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Secret Society

von

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Mutter

Kapitel 13 Mutter
 

Nun war mehr als eine Woche vergangen, in der sich sein Leben in eine völlig ungeahnte Bahn gelenkt hatte. Er, Gabriel war mit Wesen und Kreaturen in Berührung gekommen, die er sonst in das Reich der Sagen und Mythen verbannt hatte. Hätte ihn Jemand zuvor erzählt, dass er zum Lieblingspüppchen eines schwulen verrückten Vampirs werden würde, hätte er ihn wohlmöglich zusammengeschlagen...

Schweigend schritt Gabriel durch die düsteren Gänge der oberen Etage der Styx Society.

Lange Schatten begleiteten seinen ziellosen Weg. Einzig die Ablenkung war es, die er in seinem kleinen Spaziergang suchte, aber die würde er ohnehin nicht finden. Alles erinnerte ihn an seine verfangene Situation, aus der er nicht mehr entkommen konnte. Wie auch? Er war längst kurz davor gewesen aufzugeben... Nur die Entscheidung, das zu tun, was man von ihm verlangte rettete ihm wohl den Arsch, aber selbst da konnte er sich nicht so sicher sein. Na wenigstens hatte sein Entschluss dazu geführt, das Jerome ihn erlaubte sich frei auf den oberen Etagen der Society bewegen zu können.

Für einen Moment erwachte Gabriel aus seinen Gedanken, als er bemerkte, dass er beinahe gegen einen großen Blumentopf gelaufen wäre. Seine Füße hatten ihn zum Ende des Ganges geführt, der sich zu einem kleinen Raum verbreiterte.

Wofür dieser Raum wohl gedacht ist, fragte Gabriel sich, als er sich die Einrichtung genauer besah. Ein kleiner Tisch und drei gepolsterte Sessel aus hellem Korbgeflecht standen in der Mitte. Ein besonderen Flair erhielt der kleine Raum durch die großen Fenster, durch dass das kühle Licht der nächtlichen Metropole fiel und auf die vielen Grünlilien schien, die großzügig in den Zimmerecken verteilt worden waren. War dies hier so eine Art Wartezimmer? Um sich zu orientieren ging Gabriel wieder in den Korridor zurück und entdeckte das dieser weiter nach links abbog.

Schon im ersten Augenblick bereitete dieser Gang Gabriel ein ungutes Bauchgefühl. Auch wenn er erst seit einer Woche an diesem seltsamen Ort war, so hatte er doch schnell gelernt auf ein solches Gefühl zu hören. Schließlich war er hier schon oft genug in Schwierigkeiten gekommen.

Er war ganz klar dazu entschlossen kehrt zu machen, doch ein Funkeln, dass er aus dem Augenwinkel erblickte zog seine Aufmerksamkeit auf sich. Für einen Moment tat sein Herz einen erschrockenen Satz, denn er glaubte Lucions glühende Augen dort in der Dunkelheit aufblitzen zu sehen. Nein er glaubte es nicht nur, er war sich sicher. Langsam wandte er sich der Düsternis zu, denn weglaufen hatte sowieso keinen Zweck.

„Luc-“, begann er seinen Satz, doch räusperte er sich und krächzte zögernd.

„Lichtbringer?“

Schon seit seinem ersten Tag hier in dem Komplex der Society verfluchte er die ständige Dunkelheit die in den oberen Stockwerken herrschte und auch dieser Korridor war voll davon. Keine Fenster, aber während andere Gänge noch beleuchtet waren, lag dieser vollkommen in Finsternis. Warum mussten Vampire bloß so versessen auf dunkle Löcher sein, wo doch die tödliche Lichtempfindlichkeit nur ein Hollywood- Mythos war.

Keine Antwort. Gabriel spähte in die schwarze Tiefe zu der das schwache Licht des kleinen Raums hinter ihm kaum mehr hin reichte. Da war definitiv etwas! Für einen kurzen Moment glaubte Gabriel sogar das Rascheln von Stoff zu hören.

Er wusste das es dumm war, dennoch tat er einen kleinen Schritt in den Gang. Ein kleiner Schritt würde schon nicht Schaden... Nur ein kleiner Schritt, um besser sehen zu können...

Schon allein der Gedanke an den silberhaarigen Vampir bereitete ihm ein kaltes schauriges Prickeln im Nacken und er hatte keine Lust ausgerechnet jetzt dessen sadistischen Spieltrieb durch eine kopflose Flucht zu wecken. Doch kaum das er besser erkennen konnte, was sich dort verbarg, wurde ihm leicht in seiner Brust. Ein Glück, es war nicht Lucion. Nur ein Portrait eines feisten Mädchens war es gewesen, das vom schwachen Licht beschienen wurde. Die Augen und das unnatürlich helle Haar, waren auf kunstvolle Art mit leicht glänzenden Farben auf der Leinwand verewigt. Die genaue Technik konnte er nicht erkennen, was aber auch nicht überraschend war, denn er besaß das Kunstverständnis einer Lakritzschnecke. Aber diese Farben nannten einen perlmutartigen Glanz ihr Eigen und reflektierten das fahle Licht auf mystische Weise. Schnell war der Schreck vergessen und Gabriel ging auf das Bildnis zu, dabei grinste er verschmitzt zu der jungen Frau hoch.

„Langsam werde ich noch paranoid...“, murmelte er zu sich selbst und betrachtete das Portrait genauer. Ganz klar war, dass sie ein paar Kilos zu viel auf den Hüften hatte, aber die junge Frau schien die Art Mensch (oder eher gesagt Vampir, denn das war sie ohne Zweifel) zu sein, die man sich optisch nicht anders vorstellen konnte. Sie gehörte einfach so und es machte sie schön.

Von ihren runden Wangen lenkten zwei hell grüne Augen ab, die genau wie ihr schiefes Lächeln spöttisch auf ihren Betrachter hinab sahen. Doch war es kein boshafter Spott, sondern die freche kokette Art, wie sie nur selbstbewusste Mädchen haben konnten.

Diese beiden leuchtenden Augen und die vollen rosaroten Lippen gaben dem blassen Gesicht etwas Lebendiges und Schönes. Durch ihr platinblondes, fasst weißes Haar hätte man sie ansonsten leicht für eine Marmorstatue halten können.

Das Bild endete unterhalb ihrer Brust, die von dunkelroter Spitze verziert wurde. Man konnte es nicht erkennen, aber Gabriel vermutete, dass sie ein Kleid aus dem vorherigen Jahrtausend trug.

Ihr Anblick erfüllte ihn auf unerklärliche Weise mit einem warmen angenehmen Gefühl, so als würde er in das Gesicht seiner verstorbenen Mutter blicken und dass, obwohl er nicht mal mehr wusste wie seine Mutter überhaupt aussah. Es war einfach ihre Ausstrahlung, so fand er.

Doch gleichzeitig verstörte ihn etwas an dieser Rubensschönheit und das war bestimmt nicht ihre leichte Leibesfülle.

Diese blasse Erscheinung...

Diese glühenden Augen und die Art wie sie lächelte...

Konnte es sein, dass sie-

Weiter kam Gabriel in seinen Überlegungen nicht, denn ein erneutes Rascheln nicht unweit von ihm erregte seine Aufmerksamkeit. Alle seine Gliedmaßen verkrampften sich, als dieses verräterische Geräusch noch von einem lauteren, viel unangenehmeren Ton begleitet wurde.

Ein tiefes rasselndes Keuchen...

Alles in ihm schaltete sich auf Automatik und mechanisch wandte Gabriel sich um. Dieses Mal brauchte er keineswegs Licht, um die riesigen dunklen Schemen von zwei Draugrn zu erkennen. Augenblicklich löste sich ein erschrockener Schrei aus seiner Kehle und er machte einen ungelenken Satz zurück, der ihn taumeln rückwärts zu Boden fallen ließ. Sie standen dort wachend vor einer massiven Eichentür und bedrohlich neigten sie ihre Köpfe.

Wo kamen die denn so plötzlich her!? Warum hatte er sie vorher nicht bemerkt!

Atemlos und erstarrt wartete er auf eine Reaktion der beiden Riesen, doch sie taten nichts weiter, außer ihn mit leuchtenden Augen zu fixieren. Gabriel wagte es, sich ganz vorsichtig zu rühren und begann langsam sich aufzurichten. Dabei achtete er genauestens auf jede seiner Regungen, gleich so, als wollte er vor einem vor Tollwut schäumenden Hund zurückweichen. Jedoch schon der erste Schritt reichte um dem links stehenden Draugr ein bedrohliches Knurren zu entlocken. Obwohl dieser keine Anstalten machte ihm zu folgen, erstarrte Gabriel sofort wieder an Ort und Stelle.

Verdammt, da hatte er sich ja wieder erstklassig in die Scheiße geritten. Warum waren diese Biester bei Jerome nur so handzahm und bei ihm nicht? Wollten ihm Draugr nur Angst einjagen? Aus irgendeinem Grund beschlich ihm eher das Gefühl, dass nicht nur das der Fall war.

„Wirklich ein zu köstlicher Anblick, den du da bietest, doch solch halbherzige Fluchtversuche solltest du unterlassen.“, sprach eine amüsierte Stimme neben Gabriel und augenblicklich sträubte sich ihm jedes noch so kleine Härchen vor Schreck.

„Ephra!“, entwich es ihm krächzend und starrte auf den hochgewachsenen Vampir, der einfach so neben ihm stand, als würde er auf den Bus warten.

„Woher-“ Abrupt schluckte er seine Frage hinunter, denn diese war einfach zu dumm um sie zu stellen.

„Natürlich, du kannst durch die Schatten wandeln. Ich vergaß...“, murmelte Gabriel und lächelte bitter mit abgewandten Blick, dann sah er zu den Draugrn.

„Mir scheint, dass sie mich nicht sonderlich mögen, was allerdings auf Gegenseitigkeit beruht.“ Ephra schmunzelte nur verhalten und schaute auf.

„Oh, wenn du wüsstest, wie sehr sie dich wirklich mögen. Deine ungezügelte Angst macht dich für sie so sympathisch wie eine Praline mit feinster Füllung.“ Mit einem süffisanten Lächeln drehte der schwarzhaarige Lamia sich dem Jüngling zu und musterte ihn. Gabriel entging nicht, dass der Vampir die Gesamtsituation sichtlich amüsierte und ohne Zweifel auskosten würde. Na wenn das nicht der Beginn einer wunderbaren Freundschaft war, dachte der Jüngere sarkastisch.

„Frisches Fleisch ist für Draugr ein absoluter Genuss und mit deinem Furchtgeruch machst du sie schier wahnsinnig.“

Natürlich. So etwas musste doch kommen. Schluckend schaute Gabriel zu Ephra.

„Du verarscht mich.“

„Mitnichten.“, sagte der Vampir trocken und schloss schmunzelnd die Lider.

„Du solltest niemals einen Draugr mit Furcht begegnen, aber dieser Punkt verwundert mich schon die ganze Zeit an dir. Wieso bist ausgerechnet du, diesen Wesen gegenüber so schreckhaft?“

Gabriel zog die Stirn kraus. Diese Frage konnte Ephra doch nicht ernst meinen, oder doch?

„Sollte ich ihnen deiner Meinung nach eine Einladung zum Kaffeeklatsch schicken? Du hast eben selbst gesagt, das die Biester mich gerne vernaschen würden- Außerdem erinnere ich mich noch sehr gut daran, wie derbe die Larven zubeißen können.“ Allein der Gedanke ließ Gabriel schaudern und er rieb sich den betroffenen Arm. Zu sehen war nichts mehr, dank diesem mysteriösen Taris, doch diese Erfahrung hatte sich in ihm eingebrannt und er hatte wirklich keine Lust diese noch ein zweites Mal zu machen.

Schweigend strich sich Ephra eine schwarze Strähne aus dem Gesicht und schritt lächelnd auf einen der Draugr zu. Gabriel hingegen beobachtete ihn nur misstrauisch, doch schon im nächsten Moment glaubte er seinen Augen nicht zu trauen. Ephra hatte den Draugr einfach bei der Kehle gepackt, worauf dieser einen schrillen langgezogenen Laut von sich gab. Für einen kurzen Augenblick glühten die Augen rot auf und Gabriel glaubte der Draugr würde Ephra mit einem einzigen Schlag nieder schmettern und zerfleischen, doch stattdessen erstarben sofort alle Regungen und die Bestie ließ sich einfach zu Boden ringen. Mit einem dumpfen Laut schlug der massige Körper vor Gabriels Füßen auf und er machte aufgeschreckt einen Satz zurück. Der zweite Draugr, verharrte einfach emotionslos an seinem Platz und beobachtete seinen Kollegen nicht weiter.

„Niemand kann in einem Kampf gegen einen Draugr gewinnen.“, begann Ephra und packte fest den Nacken der Kreatur um den Kopf noch tiefer zu Boden zu drücken. Nur eine leise Beschwerde kam von dem Riesen, sonst nichts weiter. Dies alles ließen Ephras Worte unwirklich und bizarr erscheinen.

„Sie sind Kreaturen die kaum Verstand haben und wenn ihr Schöpfer sie nicht kontrolliert werden sie einzig durch ihren unersättlichen Hunger angetrieben. Und sie verschlingen wirklich alles mit Haut und Haar. Einzig vor ihrem Gebieter kriechen sie wie getretene Hunde. Nur weil es der Wille des Lichtbringers ist, kann ich mit diesem Draugr hier so umspringen ohne Schaden zu nehmen... Und bei dir dürfte es nicht anders sein...“, sagte Ephra und schaute dabei vielsagend zum Jüngeren. Gabriel stutzte leicht, doch dann verstand er was der Vampir ihm sagen wollte. Die Draugr waren nichts weiter als Sklaven die bedingungslos ihrem Herrn folgten. Schwerfällig rieb Gabriel sich die Stirn und verzog die Lippen. Natürlich war ihm so was offensichtliches nicht ein einziges Mal in den Sinn gekommen. Da er Lucions Günstling war, würden ihn diese Biester niemals von sich aus anrühren, geschweige davon zu versuchen ihn anzuknabbern. Darum konnte Jerome sie derart herumkommandieren! Als Ephra die Erkenntnis in Gabriels Augen aufblitzen sah, nickte er zufrieden.

„Jetzt scheinst du es begriffen zu haben. Verwunderlich, dass dein Mentor dich nicht darauf aufmerksam gemacht hat. Er scheint bewusst keine Auskünfte zu geben, aber irgendwo verständlich... Du gibst einen zu herrlichen Anblick ab, wenn du vor Angst vergehst.“, lachte er leise.

„Ja ja, sehr lustig! Ich habe es satt ständig die Lachnummer von euch Blutsaugern zu sein!“, gab Gabriel mit einem genervten Knurren von sich, worauf Ephra in seinem Feixen inne hielt.

„Dies liegt ganz in deiner Hand, mein Junge. Das Gewicht der Macht lässt sich einfacher verlagern, als man denkt. Man muss nur seine Möglichkeiten kennen oder wie ihr Menschen das immer so gern ausdrückt: Wissen ist Macht.“ Mit diesen Worten ließ er den Draugr wieder los und worauf die Kreatur zurück an seinem Platz trottete, als sei nie etwas gewesen.

Langsam nickte Gabriel und bedachte Ephra mit einem nachdenklichen Blick. Weshalb erzählte er ihm das alles überhaupt? Doch noch bevor er fragen konnte, wechselte der Schwarzhaarige abrupt das Thema.

„Was mich jetzt weitgehend interessiert ist, warum du allein vor meinem Büro herumlungerst? Du hattest doch nicht etwa wieder Fluchtabsichten?“ Einen letzten misstrauischen Blick warf Gabriel auf die beiden Riesen, dann wandte er sich um und schritt zum Gemälde des hübschen Mädchens mit der runden Figur.

„Nein keine Sorge. Ich habe eingesehen, was gesünder für mich ist.“ Er machte eine kurze Pause und senkte den Blick.

„Was allerdings nicht heißt, dass ich das brave Püppchen sein werde. Euer Pseudo-Prinz soll ja nicht glauben, dass er schon gewonnen hätte.“ Er konnte das Gesicht des Älteren nicht sehen doch er hörte das leise Lachen.

„Es gleicht einem Spiel von Katz und Maus, findest du nicht? Und ich bin gespannt, wie lange mein geliebter Bruder dieses Spiel noch dulden wird. Es ist neu, dass er einer Lebensform, die er sonst nur als Snack betrachtet, eine derartige Narrenfreiheit lässt. Und so undurchschaubar er auch sei, ich kenne ihn von seinem ersten Atemzug an.“ Der letzte Satz entflammte eine gewisse Neugier in Gabriel und verdrängte den unangenehmen Beigeschmack von Ephras Worten. Langsam sah er auf, zum Bild des Mädchens, das ihn einfach nicht losließ. Diese Ähnlichkeit mit dem Lichtbringer war doch kein Zufall. Er beschloss etwas nachzuhaken.

„Sie hat mich hier her gelockt. Dieses Mädchen... Ich verwechselte sie mit Lucion.“ Er vergaß ganz, das Theater, das um Lucions Namen gemacht wurde und wie aus der Pistole geschossen kam ein strenges Räuspern von Ephra. Allerdings beließ er es auch dabei. Ein minutenlanges Schweigen entstand, das von einem schwerfälligen Seufzen des Vampirs unterbrochen wurde.

„Schlimm wenn es anders wäre. Sie hat uns allen einen großen Dienst erwiesen für den sie einen hohen Preis zahlte und sollte wenigstens so in unserer Erinnerung verbleiben.“, sagte Ephra mehr zu sich selbst und dies blieb von Gabriel keineswegs unbemerkt.

„Wer ist sie?“, hakte der Jüngling zögernd nach und zuckte zusammen, als er plötzlich Ephras Hand auf seiner Schulter spürte.

„Dies, Kleiner, war Lilia Litha Lunae, liebste Tochter des Kalyhtenführers und Mutter meines verehrten Bruders.“ Hatte er es doch geahnt, allerdings befriedigte ihn die Antwort nicht wirklich. Schon allein deshalb, weil sie noch mehr Fragen auf warf.

„Kalyhten?“, fragte er mit erhobener Augenbraue. Wieder einer dieser Begriffe mit denen er kaum etwas anfangen konnte, obwohl ihm schon die ganze Woche von Jerome alle möglichen Informationen über die Vampirgesellschaft in seine Birne geprügelt worden waren. Lamia, Welpen, Sanguar, Strigoi, Draugr.... Hoffentlich kam Jerome nicht auch noch auf die Idee einen Test mit Notenvergabe zu veranstalten.

„Die Kalyhten zu beschreiben ist ein kompliziertes Vorhaben, aber ich versuche es dir einfach zu machen. Sie sind der Ursprung aller Kinder des Blutes, die reinste und unverfälschte Form unserer Art und auf diese Reinheit legen sie bis heute großen Wert. Sie paaren sich nur mit Ihresgleichen...“ Die Nackenhaare Gabriels stellten sich auf denn er ahnte was das hieß.

„Du meinst, sie.... Sie betreiben Inzest?“

„So ist es. Aber ihr Blutstolz hört da noch nicht auf. Sie trinken selten das Blut von Menschen... Nun gut, bedingt durch ihre momentane Situation öfter, aber das ist eine andere Geschichte. Das wonach es sie wirklich gelüstet ist das Fleisch und das Blut von uns Lamia. Auch wenn unser Blut viel weniger Nährstoffe enthält als das der Menschen, so ist es Träger von großer Energie.“ Ein kalter Schauer zog sich über Gabriels Rücken. Inzest und Kannibalismus waren nicht gerade sympathische Eigenschaften. Jetzt wunderte er sich nicht mehr, dass Lucion so krass drauf war. Bei dieser Familie konnten nur abgedrehte Freaks hervor kommen.

„A-Also ist der Lichtbringer zur Hälfte ein... ein Kalyht?“, fragte er langsam und erntete sogleich von Ephra nur ein raues Lachen.

„Wo denkst du hin?! Aus einer gemischten Verbindung hätte nie so ein perfektes Wesen wie der Lichtbringer hervorgehen können! Nein, mein Junge. Mein Vater, Narziss I. Er nannte sich selbst aus rebellischen Gründen zwar Lamia, war selbst aber ein abtrünniger Kalyht. Die Lebensweise seines Volkes hatte er schon lange vor meiner Geburt abgelegt.“ Ephra zeigte auf ein Bildnis, das direkt neben Lilia hing. Ein streng drein blickender Mann war darauf zu sehen, der ein Klon von Ephra hätte sein können. Genau dieselben veilchenblauen Augen. Die einzigen Unterschiede waren nur ein das Ephras Vater einen hellen Bartschatten besaß und platinfarbenes Haar.

Bei diesem Anblick kam Gabriel ein seltsamer Gedanke.

„Irre ich mich oder stehen diese Kalyhten auf fürchterlich auf wasserstoffblond?“ Der Vampir nickte lächelnd.

„Daran erkennst du sie. Alle Kalyhten haben helles blondes, bis weißes Haar begleitet von blauen oder grünen Augen.“

„Irgendwie krank...“, entwich es Gabriel ohne nachzudenken, worauf er von dem großen Vampir ein schiefes Grinsen erntete.

„Dies sagt ein junger Mann mit- was für eine Haarfarbe soll das eigentlich sein? Lila? Purpur?“ Knurrend fuhr sich Gabriel an den Kopf.

„Hey, keine Kommentare über meine Matte, ja? Es war ein Unfall! Schwarz sollte es eigentl-“ Der Jüngling hielt inne als er bemerkte, wie sehr sein kleiner Wutausbruch Ephra belustigte. Ärgerlich biss er auf seinem Zungenpiercing herum. Eine Angewohnheit, die er immer Tat um sich wieder zusammen zu nehmen. Sein Blick wanderte vom Gemälde des Mannes zu dem von Lilia. Die Ähnlichkeit zum verrückten Vampir war da. Ohne Zweifel, allerdings wirkte ihr Gesicht im Gegensatz zu dem ihres Sohnes voller Wärme und Leben. Bei diesem Gedanken stutzte Gabriel leicht.

„Wir reden die ganze Zeit von 'war'... Wo ist sie jetzt?“ Ephras Lippen pressten sich zu einem Strich und er rieb sich betreten den Nasenrücken.

„Erinnerst du dich, dass ich sage, dass sie für das, was sie uns schenkte einen hohen Preis zahlen musste? Dieses Geschenk war der Lichtbringer.“

„Ich versteh nicht ganz...“, warf Gabriel ein und zog die Stirn kraus.

„Es würde mich wundern, wenn du es verstehen könntest. Der Lunari Incubus ist ein heiliges Wesen, das eine spezielle Seele beherbergt... Eine göttliche Seele. Und um diese in unsere Welt zu holen muss sie mit einem Körper geboren werden. Das darfst du allerdings nicht mit der Schwangerschaft einer Menschenfrau vergleichen. Die göttliche Seele bedarf Unmengen an Kraft und Energie um sich an den Körper des ungeborenen Kindes zu binden.“ Tief schaute Ephra dem Jüngling in die Augen und sofort schauderte es Gabriel, denn er hatte plötzlich eine unheimliche Vorahnung...

„Diese Energie...Woher...?“, erkundete er sich zögernd.

Der schwarzhaarige Lamia machte eine Pause und betrachtete abwesend das Gemälde Lilias.

„Aus dem Leib der Mutter. Neun Monate labt sich das Kind, an der Kraft und an dem Blut. Bei Vampirkindern nichts ungewöhnliches, doch der Seelenträger verschlingt seine Mutter von innen heraus. Blut, die Essenz ihrer Seele und die Lebenskraft werden ihr über die 9 Monate ausgesaugt. Dieses Bild wurde von Lilia gemacht, kurz bevor wir erfuhren das sie Schwanger war. Wir ahnten allerdings nicht, wen sie da unter ihrem Herzen trug. Erst als ihr körperlicher Verfall begann, begriffen wir... Ach. Ich schweife ab...“

Entsetzt starrte Gabriel den Größeren an und schluckte schwerfällig.

„K-Körperlicher Verfall? Ist sie etwa... tot?“ Ephra nickte leicht und obskurer Weise zeichnete sich ein kleines Lächeln auf seinen Lippen ab.

„Tot ist wohl nicht ganz das richtige Wort. Ihre sterblichen Überreste spazierten noch eine ganze Weile nach ihrem Ableben durch die Gegend.“, sagte er ungerührt und warf dabei einen viel sagenden Blick über die Schulter... direkt zu den Draugrn. Jedes einzelne Nackenhaar von Gabriel stellte sich auf und seine Muskeln vibrierten vor Grauen.

„Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder? Du willst mir nur Angst einjagen, hab ich Recht? Keiner der beiden ist das Mädel.“ Eine Augenbraue von Ephra schob sich nach oben und er zuckte mit den Schultern.

„Nein, keiner der Beiden ist Lilia, aber tatsächlich wurde sie unabsichtlich zum ersten Draugr den Lucion schuf. Doch existieren tut sie nicht mehr. Weder seelisch noch körperlich. Aber so ist es nun Mal, sie hatte ihren Auftrag erfüllt, nämlich dem Lichtbringer das Leben zu schenken. Nun ist es an mir über ihn zu wachen bis sein Schicksal sich erfüllt.“ Alles an Farbe wich aus Gabriels Gesicht. Wie konnte Ephra nur so ungerührt reden.

„Komm! Findest du das nicht etwas übertrieben?“, sagte er und versuchte dabei betont locker zu klingen, was ihm aber nicht wirklich gelang. Ephras Lächeln verschwand und plötzlich wurde seine Miene kühl.

„Ich mache keine Scherze, Gabriel. Ich war dabei gewesen und habe zusammen mit Enola den gesamten Geburtsvorgang überwacht. Lilia war durch ihren Verzicht auf Lamiablut zu einer schwachen Frau geworden, weshalb mein eigener Vater seine Lebensenergie opferte. Ich sah an dem Tag meine Eltern sterben, aber das war es wert. Alles einzig dafür, damit unser verehrter Gebieter unbeschadet zur Welt kam.“

„Wie kannst du nur so ungerührt reden. Ich kann nicht glauben das du einfach so zuschauen konntest, wie deine Eltern langsam verreckten!“ Ephra legte den Kopf schräg und blickte den Jüngling lange an.

„Alles was du hier siehst hat mein Vater geschaffen. Die gesamte Styx Society hat er allein ins unter größter Gefahr ins Leben gerufen um die Welt auf die Ankunft des dunklen Gottes vorzubereiten. Das ausgerechnet er zum Erzeuger des Gebieters wurde, war die größte Ehre, die einem Lebewesen je zu Teil werden konnte. Aber Du, mit deinem kümmerlichen Verstand wirst es ohnehin nie verstehen, was Lucions für uns bedeutet. Wenn es dem Lichtbringer zugutegekommen wäre, hätte ich meinen Vater und meine Stiefmutter mit eigenen Händen nieder gestreckt.“, sagte er und seine Stimme war immer leiser und bedrohlicher geworden. Gabriel umschlang sich mit den Armen und wich erschrocken zurück, denn es war offensichtlich wie ernst Ephra dieses Thema war. Noch immer zitterte er am ganzen Leib, denn nach dieser Informationslast wurde ihm umso klarer wie hoffnungslos seine Lage war. Sein Vorhaben, Lucion zu zeigen wie der Hase lief, bröckelte zusehends. Mit was für einer verdammten Kreatur hatte er es hier zu tun? Lucion war böse! Böse bis ins Mark. Er brachte tot und verderben! Wie hatte er nur einen Moment daran glauben können unversehrt zu bleiben. Zittrig, tat er einen weiteren Schritt zurück, bis er die Wand in seinem Rücken spürte. Langsam fuhr sich mit kalten schweißnassen Händen über die Wangen. Das alles konnte nur auf seinen Tot hinaus laufen! Doch dann schloss Gabriel zusammennehmend die Augen. Nein. So durfte er nicht denken! Seine Lage war dann eben hoffnungslos, das war ihm schon die ganze Zeit klar gewesen. Er hatte keinen Grund so panisch zu reagieren. Wenn er jemals einen Abgang machen würde, dann mit Stil. Das schwor er sich.

Doch trotz seiner Selbstberuhigungsversuche, schaffte er es nicht das sein Körper aufhörte zu zittern.

Eine Hand die ihm über den Kopf strich holte ihn aus seinen Gedanken.

„Ihr Menschen seid die einzigen Kreaturen, die sich derart von Emotionen lenken lassen. Diesen Ausdruck in deinem Gesicht, kenne ich nur zu gut. Ich habe ihn so oft gesehen. Jedes Mal, kurz bevor jemand seinen Verstand verlor. Lucion würde es mir übel nehmen, wenn du nicht mehr bei Sinnen wärst. Vielleicht solltest du dich zu Beruhigung zu den Dachgärten begeben.“ Ephra richtete sich etwas auf und Gabriel folgte ihm mit fahrigem Blick.

„Du kannst den Lift, am Ende meiner Gemächer nehmen. Dann kommst du zum privaten Teil und bist ungestört. Ich habe noch etwas Zeit, also kann ich dich hinführen. Komm folge mir. “ Stumm nickte der Jüngling. Ja, frische Luft würde ihm definitiv gut tun...
 

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Ein tiefer Atemzug füllte Jeromes Lungenflügel und half ihm dabei etwas ruhiger zu werden. Nun stand er hier vor den Türen die zu den Zimmern seines Herrn führten. Früh am Abend, also zu einer Zeit in der sich der Lichtbringer am Liebsten sich selbst widmete und niemanden anders als die zuständige Dienerschaft zu sehen wünschte. Er spürte schon die ganze Zeit die ungeduldigen Blicke der Draugr auf sich, die unschlüssig auf eine Anweisung warteten.

Dann fasste er sich, ballte fest die Fäuste und befahl den Kreaturen ihm die Türen öffnen. Es hatte keinen Zweck hier noch länger herumzulungern. Sein Gebieter würde ihn ohnehin schon bemerkt haben und sich über seine Unentschlossenheit amüsieren. Jerome folgte dem kurzen Korridor, vorbei am Schlafgemach, bis zum Ende. Vor der letzten Tür hielt er inne und holte noch einmal tief Luft. Dann klopfte er vorsichtig, doch noch bevor seine Fingerknöchel ein zweites Mal auf das raue Holz trafen, wurde schon die Tür geöffnet. Also hatte man ihn tatsächlich schon erwartet. Er wünschte sich inständig, dass er sich einen Schlachtplan zurecht gelegt hätte. Einen wichtigen Grund warum er Lucion sehen wollte, aber den hatte er nicht...

Ein junger Mann -ein Gebissener, so wie es aussah- war es der ihm die Tür öffnete und ihn mit respektvoll gesengtem Kopf schweigend eintreten ließ.

Der Salon den Jerome nun betrat, war nicht eines dieser übergroßen Zimmer, wie er es gewohnt war. Es war etwas kleiner, zirka wie ein gutbürgerliche Wohnzimmer, allerdings hieß das nicht, dass es ebenso schlich eingerichtet war. Die Garnitur war in einem warmen rot gehalten und von einem modernen Design. Die Wände waren mit dunklem Holz vertäfelt, was dem Raum sicherlich eine drückende Atmosphäre geben hätte, wären da nicht die drei mannshohen weiten Fenster gewesen, die sperrangelweit offen standen. Eine sanfte Briese trug die Geräuschkulisse der Stadt hinauf. Vor einem dieser Fenster war ein großer Diwan heran gerückt worden, ähnlich wie der, der im Zimmer des Lichtbringers. Und genau auf diesem hatte es sich seitlich liegend, eben jener bequem gemacht.

Um ihn herum standen zwei vampirische Diener, von denen einer ein silbernes Tablett mit allerlei Maniküreuntensielen hielt. Der andere junge Vampir hatte sich mit gesengtem Haupt vor dem Diwan gekniet und lackierte behutsam die Fingernägel seines Herrn in einem glänzenden Schwarz. Der braunhaarige Mann, der Jerome, die Tür geöffnet hatte, blieb stumm wie zuvor und setzte sich auf einen Stuhl, welcher hinter dem Lichtbringer stand. Erst jetzt fiel dem Sang auf, dass dieser die ganze Zeit eine goldene Bürste in der hielt, mit der er begann, das lange silberne Haar seines Gebieters zukämen. Sorgsam abgeteilt in schmalen Strähnen und mit größter Vorsicht, so als hätte er es tatsächlich mit Fäden aus wertvollen Silber zu tun. Jerome verstand ihre fast schon ängstliche Hingabe nur zu gut, denn es war ein gefährlicher Drahtseilakt, wenn es um es um das Äußere des Meisters ging. Schließlich war er bekannt für seine Eitelkeit.

Der Sanguar ging hastig in die Knie, als er bemerkte das er die ganze Zeit nur abwesend seinen Herrn angestarrt hatte. Allerdings schien Lucion dies herzlich wenig zu interessieren, lieber schenkte seinen Fingernägeln mehr Aufmerksamkeit. Mit Argusaugen, beobachtete er jede streichende Bewegung des Pinsels. Eine unwirkliche Stille füllte den Raum, die der Lichtbringer erst löste, als seine rechte Hand fertig lackiert war.

„Ich kann mich nicht entsinnen nach dir verlangt zu haben.“, sagte er so kühl das Jerome zusammen zuckte. Zögernd sah der Sanguar auf und sprach leise:

„Verzeiht, Gebieter. Aber es...“ Er stockte, denn noch immer war ihn kein Grund eingefallen, der wichtig genug war um seinen Herrn zu stören... Die Wahrheit war, dass er es einfach nicht mehr ohne seinen geliebten Meister ausgehalten hatte. Die ganze Woche hatte Lucion ihn nicht zu sich rufen lassen und das war ungewöhnlich. Bevor er als Spion für Ephra gearbeitet hatte, war er ohne Unterlass in der Nähe des Lichtbringers gewesen. Er hatte mehr Zeit in dessen Bett verbracht als in seinem eigenem. Diese eine Woche der Abstinenz war einfach zu viel für ihn und dann musste er sich auch noch um diese verflixte Menschengöre kümmern. Diese Mischung hatte seine Sehnsucht und seinen Hunger nach Berührung verzehnfacht... Was würde er dafür geben das ihn der Gebieter jetzt und hier auf der Stelle nahm...

Er kroch zum Diwan und legte seinen Kopf auf dem Oberschenkel des Silberhaarigen. Dabei war es ihm egal was für einen kläglichen Eindruck er auf die drei Diener machte. Sie waren ohnehin für ihn nur namenlose Würmer.

Schon die erste Berührung mit dem dünnen Stoff der Hose seines Geliebten ließ jede Anspannung von ihm abfallen und allein wieder den angenehmen Duft des Silberhaarigen in sich aufzunehmen wirkte wie eine Droge auf ihn.

„Ihr wisst wie sehr ich leide, wenn ich nicht bei Euch sein kann.“, wisperte Sang verführerisch.

Ein leichtes Lächeln zeichnete sich auf den Lippen, des Lichtbringers ab, während er seine Hand hob und sie prüfend besah. Allerdings schien er die Annäherungsversuche seines Geliebten bewusst zu ignorieren.

„Ich habe dich beobachtet, wie du dich mit meinem kleinen Prinzen abmühst. Äußerst unterhaltsam, aber ich bin zufrieden. Deine Bemühungen scheinen Früchte zu tragen.“, überging er die Worte seines Günstlings einfach. Jerome fasste seinen Mut zusammen und ignorierte ebenfalls das Gesagte. So leicht ließ er sich nicht abwimmeln! Mit süßlichem Lächeln fuhr er über Lucions linken Handrücken.

„Aber...“, begann Lucion plötzlich ohne auf die Berührung zu achten und reichte seinem Bediensteten einfach die Hand, die der Sang gerade umgarnte, damit auch diese berührt werden konnte. „Ich erinnere mich, dir noch einen anderen Auftrag gegeben zu haben. Du solltest Informationen über Ephra sammeln.“ Durch Jerome ging ein leichtes Zucken und er schaute verdattert auf.

„Herr, die Dienstboten... Ihr wollt doch nicht über derlei wichtige Sachen vor dem Gewürm reden!“ Der Lichtbringer hob elegant eine Augenbraue und als er begriff, was sein Geliebter ihn sagen wollte lachte er auf.

„Ich denke, meinen Draugrn wäre frisches lebendiges Fleisch durchaus eine willkommene Abwechslung, meinst du nicht Liebster?“, sagte er laut und bedachte die Diener mit einem vielsagenden Blick. Sie verstanden sofort, das konnte man deutlich an ihren Gesichtern sehen, die schlagartig alles an Farbe verloren. Zufrieden wandte sich der Lichtbringer wieder Jerome zu.

„Also, was hast du mir zu berichten?“

Der Sanguar schaute gequält zur Seite, denn er wollte jetzt wirklich viel lieber was anderes machen, als über den Präsidenten der Styx Society reden. Außerdem hatte er nicht wirklich viele Information. Er verstand ohnehin nicht, wie der Lichtbringer seinem Bruder gegenüber so misstrauisch sein konnte. Meister Ephra war dem Lichtbringer treu bis in den Tod, so glaubte er jedenfalls.

„Verzeiht, Gebieter, aber ich konnte nichts in Erfahrung bringen. Außerhalb der Society gab es zwar einige seltsame Vorkommnisse, aber ich denke nicht, das sie bedeutungsvoll für Euch wären.“ Wider aller Erwartungen blitzten die Augen des Lichtbringers listig auf.

„Äußerst dreist von dir solche Entscheidungen für mich zu treffen, findest du nicht? Seltsame Vorkommnisse hören sich meines Erachtens äußerst interessant an. Los, berichte mir alles. “ Überrascht zog Jerome den Kopf ein und begann von allen möglichen Ereignissen zu erzählen. Er berichtete, von den illegalen Schöpfungen von Welpen, den bevorstehenden (und natürlich manipulierten) Gouverneurswahlen und von einer neueren, allerdings belanglosen Meldung, die sich erst in dieser vergangenen Woche ereignet hatte.

„Im Vergnügungsviertel Old Babylon's Creek ist es zum mysteriösen Verschwinden von jungen Menschen gekommen. Obwohl sich das alles in gut besuchten Clubs ereignet hat, will keiner etwas gesehen haben, was ziemlich unglaubwürdig erscheint. Erst vorgestern sind drei Jugendliche verschwunden. So etwas kann man einfach nicht übersehen, wenn Ihr mich fragt. Soweit ich weiß, wurden auch keine Leichen gefunden. Mr. Norman Hopps war da der gleichen Ansicht und weil sich die Lage langsam zuspitzt hat sich heute Morgen direkt an Meister Ephra gewandt. “ Es war Jerome ein Rätsel, denn ausgerechnet für diesen unwichtigen Fall schien sich der Lichtbringer besonders zu interessieren.

„Sollte mir dieser gewisse ...Norton... bekannt sein?“, fragte der Silberhaarige mit erhobener Augenbraue.

„Ähm... Norman Hopps, Gebieter. Er ist der Polizeipräsident von New Halen und war der Vater des Jünglings Phelias Hopps und ist häufig Gast in den Konferenzen der Styx Society.“, erklärte Jerome zögernd, worauf er einen tadelnden Blick seines Gebieters erntete.

„Als wenn ich mir Namen von belanglosen Kreaturen merken würde, Liebster. Bitte verschone mich mit solch unwichtigen Details.“

„Bitte gestattet mir eine Frage, Herr. Warum interessiert Euch das überhaupt für das Verschwinden von namenlosen Würmern?“, fragte der Sang forschend und blickte dabei neugierig in die verschiedenfarbigen Augen. Daraufhin zeigte der Lichtbringer ein selbstgefälliges Lächeln und wandte seinen Blick wieder seinen Fingernägeln zu.

„Belanglose Neugier, nichts weiter.“, sagte er, doch Jerome beschlich eine graue Ahnung, das sein Gebieter etwas mit dem Verschwinden zu tun hatte.

Wenn dem so wäre, würde Meister Ephra in ernste Schwierigkeiten geraten, da er inoffiziell für die gesamte Gesellschaft der Vampire verantwortlich war. Ein flaues Gefühl machte sich in seiner Magengegend breit, allerdings besann er sich eines Besseren. Was sollte er denn schon tun können, als zuschauen? Er würde sich niemals gegen seinen Gebieter stellen, egal was dieser auch tat. Er würde dem Lichtbringer bis auf den Grund der Hölle folgen. Dennoch konnte er sich eine weitere Frage nicht verkneifen.

„Warum misstraut Ihr Eurem Bruder so sehr?“ Lucions Miene blieb selbstsicher und er lachte leise. Jerome fing schon an seine Neugier zu bereuen und wollte zu einer panischen Tirade aus Entschuldigungen ansetzen, als ihm der Silberhaarige mit der freien Hand durch den blonden Schopf zu streicheln begann. Lucions Blick richtete sich aus dem Fenster, hinaus in die Nacht, deren Dunkelheit von den bunten Neonreklamen durchbrochen wurde.

„Die Gründe liegen weit zurück, Liebster... viel länger als du bei mir bist.“ Für einen kurzen Moment hielt er inne, dann schaute er zu Jerome.

„Du weißt um Ephras Vergangenheit als der berühmte Bluthund, oder?“

„Natürlich, wer denn nicht?“ Es war eine schlichte Tatsache. Das Image des berüchtigtsten Söldners der Vampirwelt passte so überhaupt nicht zu einem überkorrekten Bürohengst wie Ephraim Hunter. Dennoch. In den Erzählungen war er ein emotionsloser und ruhiger Mann, der aber zu einem blutgierigen Monster wurde, wenn sein Meister ihn von der Kette ließ. Daher rührte auch dieser Name. Der Bluthund. Doch vor ungefähr hundert Jahren hatte Ephra seine Waffen gegen einen Schreibtisch getauscht. Ob noch immer dieser furchterregende Krieger in ihm schlummerte?

Die Lippen Lucions verzogen sich zu einem spöttischen Lächeln.

„Und du weißt wer ich bin und was meine Bestimmung ist?“, erkundete er sich ungerührt ohne die Fragen des Sangs zu beantworten. Unbehaglich biss sich Jerome auf der Unterlippe herum. Was sollte dieses Rätselraten? Wollte sein Meister etwas bestimmtes von ihm hören?

„Ihr seid der Sohn unserer uralten Göttin Lilithu Lamina, die Euch gesandt hat damit Ihr ihren Platz als göttlicher Herrscher einnehmt und die Menschen für ihre Verbrechen an unserem edlen Geschlecht bestraft.“

„So ist es.“, nickte Lucion in selbstgefälligem Ton und wie zur Belohnung ließ er seine Finger zärtlich über Jeromes Wange wandern, hinab zu dessen Schlüsselbein. Dem Sang durchfuhr ein wohliger Schauder. Dies und sein ohnehin schon angestautes Verlangen bewirkten, dass sich langsam sein Blut in unteren Regionen zu sammeln begann.

„ Allerdings sehen andere noch mehr in mir. Ein persönliches Werkzeug, das bei richtiger Handhabung leicht zu kontrollieren ist.“

Nun war Jerome vollkommen verwirrt. Von was sprach sein Gebieter da und was hatte das mit Ephra und seiner Vergangenheit zu tun?

„Ihr sprecht für mich in Rätseln, Herr. Bitte sagt mir in welcher Beziehung das zum Bluthund steht.“ Lucion blickte unverwandt in die großen braunen Augen seines Günstlings und schmunzelte.

„Du müsstest es am besten wissen, mein kleiner Schoßhund. Du-“

Plötzlich schaute der Silberhaarige abrupt auf und sein Lächeln verschwand.

„Gebieter? Was habt Ihr?“, fragte Jerome als er sah wie sich die Pupillen Lucions zu Stecknadelköpfen verkleinerten und sich mit Furcht und Wut gleichermaßen füllten.

„Nein! Dieser Bengel!“, donnerte Lucion plötzlich so laut, das jeder im Raum erschrocken zurückwich. Mit einem Satz, war der silberhaarige Vampir aufgesprungen und durchquerte Raum mit großen Schritten und hielt auf einen Schatten zu, der von einem großen schräg gestellten Spiegel geworfen wurde. In einer einzigen flüssigen Bewegung verschmolz er mit dem grauen Dunkel des Schattens und war augenblicklich verschwunden.

Genau wie die drei Bediensteten, konnte Jerome nur perplex seinem Herrn hinterher starren.
 

~tbc~



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Toastviech
2011-06-15T15:32:15+00:00 15.06.2011 17:32
Uhhhhh wie gemein.
Schreib schnell weiter! Ich bin so gespannt was der "bengel" auch Gabriel genannt wieder angestellt hat.
Gabriel wollte doch nur auf die Dachterrasse.....und dank seiner Höhenangst, wird er kaum runter springen.
Aber vielleicht regt Lucion rein die Möglichkeit so auf.

lg
Von:  Tesla
2011-06-15T09:38:42+00:00 15.06.2011 11:38
Ich schließ mich da mal an. Das Kapi war wirklich spannend und sehr informativ. Die arme Mama fällt mir dazu ein. Aber ich musste so lachen das Gabriel das Kunstverständnis einer Lakritzschnecke hat. *lol* ich kenn da auch so einen. wobei der hat eher das verständins eines gummibärchens. Kopf ist schon vorhanden nur einsetzten geht irgendwie nicht^.^
So allerdings finde ich so Cliffhanger wie du sie hier baust echt fies. Mach bitte schnell weiter. *neugierig bin* ich will wissen was Gabriel nun schon wieder anstellt.
Von:  HarukaEva
2011-06-15T09:07:48+00:00 15.06.2011 11:07
Oh mein Gott!! Das war wieder ein spannendes Kapitel.
Auch wenn die familiären Verhältnisse für mich etwas mehr Licht ins Dunkel der Rangordnungen gebracht haben, so glaub ich, dass viele Beweggründe noch unentdeckt sind.
Was mich aber jetzt vor allem neugierig gemacht hat ist: Was weiß Lucion wirklich und was hat er vor? Er hat auf jeden Fall andere Pläne als Ephra, das steht für mich fest. Will er sich womöglich von ihm los sagen? Sich gegen seinen 'Bruder' stellen?
Und...und was macht Gabriel auf den Dach? Lucions Ausspruch lässt die Vermutung nahe, dass der Kleine runetrspringen will?? Ò.o
Gabriel, tu's nicht!!!!!!!!!!


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