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Hoffnung zu Asche

Schatten und Licht, Band 2
von

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Eine Illusion vergeht

Es war schon dunkel, als Van das Zimmer im Krankenhaus betrat, in dem Hitomi lag. Er hatte sein gesamtes diplomatisches Gewicht einsetzten müssen, um jetzt noch Zugang zu bekommen. Für die Wachen im Flur hatte er nur einen kurzen Blick übrig gehabt. Wenigstens waren sie wach und aufmerksam. Langsam schloss er hinter sich die Tür und ging auf das Bett seiner Frau zu. Seine Augen hatten sich längst an die Dunkelheit gewöhnt und so betrachtete er ausgiebig ihre Umrisse.

Sie war die pure Unschuld, während sie schlief, fast wie ein Kind. Geschlossen verrieten ihre Augen nichts von den sehnsüchtigen Erwartungen, die ihr Blick an ihn stellten, wenn sie dann endlich mal alleine waren, oder von der Hinterlist, wenn sie ihre harmlosen Intrigen spann, oder von der kalten Entschlossenheit, wenn sie eine geliebte Person in Gefahr sah.

Sanft nahm Van ihre Hand und streichelte sie mit seinem Daumen. Hitomi wachte nur träge auf. Als sie ihn erkannte, lächelte sie und begrüßte ihn leise.

„Wie geht es dir?“, erkundigte sich Van, obwohl er sich von der Antwort schon längst überzeugt hatte.

„Mir fehlt nichts.“, versicherte sie. Er sah in ihre grünen Augen, die jederzeit den Frühling für ihn zurück holen konnten, und verlor sich darin. Wie ein Strudel zog Hitomi an seinem Geist. Die Farben verschwammen vor seinen Augen und setzten sich zu einer unendlich weiten, bunt blühenden Wiese unter einem strahlend blauen Himmel neu zusammen. Hitomi lag auf einer karierten Decke und starrte in das Himmelszelt.

„Es ist so einfach, nicht wahr?“, fragte sie völlig unvermittelt. „Sich einer Illusion hinzugeben.“

Besorgt legte er sich neben ihr und strich über ihr Haar.

„Im Krankenhaus bis du erst einmal in Sicherheit.“, beruhigte er sie.

„Jeder von uns kann sterben, jederzeit und überall.“, stellte Hitomi ernüchtert fest. „Es mag Personen geben, deren Leben ist größerer Gefahr als andere, aber am Ende kann es jeden treffen.“

„Nein, vergiss das wieder.“, bat Van eindringlich.

„Wieso?“, wimmerte Hitomi und vergrub ihr Gesicht in seiner Brust. „Er stimmt doch.“

„Weil ich dein Schild bin.“, schwor er. „Ich werde zulassen, dass dir etwas passiert.“

„Heute hast du einen schlechten Job gemacht.“, warf sie ihm vor und schlug mit einer Faust gegen seine Schulter.

„Ich weiß und das werde ich mir nie verzeihen.“, erwiderte er todernst. Hitomi dreht sich wieder auf ihren Rücken und streckte sich ausgiebig.

„Heißt das, du weichst mir ab jetzt nicht von der Seite?“, fragte sie besorgt.

„Wäre das so schlimm?“

„Ich hätte nichts dagegen.“, behauptete sie und lächelte. „Aber Farnelia wäre ohne seinen König verloren und das kann ich nicht zulassen.“

„Du lügst.“, stellte Van ernüchtert fest. „Geh ich dir so auf den Geist?“

„Nein, aber es ist immer so schön, wenn du mir erzählst, wie dein Tag war, und dann Interesse daran heuchelst, wie meiner war.“

„Das war wieder gelogen.“

„Nur teilweise.“, beschwichtigte sie.

„Strafe!“, verkündete Van und fing an sie zu kitzeln. Hitomi lachte laut auf und beide fingen an zu rangeln. Während sie sich so gut wie möglich zu Wehr setzte, rätselte, sie warum es ihm so viel Freude bereitete, so mit ihr zu spielen. Ein Relikt aus seiner verlorenen Kindheit, vermutete sie und nutzte ihre Chance, sobald er ihr eine ließ. Fast von selbst drehte sie ihn auf seinen Rücken.

„Spaß beiseite.“, befahl sie und hielt ihn am Boden. „Wie war dein Tag?“

„Schlecht.“, stellte er nachdenklich fest. „Ich fürchte, wir sind etwas über das Ziel hinaus geschossen.“

„Du meinst, indem wir überall erzählt haben, wie Astoria versucht, Farnelia zu übernehmen?“

„Ja. Wie erwartet sind die anderen kleineren Bündnispartner besorgt, dass ihnen das gleiche passieren könnte. Aber einer meiner Kollegen reagiert völlig über. Er verlangt, dass die Allianz vollkommen aufgelöst wird, da sie ja nur dazu geschaffen sei, damit Astoria, Vasram und ursprünglich auch Chuzario ihre Herrschaft über Gaia aufteilen und festigen können. Und es gibt andere, die verlangen, dass man ihm zuhört.“

„Da nur diese drei Länder etwas zu sagen haben, ist das gar nicht so abwegig.“, äußerte Hitomi Verständnis. „Aber bislang hat das Bündnis selbst für Frieden gesorgt.“

„Wir könnten diesen Frieden etwas zu stark erschüttert haben.“, befürchtete Van. „Wenn die Allianz sich auflöst, müssen wir uns einem starken Reich an den Hals werfen oder wir überleben die folgenden Scharmützel nicht.“

„Vor den Zaibacher Kriegen waren die wohl an der Tagesordnung.“, vermutete Hitomi.

„So etwas wie Diplomatie existierte nur zwischen den großen Reichen.“, berichtete er. „Vater musste immer wieder ausrücken. Es hatte erst aufgehört, als er tot war und Vargas an seiner Stelle geherrscht hatte.“

„Den weltbesten Schwertkämpfer als Feldherren zu haben, hatte so seine Vorteile.“, schloss sie und erinnerte sich mit Schrecken an den Tag, als dieser mächtige Krieger vor ihren Augen aufgespießt worden war.

„Ich bin zwar ein gefürchteter Schwertkämpfer, aber als Feldherr bin ich noch nicht in Erscheinung getreten. Ein paar unserer Nachbarn werden uns auf jeden Fall herausfordern, sobald sie die Chance dazu erhalten.“

„Toll!“, regte sie sich auf. „Was jetzt? Ist das Bündnis wirklich in Gefahr?“

„Ich glaube nicht.“, beruhigte sie Van. „Nicht solange Vasram noch dabei ist. Niemand möchte in Gefahr laufen, dass eine Massenvernichtungswaffe über seinen Kopf explodiert.“

„Mir wäre es lieber, die feinen Herren könnten sich an einen Tisch setzen, auch ohne dass irgendeine Gefahr sie dazu antreibt.“

„Wer weiß? Vielleicht bringst du sie dazu?“

„Ich?“, wunderte sie sich.

„Man hat mich heute über die Ereignisse während deiner Verhaftung in Farnelia befragt und verlangt, dass du dich morgen der Versammlung stellst.“, berichtete Van sachlich und fügte dann amüsiert hinzu. „Der eben erwähnte Regent hat sich zwar dagegen ausgesprochen, mit der Begründung, du könntest uns alle verhexen und so die Weltherrschaft an dich reißen. Aber ich konnte die Delegierten davon überzeugen, dass der Hang zu unpassenden Beziehungen in der Familie liegt und nichts mit Gehirnwäsche zu tun hat.“

„Großartig.“, erwiderte Hitomi sarkastisch.

„Du hast mir nicht leicht gemacht.“, erzählte er weiter. „Dass du den Anschlag heute überlebt hast, half nicht gerade dabei sie zu überzeugen.“

„Nur weiter so!“, drohte sie. „Wenn wir das nächste Mal das Bett teilen, wirst du sehen, was du davon hast.“

„Ich bin still.“, sagte Van scheinbar eingeschüchtert. „Weißt du schon, was passiert ist?“

„Nein.“, antwortete Hitomi. „Irene sagte mir, sie hätte ein helles Licht hinter meinem Kopf gesehen, kurz bevor ich ins Wasser gefallen bin. Das und meine Beule sprechen dafür, dass irgendetwas meine Barriere aus Gedankenenergie stark beansprucht hat und noch dazu unsichtbar war. Anscheinend ist niemanden etwas aufgefallen, was das verursacht haben könnte.“

„Beängstigend.“, gab Van zu Protokoll. „Dein Schild hat immerhin dem Beschuss von Guymelefs stand gehalten.“

„Da hab ich ja auch einen zusätzlichen Schild errichtet.“, erwiderte sie, dann lachte sie kurz und trocken. „Unglaublich, dass gerade eine Konzentrationsübung mir das Leben gerettet hat.“

„Sie ist auf jeden Fall nützlich.“, stimmte er zu. „Paranoid, aber nützlich. Sag bloß, du hältst den Schild auch aufrecht, wenn wir miteinander schlafen.“

„Hast du etwa Angst, deine kleinen Soldaten könnten gegen eine Mauer anrennen?“, kicherte sie.

„Du hast meine Frage nicht beantwortet.“, wies er sie zu Recht.

„Keine Sorge, die Barriere hält nur etwas auf, das ich nicht eingeladen habe, näher zu kommen. Ansonsten könnte ich weder essen noch atmen.“

„Du hast, meine Frage noch immer nicht beantwortet.“

„Nein, tu ich nicht.“, versicherte sie genervt und stupste spielerisch ihre Stirn gegen seine. „Schließlich bist du ja dann mein Schild.“

„Nur dann?“

„Sonst hast du nie Zeit für mich.“, zog Hitomi ihn auf. „Seit der Hochzeit sind deine Gedanken sonst wo, nur nicht bei mir, selbst wenn wir gemeinsam essen.“

„Das stimmt nicht.“, widersprach Van energisch.

„Oh, natürlich. Die Zeiten, in denen ich gerade deine Kanone poliere oder in Lebensgefahr schwebe, sind zuverlässige Ausnahmen der Regel. Falls du es noch nicht gemerkt hast, ich schwebe nicht gerne in Lebensgefahr.“

„Aber du polierst gerne meine Kanone.“, konterte er keck. Sie stöhnte verärgert und wandte sich von ihm ab. Van starrte Löcher in den Himmel und brach schließlich das Schweigen. „Ist es nicht immer schon so gewesen? Bei uns beiden?“ Sie sah ihn verwirrt an. „Das erste Mal hast du mich umarmt, um mich vor einem Zaibacher Anschlag zu retten. Ich hab zum ersten Mal deine Unterwäsche gesehen, als ich dich wiederbelebt habe. Wir sind uns immer nur näher gekommen, wenn einer von uns in Gefahr war. Die Pausen dazwischen haben uns eher voneinander getrennt.“

„Das sollten wir ändern.“, meinte Hitomi.

„Hast du eine Idee wie?“, erkundigte sich Van. „Ein Gefecht ist schnell vorbei und wir hatten danach immer viel Zeit. Leider haben sie verschwendet, indem wir unsere Wunden allein geleckt, statt sie gegenseitig zu verbinden. Politik jedoch ist vor allem langwierig. Ich werde in den nächsten Tagen fast keinen Augenblick für dich freihalten können.“

„Das Haus in Fraid wäre eine Möglichkeit. Wir könnten durchbrennen.“, überlegte sie laut.

„So etwas in der Art habe ich dir schon einmal vorgeschlagen und du hast abgelehnt.“, erinnerte er sie bedauernd. „Da hast du irgendetwas von einem Weltuntergang gefaselt, den wir so unabsichtlich auslösen könnten.“

„Leider.“, stimmte Hitomi mit ein.

„Hörst du die Stimmen immer noch?“

„Nur wenn ich gerade nicht beschäftigt bin. Ich hab sogar gelernt einzelne herauszufiltern und ihnen zu lauschen. Manchmal ist es ganz lustig.“

„Gruselig.“, meinte Van und lächelte sie schief an. „Was die Menschen wohl davon halten würden, wenn sie wüssten, dass du ihre Gedanken jederzeit aushorchen kannst.“

„Du hast offensichtlich kein Problem damit.“

„Aber nur, weil du es bist.“

„Dann sollte ich dir jetzt wohl nicht sagen, dass ich längst nicht die einzige bin, die über so scharfe Sinne verfügt.“, warnte Hitomi. „Merle zum Beispiel ist auf dem besten Wege, mich auf diesem Gebiet zu überholen.“

„Aber nur, weil du sie unterrichtest.“, merkte Van an. „Wann hast du eigentlich vor mit meinen Lehrstunden zu beginnen.“

„Du hast ja nie Zeit.“, konterte sie leise, doch ihre Augen sagten mehr. Plötzlich sah Van eine Erinnerung vor sich, in der er schwer atmend mit dem Schwert trainierte und dabei alles dafür tat sie nicht zu beachten, während sie am Rand der Trainingshalle stand und ihn beobachtete. Er suchte angesichts des Vorwurfs nach Ausflüchte. Er brauchte das tägliche Training um nicht aus dem Tritt zu kommen. Doch Hitomi legte ihren Finge auf seine Lippen und zog dann mit den ihren nach. „Ich weiß.“, versicherte sie, nachdem der Kuss vorbei war.

„Ich geh jetzt besser.“, verkündete Van verbissen und die Phantasiewelt machte der tristen Realität platz. Er stand an ihrem Bett und sie lag mit dem Rücken zu ihm. Ohne ein Wort des Abschieds verließ er das Zimmer.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  fahnm
2010-11-17T23:44:49+00:00 18.11.2010 00:44
Super Kapi!^^


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