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Pränataler Campingkocher

Every day is writing day
von

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PENIS PENIS PENIS (21.01.09)

"'Ich habe keine Ahnung, was ich tue, aber das ist okay!'"

"'Ich--' Ich weiß wirklich nicht, ob wir--"

"SPRICH MIR NACH. 'Ich habe keine Ahnung, was ich tue, aber das ist okay!'"

"J-ja doch, ist ja gut! 'Ich habe keine Ahnung, was ich tue, aber das ist okay.' Kann ich jetzt gehen?"

"Nein. Jetzt fängt es erst richtig an."

Es zwar ziemlich leer, so dass sie nicht auf den Aufzug warten mussten. Vormittags waren selten viele Leute in den Arkaden unterwegs, und in der Regel brauchten sie den Fahrstuhl nicht.

Mit einem trägen Rattern erwachte er aus seiner morgendlichen Depression, als der Knopf für das oberste Stockwerk gedrückt wurde. Die Wände waren verspiegelt, die Lampen milchig. Beide waren sie unruhig; er vermied es, in den Spiegel zu sehen, während sie nur keinen Anlass dazu sah.

Als sich die schweren Türen wieder öffneten, mit einem bloßen Rumpeln, ohne jedes überflüssige Geräusch, packte ihn bei der Hand; sie zog ihn nicht hinaus, sondern vielmehr hinter sich her, als sie auf den Asphalt stürmte. Die Luft war kalt, sparte sich aber die gröbste Grausamkeit. Ihre Waffe war vielmehr der Wind, der mit Heulen aus dem blendend grauen Himmel fiel; er riss seinen Atem mit und presste sich gewaltsam in ihre Lungen.

"Ich bin mir immer noch nicht sicher damit. Was soll das werden? Wir sollten zurück, wir sollten hier wirklich nicht rumhängen. Wir haben heute Chemie, Hausaufgabenabfrage, und außerdem sieht es aus, als würde es noch regnen." Sie ließ sich nicht wirklich beirren, und so stolperte er ihr etwas hilflos hinterher, denn es reichte bei ihm nur noch für verbale Anfechtungen.

"Du solltest dich mal hören. Trägst du auch in deinen Terminplaner ein, wann du auf Klo gehst? Himmel. Hör auf, ständig nachzudenken, und fang endlich zu brüllen an."

"B-bitte was?"

Sie streckte ihm die Zunge heraus, als sie ihn losließ, die Arme ausgebreitet, als wollte sie eine Wolke in ihrem Fall vom Himmel aufhalten.

"Ich hab dich nicht zum Schwänzen überredet, damit du die Zerstörung deiner akribischen Planung beweinen kannst. Unser Leben ist 90% Improvisation, benimm dich entsprechend. Und jetzt brüll."

Er vergrub die Hände in den Hosentaschen und zog die Schultern hoch. Man konnte sehen, wie es seine kantige Gestalt leicht fröstelte.

Erschöpft gab er sich geschlagen.

"... Was soll ich denn brüllen?"

Energisch drehte sie sich zu ihm um, den Zeigefinger auf ihn gerichtet wie eine Spritze mit der tödlichen Injektion.

"Frag nicht so dämlich. Irgendwas! Was dir gerade einfällt!"

"Oah. Ja. 'tschuldige."

Er wurde ein bisschen kleiner und glotzte sich auf die abgetragenen Schuhe, und das war nicht einmal sarkastisch gemeint. Sie schnalzte mit der Zunge und piekte ihn mit einem abgebissenen Fingernagel in die Stirn.

"Hörst du dir überhaupt noch zu? Scheiß drauf. Wenn dir sowas passiert, sagst du nicht 'tschuldigung', oder 'Das war ein Fehler' - dann reißt du die Arme hoch und rufst: 'I'M SO SEXY!!'"

Als wäre sie eine Bekloppte, ließ er sie nicht aus den Augen. Sein Blick war ein zeitgenössisches Sinnbild des Zweifels, allerdings nicht großartig von Dauer.

"Probier's halt." Mit Nachdruck piekte sie ihn in den Pullover, erreichte aber schnell den Körper darunter.

"I'm so sexy..?"

Wieder rollte sie mit den Augen und ließ ein Grunzen von sich hören, das ihrem Vater Freudentränen in die Augen getrieben hätte, wäre er amtierender Schnarchweltmeister gewesen.

"Du bist sexy, wenn du scheiterst. Hörst du? So sexy. Du platzt gleich, wenn du es nicht an die Luft lässt. Lass es raus!"

"I'm so sexy."

"Lauter."

"I'm so sexy!!"

"Heftiger!"

"I'M SO SEXY!!"

"Und jetzt brüll was!"

"... PENIS!!"

Kurz stellte sich ein bisher noch nie gemessenes Schweigen ein. Der Verkehr, der Stockwerke weiter unten tobte, schien einfach zu versiegen. Die Menschen hielten in ihren Schritten inne, um mit ihren Füßen nicht mehr auf den Asphalt zu pochen, und in einem Chemiesaal weit weg fiel eine Fliege tot von der Scheibe.

Er zog den Kopf etwas ein, die Füße schräg gestellt, und guckte sich wieder an den abgetragenen Jeans vorbei.

"... Sorry. Aber das wollt ich schon immer mal brüllen."

"Halt die Fresse!" Sie warf sich in Pose und zeigte mit beiden Zeigefingern auf ihn. "You're so sexy!" Dann sprang sie fast vorwärts, aus dem Stand, und schob sich zwischen zwei Autos hindurch zur Brüstung des Parkdecks, wo sie ihre Hände zu einem Trichter formte und schrie.

"PENIS!"

"PENIS!"

"VAGINA!!"

Sie holte tief Luft, brach dann aber ab; der Trichter kollabierte, und als sie sich ihm zuwandte, war sie so schrecklich am Lachen, dass es ihn fast besorgt hätte, hätte er das nicht schon öfters erlebt. So schob er die Hände nur wieder in die Taschen, nachdem er sich die Gänsehaut im Nacken glatt gestrichen hatte, und storchte vor einem Mercedes herum.

"Oh Gott, wir sind so schrecklich behindert. Kann das sein?"

Er zuckte mit den Schultern und grinste halb.

"Wir haben keine Ahnung, was wir tun. Aber das ist schon okay."

Seitlich bugsierte sie sich zwischen den zwei Autos hindurch auf ihn zu - nicht, ohne ein Herz in den Raureif auf einer Heckscheibe zu malen - und schob ebenfalls ihre Hände in die Taschen.

"Aber befreiend isses. So prinzipiell..?"

Das halbe Grinsen wurde zu einem ganzen, wenn auch etwas schüchternem. Sein ganzes Gesicht war errötet.

"Obszönitäten von Hochhäusern zu brüllen, sollte zu jedem anständigen Therapieplan gehören." Ein dicker Tropfen kalten Wassers fiel direkt auf seinen Scheitel, so dass die unangenehme Nässe sich bis unter seine Schädeldecke zu fressen schien.

"Lass uns gehen", sagte er leise, und das Grinsen wurde blasser. "Ich hab noch 'ne Menge geplant für heute."

Zum Glück sah er es kommen. Sonst hätte ihr spielerischer Fausthieb ihn noch irgendwo getroffen, wo es weh tat.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Dels
2009-01-27T14:05:04+00:00 27.01.2009 15:05
BAWW!
Is das toll xD
PENIS! <3
Die Episode ist richtig schön. Ich kann mir das so gut vorstellen, da kriegt man Lust, diese Ansichten zu seinem persönlichen Lebensmotto zu adoptieren und sich das nächste Hochhaus zu suchen.
Herrlich, in einer völlig banalen, aber sehr amüsanten Atmosphäre, das Mädel ist echt zum Knutschen. Und der Kerl auch. Ach ja. Erinnert mich an meine Theaterzeit, da hätten wir solche Scheiße sicher auch gemacht. Und versucht, vonnem Dac zu pinkeln, aber mach das mal ohne PENIS.

:D
Von:  Technomage
2009-01-24T03:06:59+00:00 24.01.2009 04:06
Weiterhin eine Episode, die mich zutiefst an Suzumiya Haruhi erinnert, nur eben unter Zunahme obszönitärer Kraftausdrücke, was das ganze Konzept eindeutig optimiert.
Mir als eingeschworenem Fan von Figuren mit Fingernagelkau-gewohnheit war der Satz davon ab durch nur ein winziges Attribut ein besonderer Fanservice *g*.
Definitiv einer meiner Favoriten bisher ^^.


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