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Schuld & Sühne

von

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Kapitel 38 - Intermezzo II

A/N: Dieses Kapitel ist auch wieder so was wie ein Intermezzo. Intermezzo bedeutet bei mir etwa soviel, wie ein Kapitel, welches nicht aus Katos Perspektive geschrieben ist… kennt ihr ja schon von dem Beli Intermezzo bei Kap 35.

In diesem Chap treten allerdings auch nur Nephilim auf, wenn sie euch also nicht so interessieren, überlest es am besten. Allerdings stehen auch ein paar Dinge drin, die für den weiteren Verlauf, doch ziemlich wichtig wären^^'
 

~~~
 

„Du bist so still.“ Die beiden Figuren wandelten gemächlich über die schneebedeckte Hügellandschaft, während kleine Flocken aus dem grauen Himmel fielen und ihre Silhouetten umspielten. „Luzifers Haustier beschäftigt dich.“
 

„Vielleicht…“ Roderis wandte ihren Blick zurück zu dem Steinhügel, wo sie wusste, dass sich das Gefängnis des Sklaven befand. „Er trägt keine Schuld an dem was passiert ist.“

„Mag sein, aber das wusstest du von Anfang an…“ Ihr Begleiter ergriff ihre Hand und leitete sie mit sanftem Nachdruck in eine andere Richtung. „…Du wusstest es auch schon, als du ihn entführt hast.“

“Ja“ Sie seufzte tief, löste dann aber ihre Aufmerksamkeit wieder von dem Steinhaufen und blickte stattdessen in die schwarzen Augen von Dante. „Doch ist das der einzige Weg?“
 

Für einen Moment erwiderte ihr Gegenüber nichts, dann schlich sich ein sanftes Lächeln auf seine Lippen. „Es scheint, als wärest du über all die Jahre hinweg weich geworden, Liebste. Früher war es deine Ruchlosigkeit, die selbst gestandenen Männern wie Ragaz das Fürchten lehrte und nun plagt dich das Gewissen wegen eines einzelnen Sklaven.“ Er atmete tief durch. „Wenn es einen anderen Weg gäbe, wären wir ihn längst gegangen. Das solltest du vor allen anderen wissen. Wir müssen nun mal die Gelegenheiten nutzen, die sich uns bieten. Luzifer zeigt Schwäche, der Himmel ist im Umbruch und alles verändert sich…. Einen besseren Zeitpunkt wird es in den nächsten tausend Jahren nicht geben, wenn überhaupt jemals wieder...“

Nun war es an ihr zu lächeln. „Du musst mich nicht überzeugen, Dante.“ Sie hob ihre rechte Hand und legte sie ans Gesicht ihres Gegenübers. „Ich werde weder zögern noch Schwäche zeigen, wenn es soweit ist…“ Sie ließ die Hand wieder sinken und drehte sich noch einmal in die Richtung um, von der sie gekommen waren. „Die Ruchlosigkeit, die du mir vorher unterstellst hast, ist nach wie vor vorhanden. Unser Ziel steht über allem anderen; doch das heißt nicht, dass es mir in mir nicht auch Gefühle gäbe… manchmal.“
 

„So?“ Mit einem kleinen Schritt war der Weißhaarige zu ihr hin getreten und hatte seine Arme um ihre Taille geschlungen. „Es wäre mir aber lieber, wenn du dir jegliche Art von Gefühlen für mich aufheben würdest. Du weißt, ich hasse es zu teilen.“ Ein schelmischer Unterton schwang in diesen Worten mit. Roderis wandte sich um und blickte ihren Gefährten mit einem spitzbübischen Funkeln in den Augen an. „Ahhh, sind wir etwa eifersüchtig? Was wäre, wenn ich dir erzählen würde, dass ich während meiner Zeit als Spion beim Hutmacher viele Affären hatte…“

Doch ihr Gegenüber stieg nicht auf die Provokation ein, sondern strich bloss sachte mit dem Daumen über ihre Lippen. „Mir ist egal, wem du deinen Körper gibst… Ich will bloß dein Herz.“

Der neckische Ausdruck auf ihrem Gesicht verflog so schnell wieder wie er gekommen war. „Für immer?“

„Für immer.“

Als wäre es diese Bestätigung gewesen, auf die sie gewartet hatte, zog sie Dante noch einmal zu sich herunter, um in einem – diesmal doch wesentlich längeren – Kuss zu verschmelzen. [1]
 

~~~
 

„Schau an! Die Turteltäubchen sind wieder vereint…“ Eine tiefe, überaus raue Stimme unterbrach die traute Zweisamkeit und liess das Paar sind trennen.
 

„General Bulluk, General Krishnae, so früh hatte ich Sie nicht hier erwartet…“ Dante deutete eine vage Verbeugung an, wohingegen Roderis bloss mit den Augen rollte.

„Und den kleinen Schleimer haben sie gleich auch noch mitgebracht.“ Obwohl sie es eindeutig zu ihrem weisshaarigen Partner sagte, war es für jeden gut hörbar gewesen. Der ‚kleine Schleimer’ bezeichnete Vilmer, die dritte Person, die hinter den beiden Generälen hergetrottet kam und neben der langen, dürren Gestalt Krishnaes und der breiten, kräftigen Bulluks wie ein unterentwickelter Zwerg wirkte.
 

Bulluk lachte auf die Bemerkung der Frau hin dreckig und klopfte dem stoisch dreinschauenden Kleinen, mit seiner riesigen Pranke von Hand auf den krummen Rücken. Es schien ihn noch mehr zu belustigen, dass dieser dann unter der Wucht des Schlages beinahe zu Boden ging und sich schliesslich mit einem Stöhnen hinter der Form General Krishnaes in Sicherheit brachte.

Jener hatte der Szene absolut keine Beachtung geschenkt, sondern seine Aufmerksamkeit war gänzlich auf das Paar vor sich gerichtet; oder zumindest auf den einen Teil davon…

„Lady Roderis, Ihr seid zurückgekehrt…“ Mit einer eleganten Geste hatte er ihre Hand ergriffen und war schon im Begriff einen Kuss darauf zu hauchen, als Roderis sie ihm schnell wieder entzog. „Ja, ich bin zurück…“

Sie bedachte ihr Gegenüber mit einem leicht angeekelten Blick „…und an meiner Einstellung hat sich absolut nichts verändert.“ Womit sie einen Schritt mehr zu Dante hin tat.

Krishnae erwiderte die Reaktion bloß mit einem nonchalanten Lächeln auf den Lippen. „Wie schade.“
 

Der General war durch und durch eine seltsame Erscheinung. Mit seiner langen, dünnen Form überragte er selbst Dante noch um einen Kopf, doch seinen ausgemergelten Gliedern schien kein Funken Kraft innewohnen zu können, so dürr waren sie.

Dennoch trog der Schein, denn wegen nichts wurde niemand zu einem General der Nephilim ernannt. Die Macht Krishnaes offenbarte sich erst dann, wenn man in sein nicht minder ausgezehrtes Gesicht blickte. Dort begegnete man nicht wie erwartet den abgrundtief schwarzen Augen der monströsen Halbblüter, sondern sah sich mit einer abgenutzten und vergilbten Binde konfrontiert.

Krishnae war ein Seher. Oder nein, eigentlich viel eher ein Telepath, denn seine Fähigkeit bestand vor allem darin, in den Kopf anderer eindringen, ihre Gedanken lesen und sie manipulieren zu können. Doch seine Augen waren tatsächlich blind, weswegen er seine Umgebung auch vor allem durch die Leute um ihn herum wahrnahm. Seine Hauptquelle hierfür war sein kleiner, missgestalteter Assistent Vilmer, welcher ihm praktisch auf Schritt und Tritt folgte.

Obwohl er seine Fähigkeiten über die Jahrhunderte hinweg perfektioniert hatte und sich strengstens davor hütete in der Öffentlichkeit irgendeine Form von Schwäche an den Tag zu legen, hatte auch er seine kleinen Geheimnisse. Zu seinem eigenen Missfallen war er leider immer noch nicht in der Lage, jeden, der ihm begegnete, auf Anhieb lesen zu können. Er musste sich immer erst auf die jeweilige Person einstellen, die Codes knacken, welche den Zugang zu den Gedanken des Betreffenden versperrten. Ausserdem gab es Persönlichkeiten – besonders solche mit hoher Astralkraft – bei denen er trotz vieler Versuche immer wieder gescheitert war. Die wunderschöne Lady Roderis gehörte in diese Kategorie und leider auch der überflüssige, aber sehr mächtige Schamane, welcher sich ihr Geliebter schimpfte.
 

Und dann gab es auch Leute, die er schlichtweg nicht lesen wollte. Zu denen zählte Bulluk…
 

Bulluk war so ziemlich das genaue Gegenteil von Krishnae. Seine Arme waren so dick wie Baumstämme, er hatte einen Hals wie ein Gorilla und auch sonst wirkte er restlos wie jemand, dessen Stärke gänzlich auf seiner Körperkraft beruhte. Außerdem war er ein aggressiver, und jähzorniger Charakter, der nicht nur von seinen Untergebenen, sondern auch von jedem, der das Pech hatte sich im betreffendem Moment in einem Umkreis von zehn Metern Entfernung zu Bulluk zu befinden, für seine Wutausbrüche gefürchtet wurde.

Zudem war er nicht gerade der Hellste. Dumm hätte es eigentlich schon viel eher beschrieben, aber das war ein weiterer Punkt mit dem man eine solch verheerende Explosion des Generals provozieren konnte.

Krishnae verachtete ihn. Er verachtete ihn für genau jene Dummheit und den Mangel an Kontrolle, den Bulluk mit diesen Ausbrüchen an den Tag legte. Außerdem las er ihn überhaupt nicht gern, auch wenn es bei ihm theoretisch sehr einfach gewesen wäre. Bulluks abstruse Gedanken drehten sich den liebenlangen Tag um nichts anderes als Gewalt, Zerstörung und Blut. Ah ja, und natürlich noch um Sex… Sex meist in Zusammenhang mit den oben Genannten. Krishnae konnte bei solch niederen Trieben nur den Mund verziehen.
 

„Wo ist der Gefangene?“ Bulluk hatte sich mit so etwas wie einem gierigen Glitzern in den Augen an Roderis gewandt. Diese musterte den General für einen Moment höchst abschätzig, bis sie dann schließlich antwortete: „Ich habe ihn in die Steinhöhle gebracht. Die Schattenfeen passen auf ihn auf.“

„Und? Wurde er schon befragt?“

„Nein, aber ich denke auch nicht, dass das nötig sein wird. Er ist bloß ein Sklave… Wer wäre schon so töricht, ihm irgendwelche wichtigen Informationen anzuvertrauen?“

„Man kann nie wissen…“ Er winkte ab und wirkte plötzlich enorm zufrieden. „… ich werde mich trotzdem mal seiner annehmen. Jegliche Art von Information kann uns nützlich sein.“

Roderis bedachte ihn erneut mit einem verächtlichen Blick. Seine Absichten waren ja so was von durchschaubar. Trotzdem konnte sie nicht wirklich etwas tun, um den General von seinem Vorhaben Kato einen Besuch abstatten zu wollen, abzubringen. Sie seufzte innerlich und linste kurz zu Dante. Dieser schien genau zu erkennen, was gerade in ihr vorging.
 

„Wie steht es um General Ragaz?“ lenkte er das Gespräch in eine andere Richtung.

Die beiden Angesprochenen tauschten einen Blick miteinander, bis Bulluk schließlich antwortete: „Er ist bei den Truppen auf der Anhöhe der nichtvorhandenen Hoffnung zurückgeblieben. Er überwacht dort die Vorbereitung des Schlundes, damit dann mit der Tarnung alles klappt.“

„Verstehe“ Dante nickte knapp.
 

„Und was ist mit Ihnen beiden? Es würde sicher nicht schaden, wenn alle drei Generäle bei den Vorbereitungen anwesend wären. Immerhin handelt es sich dabei um einen essentiellen Teil unseres Plans.“ Der Ton, welcher in Roderis Stimme mitschwang, war derart missbilligend, dass selbst Bulluk der Seitenhieb nicht entgangen sein konnte.

Entsprechend seiner aufbrausenden Natur hatte er schon die Hände zu Fäusten geballt, doch Krishnae kam ihm zuvor mit seiner Antwort. „Macht Euch keine Gedanken diesbetreffend, Lady Roderis. General Ragaz ist äusserst kompetent und durchaus fähig die Truppen bis zu Eurem Eintreffen alleine unter Kontrolle zu halten.“ Er hatte wieder dieses selbstgefällige Lächeln aufgelegt, doch Roderis musste ihm unglücklicherweise im Stillen Recht geben, dass ihre Anwesenheit, oder wohl eher Dantes, mehr gebraucht wurden als jene dieser zwei unflätigen Generäle.

Sie erwiderte nichts darauf, sondern schenkte Krishnae nur einen kalten Blick.
 

„Außerdem ziehe ich in Erwägung General Bulluk bei der Befragung des Gefangenen zu unterstützen. Mit meinen Fähigkeiten sollte es kein Problem darstellen, schnell herauszufinden, ob er wirklich so ahnungslos ist wie es den Anschein haben mag.“ Erneut dieses schleimige Lächeln.

Diesmal war es an Roderis sich zurücknehmen zu müssen. Es war eine Provokation! Dieser Gedankenpfuscher wollte bloß zu Kato, um ihr zu zeigen, dass sie keine Befehlsgewalt über ihn hatte. Oh wie sie dieses ganze Politnetzwerk doch manchmal verabscheute.

Sie erwiderte sein Lächeln auf höchst gekünstelte Weise und wandte sich dann an Dante. „Ich denke, wir sollten uns zu den Truppen begeben. Man erwartet uns sicher schon.“

Der Angesprochene nickte bloß. Wieder lag dieser Ausdruck in seinen Augen, der Roderis verriet, dass er genau wusste, was sie dachte.
 

~~~
 

„Ich weiß nicht, welchen der beiden ich mehr verabscheue…“ Roderis hatte die beiden Generäle praktisch stehen lassen, wohingegen Dante wenigstens noch ein paar formale Abschiedsworte mit ihnen gewechselt hatte, bevor auch er seiner Partnerin gefolgt war.

Nun waren sie auf dem Weg zum Lager der Truppen auf der Anhöhe der nichtvorhandenen Hoffnung.
 

“Bulluk ist ein Primat mit der Kraft eines Elefanten und dem Temperament eines Geysirs. Und Krishnae… für Krishnae finde ich kaum Worte!“ Sie war aufgebracht, das wilde Herumgefuchtel verriet es ganz eindeutig. „Obwohl er sich sophistischer als Bulluk gibt, ist er tief drinnen keinen Deut besser! Ich mag gar nicht daran denken, was…“ Abrupt hielt sie inne. Doch Dante hatte bereits erfasst, was ihr auf der Zunge gelegen hatte. „Du magst gar nicht daran denken, was diese beiden alles mit dem kleinen wehrlosen Sklaven anstellen werden.“ Sie nickte wortlos.
 

„Eigentlich wiederhole ich mich diesbezüglich nur sehr ungern, aber…“

Es folgte nichts mehr, was Roderis dazu nötigte sich verwundert umzudrehen und nach Dante zu sehen, der bisher etwa einen Schritt hinter ihr gegangen war. „Was is…“
 

Eine schallende Ohrfeige unterbrach ihre Frage und ließ sie nur noch mit offenem Mund dastehen.

„Reiß dich gefälligst zusammen, Ro! Dieses weinerliche Getue passt absolut nicht zu dir!“ Dante schaute mit strengem Blick auf sie herunter. „Ich sage es dir noch ein letztes Mal: Du wusstest auf was du dich einlässt und was es für Konsequenzen für dich UND den Sklaven haben würde, wenn du ihn hierher bringst. Lamentier nicht über die Ungerechtigkeit des Schicksals oder was für unausstehliche Charaktere Bulluk und Krishnae sind. Manchmal muss man Opfer bringen und Missstände hinnehmen, um ein Ziel zu erreichen. Du weißt das!“
 

Für einen Moment starrte sie ihr Gegenüber einfach nur wortlos an, dann schloss sie die Augen und nickte schliesslich. „Ja du hast Recht, ich habe den Kopf verloren…. Das war unangebracht. Ich bin bloß nervös, was den bevorstehenden Kampf angeht....“
 

Dante beugte sich vor, um einen tröstenden Kuss auf die Wange zu hauchen, die vorher den Schlag abgekriegt hatte, dann flüsterte er: „Hab Vertrauen. Es wird alles gut gehen und danach… danach werden wir endlich wieder frei sein!“
 

~~~
 

Die beiden stiegen weiter die schneebedeckten Hügel hinauf. In der unendlichen Weite der weißen Landschaft wirkten sie wie zwei kleine unbedeutende, dunklere Punkte. Dantes Mantel flatterte im Wind, der ihnen wie wild entgegen schlug; und Roderis, die ihren großmütigen Entschluss den ihren Kato zu überlassen mittlerweile doch bereute, versteckte sich so gut es ging hinter ihm. Sie war die Kälte gewohnt und normalerweise machte es ihr nicht besonders viel aus, doch dieser Sturmwind war auch für eine abgebrühte Nephilim durchaus eine Herausforderung.

„Wir sind bald da!“ Dante musste schreien, damit man ihn über das Getöse hinweg verstehen konnte. Sie nickte.
 

Nachdem sie auch die letzte Anhöhe hinter sich gelassen hatten, erreichten sie eine weite, offene Ebene, durch deren Mitte sich wie ein schwarzer Riss in der Landschaft eine Schlucht zog, bevor sich auf der gegenüberliegenden Seite wieder eine Hügellandschaft erhob. Hier war der Wind wieder etwas ruhiger und ermöglichte ein Gespräch auf normaler Lautstärke.

„Wo lagern sie?“

Dante streckte den Arm aus und deutete über die Schlucht hinweg zu den weißen Erhebungen. Auf den ersten Blick bot sich einem auch dort nichts weiter als das bereits vertraute Bild der Schneelandschaft, doch wer mit den Gebräuchen und Taktiken der Nephilim vertraut war, erkannte gewisse Unebenheiten in der sonst so regelmäßigen, weißen Fläche.

„Ah, ich kann sie sehen...“ Sie hatte die Hand über die Augen gehoben. „Es ist gut, dass Ragaz dort ist, trotzdem sollten wir uns beeilen. Immerhin wollten wir ja an der Nordflanke Stellung beziehen.“

„Nun, dann…“ Mit einem verschwörerischen Lächeln auf den Lippen ergriff er ihre erhobene Hand. „… wird es Zeit etwas zu zaubern...“

Gemeinsam gingen sie bis an den Rand der Schlucht.
 

„Ist es bloß eine Einbildung, oder ist der Schlund breiter geworden?“ Roderis blickte skeptisch nach unten. Auf der gegenüberliegenden Seite war mittlerweile eine vermummte Gestalt aus den schneebedeckten Hügeln aufgetaucht und winkte herüber. Dante erwiderte die Geste, bevor er dem Unbekannten andeutete er solle zurücktreten und sich wieder Roderis zuwandte. „Nein, es ist keine Einbildung. Er klafft tatsächlich immer weiter auseinander…“

„Na, dann ist es wohl wirklich an der Zeit, dass wir von hier wegkommen.“ Sie ging ein paar Schritte und betrachtete den Schlund nachdenklich. Er hatte den Namen nicht ganz umsonst erhalten... Auf den ersten Blick schien er nichts weiter als eine gewöhnliche Naturerscheinung zu sein, doch wer genauer hinschaute, erkannte dass er im wortwörtlichen Sinne ein Loch ohne Boden war. Man konnte den Grund nicht erspähen, sondern ab einem gewissen Punkt schlug einem nur noch eine fluoreszierende, melassenartige Schwärze entgegen.

Es gab Leute, die behaupteten, dass es sich bei der Schlucht eigentlich um einen Dimensionsriss handelte, doch sicher war sich niemand…

Fest stand nur eines: Niemals war jemand oder etwas, das in den Schlund gefallen war, wieder zurückgekehrt!
 

„Und du denkst, es funktioniert?“

Sie war wieder neben Dante getreten, der beinahe etwas abwesend mit den Schultern zuckte. „Das werden wir jetzt gleich sehen…“

Schwungvoll schälte er sich aus seinem weiten Mantel und zog zugleich einen langen Holzstab hervor. Der Stab war ein knorriges Gebilde, das so alt zu sein schien, dass die Zeit es dunkel verfärbt hatte. An seinem oberen Ende hingen neben drei unschuldigen goldenen Glöckchen auch ein paar kleine Knochen, rostige Münzen und Haare.
 

Dante fasste den Stab mit beiden Händen und platzierte ihn erstmal ruhig vor sich. Dann schloss er die Augen und begann leise vor sich hin zu murmeln.

Roderis schaute gespannt zu. Es war lange her, seit sie das letzte Mal einer von Dantes Beschwörungen beigewohnt hatte. Aber sie war jetzt auch lange weg gewesen…

Dann plötzlich begann eines der Glöckchen zu Läuten. Doch es war kein gewöhnliches Geräusch… nein, es drang bis tief ins Innere eines jeden Wesens vor.

Als sich dann auch noch ein zweites Glöckchen dazu gesellte, bildete sich ein zufriedenes Lächeln auf Roderis Gesicht. Es würde funktionieren, davon war sie überzeugt.

Schließlich erklang noch das dritte und letzte Glöckchen am Stab und erfüllte die Landschaft mit seinem überirdischen Schall.

Dante öffnete seine Augen wieder und schlug den Stab kraftvoll auf den Boden.
 

Für einen Moment herrschte absolute Stille, dann begann der Untergrund zu beben und eine Eisschicht breitete sich über die gesamte Schlucht vor ihnen aus. Sie wuchs so lange, bis sie den gegenüberliegenden Rand erreicht hatte und nicht mehr zu erkennen war, was sich eigentlich darunter verbarg.
 

Roderis strahlte. „Es hat funktioniert!“ Freudig ergriff sie Dantes Arm und drückte sich an ihn. „Und seit wann klingeln eigentlich alle drei Glöckchen?! Bevor ich gegangen bin, waren’s nur zwei…“

Es klang aufgeregt und übermütig, doch ihr Gegenüber lächelte bloß besonnen. „Du warst eine ganze Weile weg, meine Liebe, und auch ich kann mich noch steigern.“

„Ja, aber dann sollten diese Gnome vor dir kriechen, anstatt sich so aufzuspielen…“

„Vergiss Krishnae und Bulluk endlich. Wollen wir nicht lieber ausprobieren, ob sie uns trägt?“ Ein Funkeln lag in Dantes Augen, als er ihre Hände ergriff und sie langsam auf die Eisschicht führte.

Roderis warf einen Blick nach unten, doch man konnte wahrhaft nicht erkennen, wie dünn der Boden, auf dem sie gerade gingen, eigentlich war.

„Wie viele wird es tragen?

„Uns… und wahrscheinlich noch ein paar mehr. Aber ganz bestimmt nicht eine Armee!“

„Gut.“ Ein böses Grinsen schlich sich auf ihr Gesicht. „Dann sollen die höllischen Heerscharen kommen.“
 

TBC
 

[1] Bitte verzeiht mir den Hetero Schnulz, aber es erschien trotz meiner Vorliebe für yaoi und shonen-ai irgendwo unglaubwürdig, das absolut jeder schwul sein soll ;P
 

A/N: Ich hoffe, das Kapitel hat euch nicht abgeschreckt. Mir ist bewusst, dass es neben Hetero nur original Charas enthält, aber es erschien mir nötig die ganze Nephilim Gesellschaft etwas einzuführen und zu beleuchten. Ausserdem sind einige Dinge auch für den weiteren Verlauf der Geschichte sehr wichtig.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  dark-butterfly
2009-09-14T14:20:12+00:00 14.09.2009 16:20
Hi ^^
ich fand das Kapitel toll,
es war gut mal so zu lesen was denn so bei den Nephilim
los ist... aber ich freu mich schon auf die Schlacht!

Kato hat wieder ein Problem an der Backe... von dem ernur noch
nix weiß... irgendwie kann er einem ja echt leid tun.
Ich glaub das hab ich schon mal irgendwann geschrieben,
naja, entweder er hat ne große Klappe, er macht irgendwas
falsch, er bemüht sich oder macht einfach mal nix...
und was kommt dabei raus?
Er sitzt in der Patsche XD

Oje, ich muss hier an der Stelle mal anmerken,
dass ich Roderis immer noch mag und ich find sie und Dante
ja irgendwie süß.
Das sie sich immer noch Sorgen um Kato macht.

Ich freu mich schon wenn Kato besuch bekommt *böse lach*
er tut mir echt irgendwie Leid! Aber es macht viel zu viel
Spaß zu lesen, wenn er wieder irgendwas blödes tut und so
wie man ihn kennt würde ich mal vermuten das er wieder irgendwas
blödes sagt oder tut. Und dann einen drauf bekommt XD

lg d-b


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