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Cold Case

Anthologie
von

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Cold Case - Herbst. Übergabe

Hi There!

Hallo, farina. Ich beeile mich auch!^^
 

Obwohl es erst wieder Anfang des neuen Monats ist, ist hier ein neues Kapitel meiner Anthologie! Ich hab letzten Freitag die neue Folge von CC im Fernsehen gesehen - die letzte Folge der fünften Staffel. Diese Woche gehts mit der Sechsten los... Ich muss sagen, ich bin ziemlich sauer. Seit wann nennt Scotty Lil "Rush"? Was hat der Mistkerl Saccardo schon wieder da? Warum lässt er Lil nicht in Ruhe? Und warum ist sie so aggressiv? Was hab ich verpasst? Ich will nicht sagen, dass die Qualität von CC-Folgen abgenommen hat, davon hab ich zu wenige gesehen und ich liebe diese Serie - aber was war da los? Ich hab dummerweise nur die Hälfte der Fünften Staffel gesehen. Warum gibt es die Serie nicht auf DVD? (Okay, rhetorische Frage, ich weiß warum, aber das ändert nichts an der Tatsache!!!)

Zu viele rhetorische Fragen in einer Einleitung... Ich hör auf. Und wünsche viel Spaß beim Lesen, BouhGorgonzola, wenn du wieder mal reinschaust!^^ Ich würd mich freuen. *lach*
 

Liebe Grüße, isa/june
 

Cold Case – Herbst. Übergabe
 

Das Fernglas war zielsicher auf das Fenster im zweiten Stockwerk des Hotels gerichtet. Es war eines der besseren Hotels der Stadt, das konnte man bereits an der Art sehen, wie der beflissene Türsteher einer gut gekleideten Dame und ihrer Begleitung die Tür öffnete und sich lächelnd kurz in der Körpermitte faltete. Vier Sterne blinkten über dem verglasten Vordach, vor dem eine Limousine hielt. Der Mann, der das Fernglas hielt, hätte sie ebenso deutlich sehen können wie die dunkelhäutige Frau, die aus dem langen, schwarzen Wagen glitt und die zwei Stufen hinauf schwebte. Aber er wusste, was auf dem Schild neben den Sternen stand, und die Frau in der Limousine interessierte ihn nicht. Er hatte sich gut vorbereitet. Er kannte die Umgebung, in der er operierte. Er hatte alle ankommenden Gäste des Hotels für den Tag bereits gekannt, bevor sie selbst gewusst hatten, dass sie kommen würden. Er wusste, welche Zimmer ein Fenster zur Straße und welche ein Fenster zur Bay hinunter hatten, wo die Nebenausgänge waren und wie lange ein schneller Mensch für den Weg vom Dach bis in den Keller brauchen würde. Der Beobachter war ein Profi auf seinem Gebiet, und nicht nur seine Kollegen erkannten ihm dies an. Aber nun spielte es keine Rolle. Er war gut – und er brachte Aufträge immer zu Ende.

Das Hotelzimmer vor seinen musternden Augen hielt von Innen, was es von Außen versprach: rote Samtvorhänge, ein heller, weißer Teppichboden und elegante, jedoch nicht überstrapazierte Möbel aus Kirschholz. Niemand war in dem Raum zu sehen. Der Mann sah auf die Uhr. Es würde nicht mehr lange dauern – da. Langsam öffnete sich die Tür und eine Person wurde sichtbar.
 

Weder der Mann, der nun den Raum betrat, eine Schusswaffe in beiden Händen, schien sich besonders wohl zu fühlen, noch die Frau, die ihm auf dem Fuß folgte und die einen schwarzen Aktenkoffer bei sich trug. Obgleich beide ihre Nervosität gut verbargen, war der Beobachter in der Lage, die Anzeichen der Anspannung zu sehen: der prüfende Blick, mit dem Scott Valens seine gesamte Umgebung sondierte. Oder die scheinbar beiläufige Geste, mit der Lilly Rushs Hand hinunter auf ihre Hüfte fiel, bis sie sich daran erinnerte, dass diese Geste ebenso verräterisch wie auch nutzlos war. Das vertraute Gewicht des Halfters fehlte. Ein Grinsen flog beinahe über das Gesicht des Mannes, als er feststellte, dass die Frau nicht aus einem besonderen Grund auf ihre Dienstwaffe verzichtet hatte, sondern lediglich aufgrund der Tatsache, dass man in ihrem Aufzug jede Unebenheit unter ihrer Kleidung würde sofort erkennen können. Aber das hautenge Kleid aus dem hauchdünnen, violetten Stoff betonte ihr Figur sehr vorteilhaft... Zu Vorteilhaft, für seinen Geschmack. Aber das Kleid stand ihr gut.

„Was jetzt?“, fragte sie und drehte sich zu Valens um, nachdem Beide den Raum systematisch durchsucht hatten. Das Mikrophon übertrug die Stimmen deutlich und klar.

„Wir warten“, sagte Valens und zuckte mit den Schultern. Im Gegensatz zu der Frau, die sich in ihrem Kleid unwohl zu fühlen schien, schien er keinerlei Probleme mit dem dunklen Anzug zu haben, den er trug.

Anscheinend unbehaglich standen sich die Beiden gegenüber, bis die Frau begann, unruhig auf und ab zugehen.

„Er soll endlich anrufen“, sagte sie gepresst und ihre Lippen formten eine dünne Linie. Am Fenster hielt sie inne und sah hinaus. Der Beobachter fragte sich, ob sie ihn gesehen hatte, aber scheinbar blicklos starrten ihre Augen auf die Straße unter ihr hinunter.

„Was denkt sich dieser...“

„Lil“, sagte ihr Begleiter und schaffte es tatsächlich, seiner Stimme einen sanften Klang zu verleihen, der seine Partnerin scheinbar beruhigen sollte.

„Regen Sie sich nicht so auf. Am Besten ist Jenni nur geholfen, wenn wir tun, was er verlangt.“

Die Frau kniff die Augen zusammen.

„Aber wofür das ganze Theater? Der Treffpunkt, die Bedingungen... Was soll das Ganze?“

„So will er es – und so machen wie es. Keine Sorge. Der Boss hat alles unter Kontrolle.“

„Das will ich wirklich hoffen.“

Die Frau schloss die Augen und atmete tief durch, dann trat sie vom Fenster weg. Unwillkürlich atmete der Beobachter ruhiger.

Valens hatte in der Zwischenzeit die Aktentasche genommen, die die Frau auf das Bett gelegt hatte, und trug sie zu dem schweren Sekretär in der einen Ecke des Raumes. Seine Partnerin gesellte sich zu ihm. Was in der Tasche war, konnte der Beobachter nicht erkennen, weil zwei Rücken im den Weg versperrten.

„Dieses Arsch“, hörte er nur noch gepresst. Dann war es eine Weile still. Der Beobachter runzelte die Stirn und konzentrierte sich auf die zwei Personen im Zimmer. Die geraden Rücken strahlten eine für Polizisten untypische Spannung aus...

Da machte die Frau einen Satz zur Seite. Aus dem Wortlos-Nebeneinander-Auf-Einen-Koffer-Starren wurde ein stummes Anstarren zweier Personen. Ob es der Stress war, unter dem die beiden Detectives standen, die Anspannung, welche sich über Tage aufgebaut hatte? Egal was es war, der Mann im Fenster sah mit zusammengezogenen Augenbrauen zu, wie Scott Valens sich vorbeugte und seine Partnerin Lilly Rush küsste.
 

Das Kleid schnürte ihr die Luft ab.

Durch die Klimaanlage war es in dem Raum angenehm kühl, aber ihr war trotzdem warm. Ihr gesamter Körper war angespannt, fieberhaft den Augenblick erwartend, auf den ihre gesamte Abteilung seit Tagen hinarbeitete. Sie hatte seit Tagen nicht mehr geschlafen. Scotty musste es ähnlich gehen – er sah ungefähr so aus, wie sie sich fühlte.

Seit der Entführung von Jenni Gallagher, einem 12-jährigen Mädchen aus einem Vorort von Philadelphia, waren 3 Tage vergangen. Seitem waren sie über 4 weitere Leichen von brutal ermordeten Mädchen gestoßen, mit der alten Leiche von Miriam Weber, die vor 10 Jahren gestorben war und deren Fall nun erneut aufgerollt wurde, waren das fünf junge Mädchen. Fünf Mädchen, die im Alter von 12 Jahren gestorben waren, die nie die Gelegenheit haben würden, ein Leben zu führen, eine Zukunft zu besitzen.

Die Mordkommission Philadelphia hatte seitdem 2 Anrufe erhalten. Der Täter war gut. Er war ohne Zweifel ein Profi. Er verstellte seine Stimme, er rief aus Telefonzellen an und hielt die Gespräche so kurz, dass sie nicht dazu in der Lage waren, ihn zu orten. Er hatte sich auf keine Verzögerungstaktik eingelassen, keine Kompromisse gemacht und keinerlei Hinweise hinterlassen. Er hatte 500.000Dollar verlangt – nicht wirklich wenig, aber gerade so viel, wie Jennis Eltern würden abheben können, ohne verdächtig zu wirken. Und er hatte strikte Anweisungen erteilt, wie die Geldübergabe würde stattfinden müssen. Und deshalb waren sie heute hier.
 

Es war heiß in Philadelphia, viel zu heiß für den Herbst. Scotty strich sich zwei schwarze Strähnen aus dem Gesicht und blickte auf den Koffer hinab, der die Geldsumme für den Entführer enthielt. Warum der Mann sie hier treffen wollte, war ihnen schleierhaft. Es war sogar die dümmste Idee, die er haben konnte, fand Scotty. In dieses Hotel kam nun niemand mehr herein, der nicht von ihren Leuten gesehen wurde. Der Entführer hatte, ab dem Zeitpunkt, in dem er an ihre Tür klopfte, um das Geld in Empfang zu nehmen, keine Chance mehr auf Flucht.

Das Geld sollte von zwei Detectives der Mordkommission überbracht werden, die mit dem Fall vertraut waren. Sie sollten sich als Teilnehmer des jährlichen Ärztekongresses der Vereinten Nationen tarnen, eine Verkleidung, die Scotty weniger wegen der Menschen schwer fiel, die ihn umgaben, als mehr wegen der Zeit, die der Kongress in Anspruch nahm. Heute morgen waren sie „angereist“, unbekannt und unerkannt, und das würde hoffentlich noch so bleiben. Aber sie hatten am Brunch teilnehmen müssen, der um 12 stattfand, und hatten dort beinahe 2 Stunden verbracht. Dann war eine Sitzung gewesen, die sie nicht hatten verpassen dürfen – und nun das Abendbrot und der Ball. Den Tag hatten sie damit verbracht, zu lächeln, zu nicken, höflich Konversation zu betreiben und so zu tun, als seien sie Dr. Spencer aus Idaho und seine Frau Melanie – und diese Maske zu tragen war nervenzerreissend. Nicht nur Scottys Nerven waren dünner als Nylonfäden und zum Zerreißen gespannt.

Deshalb war der Kuss – so nahmen sie es in dem kleinen Teil ihres Verstandes, der noch funktionsfähig war, an – nur die logische Fortsetzung eines nervenaufreibenden Tages und eines viel zu langen Abends.

Sie hatten nur so viel Wein zu sich genommen, dass es noch als höflich gelten konnte, hatten sich mit Ärzten und Ärztinnen, Ehemännern und Ehefrauen unterhalten und pflichtschuldig gelacht, wenn ein Witz fiel. Hatten gegessen und den Koch gelobt und waren schliesslich auf die Tanzfläche geglitten, um nicht als einzige Zuschauer aufzufallen.

Unvermeidlich.

Sie hatten keine andere Wahl gehabt.

Scotty hatte das Gefühl, als ob ein Teil seines Verstandes nicht mehr zu ihm selbst zu gehören schien. Er konnte immer noch klar denken und rational handeln, aber das spielte keine Rolle mehr. Weil hier, trotz aller Anspannung, trotz dem Druck auf ihnen und trotz der Sorge um Jenni Gallagher nichts mehr zählte als Lil. Lil in seinen Armen, Lil, die mit geschlossenen Augen mit ihm tanzte, in ihrem violetten Seidenkleid und den halboffenen Haaren. Lil an seiner Seite, die leise lachte, während eine Frau einen Kommentar machte, und deren Lachen ihn bis in den innersten Kern seiner Seele wärmte. Lil, deren wachsame Augen niemals stillzustehen schienen...

Als er sie küsste, erwartete er halb, dass sie zurückzucken würde, so wie sie zurückgeschreckt war, als er aus Versehen über dem Koffer ihre Hand berührt hatte. Aber zu seiner gelinden Überraschung wich sie ihm nicht aus. Im Gegenteil – mit einem Mal lehnte sie sich in den Kuss, ihre Arme schlangen sich um ihn und sie drückte ihren schlanken Körper an seinen. Seine Hände glitten über ihre Schultern nach oben und schlangen sich in ihr Haar, ihr wundervolles, seidenweiches Haar.

Der Kuss wurde tiefer.

Wage war sich Lil der Tatsache bewusst, dass sie beobachtet wurde, aber in dem Moment war es egal. Es war alles egal. Ihre Kontrolle war durch die drei Tage andauernder Hektik und Spannung zermürbt worden, ihr Gleichgewicht lag in Trümmern. Scotty war derjenige, der es zerstört hatte, der durch ihre Abwehr gebrochen war und sie schutzlos zurückgelassen hatte. Als er sich zurücksinken liess, folgte sie ihm und spürte seinen warmen Körper unter ihr, seine Hände in ihrem Haar, seine Lippen auf den Ihren...

Schwarze Augen sahen sie an, musterten sie durchdringend und wortlos und was sie in ihnen las, liess ihre natürlichen Reflexe sofort wieder zum Leben erwachen.

„Scotty!“

Blitzartig schob sie sich von ihm weg und war wieder auf den Füßen, während er noch damit kämpfte, eine halbwegs sitzende Position zu erreichen. Ungern gab er sie frei. Noch unfokussiert, glitten die grünblauen Augen durch den Raum und blieben schliesslich an ihm haften. Wortloser Austausch. Dann glitten ihre Augen zu der Badezimmertür. Absichtlich langsam setzte sie sich in Bewegung, um nicht den Verdacht zu erwecken, sie würde fliehen. Scotty musterte ihren Rücken und stellte fest, dass Lilly Rush selbst auf der Flucht wunderschön war.

Beide waren abgelenkt.

Es reichte.
 

Der Beobachter mit dem Fernglas sah die Waffe zuerst, die sich unbarmherzig auf den sitzenden Detective auf dem Bett richtete. Langsam lies er das Fernglas sinken. Dann griff er nach dem Funkgerät neben sich.
 

„Ich dachte, Sie rufen an“, sagte Scotty ruhig und warf einen Blick auf die Tür im Rücken des Mannes, hinter der Lil gerade verschwunden war. Der dunkle Lauf der Waffe zitterte nicht das Geringste Bisschen.

Die Gestalt vor ihm trug eine Strumpfmaske. Unter dem Stoff klang die Stimme verzerrt. Sie würden wieder keine Stimmanalyse machen können.

„Ich gehe selten nach Plan vor“, raspelte die Stimme.

„Deshalb bin ich noch hier.“

Wütend dachte Scotty daran, dass er sich hatte ablenken lassen und das seine Waffe auf dem Sekretär lag – außerhalb seiner Reichweite. Seine nächsten Gedanken galten Lil. Wenn sie von hinten kam, würde es ihnen gelingen, den Entführer abzulenken... Trotzdem. Ganz entgegen seiner Professionalität hoffte – betete – Scotty, dass Lil im Bad bleiben würde, dass ihr nichts geschehen würde...

„Das Geld ist auf dem Tisch dort hinten“, sagte er und machte eine ruhige Kopfbewegung in die entsprechende Richtung. Der Mann würdigte dem Koffer keinen Blick.

„Um das Geld geht es nicht“, sagte der Mann mit einer Stimme, in der das Grinsen beinahe mitklang. „Es ist sowieso schon zu spät für sie.“

„Du hast sie getötet, du Mistkerl!“

Scottys Stimme wurde unversehens lauter. Der Mann log nicht. Jenni Gallagher war tot. Ihr Mörder, der Mörder von sechs Mädchen, lachte leise.

„Ja, sie ist tot. Aber nicht ich war es, der sie umgebracht hat.“

„Wer war es sonst?“, fragte Lils schneidende Stimme aus dem Durchgang zum Bad. Die Waffe, die sie auf den Rücken des Mörders richtete, zitterte ebenfalls kein bisschen.

Der Mörder blickte sich nicht zu ihr um, aber das Lächeln in seiner Stimme war erneut unüberhörbar.

„Wollen Sie das wirklich tun, Lil? Na los, drücken Sie ab – und ihr Partner ist tot. Das wäre doch schade, oder?“ Jetzt schlich sich auch noch Hohn in seinen Tonfalls.

„Wo er Ihnen doch so viel bedeutet!“

Lil zögerte. Nur eine Sekunde lang, nur Minimal – Scotty konnte es trotzdem sehen. Und die Vorwürfe stürzten auf ihn ein wie ein eiskalter Gebirgsbach.

„Wo ist Jenni?“, fragte Lil, um Zeit zu gewinnen. Im Bad musste sie gehört haben, dass das Kind tot war.

Der Mörder zuckte die Achseln.

„Ich sagte doch: sie ist tot.“

Lils Hände zitterten. Der Mann schien ihre Gefühle zu spüren, der Hass, der aus ihren grünen Augen sprühte.

„Sie nehmen das zu ernst, Lil. Sie setzen sich viel zu sehr ein. Betrachten Sie das Leben aus einiger Entfernung, und Sie werden sehen, es wird viel einfacher. Sie haben doch schon jemanden erschossen. Sie wissen, was es für ein Gefühl ist: man hält das Leben eines Menschen in der Hand. So, wie ich gerade das Leben ihres Partners in der Hand halte. Was werden Sie nun tun?“

Lil machte lautlos einen Schritt auf dem weichen Teppich.

„Halt!“

Ein beinahe militärischer Unterton drängte sich in die Stimme.

„Bleiben Sie sofort stehen, oder Ihr Partner stirbt.“

Lil blieb stehen wie angewurzelt und sah an dem Mann vorbei auf Scotty. In ihren Augen spiegelten sich Qual und Entschlossenheit gleichermaßen. Und dafür liebte er sie nur noch mehr.

„Sie wissen doch, dass wir jeden ihrer Schritte in diesem Hotel folgen werden“, sagte Scotty, um ihn abzulenken. „Sobald Sie das Zimmer verlassen, können Sie nicht mehr fliehen.“

Der Mann fletschte die Zähne unter seiner Maske.

„Ich weiß sogar, dass Sie ihren Boss auf der anderen Seite der Straße in dem Haus postiert haben, um einen Blick auf mich zu haben. Aber das wird Ihnen nichts nützen. Bis ihre Leute da sind, bin ich längst weg. Und dann...“

Er wollte durchs Fenster fliehen, erkannte Scotty. Und dann, nicht, wie alle annahmen, nach unten, sondern nach oben. Das erklärte den Helikopter, der seit einigen Tagen immer wieder über dem Hotel kreiste, so, als wolle er üben...

Nein. So einfach war es nicht, und Lil wusste das. Sie konnte nicht zulassen, dass Scotty erschossen wurde. Andererseits würde dieser Mörder nicht eher ruhen, bis dass er sie beide erledigt hatte. Sie kannte die Berichte. Der Entführer selbst zeigte sich nie, ein Gehilfe holte das Geld ab, tat die Drecksarbeit. Sie hatte die Fotos vom letzten Ort der Übergabe gesehen, die leeren, toten Augen der Cops, die dieser Mann auf dem Gewissen hatte. Und nun blühte Scotty das selbe Schicksal. Umso schlimmer, dass sie ihn mit hineingezogen hatte...
 

Der Mörder legte den Zeigefinger um den Abzug und hob die Hand noch ein wenig, um auf Scottys Stirn zu zielen. Auf seinem Gesicht prangte die Selbstzufriedenheit und die Freude am Töten.

Ein Schuss knallte durch den Raum.
 

Der maskierte Mörder riss die Augen auf und sah hinunter auf seine Brust, aus der das Blut in einem roten Sturzbach quoll. Diesem Fehler hatte er noch nie gemacht. Immer hatte er seine beiden Opfer – immer ein Mann und eine Frau – in dieser Lage vorgefunden: vor seiner Pistolenmündung. Warum hatte Lilly Rush sich heute entschieden, ins Bad zu gehen? Sein Blick wanderte zu dem vor ihm sitzenden Scott Valens und er zog mit letzter Kraft den Abzug.
 

Scottys Muskeln waren zum Zerreißen gespannt. Mit einem Satz katapultierte er sich vom Bett hinunter und zur Seite, spürte kaum, wie seine Schulter auf dem Boden aufkam und ein scharfer Schmerz hindurch fuhr. Er rollte sich ab und kam wieder auf die Beine. Der Mörder grinste.

„Das war unprofessionell.“

Dann brach er leblos zusammen.
 

John Stillman hatte seinen Beobachtungsposten in der leerstehenden Wohnung zu dem Zeitpunkt aufgegeben, in dem der Mann, der seine beiden Untergebenen bedrohte, keine Gefahr mehr war. Jetzt hastete er die Treppen hinunter und überquerte hastig die Straße, wo ihm Nick Vera, Will Jeffries und Kat Miller entgegenkamen.

„Sperren Sie alles ab!“

Seine Anweisung war nicht nötig. Schon war die Polizei am Werk.

„Warum?“, fragte Kat und furchte ihre Stirn.

„Er ist doch tot.“

„Aber es waren doch zwei“, gab John knapp zur Antwort.
 

Im Flur vor dem Hotelzimmer explodierte die Brandbombe.

Dann, in rascher Folge, ein Sprengsatz im Foyer, an den Treppenaufgängen und an den Aufzügen. Im Rauch und in den Flammen des sich schnell verbreitenden Feuers folgte Scotty auf allen Vieren dem Geräusch des Hustens, fand Lil und presste sie an sich, versuchte vergeblich, sie vor dem Feuer der Brandbombe zu schützen, die nun in ihrem Zimmer explodierte.
 

Einen Tag später
 

Lil hatte schwere Verbrennungen an beiden Armen, ein Muster, welches zu den merkwürdigen, nicht verbrannten Stellen an Scottys Rücken passte, der dort, wo ihre Arme ihn umschlungen hatten, nur wenig verletzt war. Ihr Pony war angesengt. Sie würde es kürzen müssen, aber Kat Miller fand, dass es ihr besonders gut stehen würde. Forschend betrachtete sie ihre Freundin, die in dem weißen Krankenhausbett so klein und verloren wirkte. Nicht die starke Lil, die sie kannte.
 

„Wie fühlst du dich?“

Lils Stimme war rauh und heiser von dem Rauch, den sie eingeatmet hatte.

„Wunderbar. Was sage ich nur ihren Eltern?“

Kat wusste keine Antwort. Jenni war tot. Der Entführer noch auf freiem Fuß, nur, weil es ihnen nicht gelungen war, seinen Gehilfen zu bekommen. Das Lösegeld war verschwunden. Kat konnte sich schon denken, was da geschehen war. Sie machte sich Vorwürfe – sie hätten Jenni retten müssen. Aber wenn sie sich bereits miserabel fühlte – dann wollte sie auf keinen Fall in Lils Haut stecken. Oder in Scottys.

„Oh Gott“, sagte Lil und starrte auf ihre bandagierten Hände hinunter. „Oh Gott.“

„Lil“, sagte Kat eindringlich und versuchte, die Aufmerksamkeit ihrer Freundin auf sich zu ziehen.

„Du hast getan, was du konntest. Du hast den Mann in Notwehr erschossen. Es ist nicht deine Schuld.“
 

Jenni war tot. Der einzige Informant ebenfalls.

So viele Dinge.

So viele Fehler, die sie begangen hatte. So viele Dinge, für die sie sich Vorwürfe machen konnte.

Und das Einzige, woran sie denken konnte, waren Scottys Lippen auf ihren.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  MichiruKaiou
2009-12-09T16:15:33+00:00 09.12.2009 17:15
Wow, war die Geschichte spannend *_*
Das war echt aufregend. Ich fand es vor allem total gut beschrieben, dass erst die Sicht des Beobachters und dann die von Lil und Scotty gezeigt wurde. Das war so was von gut. Und dann die Kussszene, das war der Hammer X3
Das hat auch irgendwie gut darein gepasst. Und dann war man plötzlich wieder im Fall^^
Also von der Story und den Beschreibungen her wieder echt klasse!

Dieses Mal sind nur ein paar Details nicht ganz klar.
Wie kam der Komplize auf einmal in das Zimmer? Wie konnte das Lösegeld verschwinden? (ist der Drahtzieher durch den Rauch gerannt und hat sich den Koffer geschnappt oder wie? X.x)
Naja, und bei den Explosionen hätte ich mir die Szene auch etwas ausgeschmückter vorstellen können, so wirkte die Aktion recht abrupt beendet. Da hättest du den Tumult vielleicht noch ein wenig beschreiben können, sowie auch ein paar Gedanken von John etc. Auch die Szene im Hotelzimmer hätte da noch mehr vertragen können.
Ich dachte nämlich wirklich ‚wie geil, da geht noch eine Bombe hoch’, sprich die Action geht weiter, aber dann war die Szene doch zu Ende^^’
Das fand ich schade.

Der Abschluss im Krankenhaus war dann wieder sehr gut^^
Von:  BouhGorgonzola
2009-04-05T17:09:09+00:00 05.04.2009 19:09
Boah! Wie kann man nur so spannend schreiben?!
Und du sagst immer, du könntest keine längeren Stories schreiben ... langsam will ich echt, dass du doch mal eine CC Ff versuchst ... und mir ist egal, wie dein Stil ist! Ich find das einfach nur klasse, wie du schreiben kannst!
Ich konnte mir einfach alles bildlich vor mir sehen und so ... echt hammer!
Weiter so!
(Zum anderen Kapi kommt auch noch was, aber das kann sich hinziehen, deshalb kommentiere ich jeweils einzeln heute >3)


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