Zum Inhalt der Seite

Verrottet und hässlich

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Fast alle

Braig; Radiant Garden

Das Kind, das der Meister mitbrachte, wirkt verwahrlost, ausgehungert und – auch, wenn es hart klingt – erbärmlich. Die mageren Arme schaffen es kaum, den schweren Mantel des Meisters selbst von den eigenen Schultern zu nehmen und ich wundere mich, wie es so lange da draußen überleben konnte.

Es sei denn natürlich, es wäre er vor kurzer Zeit zu einem obdachlosen Kind geworden, dann würde es nicht weiter verwunderlich sein.

Der Junge sieht mich, ständig kurze Blicke, die von mir unentdeckt bleiben sollen, aber er schweigt, spricht kein einziges Wort mit mir, aber es stört mich auch nicht. Im Gegensatz zu ihm hat mich der Meister nicht aufgenommen – meine Eltern schickten mich zu ihm, damit ich bei ihm lernte und nicht in der öffentlichen Schule. Sie hatten wohl schlummerndes Potenzial in mir entdeckt und wollten es von ihm wecken lassen. Ich lernte zwar, bisher allerdings schien von diesem Potenzial nichts durchzuschimmern.

Zumindest was den normalen Unterricht betraf.

Was die Forschungen des Meisters anbelangt … das ist ein komplett anderes Thema.

Auf jeden Fall … seit jenem Tag lebe ich bei dem Meister und kurze Zeit, nachdem er mich aufnahm, kam ein zweiter Schüler dazu – Dilan. Wir sind gute Freunde.

Aber er ist im Moment nicht da, draußen.

Immerhin sind wir auch noch Kinder.

Meister Ansem hatte diesen Jungen vorhin Xehanort genannt – ist dies sein Name? Oder spricht er nicht und der Meister hatte sich den Namen ausgedacht? Ich weiß es nicht, und als der Meister wieder zurückkommt, in seinen Händen ein Tablett mit zwei Tellern, gefüllt mit Suppe, frage ich ihn.

„Warum fragst du ihn das nicht selbst?“, antwortet er mit milder Stimme und stellt einen Teller vor ihn und den zweiten vor mich, gibt uns Löffel dazu und wünscht uns einen guten Appetit, während er sich selbst auf einen anderen Stuhl am Tisch setzt.

„Er sieht nicht sehr gesprächig aus“, sage ich knapp und fange an zu essen.

„Ich habe ihn am Ende der Straße entdeckt. Du hättest dich von dem Schock sicherlich auch noch nicht erholt.“

„Am Ende der Straße? Wow, Junge – da traut sich niemand hin!“

Voller Begeisterung wende ich mich mitten in meiner Aussage von meinem Meister ab und dem Neuling zu, der seinen Blick jedoch beschämt gesenkt hält. So wie es aussieht, scheint er nicht freiwillig dort gewesen zu sein, aber es interessiert mich auch nicht. Wer am Ende der Straße war und von dort lebendig wieder zurückkam, der musste was auf dem Kasten haben, egal, ob er nun spricht oder nicht oder immer noch schrecklich schockiert war.

Sicherlich. Der Meister hat Recht. Wenn ich dort gewesen wäre, würde ich mich garantiert tagelang nicht mehr aus meinem warmen, weichen, kuscheligen Bett trauen, in dem die einzige Gefahr darin bestand, von meinen Kissen erschlagen zu werden. Aber trotzdem …

„Berechtigt …“

Es ist nur ein kleines Wort, das er murmelt, sehr leise. Hätte er seinen Löffel nicht gerade in der Suppe gehabt, hätte ich gedacht, er hätte nichts gesagt, nur den Mund aufgemacht, um weiter zu essen, aber so sehe ich sofort, dass er sprach.

Mit einem triumphierenden Lächeln sehe ich zu meinem Meister und er erwidert es.
 

Even; Radiant Garden, Jahre später

Damals, als Xehanort zu ihm kam, erstrahlte der Meister geradezu zu neuem Leben und ungeahnten Kräften. Seine Augen leuchteten wieder diese unglaubliche Autorität aus, die der einzige Grund war, warum ich mich ausgerechnet diesem Lehrer anschloss.

Die anderen, die schon länger hier sind als ich, erzählten mir davon.

Ich traf sie vor zwei, drei Jahren rein zufällig auf der Straße; sie suchten nach etwas, sagten mir aber nicht was, als ich sie fragte. Ich sah sie immer öfter und immer mehr wurde ich das Gefühl nicht los, dass ich ihnen bei ihrer Suche helfen konnte. Also ging ich mit ihnen, nicht wissend, wonach sie suchten. War einfach nur bei ihnen und unterhielt mich mit ihnen über Ansem, den Weisen.

Ihrem Meister und Lehrer.

Sie erzählten mir eine Menge interessante Sachen, die er lehrte, in der gewöhnlichen Schule aber komplett ausgelassen wurden. Und jetzt, da ich sie von ihnen erfuhr, fragte ich mich, wie man ohne sie überhaupt auskommen konnte.

Damals war ich zarte 15 Jahre jung und damit immer noch mindestens zwei Jahre jünger als die anderen beiden. Braig wirkte für mich weit über die 20, aber irgendwie konnte ich das nicht glauben.

Aber ihm und Dilan habe ich es zu verdanken, dass sie mich Ansem, dem Weisen, nun unseren Meister, vorstellten und er mich bei sich aufnahm um mich zu lehren und zu unterrichten.

Ich war ein gelehriger Schüler, bin es immer noch.

Und solche um mich zu haben, mit denen ich darüber reden kann, mir Fragen stellen kann, und sie mein wissenschaftliches Interesse verstehen, ist ein reinster Hochgenuss.

Dennoch … zu Anfang war ich ein wenig schockiert, weil sie alle so eigenartig sind …

Braig – der, der heimlich, still und leise kleine Wurfgeschosse baute und das, obwohl er bereits so alt aussieht.

Dilan schien meiner Meinung nach irgendwelche kleine Pillen zu schlucken, die ihm mehr Energie gaben, als je ein Mensch verkraften könnte.

Aeleus war der seltsamste von allen. Er sprach kaum, nur sehr selten und wenn man mal seine Stimme hörte, sollte man sich das Datum in den Kalender eintragen und deutlich markieren. Aber ihn kannte ich bereits von vorher und wir waren gute Freunde gewesen, weswegen mich seine Art nicht wirklich verwunderte. Es war eine sehr seltsame Freundschaft, die jetzt wieder auflebte.

Und Xehanort … das, was ihn so besonders wirken ließ, war wohl, dass er so normal schien. Braig hatte mir erzählt, dass er am Ende der Straße gewesen sei und diesen Ausflug überlebt hatte, dafür aber keine seiner Erinnerung behalten habe. Seine Erinnerung beginnt an dem Tag, als der Meister ihn rettete. Vor was auch immer.

Niemand weiß das.

Außer der Meister.

Und vielleicht auch Xehanort.

Wer weiß.

Aber ich frage mich, wie es überhaupt dazu kam, dass der Meister ihn retten musste.

Was Xehanort dort zu suchen hatte, bleibt auf ewig ungeklärt, aber der Meister ist bei bestem Verstand. Es gibt nichts, was ihn irgendwie verwirrt hätte.

Das sagten die anderen.

Und man sieht es außerdem sehr deutlich.

Also warum war er dort?

Warum war er dort, um ihn dann retten zu können, wenn auch eher zufällig?

Hat der Meister auch nach gesucht, nach was auch immer?

„Hey … Dilan … was habt ihr damals gesucht?“

„Du meinst, als wir uns kennen gelernt haben?“

„Ja.“

„Keine Ahnung … wir wollten herausfinden, warum unser Meister ausgerechnet an dem Tag, an dem er Xe-kun rettete, am Ende der Straße war.“

Schon lustig.

Jeden Namen spricht er vollkommen aus.

Er hasst es, wenn andere Leute sich irgendwelche Spitznamen geben oder geben lassen.

Er kann nicht einmal die Suffixe ausstehen, die fast jeder benutzt außer ihm.

Doch Xehanorts Namen, den verkürzt er immer und verstößt dabei gleich gegen zwei seiner Prinzipien. Der Name ist ihm wohl zu lang, zu unaussprechlich. Wer weiß.

Wie gesagt. Auf eine seltsame Weise lustig.

„Was habt ihr gefunden?“

„Nichts – was hast du denn erwartet? Wir hatten keinerlei Anhaltspunkte und die einzigen Informationen, die wir hatten, waren ein wenig … unzuverlässig …“

„Hat Braig gelauscht, während der Meister seine Selbstgespräche führte?“

„Mh.“

„Na, dann wundert es mich nicht wirklich.“

„Wieso fragst du?“

„Weil ich es wissen will, darum.“

Wir beide sind gerade in dem Schlafzimmer, dass wir vier Jungs uns allesamt miteinander teilen. Wir haben keine Probleme damit. Verstehen uns bestens. Reden über alles.

Nur Dilan und ich sind hier. Xehanort und Aeleus sind beim Meister, Braig lauscht entweder ihnen oder uns.

„Weißt du, wo der Meister seine Notizen aufbewahrt?“

„Forschungslabor drei, vierter Schrank auf der rechten Seite, linke Seite, erste Schublade von unten.“

In Gedanken folge ich dem Weg, den er mir beschrieb … aber das … meine ich nicht …

„Ich meine nicht die Notizen der allgemeinen Lehren, sondern die seiner besonderen. Die der Lehren, die ihm zu diesem außerordentlichen Lehrer machen.“

„Was meinst du?“

Braig kommt rein, auf seinem Gesicht ein verstehendes Lächeln, auf Dilans hingegen jedoch nur ein verwirrter Ausdruck. Erwartungsvoll sehe ich zu ihm.

„Selbes Labor, zweiter Schrank auf der linken Seite. Da dürftest du das finden, was du wissen willst.“

„Wenn du weißt, wo es ist, dann müsstest ihr doch wissen, was ihr damals gesucht hab.“

„Ja … sollten wir … vielleicht … aber bisher … nun, wie soll ich sagen? Meister Ansem hat sie ein wenig … verschlüsselt …“

„Heißt was?“

„Zu viel Mathe.“

Was?“

Er zuckt nur mit den Schultern, setzt sich auf sein Bett und greift zu einem Buch, liest.

Ein Blick auf den Rücken desselben und ich weiß, dass ich es bereits gelesen habe.

Der Gärtner ist der Gesuchte, derjenige, den niemand verdächtigt. Ich sage es ihm nicht.

„Bis später.“

„Der Meister wird in einer Dreiviertelstunde mit den anderen beiden fertig sein, also beeil dich am besten.“

Dürfte nicht allzu schwer sein. Ich nicke Dilan zu und renne los.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (3)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Rainblue
2011-09-07T13:20:24+00:00 07.09.2011 15:20
Ahhh, Braaiig!!!>-< *Freu*
Wow, du triffst ihn echt gut!O.O Ich kann das sarkastische Knurren richtig raushören.^-^ (Und das schon im Kindesalter)
"...in dem die einzige Gefahr darin bestand, von meinen Kissen erschlagen zu werden." Willst du mich umbringen? Ich laufe gerade Gefahr, in meinen eigenen Lachtränen zu ertrinken.XD
Und dann Even - das wird ja immer besser!*-*
(Sorry, wenn meine Sätze hier so seltsam gestapelt klingen - das ist das erste Mal, dass ich ein Review schreibe, während ich lese.^-^' )
Wie weit über 20? Kann ich mir vorstellen, aber er ist trotzdem heiß.<3
Aealus und das Datum, an dem er was sagt, in den Kalender eintragen!! *Vor Lachen umkipp* XD
Dass er ihn Xe-Kun nennt ist tatsächlich "seltsam lustig". ^-^ Gibt es dafür denn einen bestimmten Grund? Ich weiß, ich bin zu neugierig. Q-Q
Ich finde es... fasziniernd, wie du seine Sichtweise erläuterst. Das ist teilweise so kompliziert, dass ich's nochmal lesen muss, um durchzublicken, aber im Prinzip simpel, nur eigen. Interessant und fasziniernd wie gesagt, das passt zu Even.
Um mal auf den Punkt zu kommen: Da hast du wieder ganze Arbeit geleistet! ^-^
*Großes Lob so platzier, dass du es findest, ohne drüber zu stolpern*

Und es geht weeeeiiiiteeeerrrr!!!XD
(ich wollte eigentlich aufräumen, aber jetzt MUSS ich das hier weiterlesen!!!>-< Bin süchtig.^-^)
Von: abgemeldet
2009-10-27T18:27:24+00:00 27.10.2009 19:27
Ansem ist mir sehr sympathisch xD nett von ihm, dass er die fünf bei sich aufgenommen hat :3
Besonders toll fand ich, wie du die EIgenarten von allen bechrieben hast~
Bin gepannt, was noch so alles passiert ^-^

Ich werd die FF auf jeden Fall wieter verfolgen ;D

Liebe Grüßee~


Von:  Kendrix
2009-10-18T23:23:25+00:00 19.10.2009 01:23
Wirklich interessant... Ich hab auch mal so etwas in der Art versucht, aber deine FF is noch viel besser^^ Ich mag deinen Erzählstil... Ziemlich düster und doch irgendwie total cool.


Zurück