Länge nach hingelegt, konnte sich im letzten Augenblick jedoch mit einem Ausfallschritt vor einem gebrochenen Bein bewahren.
Dennoch schaffte er es nur mit mäßigem Erfolg das Bett wieder völlig unbeschadet zu erreichen; bevor er auf die Matratze klettern konnte, knickte er unglücklich um und schlug mit der Kniescheibe auf der kalten Oberfläche des Bodens auf.
Der Schmerz zuckte wie ein Stromstoß durch sein rechtes Bein und ließ ihn qualvoll aufschreien.
Der Sänger blieb kurz hocken. Er wartetet frierend, bis der stechende Schmerz zu einem unangenehmen Pochen abgeebbt war.
Dann rappelte sich vorsichtig auf. Das Gelenk knirschte verdächtig.
2D biss sich auf die Unterlippe und stieg auf das Bett.
Rasch streifte er sich den roten Wollpullover über den Kopf.
Die grelle Farbe des Oberteils biss sich stark mit dem Azurblau seiner zerzausten Haarpracht. Eine Tatsache die ihn allerdings nur wenig störte.
Schnell versuchte er in die Jeans zu schlüpfen, konnte allerdings nicht verhindern das er das verletzte Knie anwinkeln musste.
“Autsch!”
2D war sich sicher das seine Kniescheibe nur noch aus einem kleinen Haufen Splitter bestand.
Darauf bedacht das Bein nicht zu sehr zu belasten, zog er sich die Socken über seine kalten Füße. Er vollführte beinahe einen Spagat als er versuchte, an das Ende seines durchgesteckten Beines zu gelangen.
Er konnte sich selbst nicht genau erklären wie, doch 2D schaffte es die Prozedur ohne weitere Schmerzen zu meistern.
Umständlich robbte er zur Kante seiner Matratze und setzte vorsichtig die besockten Füße auf den Boden.
Humpelnd machte er sich auf den Weg in Richtung Eisentür. Unterwegs schlüpfte er eilig in die hellblauen Chucks, die neben einem seiner unzähligen Keyboards lagen.
Zwei Allstars, geziert mit dem Namen seiner Band… Ähm, der Band in der er spielte.
2D öffnete die Schlösser, die seine Zimmertür schmückten (man weiß ja schließlich nie, wer sich vielleicht mitten in der Nacht einmal dazu entschließt, einem einen Besuch abzustatten, und dann nach allen Regeln der Kunst zu verprügeln) und trat hinaus auf den überdachten Parkplatz.
Der junge Sänger schlang die langen Arme um die schmale Brust.
Hier draußen war es sogar noch kälter als in seinem Zimmer.
Gefühlte -106°C. Mindestens!
2D passierte zügig den großen Wohnwagen der nun schon seit gut und gerne sieben Jahren an ein und der selben Stelle parkte.
Er stellte fest das weder Licht brannte, noch irgendeine andere Regung darauf hinwies das sein Bandkollege bereits aufgewacht war.
Als er schließlich die kleine Küche des Studios betrat, sollte er jedoch eines Besseren belehrt werden.
Murdoc Niccals saß an seinem Stammplatz, mit dem Gesicht zur Tür, dem Rücken zur Wand und den Füßen auf dem Tisch.
Wenn er bemerkt haben sollte das sein Sänger eingetreten war, ließ er es sich nicht anmerken und redete stattdessen weiter angeregt, und scheinbar verärgert (wie 2D es eigentlich auch nicht anders von ihm kannte) auf den massigen, schwarzen Drummer der Band ein.
Russel hingegen stimmte in das “Guten Morgen” Noodles mit ein. Sie hockte mit einer Tasse in der Hand vor dem alten Ofen, in dessen rußiger Mitte ein kleines Feuerchen prasselte. Es verbreitete eine wohlige und willkommene Wärme.
2D wunderte sich. Eigentlich hatten sie den Ofen nie benutzt. Sie wollten ihn schon vor langer Zeit entsorgen, hatten dies allerdings wegen Noodles Protest, letztlich doch gelassen.
Sie hielt ihn für ein nostu- nasto-… Äh… Ah, für ein nostalgisches Sammlerstück, wenn 2D es sich richtig gemerkt hatte.
Er war sich nicht allzu sicher was das bedeutete, aber wenn er der Gitarristin so gefiel, sollte sie ihn doch ruhig behalten.
“Äh… Was macht ihr’n schon hier?”, wollte er wissen.
“Diskutieren”, war die knappe Antwort seitens Murdoc.
2D wandte sich an den ruppigen Bassisten, wobei ihm sofort auffiel das dieser -ganz im Gegensatz zu ihm selbst, Noodle und Russel- lediglich eine Jeans und die gewohnte Kette, mit dem umgedrehten Kreuz trug. Kein Oberteil.
Es juckte 2D in den Finger sich selbst den Pullover vom Leib zu reißen.
Aus reiner Loyalität und Bewunderung zu diesem Mann.
Ja, er bewunderte ihn wirklich. Seine Coolness, sein Auftreten, seine Intelligenz.
Außerdem hatte er 2D das Leben gerettet! Glaubte er jedenfalls…
“Diskutieren?” Der Sänger konnte sich nicht vorstellen worüber man kurz nach Sonnenaufgang diskutieren sollte.
“Ja”, schnaubte Murdoc. “Diskutieren. Is’ das etwa auch ein Fremdwort für dich, Schwachkopf?”
2D machte ein Gesicht, entgegnete jedoch nichts.
Er sah über Murdocs Rohheit hinweg. So wie er es immer tat.
Muds war nun einmal Muds.
“Worüber‘n ?”, erkundigte er sich stattdessen.
Murdoc knirschte genervt mit den Zähnen und warf ihm einen gereizten Blick zu.
In Ordnung. Heute schien er wirklich miese Laune zu haben.
“Falls es dir noch nich’ aufgefallen sein sollte, mein hirntoter Freund, ist in dem ganzen Drecksladen hier der Strom ausgefallen, was bedeutet das wir weder etwas anderes als Dosenfraß essen- noch heizen können!”, schimpfte er.
“Oh… Na ja, un‘ ?”
Russel war derjenige der antwortete. “Ich hab’ herausgefunden das das gesamte Stromnetzwerk im Umkreis von zehn Kilometern zusammengebrochen ist. Und da wir das einzige Gebäude im Umkreis von zehn Kilometern hier sind, sind logischer Weise nur wir davon betroffen. Die Reparaturarbeiten könn’ sich also noch bis zu zwei oder drei Wochen hinziehen”, erklärte er.
“Ah…”, machte 2D, der der ganzen Sache nicht wirklich folgen konnte.
“Und wir haben darüber diskutiert uns hier zwei Wochen lang den Arsch abzufrieren und uns von, wie Murdoc so schön sagt, Dosenfraß und Pizza zu ernähren, oder… eine Weile wegzufahren.”
“Ich möchte irgendwo hin fahren wo Schnee liegt!”, warf Noodle ein.
Murdoc knurrte missmutig.
“Is’ es dir hier nicht kalt genug?”, fragte der Mann, der Mitte Dezember ohne Shirt herumrannte.
“Mhm… Schon, aber hier liegt ja kein Schnee, Murdoc”, entgegnete sie.
“Wir fahren nicht weg!”
Dem Ton des Bassisten nach zu urteilen schien die Sache damit gegessen.
Noodle ließ sich jedoch nicht so einfach abspeisen.
“Und wer entscheidet das?”
“Ich entscheide das”, knurrte Murdoc.
2D wusste genau, stünde er nun an Noodles Stelle hätte er sich spätestens jetzt, zusätzlich zu dem verletzten Knie, auch noch ein paar nette Feilchen eingefangen.
“Ich denke es wäre nur fair auch uns andere nach ihrer Meinung zu fragen nicht wahr Murdoc?”, beharrte sie und stellte ihren Kakao auf die Herdplatte des kleinen Ofen.
“Nichts da, wir bleiben! Punkt! Jetzt halt endlich den Mund!”
Die Gitarristin schien zu bemerken das sie mit der Überzeugend-Sachlichen-Tour nicht weiter kommen würde.
Sie erhob sich, wobei sie sich mit einer raschen Bewegung den viel zu langen Pony aus dem Gesicht strich.
2D wusste das die junge Japanerin vorhatte ihre kleine “Geheimwaffe” einzusetzen.
Plötzlich verspürte 2D einen Stich in der Magengrube. Verwundert drückte er sich die Faust auf den Bauch.
“Aber Murdoc-sama! Seit ich hier bin, hatten wir erst einen richtigen Winter und das ist fast fünf Jahre her. Ich würde doch so gerne irgendwo hinfahren wo es schneit… Bitte, bitte. Lass uns fahren… Für miiich…?”
Noodle hatte sich neben Murdocs Stuhl auf den Boden gehockt. Sie blinzelte ihm nun aus grünen Mandelaugen entgegen. Einen Zeigefinger hatte sie dabei an den Mundwinkel gelegt, was sie besonders unschuldig aussehen ließ.
Eine sehr effektive Methode.
Murdoc verschränkte die Arme und starrte gegen die Wand.
Dabei erinnerte er 2D ein klein wenig an ein bockiges Kind… Noodle hatte früher des Öfteren so ausgehen, wenn Murdoc sie nicht in seinem Winnebago hatte spielen lassen!
Jeden Augenblick würde Murdoc nachgeben. Bestimmt… Hoffentlich.
2D hatte gerade kurzerhand den Entschluss gefasst, auch irgendwohin vereisen zu wollen. Ein Tapetenwechsel würde ihm gut tun und vielleicht sogar ein bisschen Inspiration für einen neuen Song liefern!
“Außerdem”, setzte Noodle an, “werden da mit Sicherheit auch schöne Frauen sein. An den heißen Quellen vielleicht… und sowieso…”
(Noodle hatte scheinbar bereits einen Fünfsterneaufenthalt für die Band geplant).
Murdoc drehte dem Mädchen den Kopf zu.
Seine Brauen waren weiterhin missmutig zusammengekniffen, doch in seinen Augen konnte 2D ein verdächtiges Funkeln erkennen.
Noodle hatte gewonnen.
“Na schön. Fein! Du hast gewonnen!”, bestätigte er, und fuchtelte mit den Händen in der Luft herum.
“Fahren wir eben an deinen bekloppten Urlaubsort! Bitte!”
Noch während Murdoc wild und scheinbar sauer gestikulierte, hatte Noodle bereits erfreut die Hand in die Luft gestreckt und ihm das schwarze Haar zerzaust.
Mit einem siegreichen Grinsen auf den Lippen drehte sie sich um.
2D meinte sie zwinkern zu sehen, obwohl das lila Haar ihr bereits wieder vor die Stirn gefallen war.
Er versuchte einen Blick aufzusetzen der so viel aussagen sollte wie Wie machst du das nur?
Die Gitarristin zuckte mit den Schultern und hauchte 2D im Vorbeigehen einen Kuss auf die Wange.
Fröhlich trällernd verließ sie den Raum.
Derweil schien Murdoc immer weiter in Rage zu geraten.
“…weil ich der Bandleader bin und wir nicht einfach nach Lust und Laune in der Welt rumjagen können! ICH hab die Band gegründet! Also steht MIR das Recht zu, zu entscheiden! Aber wen interessiert das hier eigentlich noch?!”
“Mich interessiert das, Muds”, versuchte 2D den Bassisten zu beruhigen.
“Ach so? Na wunderbar! Was heißt das denn schon, hä? Dich interessieren ja schließlich auch Kätzchen, Liebeslieder, schwuchtelfarbene Bettwäsche und hautenge Rollkragenpullover!”
Murdoc machte eine ausladende Geste mit der Hand.
“Weißt du das sich das nicht gerade vorteilhaft auf deine, ohnehin nur minimal vorhandene, Männlichkeit auswirkt, D?!”
2D fühlte sich beinahe erschlagen von so viel Kritik.
“Muds, beruhig dich jetzt Alter.”
Russel, der das Schauspiel bis jetzt schweigend verfolgt hatte (was wohl zu größten Teilen daran lag, dass er mit dem Essen eines Sandwichs von unglaublichem Ausmaß beschäftigt war), hob beschwichtigend die Hände.
“Beruhig dich Alter”, äffte der Satanist den Drummer nach.
2D ahnte Schlimmes und duckte sich innerlich.
Er selbst war für Murdoc bis jetzt immer das beste Ventil gewesen um sich abzureagieren.
Ein Ventil das er in diesem Augenblick scheinbar gut gebrauchen konnte.
Murdoc schien schon seit dem Aufstehen schlecht gelaunt zu sein. Der Stromausfall und Noodles Überredungskunst hatten das Fass wohl zum Überlaufen gebracht.
Oder besser gesagt, zum explodieren.
Ein Stuhl flog gegen eine Wand und verlor mit einem lauten Knack ein Bein.
Ein Tisch wurde grob zur Seite geschoben, ein wütender Bassist kam auf ihn zugestampft.
Sollte er jetzt weglaufen? Nein, warum sollte er, er hatte doch nichts Verbotenes getan… oder doch?
Am Besten einfach stehen bleiben.
Der Bassist rauschte kochend auf 2D zu. Dieser hatte das Gesicht verzogen, in Erwartung jeden Augenblick eine Tracht Prügel einstecken zu müssen.
“Geh mir aus dem Weg, Arschloch!”, befahl Murdoc und versetzte 2D einen groben Stoß.
Der Sänger stolperte zur Seite. Im ersten Moment legte sich ein erleichterter Ausdruck auf das hübsche Gesicht, der sich jedoch schlagartig in Qual verwandelte.
2D‘s Bein erhielt einen schmerzhaften Ruck und vor seinem inneren Auge explodierten zahlreiche Farben.
Ein lautes Knirschen schien sein Trommelfell zerreißen zu wollen.
Er verlor den Boden unter den Füßen, versuchte sich schnell an etwas abzufangen. Vergeblich.
Als er spürte wie seine Stirn mit etwas hartem kollidierte, erloschen die Farben.
Er fühlte sich wie in schwarzes Samt gehüllt. Um ihn wurde es Nacht.
In weiter Ferne hörte er seinen eigenen Aufschrei und den eines anderen…
“Stu?!”