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Verrottet und hässlich

von

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Mitläufer

außergewöhnlicher Träumer; andere Welt

Meine Mutter sagt gern, wie besonders sie meine Vorliebe für ihr Hobby, ihren Beruf, ihr Leben finden würde. Es erfüllte sie so mit unglaublichem Stolz.

Mein Vater erwähnt umso öfter, wie schrecklich erbärmlich er seinen Sohn fände.

Ich verstehe keinen von ihnen.

Dabei habe ich es bereits öfters versucht, als mir lieb ist.

Ich wollte ein guter Sohn sein.

Lieb, nett und brav.

Das reinste Vorzeigekind.

Hatte gehofft, das wäre es, was meine Eltern wollten.

Und deswegen machte ich mir immer und immer wieder Gedanken um ihr Verhalten, wollte sie verstehen und ihnen nie einen Grund, jemals auf mich sauer zu sein.

Warum auch immer.

Niemals.

Wollte, dass beide glücklich sind.
 

Ich weiß, ich werde es nie schaffen.

Eine kleine Leidenschaft, etwas, dass ich gerne tue, ohne von irgendjemanden unterbrochen zu werden, zerstörte alles.

Außerordentlich … wie schnell so etwas gehen kann.
 

Ein einziger Nachmittag reichte aus, um meinen Vater geradezu wortwörtlich an die Decke gehen zu lassen.
 

Ich glaube, ich habe ihn noch nie so wütend gesehen, als seine Fassungslosigkeit, mich an diesem Ort entdeckt zu haben, langsam seinem Zorn Platz machte.

Es war nichts Außergewöhnliches.

Fand ich.

Finde ich.

Ich war öfters dort.

Hatte auch immer gesagt, dass ich dort hingehe, meine Aussage nur nicht vollständig spezifiziert.
 

Vater dachte wohl, ich wäre auf dem Sportplatz, am anderen Ende des Parks.

Und nicht in den strahlenden und lieblich duftenden Blumenbeeten auf der anderen Seite.
 

Seit dem Tag war’s das mit dem lieben, netten und braven Vorzeigekind.

Zumindest was meinen Vater betrifft.

Versuch gescheitert.

Auf ganzer Linie.
 

Ob das irgendetwas änderte?

Oder vielleicht sogar mich?
 

Konnte mich so etwas leicht beeinflussen?

Meinen Charakter?

Den stetigen, den unveränderlichen, der so von meiner Mutter geschätzt wurde?
 

Aeleus; Radiant Garden

„Womit hat er Recht?“

„Unser Meister war einfach nur feige. Damit hat er Recht, Braig.“

Xehanorts Worte haben einen eigenartigen Klang, fast schon geradezu besonders.

Ich kann mich nicht daran erinnern, jemals ein solches Funkeln in seinen Augen gesehen zu haben.

Es ist nicht angsteinflößend. Dafür kenne ich ihn zu gut.

Glaube ich zumindest.

Um manche Rätsel lösen zu können, muss man manchmal von Vermutungen ausgehen, um einen möglichen Lösungsweg zu finden.

Vielleicht erweisen sie sich als falsch, aber das macht nichts.

Dann beginnt man einfach noch mal von vorne und stellt neue Vermutungen auf.

Und bisher hat Xehanort meine Theorien noch nicht widerlegt.

Nein, sogar immer wieder aufs Neue bestätigt.

Immer und immer wieder.

Er ist nicht einfach zu verstehen, aber doch berechenbar.

Mein Lieblingsrätsel.
 

Und vor wenigen Augenblicken gab es mir ein neues Rätsel.

Ich selbst habe es nie versucht, die verschlüsselten Texte des Meisters zu übersetzen.

Habe mir nur Ablenkungsmanöver einfallen lassen.

Wir Schüler sind wie Brüder füreinander.

Auch wenn ich selbst nie wagte, war es doch das mindeste, was ich tun konnte, indem ich dafür sorgte, dass sie unentdeckt blieben und sie keinen Ärger bekamen.

Und jetzt, ohne irgendein Ablenkungsmanöver oder sonst irgendeine Planung schlich sich Even in das Labor des Meisters, holte die verschlüsselten Lehren und übersetzte sie problemlos und brachte sie ebenso ungesehen wieder zurück.
 

Die Tür öffnet sich und Even macht sich nicht einmal im Ansatz die Mühe, leise zu sein.

Er lässt sie laut hinter sich ins Schloss fallen und setzt sich breit grinsend auf sein Bett, ja geradezu strahlend pfeift er leise vor sich hin.

Keiner sagt etwas.
 

„Woher kommt deine gute Laune, Even?“

Dilan bricht das Schweigen, aber er sieht ihn nicht an; ich glaube nicht mal, dass er überhaupt irgendetwas ansieht. Sein Blick ist starr.

„Und seit wann kannst du pfeifen?“, kommentiert Braig Evens Verhalten mit einem sarkastischen Unterton in der Stimme, seine Augen wirken jedoch ehrlich neugierig. Gespannt auf die Antwort auf Dilans Frage.

„Ist das nicht offensichtlich?“, fragt er erstaunt in die Runde, sein Grinsen nicht verblassend.

„Der Meister war viel zu feige“, bei diesem Wort konnte der Spott in seiner Stimme kaum größer sein, „um seine Forschungen zu beenden. Außerdem wird er alt …“

Seine Begeisterung verfliegt nicht – in seinen Augen ist sie immer noch deutlich zu erkennen.

Aber seine Stimme bricht ab, verliert sich wieder in seinen Gedanken, spricht sie nicht zu Ende.

Es passiert ihm öfters. Er merkt gar nicht, dass er aufhört zu reden.

„Er wird alt und?“

Xehanort greift seinen Satz wieder auf, nachdem Even minutenlang einfach nur in die Gegend sah und nichts sagte. Seine Finger spielen mit der Decke unter ihm.

Beinahe wie von der Tarantel gestochen erwidert er Xehanorts Blick, sein Grinsen bleibt und ist jetzt voller Hohn.

„Er wird alt und wird nicht das Geringste merken, wenn wir unsere eigene Forschung beginnen.“

„Und wenn er doch etwas merkt, wird es bereits zu spät sein oder wie?“

Der Sarkasmus in Braigs Stimme hat nicht nachgelassen. Ist eher noch eine Spur schärfer geworden.

Ich lache über seinen Kommentar und Even schließt sich an.

„Stimmt genau. Wenn er es merkt, fragen wir einfach, ob wir sie fortsetzen dürfen. Wenn er unsere Ergebnisse sieht, wird er gar nicht anders können als seiner geweckten Neugier nachzugeben.“

„Weißt du das genau, oder vertraust du einfach nur darauf?“, fragt Braig zweifelnd.

„Ich weiß, dass es eine der beiden Möglichkeiten ist, die eintreten können“, antwortet Xehanort an Evens Stelle, der zwar bereits den Mund aufgemacht hatte, um zu antworten, aber er beschwert sich nicht.

Irgendetwas an dem jüngeren ‚Bruder’ scheint ihn plötzlich zurückzuhalten, geradezu zu beherrschen.

Was, vermag ich nicht zu erkennen – für mich ist Xehanort seit je her ein Rätsel. Vollständig unergründlich und doch hege ich nicht den beinahe zweifelhaften Wunsch, es doch zu lösen.

„Und was soll die andere Möglichkeit sein, Xehanort?“

„Ganz einfach.“

Even ist schneller als der eigentlich Angesprochene, doch der macht sich ebenso wenig etwas daraus, unterbrochen worden zu sein wie vorhin Even, in dessen Augen immer noch der Spott für seinen Meister und Lehrer zu erkennen ist, an den er heute Morgen noch nicht einmal im Traum gedacht hätte.

Er öffnet wieder seinen Mund, will antworten, doch Braig hebt eine Hand und lässt seinen Mitschüler und Bruder verstummen.

„Was ist?“

„Der Meister kommt.“

Fast schon wie nebenbei verschwindet der Zettel mit den übersetzten Notizen aus meinem Sichtfeld und ich kann nicht einmal mehr sagen, aus welcher Richtung die Bewegung kam.

„Ist es nicht noch ein bisschen früh für seinen letzten Kontrollgang?“

„Darum geht es auch sicherlich nicht.“

Braig klingt nachdenklich, fast schon so, als wüsste er von irgendetwas.
 

Ich lache in mich hinein. Wäre nicht verwunderlich.

Er weiß so oder so viel mehr als alle anderen, wenn es um Sachen geht, die uns nichts angehen.

Ein gutes Gehör und die Fähigkeit, beim Lauschen immer unentdeckt zu bleiben, erlauben, die einen oder anderen Hintergrundinformationen zu erhaschen.
 

Und während ich ihn still bewundere, blicke ich zur Tür und warte darauf, dass der Meister sie öffnet.



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