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Stille Wasser sind tief

von

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Und seitdem sie es wissen

Nervös bereitete Farin etwas zu essen zu. Wie gerne hätte er jetzt Robert an seiner Seite. Aber nein, er wollte ja alleine mit Bela und Rod reden. Schließlich ging es hier um Die Ärzte und das ging nur sie drei was an. Pah, was war er doch für ein Dummkopf! Klar würde es auch um die Band gehen, aber sicher wollte Rod noch einmal über dieses eine Thema reden. Wahrscheinlich hatte er auch noch mit Bela darüber geredet. Eine Tatsache, über die der Gitarrist noch nicht mal wütend wäre. Immerhin wäre der Ältere dann schon vorbereitet und das würde das Ganze erträglicher machen.
 

„Glaubst du, er weiß, dass wir darüber reden wollen?“, fragte Bela flüsternd, als er und Rod zu Farins Haustür gingen.

„Er ist nicht dumm“, erwiderte dieser genauso leise.

Sie gingen die zwei Stufen zum Eingang hinauf und drückten die Klingel.

„Aber vordergründig –“

„Reden wir über die Band. Ich weiß, Rod, ich weiß“, seufzte der Drummer genervt.

Er hatte schließlich Taktgefühl! Der Chilene wollte noch etwas ergänzen, aber da wurde auch schon die Tür geöffnet.

„Hey Leute, kommt rein“, begrüßte sie der Gastgeber und trat zur Seite, um auch genügend Platz dafür zu schaffen.

Die drei umarmten sich kurz, dann zogen sich die beiden Schwarzhaarigen unter Farins Beobachtung Schuhe und Jacken aus.

„Ist Robert…“, begann der Jüngste im Bunde dann, nachdem er sich flüchtig umgesehen hatte.

„Nicht da“, vollendete der Gitarrist. „So…habt ihr Hunger? Ich hab Brötchen gemacht“

Gemeinsam gingen sie in die Küche, wo auf dem Esstisch schon Teller mit besagtem Häppchen, Gläser, ein Krug mit Wasser und eine Flasche Weißwein von der Sorte, von der der Hausherr wusste, dass die beiden ihn mochten, standen.

„Hach, ich glaub, ich weiß wieder, warum wir die Treffen so gerne bei dir abhalten“, lobte Bela das, was er sah.
 

Nachdem sie ihren Hunger und Durst während einem belanglosen Gespräch gestillt hatten, gingen sie in das geräumige Wohnzimmer und ließen sich auf das große, beige Sofa nieder.

„Also…damit wir alle richtig informiert sind und nicht von drei komplett verschiedenen Sachen reden: Wir haben uns damals, bevor du, Jan, in Urlaub gefahren bist, vorgenommen, dass wir uns Gedanken darüber machen, wie es nun mit Die Ärzte weitergeht, oder?“, leitete Rodrigo ein, woraufhin er ein zustimmendes Nicken seitens der anderen beiden erhielt.

„Gut, dann sagen wir doch mal, was wir uns überlegt haben, oder? Wer will anfangen?“

„Also…ich hab durch ‚Bingo’ wieder richtig Bock auf’s Musik machen…und wenn wir beim Zusammenspielen wieder genauso harmonieren wie früher…? Also, wenn wir bei den Proben gut miteinander auskommen, kann ich’s mir auch vorstellen, wieder weiter zu machen“, erklärte Bela.

Auch seinen Mitmusikern ging es nicht anders. Sie beschlossen auch noch, wenn sie dann wirklich ein Album aufnehmen wollten, wieder mehr zusammenzuarbeiten. Mitspracherecht bei Songkonzepten und vor allem in einem kleinen, überschaubaren Kreis, also auch keine Gastmusiker. Nur sie drei. Back to the roots sozusagen.
 

Der Abend zog sich in die Länge. Farin erzählte von seiner Reise, Bela und Rod von ihren jeweiligen, wenn auch weitaus kürzeren, Urlauben und ihren Projekten. Doch der Blonde wusste, dass ein Thema noch unangesprochen war. Und ihm war klar, dass die beiden auch ein Recht auf nähere Informationen hatten. In einem Moment der Ruhe atmete der Hüne tief ein und aus, sah Bela in die Augen und hoffte, dass dieser nicht sah, wie nervös er eigentlich war. Er war bereit, über seine Vergangenheit zu sprechen, wenn der andere was darüber wissen wollte. Der Ältere verstand den Wink mit dem Zaunpfahl, räusperte sich und ließ seinen Blick unsicher durch den Raum schweifen, ehe er wieder Farin fixierte.

„Jan, das damals mit…Hagen…was…wieso hast du nichts gesagt?“, begann er dann.

Der Gitarrist sah zu Boden. Sofort sah er wieder die Bilder vor seinem geistigen Auge. Okay, vielleicht war er doch nicht so bereit, wie er dachte.
 

Er selber auf dem Boden, sein Peiniger saß auf seinem Schoß.

„Ich werde dich foltern, bis du mich anflehen wirst, dich umzubringen, aber den Gefallen werde ich dir sicher nicht tun.“
 

„Er hat es mir verboten“, antwortete er mit zittriger Stimme, ohne aufzusehen. „Er hat gesagt, dass er…also…er…“ Er atmete noch einmal tief durch und zwang sich zur Ruhe. Unbewusst strich er mit dem rechten Daumen über die Narbe am linken Handgelenk. „Er hat gesagt, er würde mich so sehr foltern, bis dass ich mir den Tod wünschen würde. Ich…ich war so eingeschüchtert und…gedemütigt und ich…“, Farin brach ab. Er musste nichts weiter erklären, die anderen verstanden ihn auch so.
 

Er blickte verwirrt auf, als Bela sich auf einmal dicht neben ihm befand. Er hatte nicht mitbekommen, dass dieser sich bewegt hatte.

Vorsichtig nahm der Drummer seinen Freund in eine Umarmung, drückte dessen Kopf an seine Brust, strich ihm beruhigend durch die Haare.

„Es tut mir Leid…Es tut mir Leid, dass ich nicht da war, als du mich gebraucht hast“, nuschelte er mit Tränen in den Augen. Aber mit seinen Schuldgefühlen musste er sich ein andermal auseinandersetzen, denn hier ging es nicht um ihn. Hier ging es nur um Farin.

„Ich habe ihn geliebt, verdammt. Und ich dachte, ich tu das Richtige, wenn ich ihn küsse. Aber er…er wollte unbedingt einen Beweis. Er hat mich gezwungen…immer und immer wieder. Ich war sein…sein Sklave. Die Auflösung war…die einzige Möglichkeit, von ihm wegzukommen und ich hab die fünf Jahre gebraucht, um das Ganze zu verarbeiten, aber…ich…ich wollte wieder mit dir zusammenspielen“, erklärte der Gitarrist und stieß sich von Bela ab, um ihn direkt in die Augen sehen zu können. Auch er musste sich die Tränen aus dem Gesicht wischen. „Ich habe das damals wegen mir gemacht, Bela. Nicht, weil ich was Anderes machen wollte, oder weil es unerwartet wäre, sondern nur wegen mir…aber ich habe dich vermisst. Ich habe es vermisst, mit dir auf der Bühne zu stehen, mit dir herumzualbern. Aber als ich dir damals geschrieben hab, da…da war mir klar, dass ich einen Bassisten finden musste, bei dem du nicht nein sagen konntest…bei dem du nicht mal auf die Idee kommen konntest, an Hagen zu denken.“

„Hast du mich deshalb vorgeschlagen?“, hakte Rod mit ruhiger Stimme nach. Er wusste, ein falscher Ton und Farin würde sich auf ewig Vorwürfe machen, weil er bei der ganzen Sache nur an sich gedacht hatte. Wenn er das nicht schon tat. Auch er hatte sich jetzt nahe an den Hünen herangesetzt. Sie wollten ihm zeigen, dass er nicht alleine war, dass sie bei ihm waren. Als seine Unterstützung, nicht als Moralapostel.

Sofort fand ein verräterisches Glitzern Einzug in den Augen des Blonden. Behutsam nahm der Chilene dessen Kopf in seine Hände.

„Jan“, begann er leise. „Bassist bei den Ärzten zu werden, war das Beste, was mir passieren konnte, glaub mir. Ich wüsste nicht, wo ich heute wäre, wenn ich diese Chance damals nicht bekommen hätte. Da ist es doch scheißegal, mit welchen Hintergedanken das Ganze passiert ist. Sieh Bela an! Sieh mich an! Du weißt, wie es uns damals mit Depp Jones gegangen ist. Die Reunion war das Beste, was uns passieren konnte. Hör auf, dir deswegen Vorwürfe zu machen. Du hattest alles Recht der Welt dazu, glücklich zu sein.“ Rod unterstützte seine Worte mit einem warmen Lächeln.

„Aber –“, setzte Farin an.

„Denk nicht mehr darüber nach. Egal welchen Grund es hatte, es ist passiert. Und es geht uns doch gut. Wir können heute hier sitzen und darüber reden, ob wir die Ärzte weiter machen, oder nicht. Und egal, wie wir uns entscheiden würden, wir hätten genug, um für den Rest unseres Lebens über die Runden zu kommen. Und Rod und ich wären verdammte Vollidioten, wenn wir das jetzt alles wegwerfen, nur weil du einmal nur an dich gedacht hast. Du hattest das Recht dazu“, unterbrach ihn Bela. „Hör auf, darüber nachzudenken. Erzähl uns lieber was von Robert.“

Ein überraschtes und erheitertes Lachen drang aus Farins Kehle. Dankbar drückte er seine beiden Freunde an sich. Er brauchte nichts zu sagen, sie wussten, wie viel ihm das bedeutete.

„Na komm schon…wie lange hast du schon ein, sagen wir mal, reges Interesse an ihm?“, hakte der Drummer nach.

Der Blonde wusste, dass der Andere nicht locker lassen würde, solange er keine näheren Informationen bekam. Seufzend gab er sich geschlagen.

„Also so richtig gemerkt hab ich’s damals, als ich mit den Busters die ‚Liebe macht blind’-Single aufgenommen haben. Aber damals, als wir mit ihnen auf Tour waren, hab ich schon gemerkt, dass er…was Besonderes ist.“

„Ich freu mich für dich. Ihr passt wirklich gut zusammen“, meinte Rod ehrlich.
 

Bald darauf wurde es für die beiden Schwarzhaarigen Zeit, aufzubrechen. Zuversichtlich, was ihre gemeinsame Zukunft betraf, umarmten sich die drei noch einmal, bevor sie das Haus verließen und in die tiefschwarze Nacht hinaustraten. Sie wussten, dass es für Farin ein großer Schritt war, ihnen dieses schreckliche Geheimnis anzuvertrauen, dass er all die Jahre mit sich herumtragen musste. Einen großen Schritt hinsichtlich ihrer Freundschaft, die in den letzten Jahren doch einen ziemlichen Dämpfer erlitten hatte. Begrüßt hatten sie sich heute als Arbeitskollegen, die sich gut kannten. Aber verabschiedet hatten sie sich wieder als beste Freunde.



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