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Jadeperlen

von

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Elfe

„Ich mache Schluss, Akina“, waren seine letzten Worte. „Es ist vorbei...“
 

Tränen stiegen mir in die Augen – in meine verdammten blauen Augen, die er immer so umschwärmt hatte - bei dem Gedanken an die Erinnerung. Zornestränen aus Schmerz, wie salzige Perlen auf meiner Haut. Niedergeschlagen senkte ich meinen Kopf, musterte gedankenlos den abgenutzten PVC-Boden in der Sporthalle.

Ich spürte die verständnislosen Blicke meiner Freundinnen im Nacken, tausend Fragen in der Luft hängend, die in höhnischem Durcheinander um mich herum schwirrten und mir nur noch mehr glitzernde Tränen in die Augen trieben. Meine Sicht verschwamm zu einem trügerischen Strudel, der all meine schönen Gedanken einzusaugen schien und nur das Gefühl des Verlusts zurückließen.

Empört erhob meine beste Freundin Taya jetzt ihre Stimme, riss mich aus meinen Gedanken und verletzte mich doch nur wieder mit einer dieser Fragen, die ich mir schon die ganze Zeit stellte: „Wie konnte er das nur machen?!“

„Genau“, grummelte Nimoe „wie konnte Kei nur?!“

Ja, wie konnte er nur, dachte ich sarkastisch. Vielmehr, wie konnte er nicht! Je genauer ich darüber nachdachte, desto schmerzlicher wurde mir bewusst, dass ich nichts hatte. Mein Freund hatte mich abserviert, als wir gerade mal zusammengekommen sind, er hat mich verletzt obwohl er schon immer mein bester Freund war. Das ganze ist, als wenn plötzlich eine riesige Mauer zwischen uns aufgestiegen wäre, und je mehr ich versuche wieder zu Kei vorzudringen, desto höher wächst der Stein hinauf und droht auf mich hinab zu stürzen, genauso wie der Himmel, der für mich ohne Kei sternenlos ist.

Ich blickte traurig auf, um etwas zu erwidern, bis mir bitterlich auffallen musste, dass wirklich niemand so war wie ich, und niemand so viel Pech hatte wie ich. Bedrückt wanderte mein Blick wieder gen Boden.

Ich war schon immer anders gewesen als die anderen, kleiner, zierlicher, unauffälliger, eben nichts besonderes. Selbst meine Freundinnen waren allesamt hübscher, intelligenter und selbstbewusster. Nimoe zum Beispiel. Sie hatte wunderschönes schwarzes Haar, ein herzförmiges Gesicht, das von ihnen sanft umspielt wurde und eine Haut, die immer so aussah als würde die Sonne jeden Zentimeter ihres Körpers küssen. Oder auch Nodika, die Jahrgangssprecherin unserer Stufe war. Ihre wunderschönen mandelförmigen Augen hatten die Farbe flüssigen Karamells, ihre Haare trug sie kurz und auch sie hatte einen glänzenden Braunton. Und mit ihren immer leicht rosafarbenen Wangen und dem fröhlichen Lächeln auf ihren Lippen wirkte sie immer so enthusiastisch und strahlte eine Lebensfreude aus mit der Niemand mithalten konnte. Und Taya, die jeder für ein Model halten konnte, mit ihrem glatten Teint, den unglaublich langen Beinen und den perfekten Rundungen. Alles an ihr war vollkommen, ihre goldbraunen Haare, ebenso wie ihre unglaubliche Intelligenz.

Unter ihnen fühlte ich mich wie eine schwache kleine Nachtigall deren Gesang unter den kraftvollen Rufen der Falken unterging.

Neben ihnen musste ich wirken, wie eine zerbrechliche Porzellanpuppe, klein und zierlich. Sogar meine Hautfarbe passt, ungesund weiß wie sie war, wirkte sie wirklich wie das makellose Porzellan einer Puppe.

„Er findet mich nicht schön“, seufzte ich und fing wieder an zu schluchzen.

Ich wusste, dass die Drei hinter meinem Rücken jetzt bedeutungsvolle Blicke tauschten, so wie jedes Mal wenn ich das Thema von neuem aufrollte, obwohl ich die Diskussion eigentlich hasste.

„Elfe –„ seufzten alle drei. Elfe war der Name, den mir mein Aussehen beschert hatte. Ich besitze die Anmutigkeit einer Elfe, so wie jeder den ich kenne behauptet, dem ich aber nicht wirklich zustimmen konnte.

„Akina“, fing Nodika mit samtener Stimme an „, du bist das mit Abstand hübscheste Mädchen, dem ich je begegnet bin! Sei doch froh besonders zu sein und nicht wie alle anderen zu sein, denn das macht dich eben so einzigartig und unerreichbar schön! Glaub mir doch endlich, dass mit etwas Glück jeder, ich betone, jeder Kerl vor dir auf die Knie fällt, um den Boden zu küssen auf dem schwebst. Du bist wunderschön und das weiß auch Kei!“

„Warum hat er dann Schluss gemacht?“, stöhnte ich. Ich hasste, hasste, hasste solche Diskussionen.

„Das, meine Liebste“, Taya lächelte verschwörerisch „, werde ich heute Abend noch herausfinden, wen auch immer ich dazu bestechen muss!“

Danach war das Gespräch beendet und wir räumten den Mattenhaufen weg, auf dem wir gesessen hatten, fertig geduscht und umgezogen nach dem Cheerleadertraining. Die Drei hatten mich nach der Stunde beiseite genommen, um den Grund für meine traurige Miene zu ergründen. Und das war sie, die Wahrheit: Kei hatte Schluss gemacht und somit meinen kläglichen Rest Selbstbewusstsein zerstört.

Wieder seufzte ich, immer noch deprimiert, inzwischen auch ein bisschen angespannt, als ich schließlich vor unserem Haus stand.

Ich schloss die Haustür auf und von drinnen kam mir die lauten Fernsehgeräusche entgegen. Gutes Zeichen, dachte ich nur, gegessen hatten sie also schon. Ich atmete auf und die Anspannung fiel von mir ab. Glücklicherweise konnte ich so den sorgenvollen Blicken meine Eltern ausweichen, die mir jedes Mal aufs Neue übermittelten, dass etwas Falsch war. Oder würden sie etwa Sorgen haben, wenn alles in Ordnung wäre? Nein, und daraus schloss ich, dass sie genau wussten, dass in meiner Welt nicht alles stimmte. Und genau dem wollte ich ausweichen. Ich würde am Liebsten für immer so tun, als ob alles noch im Reinen war, denn sonst hätte ich mir ein gestehen müssen, dass es aus ist. Das mein Himmel für immer sternenlos bleibt. Und genau das hätte mein Herz dann auf ewig zerrissen.

„Bin wieder da!“, rief ich halbherzig vom Flur ins Wohnzimmer, schon halb auf dem Weg nach oben in mein Zimmer.

„Essen steht in der Küche“, rief Mum nur, abgelenkt von irgendeiner Sitcom, die sie gerade mit Dad schaute.

Ich hatte überhaupt keinen Hunger, das einzige was mich jetzt noch zerfraß war der Hunger nach Liebe.

Ich schlurfte in die Küche, tat mein Essen als Tarnung in die Mikrowelle, machte es warm und schaufelte den Nudelauflauf dann Löffel für Löffel in den Mülleimer. Dann stellte ich das Geschirr in die Spülmaschine und ging nach oben.

Als ich dann endlich die rettende Tür meines Zimmers entdeckte, durchzuckte mich nur der eine Gedanke, endlich unter meine weiche Bettdecke kriechen zu können und leise vor mich hin zu schluchzen. Doch als ich meine Zimmertür aufstieß, traf mich fast der Schlag.

Quer über den gesamten Teppichboden verstreut lagen meine alten Zeitschriften, einige aufgeschlagen, andere auf Stapel verteilt. Dann wanderte mein Blick zu meinem Bett, auf dem meine kleine Schwester Sayuri fröhlich plaudernd telefonierte.

Ihre Augen wanderten langsam in Richtung Türrahmen, in dem ich immer noch sprachlos stand, kurz davor in einen Heulkrampf auszubrechen. Zögernd realisierte ich erst die gesamte Situation. Sayuri hatte die Dreistigkeit mein halbes Zimmer zu verwüsten und sich in meinem Bett breit zu machen! Und genauso gemächlich wie mein Hirn gerade arbeitete, stieg auch die blinde Wut in mir auf. Ich spürte wie meine Stimmung plötzlich umschwang, von Trauer und Schmerz zu Zorn, durchmischt von purer Wut.

Meine kleine Schwester wisperte noch schnell was in den Hörer, legte dann auf und drängte sich blitzschnell an mir vorbei durch die Tür, ein scheues „Entschuldigung“ nuschelnd.

Der plötzlichen Leere und Stille im Raum, folgte eine tiefe Hoffnungslosigkeit in meinem Inneren. Ich schloss leise die Tür setzte mich auf die Bettkante und stierte starr auf irgendeinen Fleck des Fußbodens. Auf einmal überschwemmten mich meine wirren Gefühle wie eine Welle, zogen mich hinfort in den starken Sog der tiefen Leere in meinem Herzen und alles um mich herum wurde schwarz. Dann klarte das Meer aus Dunkelheit auf, mein Verstand fing wieder an zu Arbeiten, als ich wieder in meinem Zimmer saß, die Wut gemächlich abklang.

Ich warf mich in die Kissen, fing unkontrolliert an zu Zittern und Weinen. Liebeskummer zerschnitt mein Herz in tausend Stücke, warf sie achtlos in die Gegend und überschüttete sie mit einer Million verschiedener Gefühlsregungen.

Ich versuchte mich zu konzentrieren, mit meiner neu gewonnen Klarheit meine Gefühle zu Ordnen, doch das Einzige, was gerade durch meine Gedanken schwirren konnte, war die plötzliche Erkenntnis. Niemals wieder würde es sein wie früher, niemals mehr. Ich hatte schon immer ein Leben mir Kei gehabt, er war ein Teil meiner kleinen Welt gewesen. Ich hatte mir immer nur gewünscht, dass seine Gefühle die selben waren wie die meinen, dass er endlich meine Liebe für sich fand, die ich ihm schon seit ich denken kann schenken wollte. Dann kam der Tag an dem wir zusammenkamen, darauf folgten die schönsten Wochen meines Lebens. Und jetzt ist auch dieser Teil meiner Geschichte abgeschlossen, denn Kei hat das Kapitel beendet mit drei einfachen Worten: Es ist vorbei.

Und damit zerstörte er meinen persönlichen kleinen Himmel, schoss mit den einzelnen Silben meine Wolke 7 ab und ich stürzte zurück in die grausame Realität. Eine Welt ohne Kei.

Ich wusste nicht ob er mit seinen Worten auch ein Aus unserer Freundschaft bewirken wollte, doch ich war mir nicht sicher, ob ich es ertragen konnte die Wochen zu vergessen und einfach so weiterzuleben wie bisher, mit unterdrückten Gefühlen für meinen Geliebten. Würde ich es aushalten meinen Empfindungen für ihn weiterhin keine Achtung zu schenken, nicht jeden Tag zu überlegen, was wäre wenn und darauf hoffen, das es doch noch irgendwann passiert? Nein, ich könnte das nicht, meine Gefühle unterdrücken - nicht mehr. Nicht für kurz, nicht für immer.

Aber was würde das dann bedeuten – für uns?

Ich schreckte aus meinen Gedanken auf, als das Telefon schallend klingelte.

Tief ein- und ausatmend versuchte ich mich zu beruhigen, nach ein paar Sekunden nahm ich dann ab.

„Ja?“ Meine Stimme zitterte immer noch und klang verräterisch rau und brüchig. Ich hoffte nur, dass der Anrufer am anderen Ende nichts von meinem Heulkrampf mitbekam, wer auch immer da war.

„Akina? Heulst du?!“ So viel zum Nichtmitbekommen... Es war Taya.

„Nein, nein, alles in Ordnung“, log ich.

„Spiel mir nichts vor“, zischte sie mich ärgerlich an. „, es ist wegen Kei, hab ich Recht?“

„Ja“, gab ich zögerlich zurück.

Eine kurze Zeit sagten wir beide nichts, dann durchbrach ich die Stille, lustlos und nicht gerade in meiner nettesten Stimmlage. „Warum rufst du an?“

Ich konnte ihrem zögerlichen Unterton anmerken, dass es sie Überwindung kostete überhaupt anzurufen. Dann erzählte sie mit matter Stimme: „Ich weiß warum Kei sich von dir getrennt hat.“

Ich erwiderte nichts, dachte nur fieberhaft nach ob ich schon bereit für die Wahrheit war. Ja oder nein, ja oder nein?

Taya atmete tief ein, begann dann wieder zu reden. „Egal ob du willst oder nicht, irgendwann musst du die Wahrheit erfahren und lieber jetzt als später! Kurz und schmerzlos... Also,“ wieder sog sie beruhigend die Luft in ihre Lungen. „es ist so... Er hatte da diese Wette am Laufen, mit so einem Kerl von der einen Party... du weißt schon, am Wochenende bevor ihr zusammengekommen seid. Der Typ meinte du wärst voll in Kei verknallt, Kei wollte es nicht glauben und ließ sich zu der Wette überreden. Er hätte aber nie gedacht, dass du wirklich in ihn verliebt bist! Der Typ hat ihn eher dazu provoziert mitzumachen. Kei sollte dir sagen, dass er dich liebt, dann seid ihr zusammengekommen. Erst war Kei danach völlig perplex und wollte direkt Schluss machen, aber dieser Schlappschwanz hat sich weiter provozieren lassen und wurde dazu überredet den Rest der Wette auch zu erfüllen. Nun ja... er sollte dich... ins Bett bekommen... Wie du siehst hat er’s aber nicht gemacht, hatte zu viel Schiss dir dein Herz zu brechen oder dich zu etwas zu zwingen was du nicht willst... Aber Liebe? Die war nie im Spiel... Tut mir Leid...“

Ich konnte hören wie meine Traumvorstellungen und Hoffnungen langsam wie ein Kartenhaus zusammenbrachen. Ich hatte viele Möglichkeiten durchdacht, viele Gründe dafür gesucht, warum genau meine Welt hatte zerbrechen müssen. Dabei war alles so simpel gewesen, so klar... Er liebte mich nicht, hatte mich nie geliebt. Nur eine Wette, die mich zu seiner Freundin befördert hatte.

„Ich muss aufhören“, flüsterte ich tonlos in den Hörer. „Ich halt das hier einfach nicht mehr aus!“ Dann drückte ich auf den roten Knopf, ohne auch nur eine Antwort abzuwarten.

Ich konnte nicht wirklich weinen, die Leere zerfraß mich, ließ jegliche Emotion in mir sterben. Meine Augen wurden blind für die Schönheit der Welt, alles wurde einheitlich schwarz.

Ich ließ mich auf das Kissen nieder, zog meine Beine an die Brust und hoffte darauf, dass die Dunkelheit mich verschlingen würde, dass dieser Albtraum endlich endet...
 

Als ich am Freitagmorgen aufwachte starrte ich hinaus in die Morgenröte der Dämmerung.

So wie der Sonnenglanz mit dem eintönigen Blau des Horizonts zu verschwimmen schien, verwischten auch langsam meine Empfindungen und Eindrücke zu einer dumpfen, grauen Welt. Lustlos ließ ich den Tag über mich ergehen, ging aber so gut wie jedem Menschen, den ich kannte, aus dem Weg.

Nach der Schule reizte es mich nicht sonderlich mich wieder in meine vertraute Alltagsumgebung zu Hause sinken zu lassen und schlenderte ziellos durch die Stadt.

Plötzlich fand ich mich in einem Bezirk wieder, den ich überhaupt nicht kannte. Graue Blockhäuser reihten sich aneinander und ließen die Straße wie ein Labyrinth wirken, mit bedrohlich hohen Mauern.

Unbeirrt ging ich weiter geradeaus, was außer dem Weg zurück auch der einzige Weg war. Es dauerte nicht lange, bis der Asphalt leicht abfiel und hinunter durch einen Wald führte. Ein unbefestigter Fußweg führte zwischen den Bäumen her bis zum Straßenrand.

Inzwischen hatte ich meine Orientierung wieder gefunden und wusste genau, dass der Waldweg zu einer Siedlung ganz bei mir zu Hause in der Nähe führte.

Ich war lange ziellos durch die Gegend gelaufen, ohne wirklich mitzubekommen wie schnell die Zeit vergangen war. Die Sonne war schon lange untergegangen und nur noch der letzte dämmerige Schein erhellte das Gehölz spärlich.

Bekümmert musste ich feststellen, dass sich meine Eltern sicher schon Sorgen machten.

Jetzt wo ich endlich wusste wo ich mich befand, war es wohl besser mich auf den Heimweg zu machen.

Kurz zögernd ging ich dann doch in den Wald hinein, auch wenn ich wusste, dass es allgemein unklug war im Dunkeln einen Wald zu betreten.

Der Weg schlängelte sich quer zwischen dem Unterholz durch, dort wo die ganzen Leute die hier lang kamen schon eine tiefe Schneise im Gestrüpp hinterlassen hatten.

Der Wind pfiff wie ein Ächzen des Waldes in meine Ohren und die lauten Jagdschreie der Eulen ließen mich selbst erschrecken, als wäre ich das gejagte Tier statt irgendeiner Maus. Ich bekam Angst vor den vielen beunruhigenden Geräuschen, die auf der weiten Ebene widerhallten und verfiel in einen nur noch schnelleren Laufschritt.

Von weitem konnte ich schon die Geröllwand des nahe liegenden Berges erkennen, der komplett von Bäumen umstellt war. Er war nicht sehr hoch, erstreckte sich aber zwischen den hohen Bäumen, wie ein Riese unter Zwergen.

Unter das fürchterliche Raunen des Waldes mischte sich jetzt noch ein neues Geräusch, ein leises Flüstern. Je näher ich der zackigen Steinwand kam, desto lauter wurde das Flüstern, bis ich die einzelnen Worte verstehen konnte.

Etémay, ai si kotem, si to bari tey e’t to aiko.

Das leise Flüstern brach ab als ich näher kam. Die Worte begannen von neuem, als ein merkwürdiges Licht aufzuflammen schien, dass mir aus einer Felsspalte entgegen schien.

Atem’ai, xawe jaez coueure elmé te,

si zenmè to sera y to aiko se,

so maèwi xe mari dor,

so allère nuinnid so eruta tai eko,

so si jera so taido perlage oki,

so elmè to karade si uijage e’to aiko sa ziro,

Jähe Panik stieg bei dem merkwürdigen Flackern in mir auf. Dann probierte ich mit Vernunft eine Erklärung für das ganze zu finden, und kam zu dem Entschluss, dass es bestimmt nur irgendwelche Kinder waren, die versuchten mir einen Schrecken einzujagen.

et si mika to zeta, so ikari dai eku.

Dann brach der Wisperfluss wieder ab und die plötzliche Stille des Waldes schien meine Panik zu zerreißen und meinen Verstand um einiges klarer werden zu lassen.

Es war spät und dunkel und meine Eltern machten sich bestimmt schon sorgen. Logisch schlussfolgerte ich daraus, dass es wohl am Besten wäre, wenn ich weiterging.

Das Licht hinter der Felsspalte glühte weiter, das Flüstern begann aber nicht mehr.

Ich drehte mich um und rannte so schnell ich konnte weiter.

Atemlos brach ich durch das Gestrüpp und fand mich auf einem Spielplatz in der Nähe meiner Siedlung wieder. So schnell ich konnte eilte ich den bekannten Weg, beleuchtet durch Straßenlaternen, entlang und fand mich nach fünf Minuten vor meiner Haustür wieder.

Ich schloss auf, und hörte sofort das leise Poltern im Wohnzimmer, dann stand meine Mutter im Türrahmen.

„Akina, wo warst du?“, fragte sie mit einem besorgten Unterton in ihrer Stimme.

„Du brauchst dir keine Sorgen machen Mum, ich war nur Spazieren!“, versuchte ich sie zu beruhigen.

„Aber ohne Bescheid zu sagen! Du kannst doch nicht einfach abhauen! Wir dachten du wärst sonst wo, noch nicht einmal Taya konnte uns sagen, wo du hin bist!“, brachte sie gereizt hervor.

„Verstanden, beim nächsten Mal schreib ich dir eine SMS wenn ich später komme, in Ordnung?“ Genervt verschränkte ich die Arme vor meiner Brust.

„Beim nächsten Mal“, wiederholte meine Mum in einem theatralischen Ton. „Wie kommst du überhaupt dazu den ganzen Nachmittag spazieren zu gehen?“

Ich wandte mich schon zur Treppe um. „Ich musste halt nachdenken.“ Dann stapfte ich leise die Stufen nach oben.

„Kei hat angerufen“, rief mir Mum noch hinterher, doch ich probierte es zu ignorieren.

Kei, wenn ich den Namen schon hörte! Ein frostiger Schauer kroch mir über den Nacken und stellte mir die Härchen auf.

Ich drohte aus meiner schönen dumpf grauen Welt heraus zu brechen und zurück in die farbige Welt der schmerzhaften realen Gefühle zu fallen.

Nein, dachte ich. Ich will den Schmerz nicht wieder fühlen.

Ich schüttelte sanft den Kopf, schlurfte dann den Flur herunter in mein Zimmer und schaltete den Fernseher ein. Bei einer dieser neuen Telenovelas blieb ich hängen. Das Programm war so langweilig, dass ich kurz einnickte.

Das ungewöhnlich laute Klappern meiner Balkontür und das leise tröpfeln von Wassertropfen auf Glas weckten mich dann wieder unsanft.

Träge erhob ich mich aus dem Bett und durchsuchte die unergründliche Dunkelheit.

Dann stand er da, die Haare klatschnass zerzaust vom Nieselregen und dem starken Ostwind. Kei.

Ich wollte schon die Vorhänge zuziehen, mich umdrehen und gehen, doch dann fiel mein Blick auf seine Augen. Seine rehbraunen, flehenden Augen, die mich schon immer schwach gemacht hatten.

Sein Anblick versetzte meinem zerrissenen Herzen einen erneuten Stich und brachte den Schmerz nun endgültig zurück.

Ich schloss kurz die Augen und meine Hand wanderte unwillkürlich zu meiner Brust, dort wo das blaue Saphirherz an einer Silberkette meinen Hals schmückte.

Dann öffnete ich die Tür einen Spalt weit, spürte den leichten Luftzug auf meiner Haut. Ich wandte mich ab, dann hörte ich das leise Klicken der schließenden Tür.

Und dann stand Kei vor mir, die braunen Haare nass um sein markantes Gesicht klebend, die nasse Kleidung an ihm herunterhängend wie ein Sack.

Wieder senkte ich meinen Blick um die Tränen zu verbergen.

„Was willst du“, fragte ich wütend, bestimmt, aber mit brüchiger Stimme.

„Mit dir reden“, antwortete er schnell und hielt mich an der Schulter fest, bevor ich mich wieder von ihm wegdrehen konnte.

„Dann mach schnell“, zischte ich ihn an. „Ich kann deinen Blick nicht mehr ertragen!“

Ich konnte sehen, wie er den Kloß in seinem Hals herunterschluckte, er dann genau abzuwägen schien, was er sagen sollte und dann anfing:

„Ich wollte nicht, dass du die ganze Sache so erfährst.“

Erst wusste ich überhaupt nicht, wovon er sprach, dann fiel mir das Gespräch mit Taya am Telefon wieder ein. „Du wolltest, dass ich es gar nicht erfahre!“, fuhr ich ihn mit aufgebrachter Stimme an.

Wieder schluckte er. „Du hast Recht, aber ich hatte Angst dich zu verletzten!“

„Das hast du aber wohl nicht geschafft... und von dieser dummen Wette hat es dich auch nicht abgehalten“, musste ich nüchtern feststellen und konnte meine Gehässigkeit nicht aus meiner Stimme verbannen.

„Ich dachte wir wären Freunde, nicht mehr und nicht weniger. Ich hätte nie gedachte, dass du da... mehr hineininterpretierst und ich dachte auch, dass –„

„Du denkst zu viel, Kei, und wieso zum Teufel bin ich jetzt schon wieder die Schuldige?! Du hast mich verletzt mit deinem ganzen Getue!“

Er senkte bedauernd den Blick und ließ von meiner Schulter ab, sodass ich mich endlich wegdrehen konnte.

„Es tut mir Leid“, stammelte er unbeholfen. „Können wir nicht so tun, als wäre das alles nie passiert? Können wir nicht wieder nur beste Freunde sein?“

„Ich halte das alles nicht mehr aus, Kei“, schrie ich ihn jetzt unbefangen an. „Ich kann nicht einfach so tun, als wenn nichts gewesen wäre. Und ich kann auch nicht wieder anfangen meine Gefühle für dich zu unterdrücken. Ich hab es versucht, aber ich kann einfach nicht mehr! Ich kann nicht mehr! Geh bitte einfach, Kei, geh und mach es nicht noch schlimmer als es eh schon ist... Bitte... Geh einfach.“ Meine Stimme war immer leiser geworden, bis sie schließlich unter den Wasserfällen aus Tränen erstarben. Ich schlang meine Arme um mich und schluchzte jämmerlich vor mich hin. Ich spürte eine kurze Berührung seiner Fingerspitzen an meiner Schulter. Dann drehte er sich um und ging, ließ mich endlich allein.

Die Tür des Zimmers öffnete sich, doch ich nahm das Geräusch nur am Rande war.

Dann berührte mich wieder eine sanfte Hand an der Schulter, drehte mich um und schon schlangen sich die warmen Arme meiner Mutter um mich.

„Akina-Schatz“, flüsterte sie mir sacht in mein linkes Ohr. „Ist alles in Ordnung?“

„Nichts ist in Ordnung“, stieß ich wimmernd hervor und kämpfte gegen die Umarmung an. „Überhaupt nichts ist gut! Meine ganze Welt zerfällt vor mir in Trümmern und ich kann nichts dagegen tun!“

Ich riss mich los, setzte mich auf den Rand meines Bettes und vergrub das Gesicht in den Handflächen.

Die Balkontür schloss sich, dann wackelte das Bett kurz, als sich meine Mum neben mich setzte und ihren Arm um meine Taille legte.

Fragend blickte sie mich an, mit Sorgenvollem Blick, doch als sie sprach hörte ich heraus, dass sie keine Antwort forderte, mich einfach nur trösten wollte. „Was ist los, Elfe?“

Ich wollte ihr das nicht erzählen, doch trotz alledem blieb mir keine Wahl.

„Wir sind keine Freunde mehr“, wisperte ich leise in meine Hände. „Er hat Schluss gemacht –

er hat mich nie geliebt und dann macht er Schluss...“

„Sag so was nicht“, säuselte Mum und strich sanft über mein Haar.

„Es ist aber so“, schluchzte ich jetzt lauter. „Es ist so. Er hat mich ausgenutzt, mich und meine gutgläubige Verliebtheit. Ich war nur Teil irgendeiner Wette –„

„Das tut mir Leid, Elfe.“

„Er hat alles kaputt gemacht!“

„Kannst du ihm nicht noch einmal verzeihen?“

Auf einmal wurde ich wieder wütend. „Er hat mich schamlos ausgenutzt Mama! Und hätte ich die Wahrheit nicht zufällig erfahren, hätte er mir das auch niemals erzählt. Nichts wird je wieder wie früher. Es geht einfach nicht. Ich kann ihm nicht wieder verzeihen... Ich kann einfach nicht mehr!“

„Ich wünschte ich könnte dir irgendwie helfen, Schatz...“, flüsterte meine Mum mit beruhigender Stimme.

„Lass mir einfach Zeit, Mum... Ich komm schon drüber hinweg.“

„Wenn du das meinst, muss ich dir das wohl glauben.“ Hoffnungsvoll lächelte sie mich an. „Wenn du mich brauchst, ich bin für dich da.“

„Ich weiß...“

Meine Mum drückte mich noch einmal kurz an sich, dann verließ sich mein Zimmer und ließ mich allein.
 

Es war mitten in der Nacht, als ich gepeinigt von Tränen erwachte, und einfach nicht wieder einschlafen konnte.

Mein Zimmer schien unglaublich beengend zu sein, mit jedem Atemzug hatte ich mehr das Gefühl, dass sich die Wände auf mich zu bewegten und mich erdrücken wollten. Es war viel zu warm hier drin und stickig noch dazu.

Wie sollte man da schlafen?

Ich wusste, dass meine Mum mich höchstwahrscheinlich umbringen würde, wenn sie erfuhr, was ich gerade jetzt plante. Deswegen hatte ich auch nicht vor, ihr jemals davon zu erzählen.

Ich kroch aus dem Bett und zog lange Strümpfe, eine Jeans und meinen dicksten Pulli an. Dann schlüpfte ich in meine Weste und meine Stiefel und öffnete leise die Balkontür. Die kühle Nachtluft des Frühlings blies mir sacht entgegen. Es war keine unangenehme Kälte, nach der schwülen Heizungsluft fand ich die reine Frühlingsluft erfrischend und genoss den sanften Wind, der meine Haare leicht tanzen ließ.

Leise stieg ich die Efeu bewachsene Wendeltreppe hinunter und gelang durch die Gartentür auf den Hof und zur Straße.

Um diese Zeit war weit und breit keiner zu entdecken, selbst auf dem kleinen Spielplatz waren nicht wie gewöhnlich die jugendlichen Randalen, die allzu gern die Schaukeln demolierten. Heute Nacht war es fast schon zu still, aber die klare Luft und die Ruhe um mich herum lichteten meinen Gedankenfluss.

Ich war dankbar für die Stille und diesen Moment allein für mich.

Ich war den Weg oft gegangen und fand auch im Dunkeln problemlos zu meinem Ziel. Nach ein paar Minuten die mir vorgekommen waren wie eine kleine Ewigkeit, sah ich ein schwaches Schimmern hinter den Baumstämmen hervorblitzen. Nach einer weiteren endlosen Minute stand ich vor der Gesteinswand, neben mir wieder der Felsspalt mit dem außergewöhnlichen Leuchten aus dem inneren des Berges. Diesmal konnte ich wieder ein leises Säuseln hören, drei Wörter immer und immer wiederholt. Maèwi, Allèri, Shinju.

Immer noch die gleichen dummen Leute, die versuchten Passanten zu erschrecken, dachte ich mir. Trotzdem hatte ich nicht den Mut die Höhle zu betreten und zu gucken, ob ich recht hatte.

Dann ging ich weiter, ein Stück weit an der Felswand entlang und blieb dann stehen. Das musste die Stelle sein.

Ich machte mich an den Aufstieg, Schritt für Schritt kletterte ich hinauf und platzierte meine Hände und Füße an geeigneten Felsvorsprüngen. Der Stein war kalt und rau, fühlte sich nass an unter meinen Fingern.

Es war nicht schwer für mich den Berg hinaufzuklettern, und so war ich nach wenigen Minuten schon auf der ersten Ebene des Berges. Von hier aus konnte man an einem schmalen Sims entlang der Wand auf einen Weg gelangen, der dorthin führte, wo ich hin wollte.

Ich stand auf einer schmalen natürlichen Gesteinstreppe, als ich auf mein Ziel hinunterblickte. Es war eine kleine Schlucht, von wo aus ein schmaler Bach, wie ein Wasserfall aus dem inneren des Berges hinausstürzte. Ein Felsvorsprung von wo aus, man direkt über eine Wiese bis zu der nächsten Gebirgskette sehen konnte. Für mich war hier ein Ort der Magie, ein unberührter Ort, an dem ich sein konnte wie ich wollte, ohne dass mich jemand störte.

Ich stieg vorsichtig hinab in die Schlucht, ging durch das flache Gras entlang des kleinen Baches zum Felsrand.

Ich wollte nicht mehr schwach sein, nie wieder verletzt werden. Nie wieder ausgenutzt werden von jemandem den ich liebte.

Ich nahm die Saphirkette von meinem Hals, betrachtete den glitzernden Edelstein noch einmal kurz im Licht der Sterne und im Glanz des Mondes. Dann warf ich ihn in die schwarze Nacht, hoffte, nie wieder schwach zu sein.

Ich setzte mich an den Felsrand, betrachtete die weite grüne Wiese, die aussah wie ein Meer aus wellender Schwärze. Dann blickte ich zum Horizont, wo die Berge zackig den Himmel bedrohten, und die Sterne in der Nacht, die tröstlich glitzerten.

Plötzlich lag eine Kälte in der Luft, die vorher nicht da gewesen war. Ich schauderte. Ich wusste nicht warum, aber ich hatte das Gefühl, dass ich in Gefahr war...



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  -Nicky-
2009-01-14T09:28:56+00:00 14.01.2009 10:28
Du beschreibst die Gefühle von Elfe wirklich toll. Das die geschichte gleihc mit so einer tragischen Art anfangen musste, ist schon traurig, aber schön geschrieben. Eigentlich mag ich keine Ich erzählungsgeschichten ^^°
aber ich habe mich durchgebissen, meine kopfschmerzen unterdrückt und auch den rest des kapitels gelesen ^_o_^ (bekomm von ich erzählungen immer kopfschmerzen durch meine frühere schizophrenie)

Jedenfalls was ich sagen wollte *__* du beeschreibst ihre gefühle wirklich toll. ihr spitzname passt gut zu ihr nur kai der schuft, hätte niemals diese verblödete wette eingehen soll. Sie tut mir richtig leid.
was mich aber noch mehr interessiert ist die frage oo was für stimmen hört sie da andauernd, wie ist sie in den anderen stadtteil gelangt? wo kommt die kette genau her ^^
aber ich denk das erfährt man sicherlich alles genauer mit der zeit.
taya ist übrigens meiner ansicht wirklich eine spitzenfreundin ^^ sie kann sich glücklich schätzen so eine gute gefunden zu haben.
Von: abgemeldet
2009-01-04T15:22:25+00:00 04.01.2009 16:22
Dumdidum, die faule Mi schreibt jetzt auch mal endlich Kommis! Aaaalso, den Prolog mag ich, und ich hab das jetzt nochmal brav verglichen und habe herausgefunden, daaaaas *Trommelwirbel*
mir die überarbeitete Version nooooch besser gefällt. Macht Spaß zu lesen!
Von:  Drakana
2008-09-01T16:06:39+00:00 01.09.2008 18:06
Echt geil geschrieben^^
Du kannst saugut mit Stilmitteln und Worten umgehen :)
Macht Spaß das zu lesen, auch wenn´s noch nicht so lang war XD
Werde definitiv weiterlesen ^-^

Bis auf einige Schreibfehler ist mir nichts so aufgefallen x3


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