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Hoffnung zu Asche

Schatten und Licht, Band 2
von

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Wiedergutmachung

Graue, schwere Wolken hingen über Farnellia, aus denen sich ein stetiger Strom an Wasser über der Stadt ergoss. Von der Stadt hieß es, Drachen würden sie beschützen. Und diesen Schutz hatte sie bitter nötig, dachte sich Van de Farnel, der König von Farnellia. Er stand auf der mächtigen Stadtmauer und schaute auf die Schlucht, durch die sich eine dunkle Masse an Menschen Richtung Tal bewegte. Van kannte die Berichte. Sie waren erschöpft, unbewaffnet, kurz vorm Verhungern und dennoch eine Bedrohung.

Getrieben von der mentalen Rute ihrer Herren, versklavt durch ein Virus, der einem Wesen seinen Willen entreißt, hielten sie sie unnachgiebig auf seine Heimat zu. Jedes dieser Opfer konnte die Seuche weitertragen. Ein Biss, ein Kratzer, mehr war nicht nötig und man wurde Teil der willenlose Masse. Ein Schicksal, dass er seinem Volk unbedingt ersparen musste.

„Seht sie euch an!“, brach es plötzlich aus ihm heraus. Entschlossen, es nicht so weit kommen zu lassen, wandte sich der König an die zweihundert Soldaten hinter ihm, die zum großen Teil noch halbe Kinder waren. Sie waren verängstigt, verriet ihm ein einziger Blick in ihre klammen Augen. „Sie sind keine Menschen mehr! Einst waren sie stolze Männer, wie eure Väter. Einst waren sie fürsorgliche Frauen, wie eure Mütter. Einst waren sie Mädchen voller Lebensfreude, wie eure Schwestern. Einst waren sie wehrhafte Brüder, so wie ihr es seid! Doch diese Leben wurden ihnen genommen. Sie sind in Chuzario gefallen, doch zu sterben war ihnen nicht erlaubt. Stattdessen sind sie Gefangene in ihrem eigenen Körper. Sie mussten mitansehen, wie ihr eigenen Hände nach den Hälsen ihrer Nächsten griffen, und sie haben das Blut ihrer eigenen Leute getrunken! Ich möchte mir nicht einmal vorstellen, welche Qualen sie leiden, angesichts solcher Erinnerungen und der stechenden Gewissheit, dass es wieder passieren wird. Allein aus Mitleid werden wir jeden von ihnen einen Pfeil durch das Herz jagen. Hier und heute Nacht!“ Van erwartete kaum Jubelschreie doch die verzagten Gesichter der Söhne seiner Stadt zeigten ihm, dass er noch nicht zu ihnen durchgedrungen war.

„Dreht euch um!“

Durch die Menge geisterte Verwirrung und niemand gehorchte, also packte er den nächsten Soldaten und riss in herum. Mit ausgestrecktem Arm zeigte er auf die Stadt.

„Seht sie euch an!“, befahl er ein weiteres Mal und die Köpfe folgte zögernd der Richtung seiner Hand. „Seht euch die Beschläge vor den Häusern gut an und erinnert euch an die, die eure Familien geschmückt haben. Sie versiegeln nicht nur eure Häuser, sondern zeigen auch die Träume und Wünsche derer, die ihr schützt! Wir kämpfen hier nicht für Gebäude, es geht nicht einmal um diese Stadt. Diese Schlacht schlagen wir für unsere Lieben, die auf uns warten. Sie werden nicht von dieser Welle aus Toten hinweg gerissen werden, weil wir sie jetzt brechen!“

Für einen Moment herrschte Stille, doch dann riss ein junger Mann seinen Bogen in die Luft und stieß einen Ruf feuriger Entschlossenheit aus, in den seine Kameraden stimmten ein. Daraufhin lenkte Van ihre Aufmerksamkeit wieder langsam der näher kommenden Menge an Sklaven weit vor den Toren der Stadt zu.

„Meine Schwester hat bereits gegen den Wahnsinn gekämpft, der sich vor euren Augen ausbreitet, und ist gestärkt aus diesem Kampf hervorgegangen.“, brüllte er aus Leibes Kräften. „Sie beobachtet euch.“ In Wahrheit würde Merle die Schlacht aus der Brig des Luftschiffes, dass über der Mauer hing, kaum beobachten können, doch Van konnte sich diese kleine Notlüge verzeihen. „Zeigt ihr, dass die Männer Farnellias einer Frau an Mut und Entschlossenheit in nichts nachstehen!“ Wieder hallte ein lauter Ruf, nur war auf den Koloss aus Stahl gerichtet, der die einzige Rückzugsmöglichkeit für Vans Streitkraft darstellte. Der König wollte schon weiter ausholen, da tippte ihn ein Matrose auf den Schiff an.

„Was ist?“, fragte Van leise.

„Majestät, dringende Nachricht von der Brücke.“, stieß der Mann kreidebleich und hechelnd aus. „Es nähert sich kleine Flotte von Flugobjekten. Wenn sie ihre Geschwindigkeit beibehalten, sind sie noch höchstens fünfzehn Minuten entfernt.“

„Wie viele? Konntet ihr sie kontaktieren?“

„Ein halbes Dutzend, Majestät, und sie antworten nicht.“

Gesgan, der alte, aber imposante Kommandant seiner Leibwache, trat nun ebenfalls an seine Seite.

„Ich fürchte, die Sklaven dort unten sind nur eine Ablenkung, Majestät. Sie und ihre Hoheit sollten sofort eure Guymelefs starten und die gegnerischen Guymelefs abfangen.“, riet er. Van schluckte. Er hatte seinen Untergebenen von dem Zustand seiner Schwester noch gar nichts erzählt.

„Merle kann momentan unmöglich fliegen. Ihr geht es nicht gut.“, gab er bedrückt zu Protokoll, während sein Gehirn rauchte. Die Gefahr, dass sie ihn aus ihren Guymelef, einer riesigen, humanoiden Flugmaschine, erspähen und ihn dann gegen ihren eigenen Willen angreifen würde, war viel zu groß. Van verfluchte Trias, dem Verantwortlichen der Invasion, und die Falle, mit der er seine Schwester quälte. Sie hätte zwar schon vor Jahren zuschnappen sollen und war gescheitert, dennoch spielte sie dem Herren der Gezeichneten immer noch in die Hände. Wie wichtig es war, keine Guymelefs in die Nähe seiner Männer zu lassen, hatte schon die Invasion der Zaibacher vor beinahe vier Jahren gezeigt. Damals war Dilando mit seiner Einheit in Farnelia einmarschiert und hatte die Stadt ohne nennenswerte Verluste dem Erboden gleich gemacht. Und zu der Zeit hatte Farnelia weit mehr als zwei Guymelefs gehabt, auch wenn die Maschinen veraltet gewesen waren.

...Dilando...

„Geht zurück zum Schiff und findet so schnell wie möglich die junge Frau, die sich um meine Schwester kümmert.“, befahl Van dem Matrosen. Allen wird ihn umbringen für das, was er jetzt vorhatte. Soviel war sicher. „Ihr Name ist Serena. Sagt ihr, sie könne ihre Schuld gegenüber Farnelia begleichen, wenn sie heute mit Merles Guymelef an meiner Seite fliegt. Ich erwarte sie in zehn Minuten in der Luft.“

Der Matrose folgte ohne zu Zögern Vans befehlen. Gesgan hingegen schien verwirrt zu sein.

„Serena? Warum sollte sie...?“

„Ich erkläre euch nach der Schlacht alles.“, versicherte Van, während er sein Vams auszog. „Jetzt muss ich so schnell wie möglich zu Escaflowne.“

„Beim Tor steht ein Pferd.“, meldete der Offizier pflichtbewusst.

„Nein.“, lehnte Van schroff ab. „Reiten dauert zu lange. Ich werde fliegen.“ Mit diesen Worten riss er sich das Hemd vom Leib und breitete seine mächtigen Schwingen aus. Ein Schwarm aus Federn, die selbst bei dem trüben Wetter noch weiß glänzten, ging neben ihn nieder. Die Männer um ihn herum starrten entsetzt. „Haltet die Mauer! Sagt den Soldaten, sie sollen ihre Hauben und ihre Masken aufsetzen! Ich bin so schnell wie möglich zurück.“

„Jawohl!“, bestätigte Gesgan, woraufhin sich Van von der Mauer abstieß und dicht über den Häusern durch die Luft glitt. Das letzte, was man von ihm sah, war das helle Glitzern über seiner Villa am anderen Ende der Stadt.
 

„Du musst nicht hier sein. Ich komm auch allein zurecht.“, klärte Merle Serena auf, die ihr Gesellschaft leistete. Die beiden jungen Frauen saßen sich auf dem kalten Boden der Brig gegenüber. Zwar lagen nur ein paar Meter zwischen ihnen, dennoch trennte sie eine Wand aus Gitterstäben. Allens Schwester hatte ihr das Mittagessen gebracht, bestehend aus einen faden Brei, einem Krug Wasser und einer Brotscheibe, die so dünn war, dass sie Merle in der Hand zerfiel.

Serena erwiderte dieses Angebot aus Scham mit festen Blick und versicherte: „Ich bleibe hier. Wir sind eine Familie oder werden es zumindest bald sein. Allen wäre enttäuscht von mir, wenn ich dich jetzt hängen lassen würde.“

Seit dem Mittagessen harrten die beiden nun gemeinsam aus, doch in der kleinen Brig des Luftschiffes konnten sie unmöglich feststellen, wie lange die letzte Mahlzeit nun schon her war. Der Wachmann war ohne eine Erklärung verschwunden und nicht ersetzt worden. Die adoptierte Prinzessin konnte nur spekulieren, wie hektisch im Schiff zugehen musste, dass man sie scheinbar vergessen hatte.

„Möchtest du mir noch immer nicht erzählen, warum du eingesperrt bist?“, fragte Allens Schwester geduldig.

„Ich war zu neugierig. Ich würde es gern dabei belassen.“, blockte Merle beschämt.

„Du vertraust mir nicht.“, warf die junge Frau dem Katzenmädchen vor, woraufhin sie kurz und trocken lachte.

„Nichts für ungut, Serena, aber ich weiß nicht einmal, ob ich Allen den Grund erklären könnte.“

„Ich dachte, du liebst ihn!“

Merle sah ihr fest in die Augen und versicherte: „Das tue ich. Aber ich bin mir nicht sicher, ob er mich noch bei sich haben möchte, sobald er erfährt, was heute morgen passiert ist.“

„Van jedenfalls hat dich aufgegeben!“, ätzte Serena, doch die Gefangene schüttelte mit ihrem Kopf.

„Das hat er nicht!“, behauptete sie felsenfest. „Sonst wäre ich jetzt tot. Er hat momentan nur andere Sorgen, dich ich übrigens teile.“

„Du sitzt in einer Zelle und bist dir dennoch so sicher?“

„Ich warte bis zum Schluss der Schlacht, ehe ich nach Kaviar verlange.“

Serena schnaubte ungehalten und lehnte sich zurück.

„Folgt aus Liebe normalerweise nicht Vertrauen?“

„Keine Ahnung. Ich glaube, Allen würde mich ohne zu zögern umbringen, um sich oder dich zu retten. Nennst du das Vertrauen?“, fragte Merle provokant. Erst wollte Serena protestieren, doch dann hielt sie inne und schaute beschämt zur Seite. „Was ist?“

„Das ist schon einmal passiert. Ein Mädchen, sie war etwa so alt wie du, hat mich angegriffen und verletzt.“, berichtete sie ungewohnt schüchtern. Dabei rieb sie eine Hand über ihren Arm, als wollte sie ein Jucken vertreiben. „Er hatte sie schon zuvor in unser Haus gebracht, aber eines Abends griff sie mich mit einem Schwert an. Allen verletzte sie tödlich. Glaub ich jedenfalls. Sie floh und ich habe sie nie wieder gesehen.“ Merle kannte diese Geschichte nur zu gut und kommentierte sie daher nicht weiter. „Aber Van würde doch genau das selbe tun, wenn jemand ihn ,dich oder seine Ehefrau angreifen würde.“

„Nein, nicht wenn er sich um den Angreifer sorgt. Schließlich hat er mich nur überwältigt, nicht getötet.“

„Hast du...?“, setzte Serena an und sogleich merkte die Prinzessin, dass sie zu viel gesagt hatte, doch ein hereinstürmender Matrose ersparte ihr weitere schmerzhafte Fragen.

„Fräulein, seine Majestät lässt euch ausrichten, ihr könntet eure Schuld bei Farnelia begleichen, wenn ihr in den Guymelef an Bord dieses Schiffes steigt und an der Seite seiner Majestät fliegt.“

„Ist etwas passiert?“, schaltete Merle sich ein.

„Die Brücke hat sechs kleine Flugobjekte ausgemacht. Sie kommen schnell auf Farnelia zu.“ Merle knirschte mit den Zähnen. Natürlich hatte Trias mehr als nur eine Waffe auf ihre geliebt Stadt gerichtet. Wenn sie nicht ein so wissbegieriger Dummkopf gewesen wäre, könnte sie jetzt zusammen mit ihren Bruder seine Guymelefs bekämpfen. Stattdessen musste jetzt...

„Nein!“, protestierte Merle lautstark. „Serena, du kannst nicht gehen! Allen würde es dir nie erlauben.“ Zu ihrer Überraschung erhob sich die junge Frau in aller Ruhe und strahlte dabei förmlich voller Selbstvertrauen.

„Allen ist nicht hier und hat mir auch sonst nichts zu sagen. Ich kann auf mich aufpassen.“, versicherte sie ohne den Hauch eines Zweifels.

„Du bist nicht einmal mit meinem Guymelef geflogen!“, widersprach ihr die Prinzessin heftig.

„Wenn die Zaibacher sie gebaut haben, kann ich sie fliegen.“, konterte die Kriegerin und verließ eilig die Brig, wobei sie den Matrosen mitschleifte. Krachend flog die Tür zu Merles kleinen Gefängnis zu und sie war wieder allein. Melre hasste sich und ihr Leben dafür, dass sie hier eingesperrt war. Wenn sie doch nur nicht so bescheuert gewesen wäre...



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von: abgemeldet
2013-07-19T04:04:18+00:00 19.07.2013 06:04
Super Kapi. Ich hoffe es geht bald weiter.
Von:  CatariaNigra
2013-06-28T09:26:31+00:00 28.06.2013 11:26
...und schon wieder ein gemeiner Cliffhanger D: Wirklich ein spannendes Kapitel! Ich liebe deine Geschichte, und hätte gut Lust, sie zu zeichnen^^
Antwort von:  matvo
28.06.2013 20:52
Ich hätt nichts dagegen, das wär aber ein Mammutprojekt...ich hab selbst erst etwas über die Hälfte der FF geschrieben. Da kommt also noch ein bissl was.
Antwort von:  CatariaNigra
28.06.2013 21:38
Juchuu^^ Ich könnte frühestens 2014 (habe ein Kind und muss dieses Jahr noch fertig werden mit dem Studium, schaffe es momentan zeitlich also nicht), also wenn du nichts dagegen hast, können wir Weihnachten nochmal drüber sprechen? Brauche was zum Zeichnen üben, und Escaflowne ist seit 10 Jahren meine absolute Lieblingsserie :-)
Von:  fahnm
2013-06-26T00:31:12+00:00 26.06.2013 02:31
Hammer Kapi^^


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