Days before you came
Endlich Ferien. Severus seufzte erleichtert auf, als die letzten Schüler seinen Klassenraum verließen. Zwei wundervolle Wochen lang hatte er jetzt sein Ruhe, brauchte sich nicht von diesen unfähigen Idioten auf der Nase rumtanzen lassen. Severus erhob sich von seinem Stuhl, sein Rücken schmerzte, er war völlig verspannt. Nur gut, dass er diesmal sogar richtigen Urlaub machte.
Normalerweise pflegte Severus sich während der Ferien in Hogwarts aufzuhalten um Studien zu betreiben und in Ruhe durch die Gänge zu wandern. Manchmal fuhr er auch nach Hause nach Spinner's End, doch in seinem kleines Häuschen fühlte er sich nie lange wohl und kehrte doch immer vorzeitig nach Hogwarts zurück.
Diesmal aber würde er richtigen Urlaub machen. Und tatsächlich kam ihn ihm ein Gefühl auf, dass jemand anderes als Severus wohl als Freude bezeichnet hätte. Vor einiger Zeit hatte Snape sein Erspartes in eine kleine hübsche Kate in der Nähe von Canterbury investiert und beabsichtigte, seine freien zwei Wochen dort in völliger Ruhe und Einsamkeit zu verbringen. Er würde sein Tagesprophetenabo für diese Zeit abbestellen und den Kamin versiegeln. Tee trinken, Kräuter züchten, aufs Meer sehen, den ganzen Tag lang. Er konnte sich nichts Schöneres vorstellen.
In seinen Gemächern packte Severus seine Sachen zusammen. Sein Blick fiel auf die heutige Ausgabe des Tagespropheten, die immer noch unangetastet auf seinem Schreibtisch lag.
„Quidditchnationalmannschaft im Trainingslager – Vorbereitungen auf die WM“ prangte dort in großen Lettern, darunter Potter, dämlich grinsend, neben seinen Teamkameraden. Severus fühlte sich an Dumbledores Geburtstagsparty vor zwei Monaten erinnert, als er Potter begegnet war.
Aufdringlich gut gelaunter Junge. Warum hatte er sich plötzlich so freundlich verhalten, wo er ihn doch früher offenbar gehasst hatte?
Severus beschloss, nicht weiter darüber nachzudenken. Er schloss seine Reisetasche, zauberte sie klein und warf dann eine Handvoll Flohpulver in den Kamin. Dann stieg er hinein und verschwand.
In seinem Ferienhaus angekommen, klopfte Severus sich den Ruß von der Robe und sprach einen Reiningszauber. Er hatte für die Ferien sogar auf Hauselfen verzichtet. Er wollte einfach nur seine Ruhe und sich dabei von nichts stören lassen. In ruhe packte er seine Reisetasche aus und verstaute alles im Schrank, bevor er sich einen Tee kochte. Mit ebenjenem bewaffnet macht er sich dann auf den Weg in den Garten des Hauses, das direkt an einer Klippe lag. Genüsslich ließ Severus sich auf die Bank fallen und nahm einen Schluck dampfenden Tee. Für April war es recht mild, wenn auch nicht warm, und die Sonne schien lau auf den Meerespiegel.
So konnte man es sich gut gehen lassen. Nur der Wind, der in den Bäumen rauscht und das Geräusch der Brandung zwanzig Meter unterhalb der Klippe. Ein paar Vögel zwitscherten. Sonst keine Geräusche, kein Lärm. Keine explodierenden Kessel, keine schreienden Schüler, das Trappeln der vielen Füße morgens in der großen Halle...
Severus atmete tief ein und wieder aus. Das würden die besten Ferien seit Jahren werden.
Er stellte die mittlerweile leere Teetasse auf der Armlehne ab und verschränkte die Arme vor der Brust, sog den Anblick der untergehenden Sonne in sich auf.
Am nächsten Tag ging Severus zu Fuß in das nahegelegene Dorf um ein wenig einzukaufen. Er hatte sich für die Ferien vorgenommen, alles auf Muggelart zu machen, was nicht allzu kompliziert war und Severus Snape war sicherlich nicht davon überfordert, einkaufen zu gehen und zu kochen.
Im kleinen Gemischtwarenladen des Orts kaufte er Brot und Aufschnitt, als er in einer Ecke eine Angelabteilung entdeckte. Neugierig besah er sich die verschiedenen Ruten und Köder, und beschloß, angeln zu seinem neuen Ferienhobby zu erklären. Als er sich gerade mit Angel und Ködern zur Kasse wollte, wurde ihm plötzlich der Weg versperrt.
„Potter! Was bei Merlin...?“
„Psscht, nicht so laut!“ zischte sein Gegenüber. „Ich will heute ausnahmsweise mal keine Massenhysterie auslösen!“ panisch sah Potter sich um, entdeckte zwei tuschelnde kleine Mädchen in der nächsten Reihe und zog Severus ein Stück mit sich.
Völlig überrumpelt ließ der es geschehen, bis er seine Sprache wieder fand.
„Was machen Sie hier ,Potter? Knurrte Severus, viel unfreundlicher, als es nötig gewesen wäre.
„Trainingslager.“lächelte der zurück. „Lesen Sie nicht den Tagespropheten? Das war doch ein Riesenartikel heute darüber.“
Endlich besaß Severus die Geistesgegenwärtigkeit, seinen Arm aus Potters Griff zu befreien.
„Nein, ich lese keine Ausgaben, wenn Sie auf dem Titel sind. Das verdirbt mir die Laune.“ zischte er.
„Ach, Ihnen kann man die Laune verderben? Das ist mir neu, dass Sie überhaupt mal gut gelaunt sind.“ Potters Glucksen zu entnehmen, war er höchst amüsiert über Severus bissige Kommentare.
Am liebsten hätte er ihn verflucht. „Angeln Sie, Professor?“ fragte Potter scheinheilig.
„Nein, eigentlich wollte ich damit Tontauben schießen. Potter, Sie Idiot, was sollte ich wohl sonst mit einer Angel, bei Salazar?“ Wieder dieses amüsierte Glucksen von Potter. „Sagen Sie, Professor, schadet es nicht Ihrem Blutdruck, sich immer so aufzuregen? Sie sind ja nun auch nicht mehr der Jüngste.“
Das war's mit Severus Geduld. Grob packte er Potter an der Schulter. „Es reicht Potter!“ blaffte er und ging zur Kasse. Er bezahlte seine Lebensmittel und die Angel und stapfte wütend davon.
Was dachte dieser aufdringliche Kerl sich eigentlich? Hatte er jeglichen Respekt vor seinem ehemaligen Lehrer verloren? Severus hasste es, sich hilflos zu fühlen, aber Potter war so unberechenbar, dass er überhaupt nicht so bissig hatte reagieren können, wie er es gewollt hatte. Ihm war nur noch de Flucht geblieben. Wie schaffte Potter es bloß, dass er sich ihm unterlegen fühlte?
Sie hatten sich fünf Jahre nicht gesehen und dann tauchte er zuerst auf Albus' Party auf um ihn zuzuquatschen und jetzt stand er plötzlich mitten in diesem kleinen Kaff vor ihm. Und benahm sich noch viel dreister als auf der Party vor zwei Monaten. Offenbar kompensierte Potter gerade, dass Severus ihm nun keine Punkte mehr abziehen und ihn zum Nachsitzen verdonnern konnte. Auch Severus erkannte, dass er jetzt keinerlei Handhabe mehr gegen Potter hatte. Bisher hatte er nicht darüber nachdenken müssen, immerhin war er nicht mit Potter konfrontiert gewesen, aber jetzt, wo der es sich offenbar zur Aufgabe gemacht hatte, ihn zu verfolgen, würde er sich eine Strategie überlegen müssen.
Severus schüttelte den Kopf. Er wurde offenbar verrückt auf seine alten Tage. Potter verfolgte ihn nicht, er war nur im Trainingslager, das REIN ZUFÄLLIG in der Nähe des Ortes war. Dafür konnte weder er noch Severus etwas. Zuhause angekommen, verstaute Severus seine Einkäufe. Morgen würde er hinunter an den Strand gehen und ein wenig angeln, dabei vielleicht ein Buch lesen und sich entspannen. Immerhin war das sein erster richtiger Urlaubstag und den würde er sich durch diese Begegnung mit Potter nicht vermiesen lassen.