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Autobahnlichter

One-Shots, LxLight/Raito
von

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I can't reach you

Irgendwann habe ich gemerkt, dass ich mich nicht an sein Gesicht erinnern konnte.
 

Ich hatte einen schlechten Tag gehabt, und als ich nach Hause kam, war ich einfach nur froh, dass Misa einen Filmdreh hatte und Ryuuku gezwungenermaßen mit ihr gehen musste, so dass ich mal für einen Augenblick alleine war.

Die Charaktertests vor der Aufnahme bei der Polizei waren lachhaft, aber das körperliche Training doch ganz schön schwer.

Also sprang ich unter die Dusche, blieb dort etwas länger als gewöhnlich, um meinen schmerzenden, verspannten Muskeln zu etwas Linderung zu verhelfen, schloss die Augen und dachte nach.

Dachte, wie langweilig das Leben ohne das Death Note doch wäre.

Nun, ich hätte vielleicht nicht Misa am Hals, aber ansonsten wäre alles genauso, wie es jetzt ist. Das Polizeiausbildungstraining, die Lernerei, der Erfolg... Bloß die Würze würde fehlen, der Geschmack, der das Leben für mich ausmacht.

Die Erhabenheit, der absolute Unterschied zwischen einem Normalmenschen und mir, der Sieg über die Langeweile, der Sieg, dem ich es zu verdanken hatte, zum Gott der neuen Welt werden zu dürfen.

Es verlangte mir ziemlich viel ab, unglaubliche Anstrengungen, ohne dass ich je wirklich dafür belohnt wurde - außer von "meinen kleinen Momenten", wie ich sie gerne nannte.

Wenn ich im Fernsehen Pro-Kira-Demonstrationen sah. Wenn ich die rapide fallenden Prozentsätze der kriminellen Aktivitäten auf der ganzen Welt las. Wenn nach und nach die Politiker, Wirtschaftsbosse und die sonstigen Mächtigen der Welt sich ganz klar zu Kira bekannten.

Das waren die Ereignisse, die mir Gänsehaut bereiteten, die mein Leben lebenswert machten und nicht nur öde und langweilig wie die Leben aller anderen. Die mich erregten. Die mich motivierten, weiterzumachen, immer weiter, nie aufzuhören, immer der Beste sein zu wollen, der Erhabene, der Einzigartige.

Aber die "kleinen Ereignisse" waren nichts - nichts - im Gegensatz zu der Erinnerung an das "große Ereignis".

Mein Kampf. Mein Schrecken. Mein Sieg.

Mein Triumph.

Der absolute Triumph.
 

Ich stieg aus der Dusche und setzte mich auf die Couch in meinen bequemsten Sachen, eine abgetragene, viel zu große Jogginghose und ein weißes Longsleeve.

Eine Trophäe konnte man es nennen.

Nicht einmal Misa oder Ryuuku ließ ich mich so sehen, nein, diese Momente gehörten nur mir, mir ganz alleine.

Mit voller Absicht kramte ich in meinem Gedächtnis, kramte nach der Erinnerung an ihn, suchte und fand sie schließlich.

Ich konnte mich so gut an das alles erinnern, an meine Gefühle zu der Zeit, als ich mich nicht an Kira erinnern konnte, als die Erinnerungen wieder zurückkamen und mir schlagartig bewusst wurde, dass mein genialer Plan aufging, und schließlich an den Moment, als er in meine Armen zu Boden fiel und starb.

Der perfekte Abschluss meines Problems, die perfekte Lösung.

Aber ich konnte mich nicht an seinen Gesichtsausdruck erinnern, als ihm klar wurde... Warum nicht, scheiße, das ließ mich doch meinen Triumph erst so richtig auskosten, diese wilde Verzweiflung, diese Enttäuschung, dieses Erkennen...

Ich wusste noch ganz genau, dass seine Augen fast schwarz und übernatürlich groß waren, dass seine Haut aschfahl im Computerlicht schimmerte, dass seine ebenholzschwarzen Haare in ebendiesem einen eigenartigen Blauton hatten.

Ich wusste noch, dass er immer nur Süßes aß, wie er roch, wie er sich kleidete, wie er zu sitzen pflegte, verdammt, ich erinnerte mich sogar noch an seine Stimme!

Schließlich war er für einige Zeit sowas wie der wichtigste Mensch auf der Welt für mich, der Mensch, der mich am meisten interessierte, der mir am ehesten das Wasser reichen konnte. Und für den ich sowas wie Freundschaft zu Zeiten meines nicht-Kira-Daseins zu entwickeln vermochte.

Und jetzt konnte ich mich nicht mehr an diese feingeschnittenen geraden Gesichtszüge erinnern.
 

Es nahm mich furchtbar mit. Ich konnte tagelang nicht schlafen.

Irgendwann - ich wusste, dass meine Chance, etwas zu finden, fast gleich null war - stürzte ich mich auf die wenigen Sachen, die ich aus dem Kiraermittlungshauptquartier retten konnte, bevor er alles hatte löschen können: Ein paar Akten waren in der Kiste, voll von seiner und meiner feingestochenen, fast nicht zu unterscheidenden Schrift, ein paar Disketten mit Aktenkursen der Yotsuba-Gruppe, sogar ein Bonbonpapierchen (das ich kurz angestarrt habe, als ob es etwas Fremdes von einem fernen Planeten wäre, es dann gänzlich in meiner Faust verschwinden ließ und dann sorgsam in meine Hosentasche plazierte), und...

Eine Kopie einer Aufnahme der Überwachungskameras.

Ich hatte sie mir mal gezogen, um für die Zukunft schon mal zu üben, wie man trotz der nicht perfekten Qualität eines Überwachungsvideos doch trotzdem alles so genau erkennen konnte wie er es immer tat.

Hastig stopfte ich die Kassette in unseren Kassettenrekorder (ich war schon immer etwas konservativ und hing an meinen Sachen), und mit zitternden Händen tastete ich nach der Fernbedienung.

Ich wusste selbst nicht so genau, warum es mich so fertig machte, warum ich so unbedingt sein Gesicht sehen musste, denn das Triumphgefühl in meinen gesichtslosen Erinnerungen war zwar durch den fehlenden Ausdruck bei seinem Tod geschwächt, aber noch da. Und genug andere Motivationen besaß ich auch noch.

Trotzdem zerdrückte ich fast das kleine schwarze Ding in meiner Hand, als ich den Start-Knopf betätigte.

Und da waren wir.

Ryuuzaki beugte sich gerade über meine Schulter, um auf meinen Bildschirm sehen zu können, in den gespreizten Fingern hielt er einen Lutscher.

Ich konnte mich noch ganz genau erinnern, wie mich das Schmatzgeräusch auf die Palme brachte.

Er betrachtete allerdings in keinster Weise den Bildschirm, wie zu dem Zeitpunkt von mir angenommen - er betrachtete mich, mich allein, ohne zu blinzeln, und Ryuuzaki lächelte, als ich im Bild ganz aufgeregt gestikulierend erklärte, wie die Aktienkurse verschiedener Firmen in Japan und die letzten Todesfälle zusammenhängen könnten.

Und Ryuuzaki lächelte mich einfach an und legte eine Hand auf meine Schulter.
 

Ich starrte die Szene an, starrte sein Gesicht an, konnte nicht wegschauen, obwohl alles in mir schrie, dass der Schmerz aufhören müsse, dass ich mich doch gefälligst vom Bildschirm drehen solle, wegsehen solle, verdammt noch mal irgendwas ins Death Note schreiben solle, bloß nicht mehr das kindliche Gesicht betrachten, das mich so angelächelt hatte.

Ich hatte früher das Lächeln nie wahrgenommen. Jetzt sah ich es ganz genau.

Es war nur für mich, es hat es nur mir geschenkt, es war sein ganz spezieller Raito-kun-Ausdruck, wenn keiner aus dem Team dabei gewesen war.

Ich zog meine Knie an, verschränkte meine Arme darauf und vergrub meinen Kopf in ihnen.

____________________
 

Und jetzt sitze ich hier. Auf meinem Platz. Selbst Ryuuku ist es schon leid, neben mir zu sitzen, er findet die Menschenwelt viel interessanter.

Um mich herum sitzen meine "Kollegen" und spielen wie immer Karten und Glücksspiele. Aus Langeweile. Alle meckern, dass ich zu meinen Lebzeiten ein viel besserer Shinigami war als heute.

Alles, was ich tue, schon seit Jahrhunderten, jeden Tag, jede Stunde, jede Minute, war, am Tor zum Jenseits zu sitzen, das genau gegenüber zum Tor der Menschenwelt liegt.

Bloß, dass man das Tor zur Menschenwelt benutzen kann. Das zum Jenseits nicht.
 

Und immer, immer sehe ich ihn durch das Tor in unserem alten Zimmer hocken, immer in derselben Position, die ich von ihm übernommen habe, um hier auf meinem Platz zu hocken, und beobachte ihn, starre ihn an.

Andere Menschen lachen und sind glücklich in ihrem Leben danach.

Ich habe L Lawliet seit der Videoaufnahme nicht ein einziges Mal mehr lächeln gesehen.

Es zerreisst mir das Herz.
 

A/N

Disclaimer, Death Note gehört nicht mir, blabla.

Hört euch zu diesem Kapitel "Breathe Easy" von Blue an, wenn ihr wollt.

Tränen liefen mir beim Schreiben über die Wangen, zum allerersten Mal.



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Kommentare zu diesem Kapitel (7)

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Von:  Riafya
2009-08-05T16:28:24+00:00 05.08.2009 18:28
OMG, war das traurig. *wein*
Aber so ist es oft. Man erkennt zu spät, dass man geliebt worden ist. Und geliebt hat. (Und es ist mir egal, ob da jetzt zuviel hineininterpretiere.)
Ich finde es irgendwie rührend, dass Light jetzt als Todesgott da sitzt und L beobachtet, der nicht glücklich ist. Wahrscheinlich hatte er gehofft, dass er Light wiedersehen würde. Doch nun gibt es kein Wiedersehen, denn für Kira gibt es nur das Nichts (in diesem Fall die Welt der Todesgötter).
Das Lied ist auch wieder wundervoll. *schnüff*
Und das nächste Kapitel kann ich nicht lesen... na ja, eines überspringen. ^o^
Bis dann!!
Von:  halfJack
2009-06-20T16:32:44+00:00 20.06.2009 18:32
Trotz der Ideale, die Light verkörpern will, hat er ursprünglich das Death Note aus demselben Grund aufgehoben, aus dem Ryuuku es fallen ließ: Langeweile. Und nachdem L tot ist, spürt man in der Serie richtig, wie sich Light verändert hat. Er ist logischerweise erwachsen geworden, aber irgendwie fehlte auch das, was du in diesem Teil als "Würze" beschrieben hast. Ich fand es anfangs unerträglich, wie sehr Light regelrecht nachgelassen hatte. Es schien fast, als hätte er an Intelligenz eingebüßt, weil er einfach nicht mehr gefordert wurde. In der ersten Hälfte des Manga hatte Light so oft in der Klemme gesteckt, dass er bis zum Äußersten gehen musste, um sich zu retten.
Zwar sieht er es mit Genugtuung, dass sich die Welt Kira unterwirft, aber dadurch ging auch irgendwo der Kick verloren. Als dann schließlich Near und Mello aufkreuzen, merkt man richtig, dass Light wieder Aufregung und Nervenkitzel verspüren kann. Aber es ist nicht vergleichbar mit dem Kampf gegen L, zumal Light bei der späteren Auseinandersetzung wiederum nur das Gefühl hat, nach wie vor gegen L zu kämpfen.
In den Gedanken, die du ihm hier in den Kopf setzt, findet sich diese Interpretation wieder. Meines Erachtens wollte Light, dass sein Triumph auf diese Weise vollzogen wird. Es sollte nicht so einfach sein, sonst hätte Light schon damals, als Remu ihm dieses Angebot gemacht hat, L von ihr töten lassen können. Die Gründe, die er gegen diese Entscheidung vorgebracht hat, klangen nicht gerade überzeugend. So leicht und unspektakulär sollte sein Feind nicht untergehen. Ich stelle mir das so vor, dass Light dessen Niederlage lieber mit eigenen Augen sehen wollte. Und es kam sogar noch besser, als L schließlich in seinen Armen starb.
Warum es Light so fertig macht, sich nicht mehr an sein Gesicht zu erinnern, liegt allerdings nicht darin begründet, dass er diesen Triumph noch stärker auskosten will, wie mir scheint. Was eigentlich in seinem Inneren vorgeht, worüber er sich gern selbst täuschen würde, wenn das möglich wäre, zeigt sich an anderer Stelle. Als er sich das Video anschaut, muss er unwillkürlich die Gefühle entdecken, die er sich lieber nicht eingestanden hätte, weil ihn nämlich noch mehr mit L verbindet als die bloße Rivalität.
Natürlich, du hast eine kleine Veränderung an der Ursprungsgeschichte vorgenommen, indem du die Tatsache außer Acht gelassen hast, dass jeder Mensch, ob mit Death Note oder ohne, einfach aufhört zu existieren. Es gibt kein Leben nach dem Tod und auch Light wäre im Manga nicht zum Shinigami geworden. Doch diese Idee gibt dir die Möglichkeit, den Schmerz und die Traurigkeit, das Dilemma der Beziehung zwischen L und Light noch deutlicher herauszustellen. Weil vor den beiden die Unendlichkeit steht, in der sie sich nicht mehr erreichen können. Obwohl sie sich schon vorher nicht erreicht haben, wie tief sie einander auch berührten, sowohl positiv als auch negativ. Darum passt der Titel so gut.
Man kann die Zeit nicht zurückdrehen oder die Menschen festhalten, die man verloren hat. Man kann nur lernen mit dieser Einsamkeit umzugehen.
Eigentlich habe ich einen ganz anderen Musikgeschmack, als dass ich mir solche Boygroups wie Blue anhören würde. Allerdings lege ich mich da auch nicht fest und höre auch mal Musik, die meinetwegen dem Mainstream entspricht. Ganz ehrlich, als das Lied "Breathe Easy" damals von Blue herauskam, mochte ich es sehr. Es verströmt eine traurige Atmosphäre. Auch wenn das Video wahrscheinlich stark an "Stadt der Engel" angelehnt ist, verweist es gerade dadurch auf die fehlende Möglichkeit, Menschen zu erreichen. Einerseits dadurch, dass die Engel in dem Film die Personen, die sie beschützen und denen sie Kraft geben, nicht erreichen können, genauso wie Light, der als Shinigami nicht die Möglichkeit hat, zu L im Jenseits zu gelangen. Andererseits erinnert es auch daran, dass jeder unwiderbringlich stirbt und mit seinem Tod Menschen zurücklässt, die dadurch einsam sind.
Eine sehr traurige Geschichte.
Von:  Melody-chan
2009-01-30T18:07:06+00:00 30.01.2009 19:07
sooo jetzt hab ich die neuen Chapter endlich gelesen ;D
jetzt müssen sie nur noch kommentiert werden *gg*
also der OS war...genial *_* und so traurig ;____; L tot....und als Raito das Video ansieht, oh Gott T~T Eindeutig meine Lieblingszene :D
supi gemacht x3333
Von:  Tomoaki-chan
2009-01-24T11:24:32+00:00 24.01.2009 12:24
Q___Q
Das... das ist so...
Verdammt, ich kämpfe gerade mit den Tränen. Wenn man sich mal vorstellt, wie Raito sich fühlen muss, sich in seine Lage hinein versetzt...
Ich kann nicht anders als heulen!!!

Wow, es gab bisher nur ich glaube ein, zwei Geschichten, die mich wirklich zu Tränen gerührt haben, die mich berührt haben *schnief*
Deine gehört jetzt eindeutig dazu!
So wunderschön traurig, dein Schreibstil, die Gefühle zu beschreiben...

Einfach nur schön...





gggggggggggggggggggggggglG Yami =^.^=
Von:  Motschegiebchen
2009-01-24T10:56:10+00:00 24.01.2009 11:56
Ah, wieder etwas tragisches. ^__^
Ich hoffe, du lässt dich von mir nicht beeinflussen... xD

Wie auch immer, dass Raito so derart extrem versucht, wieder zu Ryuuzaki zu gelangen ist traurig.
In gewisser Weise sogar abstrakt. Armer Kerl.

Aber ich halte mich hier nicht lange auf, hab ja noch den anderen One-Shot vor mir. ^^

Hajino
Von: abgemeldet
2009-01-15T17:26:52+00:00 15.01.2009 18:26
hallihallo mein kleines schreiberlein^^

ich hatte es schon gelesen aber noch keine zeit gehabt zu kommentieren.
sorry^^

aber ist sehr schön geschrieben^^. am anfang war ich verwirrt, aber dann hatte ich gemerkt, dass es eine unabhängige story is. und natührlich super geschrieben! mach weiter so ^^.


Von: abgemeldet
2009-01-15T15:23:53+00:00 15.01.2009 16:23
Q _ Q ....wie rührend..
Gott, wie genial..
>__< Das Ende!! Wundervoll~
*schniff*


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