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Schuld & Sühne

von

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Kapitel 27

Kato tastete vorsichtig der Wand entlang. Es war stockfinster in der Höhle und er konnte nicht mal die eigene Hand vor Augen erkennen. Zudem nahm der Sklave seit einiger Zeit einen recht "eigenen" Geruch wahr. Er konnte nicht genau klassifizieren wonach es denn nun wirklich roch, aber eines konnte er mit Sicherheit sagen: Es war kein sehr angenehmer Geruch; Gestank hätte es eigentlich schon viel eher getroffen.

Kato verzog sein kleines Näschen, tastete aber trotzdem weiter im Dunklen. Mittlerweile hätte er wahrscheinlich sowieso nicht mehr umkehren können, denn er hatte irgendwie das Gefühl, dass er in dieser Finsternis nicht mehr zurückfinden würde... Also immer geradeaus weiter ins Verderben!
 

Er fragte sich, wie es wohl mittlerweile mit der Konferenz der Erzdämonen stand. Denn wenn sie noch nicht fertig wären, wäre logischerweise auch der Herr der Fliegen gar nicht zugegen und dann konnte der Kiffer sich seine Entschuldigung an den Hut stecken.

Wenn sie aber fertig wären, wäre zwar der Herr der Fliegen dort wo Kato ihn haben wollte, aber das hieß ergo auch dass Luzifer nichts mehr zu tun hatte.

Ok, eigentlich bildete sich der Sklave nicht ein, dass der Höllenfürst ernsthaft seine ganze Freizeit damit zubrachte, ihn zu quälen, aber die kleine Tatsache, dass er ihn und den Märzhasen dabei erwischt hatte, wie sie spioniert hatten, bereitete ihm dennoch Kopfzerbrechen.

Die Frage war also, wie viel Gewicht Luzifer diesem Zwischenfall beimessen würde. Allerdings war es bis jetzt ein gutes Zeichen, dass sich der Teufel nicht sofort aus dem Nichts materialisiert hatte, um ihnen die Leviten zu lesen, nachdem er sie auf frischer Tat ertappt hatte.

Der Zwischenfall war dementsprechend nicht wichtig genug, um die Konferenz zu unterbrechen. Aber nun war die andere Frage, ob er auch nicht wichtig genug war, um sich nach der Konferenz darum zu kümmern.
 

Irgendwie ärgerte das Kato. Falls er sich den ganzen Aufwand gemacht hatte durch dieses scheiß Labyrinth zu laufen, nur um dann kurz vor dem Ziel von seinem Meister abgeholt zu werden...

Entnervt schlug er mit der Faust gegen die harte Steinwand.

Der Schmerz kam schnell und beinah so schnell folgte auch die Erkenntnis. Das Haustier taumelte johlend rückwärts und fiel zu Boden. Nachdem die ersten Wellen des Schmerzes wieder abgeebbt waren, meldete sich verschlafen das kleine Stimmchen des Verstandes, das durch diese ganze Aktion ziemlich unsanft geweckt worden war und ermahnte Kato, dass es wahrscheinlich wenig Sinn hatte darüber zu debattieren, ob Luzifer nun kommen würde um ihn zu holen oder nicht. Denn das würde schlussendlich nur der Höhlenfürst allein entscheiden und alles was das kleine Haustier tun konnte, war Abwarten und Tee trinken.... Oh nein, von Tee hatte er wirklich genug! Also Abwarten und in der stockfinsteren Höhle hocken.

Da das aber auch nicht eine wirklich überzeugende Option war, war es wahrscheinlich immer noch die gescheiteste Lösung bei dem ursprünglichen Vorhaben zu bleiben, einfach weiterzugehen und versuchen den Herrn der Fliegen zu finden....
 

Ok, nun war Kato so halbwegs überzeugt. Schlimmer konnte es nicht mehr werden... Nur noch besser.... Obwohl er ja eigentlich nicht so recht daran glaubte, dass Luzifer ihm echt eine Strafmilderung gewähren würde, nur weil er das hier abgezogen hatte.

’Argh, nicht daran denken, sondern einfach weitergehen! Konzentrier dich auf das Wesentliche, Yue!’

Kato raffte sich auf und musste zu seinem Leidwesen feststellen, dass seine linke Hand ziemlich vor sich hin pochte. Wie konnte man auch so dumm sein im Dunklen gegen ne Höhlenwand zu schlagen?!
 

Er tastete sich also weiter voran, was mit seiner ramponierten Hand nicht unbedingt leichter war als zuvor und versuchte sich, wie mit seinem Verstand ausgemacht, auf das Wesentliche zu konzentrieren.

Der Herr der Fliegen... Der Herr der Fliegen.... Ja, was war denn mit dem Herrn der Fliegen?

Für einen Moment huschte dem Sklaven der wirklich kombinatorisch hochstehende Gedanke durch den Kopf, dass der Herr der Fliegen ja auch einer der Erzdämonen war. Folglich war er auch an der Konferenz gewesen. Aber welcher war es gewesen?

Es wäre schon von Vorteil mal ausnahmsweise zu wissen, wie der Kerl aussah, nach dem man schon die ganze Zeit suchte. Der Blonde hatte echt das Bedürfnis sich zu schlagen. Warum hatte er nur nicht darauf geachtet, als er schon mal die Gelegenheit dazu gehabt hatte. Oder er hätte sogar das Bunny fragen können, die hätte das sicher gewusst.

Der Drang nun auch noch seinen Kopf gegen die Felswand zu hauen, wurde immer größer.
 

Kato widerstand der Versuchung und probierte stattdessen lieber rational vorzugehen. Er rief sich die Szene, die er im Spiegel gesehen hatte noch mal in Erinnerung.

Also, das war der lange Tisch gewesen. Zuoberst Luzifer. Der Hutmacher und der Kerl mit den hässlichen Haaren. Konnte es sein, dass er der Herr der Fliegen war? Nein, das verrückte Weib hatte ihn doch anders genannt..... Uh, Kato war sich einfach nicht mehr sicher. Sein Hirn war aber auch ein Löchersieb!

Er beschloss, die zwei erst mal zu übergehen. Wer war dann noch da gewesen? Er erinnerte sich vage daran Asmodeus noch irgendwo gesehen zu haben. Der hatte ziemlich gelangweilt dreingeschaut.

Ok, das hatten zwar eigentlich alle...

Ah Scheiße! Er hatte den anderen einfach keiner Beachtung geschenkt. Er war zu sehr auf den Hutmacher und dessen Streitpartner bedacht gewesen. Was mussten die zwei Idioten auch allen andern die Show stehlen!
 

Etwas gestresst vom vielen Denken rieb sich Kato die Schläfen, das war wirklich zum verrückt werden.

Wer war sonst noch dort gewesen? Wer war sonst noch dort gewesen? Wer war sonst noch dort gewesen?
 

Scheiße Scheiße SCHEISSE! Er wusste es einfach nicht mehr! Die dummen Erzdämonen hatten ja auch alle gleichermaßen wie Freaks ausgesehen. Wie sollte man da bitte den einen vom anderen unterscheiden können....
 

Halt! Man konnte das Problem natürlich auch von einer andren Seite angehen. Die Erzdämonen waren natürlich auch an dem dummen Fest gewesen. Dort hatte er sie noch besser erkennen können als im Spiegel. Allerdings lag das aber noch weiter zurück und stellte somit eine noch größere Herausforderung für das total überanstrengte Hirn des blonden Kiffers dar.

Kato taumelte weiter blind in der Finsternis herum. Bewegung sollte ja bekanntlich die Durchblutung des Gehirns anregen und somit auch die Denkfähigkeit...

Also... Wer war ihm am Fest aufgefallen? Luzifer natürlich. Ok, er hatte sowieso die größte Zeit damit zugebracht sich vor dem zu fürchten, war also kein Wunder, dass er allem anderen keine Beachtung geschenkt hatte.

Den Hutmacher hatte er gesehen... und das Bunny...

Wow, Kato war richtig stolz auf sich eins und eins zusammenzählen zu können und dann zum Schluss zu kommen, dass er das Bunny ja schon vorher mal gesehen hatte.

Dann noch Asmodeus... Nein, der war nicht dort gewesen. Der war erst nachher zusammen mit Nuri zu seiner Bestrafung aufgetaucht. Kato dachte mit allergrößtem Unwollen an den Vorfall mit dem Herrn der Wollust und dessen bescheuertem verräterischen Lustknaben zurück.

Er tapste weiter durch die Dunkelheit.

Nein, er sollte sich jetzt wirklich nicht von dem grünhaarigen Biest ablenken lassen. Also das Fest.... Er musste sich auf das Fest konzentrieren. Wer war noch dort geweeeeeeee..................
 

"Ahhhhhhhhhhhhhhhhhhh!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!"
 

Der Blonde kam nicht mehr dazu sich weiter Gedanken darüber zu machen, denn das Loch im Boden hatte ihm die Antwort vorweg genommen.

Der Sturz dauert nicht lange, dafür war der Aufprall umso schmerzhafter.

Kato landete in einer seichten Lache einer seltsamen bräunlichen Flüssigkeit, die einen überaus penetranten Duft verströmte.

Er hatte wirklich das Bedürfnis sich so schnell wie möglich daraus zu erheben und dem schrecklichen Gestank zu entfliehen. Nur unglücklicherweise ließ der Schmerz im Rücken des Sklaven nicht zu, dass er sich bewegte. Gezwungenmassen blieb er also liegen und fragte sich, wie er das alles bloß verdient hatte.

Doch neben Selbstmitleid eröffnete sich Kato auch die Tatsache, dass er jetzt nicht mehr von allesverschlingender Dunkelheit umgeben war, sondern dass er sich an einem doch etwas besser beleuchteten Ort befand. Ok, man sollte einfach mal übersehen, dass es hier auch einiges mehr stank als in dem dunklen Gang.

Mühsam drehte er sich zur Seite, immer noch durchzog ein stechender Schmerz seinen Körper. Die braune Flüssigkeit stand nur ein paar Zenitmeter hoch, dennoch, waren Katos Klamotten jetzt schon völlig durchweicht davon.

Großartig, jetzt hatte schon wieder welche ruiniert. Luzifer würde sich bestimmt freuen, denn jetzt hatte er noch einen Punkt mehr um ihn fertig zu machen....
 

Was dachte er da schon wieder für ne Scheiße?! Er wollte Luzifer doch für ne Weile ignorieren!
 

Kato kroch schwerfällig aus der Pfütze und legte sich am Rand auf den trockenen Untergrund. Für einen Moment beobachtete er seine Umgebung.

Das hier war ein Ort, wie man sich die Hölle schon eher vorstellte. Alles schien in ein rötliches Licht getaucht, widrige, kantige Felswände die in die Höhe ragten... Über sich konnte er sogar das schwarze Loch erkennen, durch das er gefallen war. Und dann war da noch dieser grauenhafte Geruch, der alles übertünchte und den Kato nicht zuordnen konnte.

Ungelenk versuchte er sich des feuchten Hemdes zu entledigen, das immer noch an seinen Schultern klebte. Dennoch hatte er das Gefühl den Gestank an sich selbst nicht wirklich losgeworden zu sein. Er hatte sich bereits so fest an ihm manifestiert, dass der Sklave dachte, alles würde danach riechen. Seine Kleidung, seine Haare, ja sogar von seiner Haut schien der schreckliche Geruch auszugehen.

Ihm war irgendwie schwindlig und er hatte das Gefühl sich jeden Moment übergeben zu müssen, wenn er nicht bald etwas Frischluft kriegte.

Benommen blieb er liegen und starrte vor sich hin. Eine fette schwarze Fliege zog ihre Bahnen direkt vor Katos Blickfeld und setzte sich dann schlussendlich ganz frech auf seine Nase.
 

Eine Fliege... Im Reich des Herrn der Fliegen... Wie einfallsreich....
 

Der Sklave musste tief seufzten, was das Insekt vertrieb. Langsam setzte er sich auf. Ihm war immer noch etwas schwindlig und der Gestank was kein bisschen besser geworden. Doch wie hieß dieses beschissene Sprichwort so schön: "Der Körper konnte sich einfach an alles gewöhnen...". Vielleicht stimmte das ja tatsächlich oder Katos Geruchssinn war einfach mittlerweile schon so verätzt, dass er den Gestank nicht mehr so fest wahrnahm, wie zu Beginn.

Mühselig stützte er sich auf und kam auf die wackeligen Beine. Er torkelte ein paar Schritte vorwärts, musste sich dann aber schon an der nächsten Wand abstützen. Ihm war schwarz vor Augen.... Und was tat man in so einem Fall am besten: Man atmete ruhig ein und aus um den Kreislauf etwas zu beruhigen. Doch wenn man die Luft nicht atmen konnte, weil sie so grausam faulig und stinkend roch, was bitte sollte man dann tun?

Der Blonde zog die Luft in kurzen Abständen durch den Mund ein und versuchte den Gedanken daran zu unterdrücken, wie scheußlich sie eigentlich roch.
 

Nur mit der Ruhe, Kato... Nur mit der Ruhe. Mit geschlossenen Augen stand er immer noch gegen die leicht warm-feuchte Felswand gelehnt. Er hatte die Arme um seinen Körper geschlungen und fragte sich, ob es eigentlich noch schlimmer kommen konnte. Es wäre wirklich besser gewesen, wäre er im Wunderland beim Bunny geblieben. Sie war vielleicht ne Nervensäge, aber wenigstens konnte man dort atmen ohne Gefahr zu laufen schwerwiegende Folgen davontragen zu müssen.
 

"Hey du da!" Sofort schnappten Katos Augen wieder auf. Nicht weit von ihm entfernt, stand ein riesiger Koloss, auf den die Beschreibung "Monster" doch recht gut gepasst hätte.

Er.... Korrektur: Es schien nicht wirklich aus Fleisch zu bestehen, sondern machte zumindest optisch den Eindruck als wäre es nichts anderes als ein riesiger Lehmklotz, der fünf Ausstülpungen hatte, die ansatzweise mit Beinen, Armen und einem Kopf gleichgesetzt werden konnten.

Farblich war er kaum von der Umgebung zu unterscheiden. Der leichte rot-orange Ton des Lehmkörpers hob sich kaum vom Hintergrund ab.

Kato sah voller Panik wie der Koloss ein monströses schwarzes Loch öffnete, aus dem dann grollende Laute, auch bekannt als Wörter, drangen.

"Hey Winzling! Ich rede mit dir!"

Kato zuckte zusammen und konnte immer noch nichts erwidern, außer das Wesen mit tellergroßen Augen anstarren. Er tapste ein paar Schritte rückwärts und wollte sich in seiner Panik schon zur Flucht umwenden, als er noch mal die dröhnende Stimme des Monsters vernahm: "Bleib sofort stehen! Wag es bloß nicht wegzurennen!"

Natürlich hatten diese Worte die genau gegenteilige Wirkung auf den blonden Sklaven. Er sah sich in der Vermutung, dass seine Existenz ernsthaft gefährdet war, nur noch bestätigt und setzte jetzt endgültig zum rettenden Fluchtsprint an.

Kato rannte also so schnell ihn seine dünnen Beine trugen. Er wusste nicht wirklich wohin. Klar war bloß, weg von dort, wo er jetzt war.

Hinter sich hörte er die schweren Schritte des Kolosses, die die Erde unter ihm schon beinahe zum Erzittern brachten.

"Bleib sofort stehen, du Wicht! Sonst mach ich dich platt!"
 

Der Sklave dachte ja nicht im Traum daran dieser Aufforderung nachzukommen. Dieses Monster hatte doch nicht ernsthaft das Gefühl, dass Kato sich freiwillig einem schmerzhaften Tod aussetzen würde.

Er wich also ein paar Felsblöcken aus und versuchte dabei nicht zu stolpern. Er wusste genau, würde er hinfallen, wär's das wahrscheinlich gewesen. Denn trotz seiner Größe und dem Gewicht, das das Monster haben musste, war es erstaunlich schnell.

Seine Schritte krachten immer wieder unaufhaltsam auf den Boden und erinnerten den gehetzten Sklaven irgendwie an ein Gewitter im Sommer, wenn man den Donner schon kilometerweit hören konnte.
 

Kato wandte seinen Kopf für einen Augenblick um, um zu sehen wie weit sein Verderben denn noch von ihm entfernt war. Doch genau diese Tat sollte sich als verhängnisvoll herausstellen, denn er konnte sich nicht schnell genug wieder auf den Weg konzentrieren und stolperte natürlich prompt über einen am Boden liegenden Stein.

Schreiend ging der Blonde zu Boden und blieb dort liegen. Das Monster war mittlerweile schon an den Sklaven herangetreten und hatte sich direkt neben ihm positioniert. Hätte Kato es nicht besser gewusst, hätte er behauptet, das schwarze Lehmloch an der Ausstülpung, die als Kopf zu bezeichnen war, verzog sich gerade zu einem Grinsen.

"Hasta la vista…"
 

Der Arm des Kolosses holte aus und Kato sah schon seinen Schädel plus Inhalt zu einem wunderbaren Brei zermantscht als plötzlich...
 

"Lass das, Golem..."[1]
 

Der Sklave macht zaghaft ein Auge auf und sah keine zehn Zentimeter vor seinem Gesicht die massive Lehmfaust des Monsters prangen.
 

"...du willst doch nicht, dass Luzifer dich an die Sonne stellt, weil du sein Spielzeug kaputt gemacht hast."
 

Langsam trat der Golem wieder einen Schritt zurück und entfernte sich etwas von dem Wasser und Blut schwitzenden Blonden. Kato ließ erleichtert seinen Kopf zurück auf den harten Untergrund fallen. Das war jetzt echt knapp gewesen...

Er atmete zuerst einmal tief ein, schenkte seine Aufmerksamkeit dann aber der Stimme, die ihn ganz offensichtlich gerettet hatte.

Es schien nicht Luzifer zu sein. Den hätte er erstens sofort erkannt und zweitens hätte sich Luzifer wahrscheinlich nicht die Mühe gemacht, das Biest zuerst vorzuwarnen, sondern es gleich weggepustet.
 

Jenes stand übrigens immer noch in der Sichtlinie zwischen Kato und dessen vermeintlichem Retter.

Der Blonde beugte sich also etwas zur Seite, um an dem Koloss vorbeilinsen zu können.

Doch was er auf der anderen Seite entdeckte, sollte sich auch nicht unbedingt als allzu aufschlussreich herausstellen; denn die Gestalt, die dort stand, war von Kopf bis Fuß in einen dunkeln Mantel gehüllt.

Kato konnte wirklich rein gar nichts von ihrem Körper erkennen. Höchstens vielleicht, dass Größe und Form auf einen Mensch schließen lassen konnten... Obwohl Größe und Form waren auch nicht immer alles und konnten täuschen.

Er kroch also vorsichtig etwas vorwärts und beäugte zwischendurch immer mal wieder den Golem, ob der es sich vielleicht nicht doch noch anders überlegt und den armen Kato trotz aller Warnungen plätten wollte.
 

Nun richtete sich auch die Aufmerksamkeit der verhüllten Gestalt auf den Sklaven am Boden. Sie schaute ihn direkt an und Kato konnte unter der langen Kapuze nichts weiter als zwei rotglühende Augen erkennen. Es schauderte ihn und vorsichtshalber beschloss er lieber wieder den Rückzug anzutreten. Wer war der Kerl bloß? Der sah ja noch unheimlicher aus, als dieser Lehmkoloss...

Doch der Fremde gönnte Kato keine Verschnaufpause. Er schritt an dem Golem vorbei und stellte sich direkt vor dem Blonden in Position.

"Was willst du hier?" Die Stimme der dunklen Gestalt klang ruhig, gelassen, normal, verhältnismäßig sogar menschlich, wenn man es mit den Augen und dem Rest der Erscheinung verglich. Ok, Kato hatte noch nicht allzu viel von "dem Rest der Erscheinung" gesehen, aber die Augen hatten für seine Ansprüche vollkommen ausgereicht.

"I-ich..." Der Rücken des Sklaven berührte bereits die dahinterliegende Steinwand und Kato sah sich unweigerlich damit konfrontiert, dass er wieder mal in einer aussichtslosen Situation gefangen war.

"Ja?" Irgendwie schien die Stimme der verhüllten Gestalt seltsam amüsiert, über die offenkundige Angst des Blonden. Ihre Augen glitten über die zusammengekauerte Gestalt Katos, blieben einen Moment an dem nackten Oberkörper hängen, nur um dann wieder den Blickkontakt mit dem blauäugigen Sklaven aufzunehmen

"I-ich s-suche den Herrn der Fliegen." Er hatte es tatsächlich geschafft. Aber es war auch verdammt schwer einen vernünftigen Satz zu Stande zu bringen, wenn einem zwei übermenschliche, rote Augen gerade von oben bis unten auseinander nahmen.

"Ist das so..." Die Gestalt richtet sich wieder etwas auf. "...und was willst du vom Herrn der Fliegen?"

"Ich muss ihm etwas erzählen..." Kato schien es doch besser, nicht gleich zu erwähnen, dass er eigentlich hier war, um vom Verlust der Akte zu berichten. Vor allem musste er das nicht jedem dahergelaufenem, rotäugigen, unheimlichen Kerl erzählen, der ihn angestarrt hatte als wäre er ein Gute-Nacht-Häppchen.

"Aha… Und ich nehme an, mir willst du das nicht erzählen, oder?"

Der Blonde runzelte die Stirn. Wieso hatte der Typ ihn so schnell durchschaut.

"Nein" erwiderte er leise und wandte den Blick ab. Die Gestalt schien unter ihrer dunkeln Kapuze zu nicken und wandte sich an den Lehmkoloss: "Es ist gut Golem, du kannst jetzt gehen. Der hier..." er deutete auf Kato, "...ist keine Bedrohung."

Der Sklave schnaubt verächtlich, war aber insgeheim froh darüber, dass das Monster abzog.

Er beobachtete noch einen Moment wie sich die tonnenschwere Körpermasse des Kolosses langsam entfernte, dann kehrt seine Aufmerksamkeit wieder zu der Figur im dunklen Umhang zurück. Diese musterte ihn immer noch mit eindringlichem Blick.

"Was ist?"

"Oh nichts... Ich habe mich nur gerade gefragt, wieso der Herr der Hölle so töricht ist, ein derart schwaches und angreifbares Wesen wie dich hierher zu schicken." Der Unbekannte wandte sich von Kato ab und machte sich daran zu Gehen.

"Hey! Wo gehst du hin? Und woher willst du wissen, dass Luzifer mich hierher geschickt hat?" Schnell war der Blonde auf seine Füße gesprungen.

Ohne sich umzudrehen erwiderte die Gestalt: "Na, ich bringe dich zum Herrn der Fliegen. Außerdem wäre es mir schleierhaft, dass Luzifers persönliches Haustier sich hierher verirrt, wenn es nicht ein Befehl seines Herrn ist... Und jetzt komm schon, ich hab wirklich nicht den ganzen Tag Zeit!"
 

Mit etwas mulmigem Gefühl im Magen trotte Kato neben dem vermummten Fremden her. Sie hatten nichts mehr gesprochen, aber der Sklave war sowieso viel zu fest damit beschäftigt gewesen seine Umgebung unter die Lupe zu nehmen. Das hier war wirklich schon eher die Hölle, wie in den klassischen Vorstellungen. Ok, dass es hier so bestialisch stank war zwar nirgends erwähnt worden, aber der steinige Untergrund, die rötlichen Felswände und die stickige Luft sorgen wirklich für eine sehr angemessene Atmosphäre. Alles in allem, wirklich ein sehr heimeliger Ort.
 

Doch Kato sollte nicht mehr die Gelegenheit dazu kriegen, sich weiter über die klischeehafte Vorstellung der Hölle Gedanken zu machen, denn sein Interesse wurde schon bald auf einen Palast gelenkt. Obwohl Palast vielleicht nicht so wirklich das richtige Wort dafür war: In die senkrecht aufragende Felswand geschlagener Tempel, der von riesigen massigen Säulen getragen wurde, hätte es vielleicht schon etwas genauer beschrieben, aber der blonde Sklave war zu sehr damit beschäftigt, zu verhindern, dass ihm seine Augen aus den Höhlen fielen, um sich solch detailreiche Beschreibungen auszudenken. Er beschränkte sich also wohlweißlich darauf die Kinnlade nach unten klappen zu lassen.[2]
 

Kato und sein unheimlicher Führer näherten sich dem Gebäude und passierten schließlich das von den Säulen gebildete Portal. Der blonde Sklave schauderte etwas beim Anblick und fragte sich insgeheim, ob er mit zwei Armen fähig wäre, die ganze Dicke eines solchen Pfeilers zu umfassen. Doch seine Gedanken wurden schon bald wieder von einer enorm intensiven Welle Gestanks unterbrochen, die ihm aus dem Inneren des Tempelpalastes entgegengeschlagen kam. Es schien beinahe so, als würde sich der üble Geruch in dem geschlossenen Raum noch verstärken.

"Wir sind da." meinte die verhüllte Gestalt, als sie einen vollkommen leeren Raum betraten. Der Blonde schaute sich etwas verwirrt um. Er versuchte, in der Hoffnung sich vielleicht getäuscht zu haben, doch noch ein Möbelstück auszumachen, wurde jedoch enttäuscht. Der Raum war gänzlich in der rötlich-braunen Farbe gehalten, die schon draußen überall anzutreffen war und vermittelte dem Sklaven in der gesteigerten Form eines geschlossenen Raumes noch viel mehr das Bedürfnis nach Flucht.

Kato schluckte und wandte seinen Blick wieder der vermummten Gestalt zu. "H-Hier ist doch niemand."

"Bin ich etwa niemand?" entgegnete sein Gegenüber sarkastisch.

"Äh... Na ja, nein.. Aber ich wollte doch eigentlich zum Herrn der Fliegen." Kato brachte vorsichtshalber mal einen zusätzlichen Meter Abstand zwischen sich und die düstere Gestalt.

"Hast du dich vorher nicht gefragt, warum ein riesiger, tonnenschwerer Lehm-Golem meine Befehle befolgt?"

Im Kopf des Sklaven formte sich langsam ein Verdacht, nur gefiel ihm dieser irgendwie so gar nicht.

"Weil du ein hohes Tier bist?" entgegnete er deshalb zögerlich.

Die Augen der Gestalt schienen für einen Moment aufzublitzen. "Dann ist wohl die Frage wie hoch...." Innerhalb des Bruchteils einer Sekunde hatte die dunkle Figur, die Distanz zwischen sich und Kato überbrückt und packte den perplexen Sklaven am Hals. Dessen reflexartige Gegenreaktion bestand natürlich darin, die bedrängenden Hände um seinen Hals lösen zu wollen, indem er an ihnen zerrte. Was wiederum zum genau gegenteiligen Resultat führte, denn der Druck auf Katos Luftröhre wurde von seinem düsteren Gegenüber nur noch verstärkt. Nach Luft japsend wurde Kato etwas hochgehoben, so dass seine Zehen den Boden knapp nicht mehr berührten.

"So, und nun sag mir: Wer bin ich?" Die Stimme grollte gefährlich und die roten Augen wirkten in ihrem Funkeln noch unmenschlicher und gefährlicher als zuvor.

Der Sklave wand panisch den Kopf hin und her, zerrte vergebens an dem klauenartigen Griff, der ihm die Luft abschnürte. Mit einem herablassenden Schnaufen katapultierte der Unbekannte den leichten Körper an die gegenüberliegende Wand. Kato blieb ob des harten Aufschlages und dem vornehmlich erst mal primären Bedürfnis nach Luft schnappend am Boden liegen. Für einen Moment schoss ihn der Gedanke durch den Kopf, dass das ja eigentlich nicht wirklich eine überraschende Wendung gewesen war. Schließlich war bis jetzt einfach alles zu einfach verlaufen, der Punkt an dem sich die "netten" Höllenbewohner doch noch als das entpuppten, was sie waren, hatte unweigerlich kommen müssen. Die Sache mit dem Wunderland und dem doch noch halbwegs hilfsbereiten Bunny, war wohl doch die Ausnahme gewesen.

Schweratmend stützte er sich auf und suchte mit verschwommenem Blick nach seinem Gegner. Irgendwie tanzten seltsame schwarze Punkte vor seinen Augen, was es nicht unbedingt einfacher machte, selbigen ausfindig zu machen.

Das leise Rascheln von Stoff war zu vernehmen und dann plötzlich wie aus dem Nichts, spürte Kato, wie er erneut in die Höhe gerissen wurde. Nur mit dem Unterschied, dass der harte Griff dieses Mal unter seinen Achseln angesiedelt war, ihn jedoch nicht minder schmerzhaft als zuvor gegen die Lehmwand presste.

"Ich frage dich noch einmal: Wer bin ich?"

Mühsam versuchte Kato den Kopf zu heben, um die Gestalt anzusehen. Doch erneut stach ihm dieser grausame, alles durchdringende, rote Blick entgegen. Der Sklave musste schlucken und versuchte sich abzuwenden, indem er das Gesicht zur Seite drehte.

"Schau mich an, wenn ich mit dir rede!" Die grollende Stimme schien gerade um noch ein paar Grad kälter geworden zu sein und eine harte Ohrfeige folgte. Wenn Kato nicht in dem stählernen Griff gefangen gewesen wäre, wäre er sicher erneut zur Seite geschleudert worden. Doch so war das Blut, das sich langsam seinen Weg aus der Nase des blonden Sklaven nach unten suchte, die einzige Reaktion.

"Ich frage dich jetzt zum allerletzten Mal: Wer bin ich?"

"D-d-der H-Herr....." Katos Stimme war nichts weiter als ein leises Krächzen. Sein Kopf hing lose nach unten und er hatte Mühe sich auf etwas zu konzentrieren, weil sich alles um ihn herum drehte.

"Ja? Sprich weiter!" Die dunkle Stimme schien aufmerksam, aber auch irgendwie belustigt.

"Der... Herr... der..." lange Pausen zwischen den einzelnen Wörtern, so als würde es den Blonden unendlich viel Kraft erfordern, diese letzte Erkenntnis auszusprechen. "...Fliegen."

"Guter Junge. Du bist ja doch nicht so dumm, wie alle sagen." Ein grausames Lachen erklang, aber der der Druck auf Katos Körper ließ nach und er sank langsam zu Boden.

"So, da du nun weißt mit wem du es zu tun hast, wäre es vielleicht angebracht, dass du dich auch vorstellst und mir sagst, was du hier willst." Die Gestalt hatte sich wieder etwas entfernt und betrachtete den zusammengesunkenen Körper an der Wand.

Es kostete Kato wirklich viel Überwindung sich auf die gesprochen Worte zu konzentrieren und nicht einfach dem Schmerz nachzugeben, der seinen ganzen Leib durchzog.

"Akte..." krächzte er deshalb nur.

"Ein Akte? Die Figur schien interessiert, wenn auch eine gewisse Verwirrung aus ihrer Stimme herauszuhören war.

"Ja, erzähl. Was für eine Akte?" Sie war wieder etwas an den reglosen Sklaven herangetreten und ging vor ihm in die Hocke.

"R-rote Akte..." Katos Blick war auf einen unbestimmten Punkt am Boden gerichtet, denn er wagte es nicht noch mal in diese roten Augen zu blicken, die so voller unbestimmtem Hass waren. Sie waren ganz anders als die von Luzifer. Dessen mochten kalt wie Eis sein und zeigten überhaupt keine Regung. Diese hingegen sprühten regelrecht von Feindseligkeit. Warum nur? Eine Akte zu verlieren war doch kein Grund jemanden derart zu hassen...

Eine Hand, kalt und etwas feucht, griff nach dem Kinn des Blonden und zwang dessen Blick wieder zu sich. "Aha.... Und wegen einer roten Akte bist zu hierher gekommen." Die Stimme voller Hohn unterstrich das Bild der Augen noch, mit denen sich Kato schon wieder konfrontiert sah. Von dem Rest des Gesichtes war unter der Kapuze, selbst bei dieser Nähe, nicht mehr als Schwärze zu erkennen. Doch der Sklave war sich ehrlich gesagt nicht mehr so sicher, ob er überhaupt wissen wollte, wie der Rest vom Besitzer dieser Stimme und dieser Augen aussah.

"..verloren..." stotterte er atemlos.
 

Die Gestalt ließ wieder von dem verängstigten Blonden ab und trat etwas zurück. "Aus deinem jämmerlichen Gewinsel interpretiere ich mal, dass du mir eine rote Akte bringen solltest, die du dann aber verloren hast."

Kato nickte und wagte es zum ersten Mal sich wieder etwas zu bewegen, indem er sich den schmerzenden Hals rieb. Sobald diese Figur etwas auf Abstand war, fühlte er sich besser.

"Und was stand in jener roten Akte?"

Kato riss die Augen auf. "I-ich weises nicht... Lu- äh - Meister Luzifer-sama hat mir verboten sie zu öffnen."

"So, hat Meister Luzifer-sama dir das verboten..." Die Gestalt kam wieder auf ihn zu und dieses Mal vermittelte sie dem Blonden das Gefühl als würde sie noch bedrohlicher und noch höhnischer als zuvor wirken, wenn das denn möglich war.

"... Und da kommst du extra her, um mir zu erzählen, dass du eine Akte deren Inhalt du nicht kennst, verloren hast. Meinst du nicht, dass es für mich ziemliche Zeitverschwendung ist, mich mit so einer nichtigen Kleinigkeit auseinander zu setzen, wenn du sie nicht wieder auftreiben konntest." Bei jedem Wort war der sowieso schon zusammengekauerte Sklave noch etwas kleiner geworden. Eine innere Stimme schrie, dass er doch eigentlich von Anfang an gewusst hatte, dass es vollkommen sinnlos war hierher zu kommen. Aber jetzt war dieser Herr der Fliegen auch noch wütend und die Stimme erinnerte ihn auch noch daran, dass er ganz offensichtlich in verdammten Schwierigkeiten war.
 

"Ich muss mein Urteil von vorhin ganz offensichtlich revidieren. Du scheinst doch ziemlich dumm zu sein..." Die vermummte Gestalt beugte sich hinunter. "...freiwillig hierher zu kommen und dich auf feindliches Territorium zu begeben... dumm dumm..."

Irgendwie war diese penetrante Stimme in Katos Unterbewusstsein vorgedrungen und immer wieder hallten die Worte ,dumm dumm' in seinem Kopf nach. Verzweifelt schlug er die Hände vor seine Ohren und zog die Knie an.

"Du bist wirklich eine mickrige Gestalt. Ich frage mich, was der Fürst der Finsternis an dir findet." Voller Hohn redete der Unbekannte weiter und die Hände, die Katos Gehörgänge vor dem Eindringen solch böser Parolen schützen sollten, schienen rein gar nichts zu nützen.

"Denkst du, dass er kommen wird um dich zu retten, so wie er es bei Asmodeus getan hat?" Für einen Moment siegten Erstaunen und Neugier über die Vorsicht und der blonde Sklave ließ seine Schutzwälle fallen indem er aufsah.

"Oh ja, ich weiß davon. Das tut eigentlich jeder. Schließlich passiert so etwas nicht oft, dass der Teufel höchstpersönlich einen seiner Satane zur Verantwortung zieht, weil er sich an einem lächerlichen kleinen Sklaven wie dir vergreifen wollte... Du scheinst ihm aus irgendeinem unerfindlichen Grund wichtig zu sein..." die letzten Worte waren nur noch gehaucht gewesen.

"...und das ist der Grund, warum ich dir wehtun werde!"
 

TBC
 

[1] Für alle dies nicht wissen: ein Golem ist ein Wesen, das aus Lehm besteht und durch einen heiligen Spruch zum Leben erweckt werden kann. Es hat keinen eigenen Willen und kann von demjenigen, der es zum Leben erweckt hat, kontrolliert werden.

[2] Kennt ihr Petra, die Felsenstadt in Jordanien (kommt auch im dritten Indiana jJnes vor;P) ? So wie die Paläste dort hab ich mir in etwa den Palast des Herrn der Fliegen vorgestellt^^



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