Zum Inhalt der Seite

Elemet-Warriors

The Destiny of the World is depending on the Time...
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Prolog

Eine Nacht, so finster, wie sie bisher nur selten war.

Eine Stille, wie sie drückender kaum hätte sein können.

Und eine Welt, die vor Gefahr noch nie so geschrien hat…

Dunkle Schatten wandern umher, ziehen ihre Kreise. Wesen, die kein Herz besitzen, keinen festen Körper. Und dennoch scheint ein jeder von ihnen den Atem anzuhalten – Bis der erlösende Schrei eines neugeborenen Kindes durch den Wald dringt.

Das Weinen des Kindes stammt aus einer kleinen, romanischen Villa. Sie scheint verlassen, kein Licht brennt. Bis auf in einem Zimmer… Das schwache Kerzenlicht dringt durch das geöffnete Fenster, kann kaum etwas gegen die herannahende Dunkelheit ausrichten. Doch Mutter und Kind bekommen von all dem nichts mit.

Überglücklich hält die junge Mutter ihr nun verstummtes Kind in den Armen, streichelt ihm sanft über das kurze, dunkle Haar. Bis ihr das schwache Leuchten vom Nacken her auffällt. Langsam gleiten ihre Finger zu der Stelle hinunter. Einen Moment lang schaut sie es misstrauisch an, das kleine Zeichen, das den Nacken ziert und in einem dunklen Orangeton glimmt. Aber ihre Lippen umspielt nur eine Sekunde später ein schwaches Lächeln. Sie weiß nur zu gut, was es bedeutet…

Mit einer eleganten Bewegung streift sie sich eine Strähne ihres schweißnassen Haares aus dem Gesicht. Und erst im Nachhinein erkennt sie, dass die Veränderung ihrer Haare weiter fortgeschritten ist. Zu schnell. Der blasse Rosaton hat sich nun schon fast bis zu den Spitzen über ihr haselnussbraunes Haar gelegt… Die Zeit wird knapp…

Doch plötzlich saust haarscharf ein Messer an ihr vorbei. Das pfeifende Geräusch lässt die junge Mutter aufschrecken, das Zimmer nach dem Täter absuchen. Und als ihre Augen ihn nur einen Augenblick später erfassen, weiten sich diese vor Entsetzen.

Ihre eigene Amme steht dort, ein weiteres Messer in der Hand, zum Wurf bereit, den Blick abgewandt. Fassungslos kann sie nur auf das abgewandte Gesicht der Frau starren, die ihr gerade geholfen hatte, ihr Kind auf die Welt zu bringen. Die so viele Jahre mit ihr verbracht hatte. Die ihr volles Vertrauen all die Zeit über genoss…

Es ergibt einfach keinen Sinn… Warum, will sie wissen. Aber bevor sie diese Frage stellt, melden sich beinahe schlagartig ihre Sinne zurück… Endlich nimmt sie die drohende Gefahr wahr, die herannahende Dunkelheit, die bereits das Mondlicht verschluckt hat.

Da saust das nächste Messer an ihr vorbei, streift sie an der Wange.

Blitzschnell wirft sie die Decke auf ihre Amme, springt aus dem Bett und saust an ihr vorbei, die Stufen herunter zur Eingangshalle! Ihr Kind hält sie fest an die Brust gepresst, die Schwäche der Schwangerschaft verdrängt dank des Adrenalins, das durch ihren Körper schießt. Doch gerade, als sie die letzte, rettende Treppe nehmen will, bleibt sie wie versteinert stehen. Ihre schreckgeweiteten Augen starren auf denjenigen, der ihr den letzten Ausweg nimmt und nun mit siegessicheren Schritten die letzten Stufen zu ihr hinauf besteigt.

„Ilaria, Ilaria…“, meint er gespielt vorwurfsvoll, ohne aufzusehen. Aber er dies muss er auch nicht, denn sein höhnisches Grinsen versteckt sich bereits in der Stimme…

„Verräter…“ Ihre Stimme ist nicht mehr als ein Flüstern, ein Zischen, das sie zwischen den Zähnen hervorstößt. Angewidert. Wütend.

Anstatt zu antworten lacht ihr gegenüber nur finster auf.

Schnell will Ilaria die Gelegenheit nutzen und fliehen, doch als sie zum rechten Flügel hinauf will, tauchen dort, wie auf Kommando, schwarze Schattengestalten auf. Sie will umkehren, in den anderen Flügel flüchten, aber auch zu dieser Treppe versperren ihr die Gestalten den Weg. Die Gestalten, die nichts weiter als Rauch sind und doch leben…

Alle Wege sind ihr nun versperrt, der Verräter mit seinem schwarzen Mantel weiß das und lacht nur lauter. Doch die junge Mutter überlegt nicht lange. Schneller, als irgendwer reagieren kann, dreht sie sich um, schlingt die Arme fest um ihr Baby und springt durch das Fenster! Vollkommen überrumpelt von der Situation starrt er ihr hinterher, stürmt zum zerbrochenen Fenster und sucht den Boden nach ihr ab.

Seine Schatten machen es ihm gleich, aber als er dies bemerkt brüllt er sie an.

„Verdammt, was steht ihr hier noch so blöd rum?! Tut etwas! Findet sie!!!“

Und damit lösen sich die Schatten wieder in Rauch auf…
 

Vollkommen außer Atem lehnt Ilaria an einem Baum. Ihre Beine schaffen es kaum, sie noch aufrecht zu halten, ihr Herz kann kaum so schnell schlagen, wie die Angst in ihr flackert. Und sie zittert am ganzen Leib – Doch ihr Kind schläft ruhig weiter…

Mit schmerzendem Blick sieht sie auf das unschuldige, runde Gesicht hinunter, vergisst für einen Moment alles um sich herum, während in ihrem Kopf lauter Fragen herumschwirren…

Wie kann dieser Verräter es überhaupt nur in Erwägung ziehen, ein so kleines, unschuldiges Geschöpf töten zu wollen? Reicht es nicht, dass er sie und ihren Mann aus dem Weg räumen will? Dass er damit einen gewaltigen Krieg heraufbeschwört, in der er die Menschen nur so abschlachten wird? Muss er nun die letzte Hoffnung auch noch vernichten? Warum das alles? Wofür?

Auf all diese Fragen wird sie wohl nie eine Antwort erhalten… Aber sie darf nicht aufgeben! Sie darf nicht zulassen, dass er ihre Tochter mit in diesen sinnlosen Krieg hineinzieht. Und deswegen muss sie sie nun fortschicken… Weit weg von diesem Ort, in Sicherheit. Aber wo soll sie-

Plötzlich reißt das Knacken der Baumrinde sie aus den Gedanken.

Und noch bevor sie weiß, wie ihr geschieht, kippt sie nach hinten! Sie schlingt die Arme fest um das Kind, kneift die Augen zu, in der Hoffnung, es sei bald vorbei – Aber da spürt sie bereits einen abrupten Gegendruck auf ihren Rücken. Irritiert öffnet sie die Augen, verblüfft darüber, dass sie anscheinend schon gefallen war. Als sie sich dann umsieht und direkt durch das Loch blickt, durch das sie gerade eigentlich gefallen war, wird ihr klar, dass sie wohl eine Höhle entdeckt haben muss. Eine kleine Höhle im Inneren eines großen Baumes…

„Glück im Unglück“, murmelt sie leise, als sie sich von der Rinde abstößt und sie schnell von innen vor das Loch stellt. Die Rinde verdeckt das Loch zwar nicht besonders gut, aber es verschafft ihr hoffentlich den kleinen Zeitvorsprung, den sie braucht, um ihr Kind in Sicherheit zu bringen.

Langsam geht sie in die Knie, kann ihren Blick dabei nicht von ihrer kleinen, süßen Tochter abwenden, die noch immer so friedlich in ihren Armen schläft. Behutsam küsst sie sie auf die Stirn, streichelt ihr sanft über die Wange, bevor sie sie sacht auf den Boden legt…

Aber jetzt muss alles schnell gehen. Rasch zieht sie einen Kreis um ihr Kind, einen zweiten, etwas größeren, gleich hinterher. Zuletzt folgen schnell sieben Zeichen, die sie flüchtig in den Zwischenraum der Kreise in den Sand zeichnet. Die Zeichen beginnen zu glimmen, höchstens eine Minute, bevor es losgeht…

Ein letzter Blick, der ihr das Herz schwer werden lässt. Tränen glitzern in ihren Augen, als sie nun leise flüstert: „Mein Liebling… Hier trennen sich unsere Wege… Es zerreißt mir das Herz, dich gehen lassen zu müssen, aber es ist besser so. Du sollst in Frieden aufwachsen, weit weg von all der Dunkelheit, von all dem Grauen. Und obgleich ich dich nicht gehen lassen will… so muss ich es…“, sie seufzt und die erste Träne rinnt über ihre Wange. Ihre Stimme bebt, als sie versucht, ruhig zu bleiben, „Aber eines Tages wird uns das Schicksal wieder zusammen führen. Das verspreche ich dir…!“

Mit einem Mal nehmen die Tränen überhand. Sie versucht sie hinunter zu schlucken, versucht das Schluchzen zu unterdrücken, das sich anbahnt. Mit zitternder Hand greift sie ein letztes Mal nach den kleinen Fingern ihrer Tochter. Vorsichtig drückt sie ihnen einen letzten Kuss auf, flüstert ihr ganz leise etwas zu…

Und plötzlich beginnen die Zeichen aufzuleuchten! Langsam heben sie sich vom Boden ab, heben das kleine Kind mit in die Luft, beginnen, sich um sie herum immer schneller zu drehen, hüllen sie in das strahlende, rosafarbene Licht ein. Mit einem schwachen Lächeln sieht Ilaria dem Geschehen zu, legt ihre Hand auf den Mund um das Schluchzen zu unterdrücken, das tief aus ihrem Herzen kommt – Und mit einem Mal ist alles verschwunden…

Und das keine Sekunde zu spät, denn plötzlich schlingen sich lauter schwarzer Fesseln um Ilarias Körper! Sie versucht aufzuschreien, aber der Schrei bleibt ihr in der Kehle stecken. Als sei ihr ganzer Körper schlagartig gelähmt… Vollkommen bewegungsunfähig kippt sie mit dem Rücken an die innere Baumrinde, gleitet an dieser herunter, und starrt mit großen Augen entsetzt auf den Eingang zur kleinen Höhle. Ihr Herz rast, denn sie spürt, dass ihr Ende naht…

Kapitel 1

Tiefste Nacht. Das fahle Mondlicht verblasst abermals unter den dunklen Wolken. Sie ziehen über den Himmel, langsam, als seien sie schwer. Schwer von Unheil, schwer von Gefahr…

Stille. Fast unmerklich beginnen die Schatten sich zu regen. Die Welt pulsiert förmlich, sie scheint zu erwachen. Allerdings… ist es die Welt der Dunkelheit.

Inmitten dieser Dunkelheit erhellt auf einmal ein Licht das Geschehen. Es strahlt hell, lässt die Schatten zurückweichen, blendet ein jedes Wesen der dunklen Welt. Das ist ihre Chance – und sie nutzt sie.

Schnell stürmt sie aus dem Licht heraus, vorbei an den Schatten, eilt geradewegs auf eine alte Villa zu. Noch ehe die Gestalten wieder zur Besinnung kommen, ist sie bereits in der angeschlagenen Villa verschwunden. Sie hetzt die große Treppe in der Eingangshalle hinauf, bleibt oben auf kurz stehen, schaut nach links, nach rechts, als wisse sie nicht, wohin. Doch als sie einen flüchtigen Blick über die Schulter wirft, steigt Angst in ihr auf, und sie rennt, ohne länger zu zögern, die letzten Stufen in den rechten Flügel hinauf.

Ihre hastigen Schritte hallen in der verlassenen Villa. Ihr Atem scheint die Wände zum Beben zu bringen. Ihre angsterfüllten Augen glitzern in dem blassen Mondlicht, das stellenweise durch das zerstörte Dach bricht… Mit einem Mal bleibt sie jedoch stehen, direkt vor einer offenen Tür. Langsam tritt sie in das Zimmer ein, lässt ihren Blick über die schwach erleuchteten Silhouetten wandern. Die Vorhänge wehen sacht im Wind, als habe gerade erst jemand das Fenster geöffnet. Eine gespenstige Ruhe lebt in diesem Zimmer…

Es ist fast, als sei dieses als einziges Zimmer verschont geblieben. Verschont von dem Kampf gegen die Zeit – als sei die Zeit in diesem Raum stehen geblieben…

Doch auf einmal reißen sie Schritte aus den Gedanken. Die Person, deren Schatten sie flüchtig über die Schulter gesehen hatte, deren Schatten ihr Angst bereitet hatte, als sie auf der Treppe stand – diese Person scheint nun die Treppen hinauf in ihre Richtung zu kommen. Sie muss sich beeilen und hier raus…

Suchend schweift ihr Blick erneut durchs Zimmer. Sie tritt tiefer ein, blickt sich um. Mit jeder Sekunde scheint ihr Herz stärker zu schlagen, lauter, als wolle es ihr zurufen, sie solle verschwinden. Aber sie kann nicht. Zuallererst, muss sie-

Wie versteinert bleibt sie stehen. Sie hat es gefunden. Tatsächlich…

Langsam macht sie einen Schritt auf das schillernde Etwas zu, das halb versteckt unter der Kommode liegt. Doch als plötzlich das Bersten des Holzbodens wie ein Faustschlag in ihre Gedanken eindringt, wirbelt sie erschrocken herum. An der Wand befindet sich wieder dieser Schatten, zappelnd, als stecke er mit dem Fuß in dem Holzboden fest. Instinktiv will sie aufschreien, ihrer Angst Luft machen – Aber wenn sie dem jetzt nachgeben würde, wäre es ihr Untergang…

Rasch reißt sie ihre Augen von dem Schatten los, blickt zu Boden und ihr Herz bleibt schlagartig stehen.

Wolken verhängen den Mond, das Licht verblasst, die Lichtreflexe sind verschwunden. Hastig hockt sie sich hin, tastet panisch den Boden ab, bis sie mit den Fingern an etwas Kaltes, Glattes stößt. Ein heiserer Aufschrei entweicht ihr vor Erleichterung – und leitet ihr Ende ein.

Für einen Moment herrscht Stille, die Augen des Mädchens weiten sich. Sie spürt, dass ihr Aufschrei ein großer Fehler war, denn auf dem Gang regt sich für einen Augenblick nichts mehr, als warte die Person nur darauf, ihren vor Angst rasselnden Atem zu hören. Sekunden verstreichen, lange, schmerzvolle Sekunden… Und auch, wenn ihr Leben davon abhängt…

…hält sie die Stille nicht mehr aus! Blitzschnell schließen sich ihre Finger um das kleine Etwas, sie springt auf und eilt zum Fenster. Mit einem lauten Krachen befreit sich nun auch der Schatten aus dem Boden und poltert über den Gang.

Erschrocken wirbelt sie herum, schaut wieder zum Fenster. Ihr Herz rast, ihre Knie zittern. Was soll sie nur tun? Ihr einziger Ausweg ist der Sprung aus dem zweiten Stock, aber… würde sie das überhaupt überleben?

Mit einem lauten Knall fliegt die Tür ganz auf, der Mann kommt in den Raum gedonnert – Und sie stürzt sich kurzerhand aus dem Fenster…
 

Mit einem heiseren Aufschrei sitzt Kaen senkrecht im Bett. Der Schweiß perlt von ihrer Stirn, ihr Herz rast, ihre Beine zittern, fast so, als hätte sie gerade größte Ängste durchlebt. Dabei hatte sie nur geträumt. Oder?

Mit großen Augen fährt sie sich mit der Hand durchs Haar. Ihr Puls rast noch immer.

Es war nur ein Traum gewesen. Ein seltsamer Traum… der sich so real angefühlt hatte. Aus ihrer eigenen Perspektive hatte sie es jedoch nicht wahrgenommen, da ist sie sich sicher. Sie schien in dem Körper eines Mädchens zu stecken, ein Mädchen, das nicht sie selbst gewesen war. Als Anhaltspunkt hat sie allerdings nur das lange, aschblonde Haar. Und… den kleinen Gegenstand, den das Mädchen unter der Kommode entdeckt hatte, in der finsteren Villa, verfolgt von einer zwielichtigen Person. Aber… Wer war diese Person gewesen? Wer hatte sie verfolgt?

Sie hat die groben Umrisse einer Person vor Augen, einer großen Person mit breiten Schultern. Das Gesicht… Schwarze Augen? Nein, blau. Oder… doch schwarz? Sie kann es nicht erkennen… Nur schemenhaft kann sie sich das Bild in Erinnerung rufen, doch je mehr sie versucht, die Details zu erkennen, desto schneller verschwindet es. Als wolle man Wasser mit den bloßen Händen halten…

Schließlich gibt sie es auf. Es nützt nichts, es bringt nichts. Müde und irgendwie erschöpft vergräbt sie ihre rechte Gesichtshälfte in der Hand. Ein lautes Seufzen entweicht dabei ihrer Kehle – Doch plötzlich durchfährt sie ein glühender Schmerz!

Sie presst die Zähne aufeinander, krallt die Hand in ihre linke Schulter, als würde es etwas nützen – Aber der Schmerz verschlimmert sich nur.

Fluchend wirft sie den Kopf in den Nacken, versucht ruhig zu atmen – Doch mit jedem Atemzug scheint die brennende Fläche auf ihrem Schulterblatt größer zu werden…

Sekunden verstreichen. Sekunden des Schmerzes. Und es scheint kein Ende in Sicht.

Plötzlich durchzuckt sie erneut ein brennender Schmerz! Wie eine gewaltige Welle schlägt er auf ihr Schulterblatt ein, sticht mit hunderten glühender Giftpfeile auf eine tennisballgroße Fläche ein. Sie will aufschreien vor Schmerz, sich am liebsten mit dem Rücken gegen die Wand werfen. Aber in ihre Glieder dringt keine Kraft…

Reglos kauert sie auf dem Bett, die Hand noch immer in der Schulter verkrampft. Ihr Atem geht stoßweise, ihr Herz rast.

Und endlich ebbt der Schmerz ab… Ein letztes Pulsieren ist zu spüren. Dann nichts mehr. Bis auf eine zarte Wärme… Erschöpft kauert Kaen noch immer auf dem Bett, versucht zu verstehen, woher dieser Schmerz gekommen war. Nur langsam verringert sie die Kraft, mit der sie ihre Finger zuvor in die Schulter geschlagen hatte, fast, als habe sie Angst, ihre Schulter würde zerspringen, sobald sie die Hand von ihr nehmen würde. Aber es passiert nichts.

Vorsichtig streift sie zuerst mit den Fingerspitzen, dann mit der ganzen Hand über ihre Schulter, tastend, suchend, bis sie wie versteinert in der Bewegung innehält. Ihre Hand ruht nun genau auf der Quelle des eben verschwundenen Schmerzes – und ihre Haut darunter glüht förmlich!

Erschrocken zieht sie ihre Hand zurück, wirft die Decke zur Seite und springt aus dem Bett, doch da fällt sie hart auf die Knie. Mit einem gezischten Fluch versucht sie sich aufzurappeln, den pochenden Schmerz auf ihren Knien zu unterdrücken, fällt dabei fast rückwärts aufs Bett, kippt beinahe nach links, nach rechts, bis sie endlich ihre Balance wiedergefunden hat. Der Schmerz an ihrer Schulter muss ihr wohl eine ganze Menge an Energie geraubt haben, wenn sie nicht einmal mehr Kraft in den Beinen hatte… Seltsam…

Noch ehe die Gedanken richtig Form annehmen können, vertreibt sie sie mit einem leichten Kopfschütteln und macht sich dann torkelnd auf den Weg ins Badezimmer.

Der Flur ist in Dunkelheit getaucht. Schwarz. Lediglich ein blasser Fleck Mondlicht erhellt den schmalen Gang. Daran stört sie sich nicht. Gezielt läuft sie auf die Tür zu, öffnet sie mit einem leisen Klacken. Dunkelheit strömt ihr entgegen, kalte schwarze Wolken, die nach ihr greifen, sie verzehren wollen. Daran stört sie sich auch nicht. Mit einem dumpfen Klicken wird der Raum schlagartig von Licht gefüllt. Und Kaen greift bereits nach dem winzigen Spiegel, der auf der Fensterbank des kleinen Raumes steht.

Ihr Herz pocht, als sie sich mit dem Rücken zum Wandspiegel dreht. Ihr Puls beschleunigt sich, als sie den Träger ihres Tops hinuntergleiten lässt. Ihre Hände zittern, als sie den Spiegel in ihren Fingern in Position zu rücken beginnt. Ein beklemmendes Gefühl breitet sich in ihrer Brust aus, als sie von einer bösen Vorahnung gepackt wird. Und ihr stockt der Atem, als der Spiegel endlich die rechte Position zu haben scheint…
 

Ihr linkes Schulterblatt ziert ein Zeichen,

das entfernt einem Auge ähnelt…

In der Mitte dieses… Auges glüht in ein Mal,

das stark einem F ähnelt.
 

Ihre Augen weiten sich. Ihre Sicht verschwimmt. Ein Scheppern. Atemnot.

Kraftlos stützt sich Kaen mit den Händen auf dem Waschbeckenrand ab, starrt auf die Scherben zu ihren Füßen, ringt nach Luft. Was zur Hölle geht hier vor sich?!
 

Ihre Gedanken überschlagen sich. Luft. Sie braucht Luft.

Ohne einen weiteren Blick auf die Scherben und den kaputten Spiegel zu werfen, stürmt sie aus dem Badezimmer, lässt das Licht brennen, läuft direkt in ihr Zimmer. So schnell sie kann schlüpft sie aus ihrer Schlafkleidung, hinein in frische Kleidung, und flitzt anschließend die Treppe hinunter. Ohne zu zögern greift sie nach der Türklinke – und da durchzuckt es sie erneut. Plötzlich ist sie wie gelähmt. Gelähmt von dem Auge, das mit einem Mal in ihren Gedanken aufgetaucht ist, das sie mit eiskaltem Blick fixiert. Ein graublaues, scheinbar blindes Auge, mit einer tiefen Narbe… Sie kann sich nicht rühren, ist wie versteinert. Und langsam, ganz langsam, schnürt ihr jemand die Kehle zu…

Sie keucht auf, torkelt zurück, hebt die Hände instinktiv an den Hals, als könne sie die unsichtbaren Hände fortreißen, die ihre Kehle immer fester zu umschließen scheinen. Doch es bringt nichts.

Entschlossen versucht sie das Gefühl zu verdrängen, greift erneut nach der Türklinke – und reißt die Tür mit einem kräftigen Hieb weit auf. Die kühle Nachtluft strömt ihr entgegen, lässt das erstickende Gefühl in ihrer Kehle verblassen. Endlich ist auch das beklemmende Gefühl in ihrem Brustkorb verschwunden. Es ist, als seien die schweren Ketten, die sie umschlangen, auf einmal von ihr abgefallen… und mit ihnen die verwirrenden Gedanken. Nur ihr beschleunigter Puls lässt noch den Schreck erahnen, den sie soeben erlebt hatte.
 

Leise zieht Kaen die Haustür hinter sich zu und schlendert die schwach beleuchtete Straße entlang, die Hände locker in den Hosentaschen vergraben. Nach und nach kehren die Gedanken zurück, diese verwirrenden und irgendwie verschreckenden Gedanken, die sie seit ihrem Traum plagen. Was hat es mit diesem Traum auf sich? Man sagt ja, die Träume seien das Fenster zur eigenen Seele. Aber was will dieser Traum ihr dann sagen? Und wie kann es sein, dass er sich dabei so verdammt real angefühlt hat?

Doch es ist nicht nur der Traum der sie verwirrt. Es ist vor allem dieses Zeichen, das aus dem Nichts heraus auf ihrem Schulterblatt aufgetaucht war… Wobei… „aus dem Nichts“ trifft es ja auch nicht direkt. Es hatte sich schon angekündigt durch das brennende Gefühl. Fast so, als sei gerade jemand dabei gewesen, sie zu brandmarken. Aber… vielleicht sollte es auch genau dies bezwecken? Vielleicht sollte man sie von nun an an diesem Zeichen erkennen? Und wenn ja – warum?

Bei diesen Gedanken rauft sich Kaen wild die Haare, stößt einen deftigen Fluch zwischen den Zähnen hervor und wirft den Kopf in den Nacken. Ihre Füße bewegen sich kein Stück mehr von der Stelle. Sie schließt die Augen… atmet tief ein… Das alles ist vermutlich noch immer ein Traum. Ja, genau, das ist es! Sie bildet sich das alles nur ein. Wenn der andere Traum sich schon so real anfühlen konnte, dann konnte es dieser doch auch, oder etwa nicht? Außerdem ist ein Traum im Traum auch nichts allzu ungewöhnliches. Oder?

Langsam stellen sich ihre Nackenhaare auf, ein kleiner Schauer erfasst sie. Jemand beobachtet sie…

Sie wirbelt herum, sucht mit ihrem Blick die komplette Straße ab, fixiert jede noch so kleine Bewegung. Doch es ist niemand zu sehen. Lediglich eine schwache Brise lässt ihre Umgebung erschauern. Sie seufzt. „Na super, jetzt fange ich auch schon an paranoid zu werden…“

Mit diesen Worten macht sie sich weiter auf den Weg. Doch mit jedem Schritt wird sie mehr und mehr das Gefühl nicht los, tatsächlich verfolgt zu werden… Sie beschleunigt ihre Schritte, wird immer schneller, bis sie schließlich am Wald angelangt, und so schnell sie kann in diesen hinein sprintet. Sie rennt und rennt, immer schneller und schneller, kommt vom Weg ab, läuft direkt ins Herz des Waldes. Und erst, als ihr langsam die Puste ausgeht, bleibt sie erschöpft stehen.

Sie fühlt sich wie ein gehetztes Tier, die Panik sitzt ihr noch immer in den Knochen, das Adrenalin rast noch immer durch ihren Körper.

Allmählich beginnt sie sich zu beruhigen. Das alles ist vermutlich sowieso nur reine Einbildung. Hirngespinste, die ihre Wahrnehmung vernebeln. Wahrscheinlich liegt sie sowieso noch in ihrem kuschligen Bett und wälzt sich unruhig hin und her bei diesem äußerst… sonderbaren Traum.

Doch plötzlich wird sie vom Knacken eines Zweiges aufgeschreckt! Panisch wirbelt sie herum, versucht verzweifelt etwas in der Dunkelheit zu erkennen und tatsächlich – dort hinten befindet sich ein Schatten zwischen den Bäumen! Aber noch ehe sie die genauen Umrisse erkennen kann, ist er auch schon wieder verschwunden… Das Knacken hingegen hallt noch immer in ihrem Kopf wider.

Ihr Herz rast, ihre Kehle ist wie ausgetrocknet, ihr Magen zieht sich zusammen, ihr Puls steigt ins unermessliche. Und das Zeichen auf ihrer Schulter beginnt wieder langsam zu glühen…
 

Sie schwebt… schwerelos… leicht…

Sanft wird sie fortgetragen, als schwebe sie auf Wolken. Großen, weichen Wolken, die sie so sanft umschmeicheln, dass sie langsam ihr Bewusstsein wiedererlangt und irgendwie auch wieder nicht. Am liebsten würde sie auf diesen Wolken liegen bleiben…

Sobald du das Amulett gefunden hast, drängt die Zeit, Akari. Du musst dich beeilen und die übrigen schnell zusammenfinden. Ansonsten…“ Eine ihr nur allzu vertraute Stimme. Xersia. Die ihr Leben lang wie ihre Mutter gewesen war und sie von klein auf auf diese Aufgabe vorbereitet hat. Sie darf sie nicht enttäuschen. Sie muss schleunigst die anderen finden.

Müde blinzelnd öffnet sie endlich die Augen. Erst jetzt wird ihr bewusst sie, wie schwer ihr Kopf sich anfühlt, wie dumpf. Das grelle blaue Farbenspiel um sie herum ist da nicht gerade förderhaft…

Schnell schließt sie die Augen wieder, aber nicht für lange, denn erst jetzt wird ihr klar: Sie befindet sich in einem Portal! Mit leuchtenden Augen blickt sie sich um, das betäubte Gefühl in ihrem Kopf ist wie vergessen, stattdessen breitet sich ein Gefühl der Freude, der Begeisterung, der Erleichterung in ihr aus. Sie hat es doch tatsächlich geschafft! – Aber Moment Mal. Wieso befindet sie sich in einem Portal?

Sicher, das Portal kam ihr gerade recht. So oder so musste sie durch Zeit und Raum reisen und es hat sie obendrein auch vor dem Fall gerettet. Aber eigentlich hätte es sich gar nicht aktivieren dürfen. In ihrem Fall wäre ein großer Zeitaufwand mit unzähligen Zeilen einer fremden Sprache, die sie während ihrer „Ausbildung“ hatte auswendig lernen müssen, notwendig gewesen. Warum also…?

Noch ehe sie darüber genauer nachdenken kann, verpuffen die weichen, unsichtbaren Wolken um sie herum plötzlich. Ihre Augen weiten sich, Panik steigt in ihr auf – und auf einmal fällt sie tief in einen Strudel aus Blautönen und Weiß…
 

Mit rasendem Herzen starrt sie noch immer auf die Stelle zwischen den Bäumen, dort, wo ihr für den Bruchteil einer Sekunde ein Schatten aufgelauert hatte… Langsam setzt sie einen Schritt rückwärts, dann noch einen, ohne dabei den Blick abzuwenden. Doch auf einmal wird das Laub um sie herum von einem Windstoß erfasst.

Erst ist es nur ein zarter Hauch, ein laues Lüftchen, kaum spürbar. Doch es nimmt an Kraft zu. Wieder zieht sich Kaens Magen zusammen. Erneut wird sie von einer bösen Vorahnung ergriffen, gepaart mit dem warmen Glimmen auf ihrem Schulterblatt. Nur zögerlich dreht sie sich um, langsam, wie in Zeitlupe. Und ihre Augen weiten sich, als sich nur wenige Meter entfernt wie aus dem Nichts ein blau-weißes Farbenspiel vor ihr aufbaut…

Sie will wegrennen, so weit weg wie nur möglich. Aber ihre Beine sind wie versteinert. Sie will schreien, so laut sie kann. Aber ihre Kehle ist wie ausgetrocknet. Sie will um sich schlagen. Aber ihr ganzer Körper ist regungslos… Sie kann einfach nicht fort. Als würde ihr Körper magisch angezogen…

Noch ehe sie versuchen kann, ihre Gedanken zu ordnen, springt ihr auf einmal ein junges Mädchen aus diesem… „Wurmloch“, oder was auch immer, entgegen. Seltsam genug. Aber als Kaen das Mädchen erkennt, setzt ihr Verstand komplett aus – das ist doch tatsächlich das Mädchen aus ihrem Traum!

Das ist zu viel. Mit einem Mal hat sie das Gefühl, in etwas geraten zu sein, aus dem sie so schnell nicht mehr herauskommen wird. Und das ohne jemals wirklich eine Wahl gehabt zu haben…



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu dieser Fanfic (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Ryu_Dairen
2011-07-24T15:05:09+00:00 24.07.2011 17:05
Der Prolog ist echt genial. So fesselnd. Man kann sich so sehr hineinversetzen, dass man das Gefühl direkt daneben zu stehen.
In den Sinne also Kompliement und weiter so.^-^


Zurück