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Der Französischlehrer

Heathcliff St. John's
von

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Louis saß in Französisch, Richard neben sich, der Nemours jedes Wort von den Lippen abzulesen schien. Als Louis es das erste Mal bemerkt hatte, hatte er nur mit den Augen gerollt; sonst nichts.

Er musste auch gerade reden! Er war derjenige, der dem Lehrer die ganze Zeit in die Augen starrte.

Für gewöhnlich konnte er in allen Augen lesen. Er wusste, wenn jemand genervt war, auch wenn derjenige sich freundlich und geduldig stellte; er wusste, wenn jemand traurig war, auch wenn derjenige lachte; er wusste, wenn jemand müde war, auch wenn derjenige kein einziges Mal gähnte. Er hatte ein Gespür dafür und dieses Gespür hatte ihn noch nie im Stich gelassen, zumindest noch nicht so oft wie bei diesem einen Franzosen.

Denn just wenn er glaubte ein Gefühl gelesen zu haben, da huschten die dunklen Augen weiter und eine vollkommen andere Emotion blitzte auf.

Es machte ihn wahnsinnig! Er konnte nicht berechnen, was der Kerl fühlte, was er tat und fühlte sich selbst vollkommen aufgeworfen.

Dieser elende Kerl! Sogar in Louis’ Träumen verfolgte er ihn.

Sie saßen sich gegenüber, tranken eine Tasse Tee, sahen sich an, bis Louis irgendwann ausrastete, den Tisch zornig umwarf und Nemours anbrüllte. Was genau er da schrie, wusste er nicht, irgendetwas von wegen was Nemours denn einfiele, warum er nicht in dessen Augen lesen konnte. Doch Nemours blieb stets ruhig sitzen, lächelte ihn von unten her kühl an und sagte gelassen: „Warte Louis, warte ein bisschen.“

Er wurde angestupst und hörte, wie sein Name genannt wurde.

Träge richtete er Kopf und Oberkörper auf und sah sich seinem Französischlehrer gegenüber, der ihn mit hochgezogener Braue musterte.

„Hast du denn gut geschlafen, Louis?“, fragte er und Louis vernahm verhaltenes Lachen aus den Reihen der Schüler. Prompt fuhr er allerdings herum und bellte: „Schnauze!“

„Das ist aber nicht die feine englische Art, nicht, Louis?“ Nun konnte auch Richard neben ihm sich das Lachen nicht mehr verkneifen, indem er sich auf die Unterlippe biss, sondern prustete los, sehr zum Missvergnügen Louis’.

„Nun, Louis, ich hoffe inständig, dass du einfach nur todmüde warst und es nicht ausschließlich an meinem Unterricht liegt, dass du eingeschlafen bist. Da es das erste Mal war, werde ich keine Konsequenzen daraus ziehen, aber sollte es noch einmal passieren, wird das wohl kaum mehr möglich sein. Also geh montags lieber etwas früher zu Bett.“

Normalerweise war es nicht Louis’ Art, aber er wartete, bis sich der Lehrer umgedreht hatte und äffte ihn dann nach.

Er wusste selbst, dass es eine Art Verzweiflungstat war, ein Akt der Sprachlosigkeit. Doch Richards Blick der nun auf ihm ruhte, gab ihm den Rest. Dieses Mitleid! Fehlte nur noch, dass er ihm verständnisvoll auf die Schulter klopfte und ihm sagte: „Keine Sorge, du kommst schon wieder hoch…“

Verbissen beschloss Louis nun sich auf das SMARTboard zu konzentrieren, doch auch das funktionierte nicht so recht, da ständig Nemours davor auf und ab schreiten musste und seinen Blick auf sich zog.

Scheiß Franzosen!
 

„Seinerzeit verwendete George Orwell den Pseudonym H. Lewis Always, damit…“

Louis gähnte. Er saß mit den anderen Jungs aus seinem Haus im Theaterraum und musste sich eine Dokumentation über George Orwell ansehen.

Zu gerne säße er jetzt mit Richard im Gemeinschaftsraum vor dem Fernseher. Stattdessen hatte er noch eine Stunde hier vor sich, bis die Kleinen ins Bett mussten.

Es war Abend! Andere Schüler mussten sich abends nicht mehr irgendeinen Schwachsinn über irgendwelche Schriftsteller, nach denen ihre Häuser benannt waren, antun!

Aber wenigstens gab es übermorgen etwas Interessantes.

Wenn er sich richtig erinnerte, hatte Richard nämlich am Samstag ein Spiel.

Irgendwie mochte er die Polospiele hier immer und das nicht zuletzt, weil sie stets gewannen. Heathcliff war eines der besten Teams.

Im Rudern oder im Rugby sah das schon ganz anders aus und auch im Tennis schnitt die Schule im Allgemeinen eher mittelmäßig ab.

„Hey Lou, glaubst du, das hier ist bald zu Ende? Sollen wir uns vorher rausschleichen?“ Es war Timmy gewesen, der ihm das Gesicht zugewandt und das geflüstert hatte.

Louis war der Tutor des Jungen aus der II. Ein Tutor hatte die Aufgabe nach seinem zugeteilten Tutorenkind zu sehen, ihm zu helfen und für es da zu sein. Louis hasste es ein Tutor zu sein; er hasste die nervigen Unterstufenschüler an sich. Wobei er zugeben musste, dass Timmy ganz in Ordnung war; er nervte ihn nicht andauernd mit irgendwelchen Fragen und er gewährte, brav wie die anderen Jungs, den Älteren stets den Vortritt.

Der zwölfjährige Junge hatte strohblondes Haar, eine freche Stupsnase und übergroße Schneidezähne, die nun zum Vorschein kamen, während des kecken Grinsens, das er Louis zuwarf.

Der nahm allerdings nur den Kopf des Jungen mit einer Hand, drehte ihn in Richtung Leinwand und entgegnete genervt: „Sei still, Pestbeule.“

„Langweiler!“, kam es daraufhin nur gut gelaunt von Timmy.

Louis stützte die Stirn gegen die Faust und starrte weiterhin träge auf den Film.

Na klasse! Jetzt kamen schwarz-weiß Ausschnitte!

Schwarz-Weiß… Nemours würde sich gut in schwarz-weiß machen. Das gäbe mit Sicherheit einen prächtigen Kontrast! Die nahezu weiße Haut gegen das rabenschwarze Haar. Und die dunklen Augen.

Diese verdammten, dunklen Augen, in denen Louis nicht lesen konnte! Er hasste sie!

Und dennoch faszinierten sie ihn, jedes Mal wenn er sie vor sich sah; sie zogen ihn in ihren Bann.

Man konnte es wohl in der Tat als eine Art Hassliebe beschreiben.

Wie Paradox.
 

Als die Dokumentation endlich fertig war, stand Louis erst einmal auf und streckte sich. Er hatte in einem Sessel gesessen, den er sich kurzerhand aus den Requisiten geholt hatte. Timmy hatte vor ihm auf den Boden gesessen, den Rücken an seine Beine gelehnt.

Dieser nahm den Älteren nun bei der Hand und zerrte ihn hinaus.

„Hey, wo willst du denn hin?“, fragte Louis und ließ sich nur widerwillig mitziehen.

„Zum Gemeinschaftsraum, dann können wir noch was Gescheites im Fernsehen sehen und vielleicht haben die anderen was gekocht.“ Er war ganz hibbelig, als sie endlich ankamen und er die schwere Holztür öffnete.

Die Meisten, die drinnen waren, sahen gar nicht erst auf, nur ein paar spähten interessiert zur Tür, unter ihnen Richard, der sich auf einem der Sofas breit gemacht hatte. Es waren nicht viele hier, sodass er sich das erlauben konnte.

Als er Louis und Timmy erblickte nahm er die Füße vom Sofa und grinste, als Louis sich schwermütig neben ihm fallen ließ: „Na? Wie war’s?“

Das Antworten übernahm Timmy für Louis, der es ihm gleich getan hatte und nun neben Louis im Sofa saß, halb darin versank: „Total ätzend.“ Louis tätschelte seinem Tutorenkind abwesend den Kopf und murmelte: „Braver Schüler.“ Dann wandte er sich an Richard: „Habt ihr uns was zu essen übrig gelassen?“ Der Angesprochene verneinte und Louis stöhnte daraufhin: „Ihr Schweine!“

Timmy hatte nicht mehr wirklich viel Zeit vor seinem Zapfenstreich, gerade mal eine halbe Stunde, doch er hielt gar nicht so lange durch, denn schon nach einer viertel Stunde lag er zusammengerollt auf dem Sofa und schlief friedlich.

„Lass uns ihn hochbringen“, schlug Richard vor, doch Louis maulte: „Lass uns ihn wecken.“

„Er ist aber dein Tutorenkind!“, entgegnete Richard stur.

„Na und? Ich muss ja trotzdem nicht seine Mama spielen.“ Ebenso stur.

„Du sollst auch nicht seine Mama spielen, sondern ihn nur hochbringen, sei doch mal nett!“

„Als wärst du jemals nett zu deinem Tutorenkind gewesen!“ Da! Der Akt der Verzweiflung weil er keine greifbaren Argumente hatte.

„Mein Tutorenkind ist auch nervig und ein kleines Arschloch.“ Er hatte also direkt ins Schwarze getroffen. Er musste sich zwingen nicht zu grinsen und überheblich zu klingen, sondern schimpfte empört: „Ach und meins nicht?“

„Deins schläft gerade!“ Richard zeigte genervt auf den Jungen.

„Deins schläft bestimmt auch manchmal“, murrte nun Louis, doch Richard knurrte: „Und du bist grad noch nerviger als mein Tutorenkind.“

„Ist ja gut!“, stöhnte der Londoner und erhob sich. „Ich bring ihn ja schon auf sein Zimmer! Aber wenn ich nicht zurückkommen sollte, weil sein Zimmernachbar mich anfällt, dann ist das allein deine Schuld!“

„Damit kann ich leben.“ Der Rotschopf zuckte nur mit den Achseln und sah weiter auf den Bildschirm.

„Ich hab dich auch gern“, knurrte Louis und erhob sich, um den Jungen aufzurichten, sich dessen Arme um den Hals zu legen, ihn unter den Oberschenkeln zu nehmen und ihn dann hochzuheben.
 

Er ließ sich wieder aufs Sofa fallen und berichtete: „Der Zimmernachbar hat schon geschlafen; du hast also Glück und bist nicht für mein Verschellen verantwortlich.“

„Da bin ich aber beruhigt“, gähnte Richard und nahm den Blick nicht vom Bildschirm. Allerdings erhob er sich keine zwei Sekunden später und sagte: „Ich geh trotzdem ins Bett. Kommst du noch mit eine rauchen?“

„Wenn du noch eine für mich hast?“, fragte Louis und Richard nickte.
 

„Nemours ist schon seltsam, oder?“ Richard spähte beim Mittagessen verstohlen hinüber zum Lehrertisch. „Ich meine, er ist eigentlich schon ein guter Lehrer, aber irgendwas ist seltsam an ihm.“

„Wieso?“, entgegnete Louis, sah gar nicht erst von seinem Essen auf, sondern zerstocherte weiterhin das Innere seiner aufgeschnittenen Kartoffel und schmierte noch Butter darauf.

„Keine Ahnung. Aber ist auch egal. Ich mag ihn jedenfalls.“ Nun wandte er endlich den Blick ab. Aber dafür schielte nun der Londoner verstohlen zu Nemours. Und als hätte er es gewusst, sah Nemours ebenfalls auf, direkt in ihre Richtung und ihre Blicke trafen sich. Louis richtete sich auf und Richard, davon alarmiert, folgte dem Blick seines Freundes.

Für einen Augenblick sahen sie sich nur an. Dann zuckten Louis Mundwinkel und Nemours Augenbrauen hoben sich selbstherrlich.

Louis fluchte innerlich und sah wieder weg. Er hatte keine Ahnung warum, aber er fühlte sich, als hätte er gegen den Franzosen verloren. Was er verloren hatte? Er hatte selbst keine Ahnung, aber er hatte.

„Was war das denn?“, fragte Richard und sein Blick huschte skeptisch zwischen Nemours und Louis hin und her. Letzterer zuckte nur mit den Achseln und meinte: „Keine Ahnung.“ Dann steckte er sich ein Stück seiner Butterkartoffel in den Mund.

„Jungs aus der Lower VI: bitte beendet euer Essen.“ Nemours hatte es ausgerufen. Er führte heute wohl die Liste.

Louis und Richard waren zwar noch nicht ganz fertig mit dem Essen, dennoch nahmen sie ihre Tabletts und verräumten sie. Dann gingen sie zum Lehrertisch. Sie hatten sich noch nicht abgemeldet.

„Hey, Mister Nemours, führen Sie heute die Liste?“, fragte Louis vorlaut und Nemours antwortete gleichgültig, ohne aufzusehen: „Wie man deutlich sehen und hören kann.“

„Ehm, Monsieur Nemours…“, begann Richard zögerlich und wartete bis Nemours aufsah. „Werden wir heute wieder nur Grammatik machen?“ Nemours seufzte. Er machte ein Häkchen hinter die Namen McCreeby und Macheath und entgegnete schließlich: „Ich hoffe es nicht, Richard. Ich würde heute lieber etwas Interessantes mit euch durchnehmen.“

„Dann tun Sie’s doch einfach. Achten Sie nicht auf die Idioten in der Klasse!“ Es war Louis’ enthusiastischer Einwurf gewesen, doch Nemours wandte ihm daraufhin nur für einen Augenblick mit gehobenen Augenbrauen das Antlitz zu. Dachte er nach?

„Nun, Louis, so leid es mir tut, aber ich bin hier angestellt um mich um alle meine Schüler gleichermaßen zu kümmern. Ich kann im Unterricht nicht den Einen oder Anderen bevorzugen. Egal wie lange du mich anstarrst.“ Da! War das etwa ein Anflug eines Lächelns gewesen, als Nemours ihn durchdringend angesehen hatte während seiner letzten Worte?

Mit Sicherheit! Es war fast ein Lächeln gewesen. Und es wäre ein wissendes, durchschauendes Lächeln geworden, mehr schon ein Grinsen und für einen Moment war es Louis, als blitzten Nemours Augen auf und als könne man während dieses Blitzens daraus lesen, könnte man die Zeit anhalten.

„Kommst du noch mit rauf zu mir?“, fragte Richard plötzlich und riss Louis damit völlig aus den Gedanken. Als er sich wieder gefangen hatte nickte er stumm und sah noch einmal zu Nemours. Doch nun war da nichts mehr. Kein Anflug eines Lächelns, kein Blitzen in den Augen.
 

Nun, dieses Kapitel bestand aus mehreren absolut unterschiedlichen Abschnitten... Ich hoffe, ihr stört euch nicht daran.

Und wenn ihr eigentlich irgendwelche Fragen zum Internatsleben oder etwas in der Art habt (Nein, Steph, sie haben Samstags keinen Unterricht und dürfen übrigens so gut wie jedes Wochenende raus...), dann stellt sie nur =)

LG, Terrormopf



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Kommentare zu diesem Kapitel (6)

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Von: abgemeldet
2008-12-14T16:31:26+00:00 14.12.2008 17:31
Hi!

Ich sitze gerade vor meinem Kommentar und denke: Nein, so kannst du den nicht hochladen. Es geht kaum ums Kapitel und ja...
Also habe ich mich zu einem kürzeren entschieden, der alles sagt, was mir gerade auf der Seele liegt:
Als ich es das erste Mal gelesen habe, hat mir das Kapitel gefallen, das weiß ich, aber gerade, nachdem ich zwei Kapitel gelesen habe, die ich betan soll, kann ich wirklich gar nicht mehr beurteilen, wie ich damals im Detail darüber gedacht habe. Im Moment würde ich nur zu gern gewisse Personen anschreien...

Aber ich mag Timmy. ^^ Ich mochte ihn und mag ihn. ^^ Genau wie Rich. ^^

Hdsmhdl *plüsch*
Steph

Von:  imperator-nova
2008-12-02T16:38:45+00:00 02.12.2008 17:38
also bis jetzt gefällt mir die story sehr gut. vor allem die verschiedenen charaktere, die sind nicht so super sympatisch und haben ihre macken, dass mag ich.
ich freu mich schon auf die fortsetzung :3

ps: ähm kann es sein, dass du deinen untertitel falsch geschrieben hast? also hethcliff statt heathcliff?
Von:  Klein_Ryu
2008-12-02T09:31:35+00:00 02.12.2008 10:31
toll ♥♥ schnell weiter :P
Von: abgemeldet
2008-11-30T19:23:11+00:00 30.11.2008 20:23
Heyho ^^
Ich mag das Kapitel!!! Aber anstatt hier irgendwas aufzulösen, wird Nemours nur immer geheimnissvoller... Irgendwie war er hier so ganz anders als im letzten... Nya, bin mal gespannt, wann Louis echt so aus der Haut fährt wie in seinem Tagtraum!!!!
Au revoir <3
Von:  saspi
2008-11-30T17:26:39+00:00 30.11.2008 18:26
Hey!!!
Super kappi!!! Bitte schreib schnell weiter!
Bin schon neugierig wie 's weitergeht!!!
Freu mich aufs nächste kappi.
Bye

Von:  Angelcerise
2008-11-30T16:38:37+00:00 30.11.2008 17:38
Klasse Kapitel^^
Schreib bitte schnell weiter XD


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