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World full of Mess

Die Geschichte einer Band
von

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Der Wettbewerb

Der Abend des Wettbewerbs war gekommen. Sayji hatte es seinen Eltern immer noch nicht erzählt und sie waren auch an diesem Tag mal wieder nicht da. Als er sich gerade fertig machte hörte er die Haustür. „Say-chan, bist du da?!“, rief seine Mutter. „Ich bin hier oben!“, antwortete er und sie kam die Treppe rauf. Als sie in der Zimmertür stand musterte sie ihn skeptisch. Einen Moment lang glaubte er, sie wollte ihm sagen, dass er groß geworden sei. „Wo willst du denn in dem Aufzug hin?“, fragte sie verwundert. „Zu einem Auftritt. Wir nehmen heute Abend an einem sehr wichtigen Wettbewerb teil, der über unsere Zukunft entscheidet“, erklärte er und strich durch seine Haare. „Eure Zukunft? Wir haben uns wohl lange nicht mehr unterhalten. Das letzte Mal, als du mir von der Band erzählt hast, habt ihr noch in Aimerics Garage gespielt; in einer von den fünf“, meinte sie verwundert und legte ihren ganzen Sarkasmus in den letzten Satzteil. Sie war Ayeku gegenüber immer skeptisch gewesen. Sein Vater war ein sehr reicher Geschäftsmann und man sagte ihm nach, dass er sein Geld durch krumme Geschäfte gemacht hatte. Tatsächlich besaßen sie eine riesige Villa und fünf Garagen. „Aber, Mom. Die Garagen-Phase war letztes Jahr. Wir haben mittlerweile eine Managerin, einen Proberaum, fast einen Plattenvertrag und sogar schon Fans“, sagte Sayji. Es überraschte ihn nicht wirklich, dass sie es nicht mitbekommen hatte. Mit großen Augen sah sie ihn an. „Wirklich? Say-chan, das ist ja toll. Aber bist du dir sicher, dass das das Leben ist, das du willst? Auf der Bühne stehen bis spät in die Nacht, jeden Tag in einer anderen Stadt schlafen und dieser furchtbaren Musikindustrie und den Paparazzi ausgesetzt sein, die nur darauf warten, dass sie ein schmutziges Geheimnis erfahren? Und du könntest mit allerlei gefährlichen Gestalten in Kontakt kommen, mit Leuten, die dir Drogen geben“, sagte sie. Sayji musste lächeln. Genau das hatte er erwartet. Verständnis, aber auch die typischen mütterlichen Sorgen.
 

„Mach dir keine Sorgen, Mom. Es ist genau das, was ich will. Jeder sollte doch im Leben das tun, was er am besten kann und am meisten mag, findest du nicht? Und ich liebe es nunmal, Musik zu machen und die Leute damit zu begeistern. Und was die schmutzigen Geheimnisse angeht... Ich habe keine. Die ganze Stadt weiß, dass ich schwul bin und die meisten finden´s gut“, meinte er und sie lachte auch wieder. „Du bist mir schon einer. Die ganze Stadt weiß es, dein Vater aber nicht... Ich wünsche dir viel Glück und viel Spaß bei eurem Auftritt. Komm nicht zu spät nach Hause, okay?“ Und damit verschwand sie wieder, um wenig später in der Küche zu rumoren. Sayji seufzte. Seine Mom war einfach klasse und er wünschte, er hätte mehr von ihr gehabt. Immerhin hatte sie ihn damals zur Musik gebracht und ihn in die Klavier- und Gesangsstunden geschickt. Er verdankte ihr praktisch alles. Der Junge beeilte sich fertig zu werden und hoffte, dass die anderen ihn abholen kamen, bevor sein Vater heimkam. Der würde ihn nämlich niemals so aus dem Haus gehen lassen. Er hatte ihn schon öfters aus der Schule heimgeschickt, damit er sich umzog und Sayji hatte sich jedes Mal noch provokanter gekleidet. Er konnte jetzt einfach keinen Stress gebrauchen. Als er gerade seinen Mantel überzog hörte er die Haustür. Oh nein, er war da. Angestrengt lauschte der Junge und hörte, wie er in die Küche ging und mit Yoshiko sprach. Das war die Chance.
 

Sayji schlich die Treppe runter und aus der Haustür. Er lief so schnell es mit seinen Schuhen ging zur nächsten Straßenecke und rief die Anderen an, um ihnen mitzuteilen, dass sie ihn dort abholen sollten. Vor Konzerten war es zum Ritual geworden, dass Zahara sie zu Hause einsammelte. Fünf Minuten später bog sie auch schon in die Straße ein. „Bist du wieder geflüchtet?“, fragte Starla grinsend als er ins Auto stieg. Er achtete nicht auf sie, sondern sah sich in dem Fahrzeug um. „Wo ist Francis?“, fragte er. Der Gitarrist wohnte direkt neben Morton, der auf dem Beifahrersitz saß, war aber nicht bei ihnen. „Bei ihm hat keiner aufgemacht. Er geht auch nicht ans Handy... Ich hoffe, er hat nicht vergessen, dass wir heute einen Auftritt haben“, meinte der Drummer und sah nervös aus dem Fenster. Er verschwieg ihnen etwas, das merkte Sayji sofort. Und er hatte auch einen starken Verdacht, was es war. Seit Francis´ Mutter vor einem Jahr gestorben war, war er allein den Gewaltausbrüchen seines Vaters ausgesetzt. Seine Mutter hatte sich das Leben genommen, aus welchem Grund konnte jeder sich denken. Sie hatten alle schon versucht, Francis zu überreden zur Polizei zu gehen und sie waren auch selbst schon hingegangen, aber solange das Opfer schwieg konnte man nichts machen. „Er ist doch mein Vater...“, sagte Francis jedes Mal, wenn sie es wieder versuchten. Es war furchtbar ihn voller blauer Flecken und Platzwunden zu sehen und er weigerte sich strikt, in ein Krankenhaus zu gehen. Immerhin ließ er es zu, dass Ayeku seine Verletzungen versorgte. Einmal war er zusammengebrochen und sie hatten ihn zu einem Arzt gebracht, dem er dann erzählte, er hätte einen Fahrradunfall gehabt. Es war hoffnungslos. Und jetzt war er wieder allein mit ihm. Die Vorstellung ließ Sayji erschaudern. „Vielleicht sollten wir zurückfahren und es nochmal versuchen. Wir können doch nicht ohne ihn...“, begann er aber Mortons Blick ließ ihn verstummen. Schweigend verbrachten sie den Rest der Fahrt und gingen mit hängenden Köpfen in den Club, wo der Wettbewerb stattfinden sollte.
 

Dort erfuhren sie zu allem Überfluss, dass es in letzter Sekunde noch eine Nachnominierung gegeben hatte. Die Band „Slightly Embarrassed“ hatte sich angemeldet. Sie galten als eine der besten Bands der Stadt aber man sagte ihnen nach, dass sie total abgehoben und arrogant waren. Einmal waren sie mit The Rainbow Mess aneinander geraten. Ihr Sänger hatte sich mit Morton angelegt und sie hatten sich ziemlich geprügelt. Erst später hatte Sayji erfahren, dass es dabei um ihn gegangen war. Was genau passiert war, wollte Morton ihm aber nie erzählen. Jetzt stand der Drummer vor der Anmeldeliste und starrte sie an als ob sie etwas dafür könnte. „Was sollen wir nur tun? Ohne Francisco haben wir keine Chance gegen die. Ich kann seine Solos nicht übernehmen. Das kann ich einfach nicht“, rief Starla aufgebracht und wirbelte durch den Raum. „Uns bleibt nur eins übrig... aufgeben“, meinte Ayeku betrübt. „Nein, das werden wir nicht! Francis wird kommen. Er kommt jeden Moment durch diese Tür, da bin ich mir sicher“, sagte Sayji laut und deutete auf den Eingang. „Er wird nicht kommen, Say-chan“, sagte Morton leise, „Ich hab´s gesehen... Ich hab durch das Fenster geguckt und gesehen, was er mit ihm angestellt hat. Er hat Francis so dermaßen zugerichtet, dass er kaum mehr stehen konnte... Ich hab versucht reinzukommen, das Fenster einzuschlagen aber sie sind alle aus Panzerglas und die Türen waren zu... Francis hat mich gesehen und mir klargemacht, dass ich gehen sollte und keinem davon erzählen“ Sie starrten ihn ungläubig an. „Warum hast du nicht die Bullen gerufen? Du guckst zu, wie dein bester Freund vermöbelt wird und kommst nichtmal auf die Idee dein Handy rauszuholen und die Bullen zu rufen?!“, fragte Zahara und funkelte ihn wütend an. „Und wenn ich es getan hätte? Die Bullen wären gekommen, hätten geklingelt und in der Zwischenzeit hätte sein Vater ihn im Keller eingesperrt. Dann hätte er ihnen erzählt, er wäre nicht da, was er ja eigentlich auch nicht sein sollte. Und dann wären die Bullen wieder gefahren und er hätte Francis womöglich noch mehr angetan als sowieso schon. Er hätte ihn vielleicht umgebracht, versteht ihr?“ Morton sah sie verzweifelt an. Er hatte wahrscheinlich sogar Recht.
 

So langsam betraten auch die anderen Bands den Raum. Der Sänger von Slightly Embarrassed stolzierte an ihnen vorbei und lächelte herablassend. Wenige Minuten später begann der Wettbewerb. The Rainbow Mess sollten als vorletzte Band spielen und so hatten sie noch genug Zeit sich einen Schlachtplan zu überlegen. „Komm schon, Starla. Es ist doch nur der eine Song. Du kannst sein Solo spielen. Erzähl nicht, dass du es noch nie versucht hast!“, sagte Zahara zu der kleinen Gitarristin, die mittlerweile den Tränen nahe war, weil alle auf sie einredeten. „Ich hab´s versucht und es nicht hingekriegt. Bitte, glaubt mir doch. Ich kann´s nicht“, quietschte sie und versuchte in die andere Ecke des Zimmers zu flüchten. „Dann spiel was Anderes. Was Einfacheres“, meinte Sayji und sah sie aufmunternd an. Der Song, den sie heute spielen wollten war in der Tat der mit dem schwierigsten Solo aber gleichzeitig einer von ihren besten. „Aber das geht doch nicht. Das hört sich mit einem anderen Solo total scheiße an. Wir nehmen einen anderen Song“, sagte Morton kurz entschlossen. Sie debattierten weiter, während der Raum sich langsam leerte, weil alle anderen Bands zu ihrem Auftritt mussten. „Hey, ihr Versager! Hat euer komischer Gitarrist sich vor Angst in die Hose gemacht, oder warum ist er nicht da?“, fragte der Sänger von Slightly Embarrassed und seine Bandmitglieder lachten. „Er holt noch sein Samurai-Schwert, damit er dir deinen Schwachkopf abschlagen kann“, fauchte Morton und sah aus als würde er ihm gleich ins Gesicht springen.
 

Aber bevor noch etwas geschah flog die Eingangstür auf und Francis erschien im Türrahmen. Er trug eine Sonnenbrille, obwohl es mittlerweile dunkel war und er humpelte stark. Es war auch von weitem schon offensichtlich, dass er furchtbare Schmerzen haben musste. Aufgeregt eilten sie zu ihm. „Bin ich zu spät?“, fragte er heiser und bahnte sich seinen Weg zum nächstbesten Sessel. „Nein, bist du nicht. Wir werden absagen. In deinem Zustand kannst du nicht spielen“, sagte Zahara, die ihn erschrocken musterte. „Natürlich kann ich spielen. Wir werden nicht aufgeben... Könnte ich vielleicht ein Glas Wasser haben? Und eine Schmerztablette, wenn´s geht“, sagte Francis und Sayji eilte los. Er hörte, wie Zahara weiter auf den Gitarristen einredete. Er musste erst fünf Leute fragen, bevor er die Tablette bekam und schon rannte er zurück. „Francis, du gehörst in ein Krankenhaus und nicht auf die Bühne“, sagte die Managerin gerade. „Meinst du denn, ich lasse mich erst halbtot schlagen wegen dem Gig, klaue meinem Alten das Auto und komme dann hierher und gebe auf?! Du spinnst doch!“, entgegnete er. „Hey, wenn der Mann spielen will dann sollten wir ihn lassen“, meinte Ayeku und legte Zahara beschwichtigend die Hand auf die Schulter. „Wenn´s euch irgendwie weiterhilft, dann kann ich ja danach zu einem Arzt gehen“, meinte Francis, der die Tablette geschluckt hatte, „Könntet ihr jetzt vielleicht aufhören so einen Terror zu machen. Das ist ja peinlich“ Tatsächlich beruhigten sie sich und fingen endlich an sich mental auf den Auftritt vorzubereiten. Nur Morton stand immer noch bei Francis und entschuldigte sich mit brüchiger Stimme. „Du hast das richtige getan, Mann. Danke, dass du nicht die Bullen gerufen hast“, sagte der Sitzende. „Wenn du meinst, Fran“, sagte der Andere resignierend. Er war der Einzige, der Francis „Fran“ nennen durfte. Und solange er das tat, war zwischen den Beiden alles okay. Kurze Zeit später kam eine junge Frau zu ihnen, die ihnen mitteilte, dass sie gleich dran waren. Francis erhob sich und sie stellten sich in einer Ecke zusammen. „Also, Leute. Hört zu: Wir gehen jetzt da raus und geben unser Bestes. Wir können gewinnen. Und auch wenn nicht, ist es nicht das Ende der Welt. Also dann...“, meinte Francisco, schnappte sich seine Gitarre, warf seine Jacke achtlos in eine Ecke und ging voraus.
 

Sie folgten ihm und warteten am Bühnenaufgang auf ihren Einsatz. Die Band, die grade ihren Song beendete war nicht besonders gut. Entweder war ihre Melodie so schlecht komponiert oder der Gitarrist verspielte sich dauernd; so genau konnte man das nicht sagen. Als sie fertig waren bekamen sie nur verhaltenen Applaus und den wohl auch nur für ihre vergebliche Mühe. Der Vorhang fiel und sie verließen die Bühne. Sofort machten The Rainbow Mess sich daran, das Equipment für ihre Zwecke umzubauen. Morton ließ sich noch ein paar Teile für das Schlagzeug bringen. Er hatte es gern so groß, dass er sich dahinter verstecken konnte. Die Anderen stimmten ihre Instrumente auf die Akustik des Saals ab. Es war schwierig ohne Soundcheck die richtigen Einstellungen zu finden aber normalerweise gelang es ihnen immer. Sie gaben dem Moderator ein Zeichen, er trat durch den Vorhang und kündigte sie an. Sayji spürte kaum noch etwas von seiner Nervosität. Die Aufregung um Francis hatte seine Kapazitäten erschöpft und den Gitarristen neben sich zu wissen beruhigte ihn auf eine komische Art und Weise. Der Vorhang hob sich aber sie blieben im Dunkeln stehen. Der Lichttechniker hatte offensichtlich ihre Wünsche mitgeteilt bekommen. Morton zählte vor und Ayeku setzte mit dem Intro ein. Als Francisco die ersten Gitarrennoten erklingen ließ flammten die Scheinwerfer auf. Mehrere von ihnen richteten sich auf Sayji als er anfing zu singen. Das Publikum jubelte. Seine Stimme hatte immer so einen Effekt. Wenn jemand den kleinen Halbjapaner sah, der würde ihm niemals eine solche Stimme zutrauen. Er konnte sehr tief singen, aber auch sehr hoch. Er konnte jedes Gefühl durch seinen Gesang ausdrücken, auch wenn er es gerade nicht fühlte. So konnte er auch jede Art von Musik singen, egal ob Punk oder Soul; egal ob Metal oder Pop-Balladen. Aber er selbst sang am liebsten diese wütenden Rocksongs, wie auch dieser einer war. Er konnte seiner Stimme so etwas Psychopathisches geben, was richtig dazu passte und den Zuhörern einen Schauer über den Rücken jagte. Und er selbst merkte, dass er an diesem Abend wirklich in Höchstform war. Das jubelnde Publikum spornte ihn immer mehr an und er war wieder der alte Sayji, der die Show in der Hand hatte. Aber gleich würde er Francisco das Feld überlassen und er würde es mit Freuden tun. Während er die letzte Zeile des Refrains sang trat er etwas zur Seite, um die Bühnenmitte freizumachen. Die ersten Töne des Solos zerschnitten die stickige Luft förmlich und Sayji war erleichtert, dass das Ganze genauso kraftvoll klang wie sonst. Erst nach ein paar Sekunden trat Francisco aus dem Schatten, in dem er bis dahin gestanden hatte. Die Zuschauer verstummten ehrfürchtig, als sie sahen in welchem Zustand er war. Er trug seine Sonnenbrille immer noch, die Verletzungen traten im Scheinwerferlicht noch mehr heraus und er hielt sich komisch. Trotzdem spielte er göttlich und man konnte hören, dass er sehr wütend war. Das Solo endete und Sayji begann wieder zu singen. Irgendwann gegen Ende des Songs lehnte sich Francis rückwärts an seine Schulter. Es besorgte Sayji aber er sang trotzdem weiter und Francis spielte auch immer noch so gut wie vorher. Zum Glück war der Sänger in seinen Schuhen fast so groß wie sein Nebenmann, sodass das Anlehnen problemlos klappte. Sayji schrie die letzte Zeile ins Mikro, Morton schlug noch einmal mit aller Kraft auf seine Drums ein und Francisco ließ den letzten Ton ewig lange im Raum nachhallen. Es war still.
 

Dann brach plötzlich ohne Vorwarnung ein unglaublicher Jubel los. Erleichterung machte sich unter den Musikern breit und sie lachten wieder. Das Publikum wurde erleuchtet und sie konnten sehen, dass die Band Purple vor der Bühne an einem Tisch saß, wo sie sich offensichtlich Notizen gemacht hatten. Doch sie saßen nicht mehr. Sie waren aufgestanden und jubelten mit. „Seht ihn euch an“, sagte Sayji und deutete auf den Gitarristen, der sich immer noch an ihn lehnte, „Unser Francisco... Das ist verdammtnochmal ein Mann, oder?“ Das Publikum stimmte ihm lautstark zu und Francis lächelte ihn auf die Art und Weise an, die immer Schmetterlinge in seinem Bauch verursachte und seine Knie weich werden ließ. Sie verbeugten sich, bedankten sich beim Publikum und der Vorhang fiel.
 

Erschöpft begaben sie sich hinter die Bühne und ließen sich auf die Couch sinken. Die anderen Bands waren wohl draußen oder an der Bar, denn sie waren allein in dem Raum. Morton musste Francis stützen und Sayji trug seine Gitarre. Jemand brachte ihnen was zu trinken und sie hörten entspannt zu, wie ihre Erzfeinde Slightly Embarrassed angekündigt wurden. Mit Genugtuung stellten sie fest, dass der Bassist seinen Einsatz verpasste und der Drummer kurz darauf aus dem Rhythmus kam. Der Sänger jedoch erlaubte sich keinen Fehler. „Der Typ ist ziemlich gut“, meinte Sayji. Er war wirklich gut. Seine Stimme war klar und passte perfekt zu ihrem Musikstil. „Nicht halb so gut wie du... Außerdem ist er´n Arschloch“, erwiderte Morton und wurde fast schon wieder wütend. „Was hat er damals eigentlich gemacht, dass du ihn geschlagen hast?“, fragte Sayji neugierig und sah in die braunen Augen. Er wollte es unbedingt endlich wissen. „Er hat dich beleidigt. Er hat gesagt du wärest eine kleine Schlampe und er würde dich gern mal an sein Bett fesseln und vergewaltigen. Er hat dann sehr detailliert beschrieben, was er so alles mit dir anstellen will und... Es war echt ekelhaft und ich hab ihn angeschrien, dass er aufhören soll so von dir zu reden. So war das“, meinte Morton und erinnerte sich schaudernd an die Worte des Sängers. „Und deshalb hast du ihn verprügelt? Du hättest doch einfach gehen können und ihn weiter dummes Zeug labern lassen“, sagte Sayji, der sich doch über ihn wunderte. Morton schlug immer schnell zu, aber so leicht war er normalerweise nicht zu provozieren. „Na ja, ich bin ja weggegangen und... und dann hab ich gehört, wie er gesagt hat, dass er dich...“ Er hörte auf zu reden und sah in die andere Richtung. „Was hat er gesagt? Erzähl schon, Morton. Ich will wissen, was andere Leute über mich sagen“, drängte Sayji und genervt gab er nach. „Er hat gesagt, er fickt dich bis du blutest und, dass keiner ihn davon abhalten wird. Dann ist er auf dich zugegangen und bei mir sind die Sicherungen durchgebrannt. Glaub mir, er hätte es gemacht. Dem Kerl trau ich alles zu. Bist du jetzt zufrieden?“ Sayji war nicht zufrieden. Er war gleichzeitig ein bisschen geschockt und sehr dankbar. „Danke. Ich finde es echt toll von dir, dass du dich geprügelt hast, um mich zu verteidigen. Also nicht das Prügeln an sich, aber die Tatsache, dass du es für mich getan hast...“, meinte er und legte kurz den Arm um den Schlagzeuger.
 

Francis richtete sich wieder auf. „Habt ihr das gehört? Ihr ach so perfekter Sänger hat grade den Refrain versaut“, sagte er und deutete Richtung Bühne. „Unser Auftritt hat sie wahrscheinlich nervös gemacht. Vor allem dein Auftritt, Bruder“, antwortete Morton grinsend. „Sobald wir wissen, wie es ausgegangen ist, werde ich dich ins Krankenhaus fahren“, meinte Sayji und legte kurz die Hand auf Francis´ Knie, das irgendwie zitterte. Er hörte keinen Widerspruch, was ihm etwas Angst machte. „Zuerst müssen wir aber noch die Karre zurückbringen. Wenn mein Vater merkt, dass ich damit abgehauen bin flippt er wieder aus“, sagte der Gitarrist und erschauderte leicht. Sayji wollte ihn grade fragen, was er eigentlich diesmal angestellt hatte, um diesen Wutanfall auszulösen, da drückte Morton ihm seinen Autoschlüssel in die Hand. „Hier. Fahr ihn nach Hause, dann nimmst du mein Auto und bringst ihn ins Krankenhaus. Aber sei um Himmels Willen vorsichtig damit. Lass dir Zeit. Ich brauch´s wohl heute und morgen eh nicht, ich geh nämlich gleich Party machen“, sagte er. Jules Morton überließ ihm sein Auto?! Hatte er Fieber? Das war nicht normal. Gerade wollte Sayji was sagen, da legte er ihm den Finger über die Lippen. „Sag kein Wort, sonst überleg ich´s mir vielleicht anders. Das ist der ultimative Vertrauensbeweis“, meinte er todernst. Sayji nickte bloß und lächelte ihn an. Slightly Embarrassed beendeten ihren Song und das Publikum applaudierte. Es war immerhin kein schlechter Song gewesen und sie waren auch keine schlechten Musiker; das musste man ihnen lassen.
 

Der Moderator rief alle teilnehmenden Bands auf die Bühne. Es dauerte eine Weile, bis sie sich alle dort eingefunden hatten. Dann wurden die ersten sieben Bands mit jeweils sehr kurzen Kommentaren von der Bühne geschickt. Band Nummer acht bekam schon etwas mehr Lob als die Anderen und man sagte ihnen eine große Zukunft voraus. Dann waren nur noch The Rainbow Mess und Slightly Embarrassed übrig. Zachary, der Sänger von Purple, stand auf und nahm das Mikro in die Hand. Zuerst wandte er sich an Letztere. „Ihr wart gut“, begann er, „Euer Song war sehr gut geschrieben und ich weiß, dass ihr technisch normalerweise mehr draufhabt. Ein paar kleine Fehler kann man immer verzeihen. Ihr seid eine gute Band und ihr werdet eines Tages Erfolg haben“ Die Musiker sahen sich untereinander an. Sie wussten nicht, was sie davon halten sollten. „Aber ihr...“, sagte Zachary zu The Rainbow Mess, „Ihr seid einfach nur hervorragend. Exzellentes Songwriting, perfekte Teamarbeit und sogar ein bisschen Show. Die Leidenschaft, die den Anderen fehlt, habt ihr doppelt und dreifach. Deine Stimme... genial. Und die Tatsache, dass du in deinem Zustand noch so ein Solo spielen kannst, das uns alle von den Socken haut ist einfach unglaublich. Ihr werdet mal ganz groß; größer als wir alle hier. Und deshalb wird es uns eine Freude sein, mit so einer Band auf Tour zu gehen auch wenn wir damit riskieren, dass ihr uns jeden Abend in den Schatten stellt“ Er wollte noch etwas sagen aber die Begeisterungsstürme übertönten ihn. Die Musiker und ihre Managerin lagen sich in den Armen. „Hey, hört nochmal kurz zu“, rief Zachary und der Lärm legte sich etwas, „Ich soll euch außerdem mitteilen, dass der Chef eurer Plattenfirma backstage mit dem Vertrag wartet. Herzlichen Glückwunsch“ Gut gelaunt ließ er sich wieder auf seinen Stuhl sinken und beobachtete, wie die Band aufgeregt hinter der Bühne verschwand. Von da an war alles wie im Rausch.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Sammy5522
2008-10-26T11:10:04+00:00 26.10.2008 12:10
Hi super story.
Bin schon gespannt wenn es weiter geht.

Schreibst du eine ens?
Will nix verpassen.

ganz liebe grüße

sammy


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