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A High School Romance

[KaixRei]
von

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Vorwort

Vorwort
 

Der Regen fiel in Strömen auf das viktorianische Gebäude in der Mitte Kyotos. Es war ein Gebäude, dass überhaupt nicht dem japanischen Stil und seinem Wert entsprach, doch genau das war der Grund damals gewesen, warum Edward von Dyek es hatte erbauen lassen. Er wollte ein Stück westliche Kultur in dieses, wie er selbst sagte, verkrampftes Land bringen, dass ihre Schüler in Käfige aus Eisen sperrte.

Das Van Dyek Internat für Hochbegabte war eine Privatschule, wie hätte es auch anders sein sollen? Denn auch wenn ihr Erbauer ein Schöngeist war, so gehörte er zur Elite und war, wie es dem Ruf dieser Klasse entsprach ein arroganter und piekfeiner Mann.

Er errichtete diese Schule nur, um den Kindern von morgen, natürlich waren damit die Kinder der Reichen und Schönen gemeint, einen angenehmen und unkomplizierten Weg in die Zukunft zu schaffen. Die Nachkommen der Unterschicht waren ihm, wie beinah jedem Edelmann, gleichgültig.

So viel zu der Geschichte des Internates, das unter anderem auch >Palast des Wissens< genannt wurde. Bei den Studenten der damaligen Epoche war es eher unter dem Synonym >Kammer der untergehenden Moral< bekannt.

Warum das so war, wird noch erzählt. Allerdings hat dieser Name eine bedrückende Geschichte.

Ihr Ursprung liegt in einer verbotenen Liebe zweier Studenten, die es für unmöglich hielten ihre gemeinsame Liaison ewig geheim zu halten und so die Werte der Schule brachen.

Es ist die Geschichte der Studenten Rei Matsumoto und Kai Shirakawa...

Der Neue

Kapitel I
 

Hart ließ Fakultätslehrer Minagawa den Stock auf den Rücken seines Studenten knallen. Das zerreißende Geräusch hallte in den vier Wänden des Klassenzimmers wider. Der Literaturunterricht war bei den Schülern schon immer gefürchtet gewesen, doch seit das Gerücht umging, dass einer seiner Studenten eine geheime Beziehung zu einem anderen Schüler hegte, ließ Minagawa keine Möglichkeit vergehen, in denen er den betreffenden Schüler öffentlich Bloß stellen konnte. Und nun war es wieder soweit. Wegen einer Lappalie befahl er dem Schüler Koji Sakurazuka sich auf den Boden zu knien und schlug diesen mit dem berüchtigten Stock. Koji hatte zu gehorchen, wollte er auf dem Internat bleiben, für das seine Eltern eine Menge Geld bezahlten. Sein schmerzverzerrtes Gesicht lief langsam rot an, Tränen sammelten sich in seinen Augenwinkeln und ein Rinnsal Blut floss leicht aus seinem Mund. Koji biss die Zähne zusammen, um die immer stärker werdenden Qualen ertragen zu können. Sein Körper erbebte unter den Schlägen, er drohte schon einzusacken, wenn ihn sein Stolz nicht noch auf den Beinen gehalten hätte. Seine Klasse sah stillschweigend zu. Viele hielten ihre Köpfe gesenkt, mieden den Augenkontakt. Sie konnte nichts für ihn tun, so gerne sie es auch getan hätten. Es gehörte zu ihren Pflichten in so einer Situation still Schweigen zu bewahren und dem Schüler nach Beendigung des Unterrichts ihr Mitgefühl zu spenden. Unter den 15 Schülern saß der 17-jährige Rei Matsumoto. Er litt mehr als all seine anderen Mitschüler. Bei jedem Schlag, den Lehrer Minagawa ausführte, kniff er die Augen zusammen. Er hasste Gewalt und musste sie doch beinah täglich auf diesem Internat ertragen. Seine Finger verkrampften sich unbemerkt unter seinem Tisch, zogen gequält am Stoff seiner Uniform. Er und Koji waren gut befreundet, weshalb es ihn besonders traf seinen Freund leiden zu sehen, ohne etwas unternehmen zu können, nein zu dürfen!

Allmählich klangen die Schläge ab. Lehrer Minagawa sah diabolisch zu seinem niederknieenden Studenten und grinste nur noch breiter in sich hinein.

»Ich hoffe du hast deine Lektion gelernt, Sakurazuka.«, sagte er in einem herrischen Ton.

Koji presste die Worte: »Das habe ich, sir« aus seinem geschundenen Körper. Sehnsüchtig wartete er auf den Moment, wo sein Lehrer ihm erlaubte aufzustehen, doch dieser Moment ließ länger auf sich warten, als erhofft. Koji unterdrückte mit aller Kraft seine Tränen. Wenn er jetzt Schwäche zeigte, war alles aus. Minagawa war kein Lehrer, dem man seine Blöße geben sollte.

Er schloss seine Augen, versuchte seine Atmung wieder unter Kontrolle zu kriegen und hoffte, dass die Schmerzen abklingen würden. Es war nicht das erste Mal, dass er von Minagawa geschlagen wurde. Doch zum ersten Mal waren die Schmerzen so unerträglich, dass er glaubte jeden Augenblick in Ohnmacht zu fallen.

»Du weißt, warum ich dich bestrafen musste?«, fragte Minagawa selbstherrlich.

»Ja, sir.«, antwortete Koji schwach. Das Sprechen fiel ihm schwer, es war, als wenn eine riesige Last auf seinen beiden Lungenflügeln lastete.

»Warum hat Sakurazuka die Strafe verdient?« Sein Blick wandte sich der Klasse zu, ging durch die Reihen. Schließlich blieb er bei Rei Matsumoto hängen, von dem er wusste, dass er und Koji Sakurazuka eng befreundet waren. Der Geschlagene riskierte einen kurzen Blick nach oben, als er den Rücken seines Lehrers vor sich spürte und er erstarrte, als er dessen Augen auf Rei ruhen sah.

»Warum meinst du, hat Sakurazuka die Strafe verdient, Matsumoto?«, fragte er den Jungen. Rei sah seinem Lehrer in die Augen, musste schwer schlucken und rang um eine Antwort.

Als Sekunden darauf keine kam, stellte Minagawa sich vor seinen Tisch und ließ den Stock auf diesen peitschen. »Antworte mir!«

Erschrocken fuhr Rei zusammen. »Sakurazuka...hat die Regeln missachtet und Ihnen keinen Respekt entgegen gebracht, sir.«, antwortete er wie auswendig gelernt. Er brachte diese Worte schweren Herzens über die Lippen, weil er wusste, dass sie nicht der Wahrheit entsprachen. Koji war immer und zu allen höflich. Man hatte ihn seit seiner Kindheit gelehrt, dass Respekt das Wichtigste zwischen zwei Menschen war. Niemals würde er sich also jemanden, schon gar nicht einem Lehrer wie Minagawa, respektlos präsentieren.

Außerdem gefiel es ihm gar nicht seinem Freund so in den Rücken zu fallen, indem er das sagte, was sein Lehrer von ihm hören wollte.

Für einen winzigen Augenblick wanderte Reis Blick zu Koji, der sofort vom Lehrer Minagawa aufgeschnappt wurde. »Sieh mich an!«, befahl er und ließ erneut den Stock auf den Tisch knallen. Rei gehorchte.

»Sakurazuka hat keinen Respekt. Er denkt sich, nur weil seine Eltern dieses teure Internat bezahlen, kann er sich benehmen, wie er will!«

Die Klasse lauschte nervös den Worten, während Koji sich wünschte dem Verhassten endlich den Mund stopfen zu können.

»Er glaubt, dass er der Größte sei und das...ihm die Welt zu Füßen liege...ist es nicht so, Matsumoto?«

»Ja, sir.«

»Und wissen sie noch etwas? Sakurazuka ist auch noch der Meinung, dass er unwiderstehlich sei. Oder wie wollen sie sich sonst sein auffällig rebellisches Auftreten erklären? Er stolziert wie ein Hahn durch dieses Internat, so...« Minagawa legte eine bedeutsame Pause ein. »...als, wenn er stolz darauf wäre, seinen Körper zu verkaufen...«

Einige im Raum zuckten bei dieser Anschuldigung zusammen. Unter ihnen auch Rei. Er wusste, dass dies gegen Koji persönlich gerichtet war und nichts mehr mit der Strafe zu tun hatte. Er hoffte, dass Koji die Beherrschung behielt und keine Dummheiten machte. Gleich wie demütigend die Situation auch war, gleich wie viel Scham er im Moment auch verspürte, er musste sich zusammenreißen und abwarten. Minagawa konnte ihn nur so lange diskriminieren, bis die Schulglocke das Ende der Stunde signalisierte. Dann hatte der Spuk in Ende...bis zu seiner nächsten Stunde.

»Du kannst aufstehen, Sakurazuka.« Endlich waren die erlösenden Worte ausgesprochen. Koji mied den Blick zu seinen Kameraden. Sie hätten ihn ohnehin nicht angesehen.

Schnell setzte er sich auf seinen Platz, während Minagawa zurück zu seinem ging und die Hausaufgabe an die Tafel schrieb. Die Studenten nahmen ihre Stifte und begannen die meilenlange Hausaufgabe abzuschreiben. Schon auf den ersten Blick war zu erkennen, dass sie dafür mehrere Stunden brauchen würden und dass es sich wahrscheinlich nicht vermeiden ließ, bis tief in die Nacht zu arbeiten, wollten sie ihre Arbeit pünktlich zur nächsten Literaturstunde vorlegen. Schon bald war der Raum erfüllt vom Kritzeln der Stifte und vom An- und Absetzen der Kreide. Rei sah in einem günstigen Moment zu seinem Freund. Dieser schrieb wie alle anderen auch und versuchte seine Schmerzen hinter einem gleichgültig wirkenden Gesicht zu verstecken. Nach ewig langer Zeit, so schien es, ertönten die Glocken und die Spannung im Raum löste sich. Ein letztes Mal sah Minagawa in seine Klasse und musste hämisch grinsen, als er sah, dass Sakurazuka sich die verwundete Schulter unauffällig hielt.

»Wir sehen uns dann in 2 Tagen und ich rate euch, eure Aufgaben gewissenhaft zu erledigen.«

Dies gesagt verschwand er aus der Tür.
 

Augenblicklich stürmte die Mehrheit der Schüler aus dem Raum, hinaus in die Mittagspause, wechselte kein einziges Wort mit Koji Sakurazuka.

Es waren lediglich drei Studenten, die den Raum nicht verließen, sondern erleichtert aufatmeten und sich zu jenem gesellten.

»Alles klar bei dir?«, fragte Rei als Erster und zögerte seinen Freund zu berühren, aus Angst ihm weh zutun.

»Es geht.«, antwortete dieser, hielt den Blick jedoch gesenkt.

»Heute war er richtig mies gelaunt.«, sagte ein Student mit blondem Haar und auffällig blauen Augen. »Tut es sehr weh? Sollen wir dich vielleicht besser in die Krankenstation bringen?«

»Diese Freude werde ich Minagawa nicht geben. Er wartet doch nur darauf mich schwächeln zu sehen.«, sagte Koji mit einem Brechen in der Stimme. »Nein, darauf kann er lange warten.«

»Das kann so nicht weitergehen, Koji.«, mahnte der Dritte im Bund, dessen dunkles Haar vollkommen zerzaust vom Kopf abstand. »Wir müssen etwas unternehmen.«

»Und was, wenn ich fragen darf?«, reagierte Koji gereizt. Er stützte seinen Kopf matt gegen den kalten Tisch und noch bevor Takao etwas erwidern konnte, nuschelte er die Worte: »Tut mir Leid. Ich wollte dich nicht anschreien.«

»Schon gut.«, entgegnete dieser verständnisvoll. Er war seinem Freund, den er schon über 6 Jahren kannte nicht böse. Er hatte unendlich viel Mitgefühl für ihn.

»Du musst dich ausruhen.«, sagte Rei und bemühte sich, seinem Freund auf die Beine zu helfen. »Wenn du morgen fit sein willst, musst du dich jetzt schonen.«

Zustimmend nickte Koji und legte einen Arm um Rei, damit dieser ihn stützen konnte.

»Es wird wohl die einzige Möglichkeit sein...«
 

Herannahende Schritte ließen die 4 Freunde aufschrecken, doch als sie ein bekanntes Gesicht sahen, dass den Raum betrat, beruhigten sie sich.

Eilig kam der Student auf die 4 zu, sein Gesichtsausdruck verriet, dass er bereits über alles informiert war.

»Ishida hat mir alles erzählt.«, sagte er nur und nahm sofort Koji in die Arme. »Ist alles in Ordnung mit dir?«

Koji lächelte schwach. »Sehe ich wirklich so aus?« Seine Finger krallten sich in den edlen Stoff der Kleidung. »Ich werde es überstehen.«

»Danke, dass ihr euch um ihn gekümmert habt.«, sagte der ältere Student und verbeugte sich höflich.

»Kein Problem.«, antworteten der Blonde und der Zerzauste beinah synchron. »Er ist immerhin unser Freund.«

»Ich denke du solltest dich ein wenig ausruhen.«

Auch dieses Mal nickte Koji, versteckte seinen Kopf in Masatos Halsbeuge.

Der zerbrechlich wirkende Körper des erst 17-jährigen erschien noch schwächer in den Armen des 22-jährigen Masato Kurais. Behutsam hielt dieser ihn fest und wenn man darüber nachdachte, hätte er wahrscheinlich auch keine Probleme gehabt, sich Koji über die Schultern zu werfen.

»So könnt ihr aber nicht aus dem Raum gehen. Zu auffällig.«, warnte der Blonde namens Max, Halbjapaner und Pazifist. »Ihr wollt euch doch nicht auf dem Silbertablett präsentieren, oder?«

»Das ist mir egal.«, sagte Masato und sah mit wehleidigem Blick auf Koji. »Notfalls trage ich ihn hier raus.«

»Schlechte Idee. Ganz schlechte Idee. Du solltest auch an ihn denken.«, tadelte Takao der Zerzauste, ebenfalls Halbjapaner und Patriot, ihn. »Du willst doch nicht, dass Koji noch mehr Ärger bekommt.«

»Er hat Recht.«, stimmte Rei zu. »Ihr solltet vorsichtig sein. Bald wird es nämlich kein Gerücht mehr sein.«

Masato schaute zu Koji, der schon fast in seinen Armen eingenickt war. >Bist du so erschöpft?<, fragte er sich. >Macht es dich so sehr fertig? Ich wünschte ich könnte dir einen Teil der Last abnehmen, die du trägst, Koji...«

»Ihr habt Recht.«, gestand er sich schließlich ein. Er streichelte sanft Kojis Wange, hauchte ihm einen süßen Kuss zu und berührte seine geschlossenen Lider. »Wach auf, Schatz...«, flüsterte er, sodass nur er es hören konnte.

Langsam öffnete jener seine Augen. »Hm...?«

»Wir treffen uns heute Nacht in deinem Zimmer...hörst du?«

»Kannst du nicht bleiben?«, bat Koji eindringlich. »Bitte...«

»Ich kann nicht, tut mir leid.«

Er übergab Koji wieder in die Arme seiner Freunde. Max und Takao stützten ihn so gut es ging, ohne jenem Schmerzen zuzufügen.

»Heute Nacht, vergiss es nicht.«

Dies gesagt wandte er sich an Rei. »Pass bitte bis dahin auf ihn auf, ja? Du bist sein bester Freund.«

Selbstverständlich nickte er. »Das werde ich.«

Masato verschwand genauso schnell wie er gekommen war. Die 4 Freunde sahen ihm noch eine Zeit lang hinterher, bis Max vorschlug den angeschlagenen Koji in sein Zimmer zu bringen. Takao stellte sich bereit, ihm bei diesem Vorhaben zu unterstützen und Rei blieb noch eine Weile im Raum stehen. Er starrte unentwegt auf den leeren Tisch seines Freundes, der ein wohl zu hütendes Geheimnis mit sich trug:. Koji war mit einem 5 Jahre älteren Studenten von Minagawa zusammen.

Beide hatten vor Monaten zusammen gefunden und eigentlich dachten sie ihr gemeinsames Geheimnis ewig hüten zu können. Doch irgendwie war es dann doch ans Licht gekommen. Und nun ging dieses Gerücht im Internat umher. Für beide war es schwer zu ertragen. Sie mussten nun noch vorsichtiger sein als zuvor. Treffen waren unmöglich geworden, wollten sie nicht von der Schule fliegen. Doch das Schlimmste war wohl, dass Masato, Kojis Freund, jederzeit fürchten musste, von Minagawa an seine Eltern verraten zu werden. Das hätte eine Enterbung zur Folge gehabt oder sogar noch Schlimmeres. Masatos Eltern waren in dieser Hinsicht sehr konservativ.

Rei schnappte sich seine Tasche und die von Koji, die die beiden anderen liegen gelassen hatten, trat in den steinernen Flur hinaus und reckte sein Haupt der Sonne entgegen. Sie stand am höchsten Punkt des Tages und ließ ihr grelles Licht auf die aufblühenden Blumen im Garten fallen. Ein angenehmer Luftzug streifte das Gesicht des jungen Chinesen und ließ den beissenden Geruch von Zigaretten in seine Nase steigen. Angewidert von diesem Geruch hielt er sich diese zu und blickte zornig in die Richtung, aus der der Geruch kam.

»Hier ist das Rauchen verboten!«, schrie er den Mann in Militäruniform an, der mit dem Rücken zu ihm stand. Jedoch schien dieser ihn nicht zu hören. Beim genaueren Hinsehen, bemerkte Rei, dass der Fremde zwei Ohrstöpsel in den Ohren hatte und suchend sich nach beiden Seiten umblickte. In der Hand hielt er einen kleinen Zettel, auf dem, wie zu erahnen war, ein kleiner Umriss des Internates Van Dyek, gezeichnet war.

Rei trat höflich an den Fremden heran, musterte dabei seine Militäruniform und stellte fest, dass es eine Deutsche war. Was hatte ein deutscher Soldat in Kyoto zu suchen, noch dazu in so einem Internat? Er tippte an dessen Schulter. »Kann ich ihnen helfen?«

»Ja, ich suche das Büro des Direktors.«, antwortete der Fremde im perfekten japanisch und fixierte Rei mit einem stechenden Blick. Als er sich umdrehte und Rei von den rubinroten Augen erfasst wurde, verschlug es ihm die Sprache. Sein Herz pochte schneller und aus irgendeinem Grund trieb etwas ihm die Schamesröte in sein Gesicht. Nicht fähig dem Fremden eine Antwort zu geben, schloss sich sein Mund. Ihm war nicht bewusst, dass er den jungen Mann anstarrte, worauf dieser einen Schritt auf ihn zuging und mit der Hand vor seinem Gesicht herumwirbelte.

»Hallo?«, fragte er scheinbar belustigt. »Kannst du mir nun sagen, wo das Büro des Direktors ist?«

Nickend zeigte Rei nach Westen. Der Fremde sah in die Richtung, in die sein Zeigefinger deutete und lächelte. »Arigatou.«, sagte er im Gehen.

Perplex sah Rei ihm hinterher. Beschämt über sein unhöfliches Verhalten. Doch er konnte es nicht leugnen. Aus irgendeinem Grund faszinierte ihn dieser Mann. Er spürte wie seine Wangen regelrecht glühten und wie sein Herz in seinem Brustkorb hin und her hüpfte. Etwas war geschehen...irgendetwas, von dem er noch keine Ahnung hatte. Doch gleich, was es war, dieses Gefühl war einzigartig und beflügelnd.

Unsicherheit

Am nächsten Morgen, erwachte der 17-jährige Rei Matsumoto mit einem wohligen Gefühl in der Magengegend. Verschlafen schlug er die hell-blaue Bettdecke beiseite, schob die Vorhänge seines Himmelbettes zur Seite und gähnte genüsslich. Der seidene Stoff seines Nachthemdes kitzelte leicht seine Haut und der frische Luftzug, der durch das geöffnete Fenster drang, brachte den Geruch von Speck und Bohnen mit sich. Auch wenn sie Japan waren, mussten sie in diesem Internat ausländisch essen. Daran hatte Rei sich nie richtig gewöhnen können, auch wenn er schon seit über einem Jahr hier studierte. Für ihn war eine Schale Reis und der dazugehörige Fisch einfach ein Muss. Er reckte seine Gliedmaßen, um die restliche Müdigkeit aus ihnen zu vertreiben und warf einen schnellen Blick auf die Uhr: 5 Uhr 30.

Für seinen Geschmack viel zu früh, doch was sollte man schon machen? Es gehörte zur Etikette so früh aufzustehen, zumindestens in dieser Anstalt. Sein prächtig ausgestattetes Zimmer versprühte einen angenehmen Duft von Blumen und Gras, der große hölzerne Schrank bot genügend Platz für die Kleidung, die man all die Jahre im Internat zu tragen hatte; beispielsweise für wichtige Anlässe wie Bälle, Reden, Besuche von Staatsoberhäuptern oder ähnlichem. Im Großen und Ganzen war Rei mit allem zufrieden. Was hätte er sich mehr wünschen sollen? Er hatte alles, was er brauchte. Das zaghafte Klopfen an seiner Tür veranlasste den jungen Chinesen aufmerksam zu werden. Wer kam ihn zu so früher Stunde besuchen?

»Herein.«, sagte er mit hochgezogenen Augenbrauen. Die verzierte Eichentür öffnete sich langsam und das zarte Gesicht eines Mädchens sah aus dem Türrahmen.

»Guten Morgen, Rei.« Das Mädchen lächlte ihn schüchtern an und ihre Wangen nahmen einen leichten Hauch von Rosé an. »Ich habe eine Nachricht für dich.«

»Ach ja? Komm doch herein.«, bat Rei freundlich. Er kannte das junge Mädchen, wunderte sich aber dennoch, warum sie ihn besuchte. Den weiblichen Studenten war es untersagt die Gemächer der Männer auszusuchen und ein Vergehen wurde hart bestraft. Zudem war das Mädchen, mit Namen Mao, recht schüchtern und zurückhaltend.

Beklommen griff sie in ihre Rocktasche und holte einen kleinen Zettel hervor.

»Die Nachricht ist von Koji Sakurazuka-san.« flüsterte sie und wurde eine Spur röter.

Dankend nahm er den Zettel entgegen. »Warum hat er gerade dich geschickt? Wenn du erwischt wirst, wie du dich im Männertrakt aufhälst, dann kann das ziemlich schwere Folgen für dich haben.«

»Ich weiß, doch...ich hatte mich gerade in der Nähe aufgehalten und daher...«

Das war keine Erklärung für Rei. Warum sollte sie in der Nähe gewesen sein? Der Männer-Bereich war weit von dem der Frauen entfernt. Und das aus einem recht plausiblen Grund.

Doch er beließ es dabei und lächelte sie nur an. »Vielen Dank nochmal, Mao.«

Sie verbeugte sich höflich und trat aus dem Zimmer. Als Rei sich sicher war, dass die Tür fest verschlossen war, begann er den Zettel von Koji zu lesen. Dessen fein geschwungene Schrift war unverkennbar und auch die Art, wie er sich immer formulierte war markant:
 

Wir sind aufgeflogen. Minagawa hat uns erwischt. Es wäre besser, wenn ihr euch von uns nun Fern haltet. Zu eurer eigenen Sicherheit. Wir wissen noch nicht, was auf uns zukommt. Wir müssen auf alles gefasst sein. Es tut uns leid, dass wir euch da hinein gezogen haben.

Versucht nicht uns zu helfen.
 

Ungläubig las Rei die Zeilen immer und immer wieder. Das konnte doch nicht sein.

Aufgeflogen?! Rei überkam das drängende Bedürfnis mit seinem Freund zu sprechen, doch wenn das wahr war, was auf dem Zettel stand ( und das war es mit Sicherheit ), dann war es zu gefährlich. Wieso waren die beiden aufgeflogen? Sie hatten doch immer aufgepasst! IMMER!

Schnell zog er seine Schlafsachen aus, schlüpfte in die Schuluniform und rannte wie bessesen aus dem Zimmer. Sein Ziel war die Unterkunft von Takao, die am anderen Ende des Traktes lag. Auf dem Weg dorthin sah er einige Studenten aufgeregt miteinander tuscheln und einige Male sogar die Namen Sakurazuka und Kurai fallen. Dann wussten sie es also...
 

Am Anfang war es ja nur ein Gerücht gewesen, dass von ein paar unwichtigen Schülern breit getreten wurde. Die anderen Studenten, die dieses Gerücht hörten, hielten es sofort für Unsinn:

Masato Kurai und Koji Sakurazuka?! Schwachsinn! Die beiden, niemals! Außerdem ist Kurai schon mit einer Engländerin verlobt! Es heißt sie werden nach seinem Abschluss heiraten und nach England ziehen!
 

Ja, Masato war wirklich verlobt, doch dass hatte ihn nicht davon abhalten können, sich in einem jüngeren Studenten zu verlieben und mit ihm eine Affäre zu beginnen. Rei hatte es ja selbst kaum glauben können, als sein Freund Koji ihm damals gebeichtet hatte, sich in Kurai verliebt zu haben. Er teilte seine Ängste mit Rei, der wie ein Bruder für ihn war. Nur aus diesem Grund konnte er ihm auch sein Geheimnis anvertrauen. Der junge Chinese hatte die Beziehung der beiden vom Anfang an mit verfolgt, sie durch alle Höhen und Tiefen begleitet, ihnen manchmal ein Alibi verschafft, wenn sie drohten aufzufliegen. Koji und Masato liebten sich wirklich. Ihre Liebe war einzigartig. Die Blicke, die sie sich immer verstohlen zuwarfen, wenn keiner genau hinsah, die flüchtigen Berührungen in den Pausen oder die heimlichen Treffen in der Nacht...all das waren Beweise ihrer tiefen Zuneigung zueinander.

Und nun sollte diese Liebe vorbei sein?! Das wollte und konnte Rei nicht zulassen! Die beiden waren doch füreinander bestimmt!
 

Heftig schlug seine Faust gegen Takaos Zimmertür, die wenig später von einem verschlafenen Inhaber geöffnet wurde. »Was ist denn los?«, fragte er wie in Trance.

»Wir haben ein Problem.«, keuchte Rei und schob sich durch Takao in das Zimmer durch.

»Was?«

»Sie sind aufgeflogen!«

Schlagartig wich die Müdigkeit aus seinen Augen und füllten sich mit dem üblichen Feuer. »Nein... das kann nicht sein!«

»Ist es aber.«

»Woher weißt du das?«

Wie auf Befehl gab Rei ihm den Zettel, den er von Mao bekommen hatte und wartete auf Takaos Reaktion.

>Nein!< »Wie kann das sein? Ich dachte, die beiden passen immer auf?!«

»Das dachte ich auch. Was sollen wir jetzt tun?«

Takaos Stirn legte sich in Falten, sein Blick schweifte nervös umher. »Ich weiß es nicht, doch zuerst sollten wir Max Bescheid geben.« Er hechtete zu seinem Nachttisch, griff in eine der vielen Schubladen, aus der er schließlich ein Mobiltelefon hervorholte. Seine Finger flogen förmlich über die Tasten, als er Max´Nummer wählte und ungeduldig auf dessen Stimme wartete.
 


 

Gemeinsam gingen die Studenten den Flur entlang, auf dem Weg in die große Halle, wo das morgentliche Frühstück stattfand. Mit einem prüfenden Blick sahen sich Rei und Takao um, in der Hoffnung Masato oder Koji zu sehen. Aber keiner von beiden war in der großen Halle.

»Verdammt.«, flüsterte Takao. Es setzte ihm zu machtlos zu sein. Die Nachricht, dass seine beiden Freunde aufgeflogen waren und er ihnen keinen Beistand leisten konnte, war erdrückend.

Was sie im Moment wohl durchmachen mussten? Waren sie beim Direktor? Oder noch schlimmer: bei Minagawa? Er hoffte inständig, dass sie nicht bei Minagawa waren.

Um Himmels willen nur das nicht...!

Nachdem Takao und Rei ihren Kompanen Max über den Stand der Dinge infomiert hatten, waren sie auf die Suche nach den beiden Betreffenden gegangen. Bisher allerdings ohne Erfolg. Sie hatten in ihren Zimmern nachgesehen, im Garten, in den Sporthallen, in der Bibliothek...doch sie waren nirgends zu finden. Die Suche hatte Stunden gedauert, sodass es bereits kurz vor 9 war. In 10 Minuten würde der Unterricht beginnen. »Wo könnten sie noch sein?«

»Bei den Lehrern. Vielleicht sind sie auch schon nach Hause geschickte worden.«

»Bloß nicht!«

»Wir können nichts tun, Takao. Wir...wissen ja noch nicht einmal, wo sich die beiden aufhalten! Wir haben überall gesucht!«

Takao schwieg, stützte sich sein verschwitztes Gesicht an den kühlen Mauern des Flures ab und dachte intensiv nach, was seine nächsten Schritte sein sollten.

»Ich hoffe nur, dass Max mehr Erfolg bei seinen Kontakten hatte...«, kam er zu dem Entschluss. Als er und Rei sich auf den Weg gemacht hatten, war Max zu seinen sogenannten Kontakten gegangen, um mehr über die derzeitige Situation in Erfahrung zu bringen.

Wer das Gerücht verbreitet hatte, wer genau dahinter steckte, welche Personen wieviel wussten und so weiter....

»Max muss einfach herausgefunden haben, was mit den beiden ist, sonst...« Er wagte es nicht, den Satz zu vollenden.

»Es bringt nichts, ratlos in der Gegend rumzustehen. Wir müssen zum Unterricht, sonst bekommen wir Arrest.«

»Unterricht! Wie kannst du jetzt noch an Unterricht denken.«

»Eigentlich gar nicht! Doch wir können den beiden erst recht nicht helfen, wenn wir beide unter Arrest stehen.«

Das sah Takao ein und seine Miene beruhigte sich wieder. »Du hast Recht...tut mir leid.«

Mühsam liefen sie um Raum, in dem sie Geschichte hatten und setzten sich schnell auf ihre Plätze. Gerade noch rechtzeitig, da im nächsten Moment der Professor eintrat und die Anwesenheit seiner Studenten prüfte. Als er die Namen von Takao und Rei aufrief, dankte Erstgenannter seinem Freund innerlich ihn zum Unterricht geschleppt zu haben. Doch als Professor Kageyama den Namen ihres blonden Freundes nannte und sich dieser nicht meldete, überkam beide ein ungutes Gefühl. Wo Max wohl war?

»Nun gut. Mizuhara scheint der Einzige zu sein, der fehlt. Weiß einer vielleicht, wo er ist?«, fragte Kageyama im strengen Ton.

Als niemand ihm antwortete, schrieb er dessen Namen in sein Buch und setzte seinen Unterricht unbekümmert fort. »Wo waren wir das letzte Mal stehen geblieben?«

Eine Hand voll meldete sich. Es waren immer dieselben und das langweilte den 56-jährigen Professor. Sein Blick ging durch die Reihen, prüfte, ob jemand anderes seine Frage beantworten konnte und erwählte schließlich Rei Matsumoto. Um sich sein Desinteresse nicht anmerken zu lassen, richtete er seine Augen direkt auf Kageyama und nannte ihm das letzte Thema. Zufrieden nickte der Professor. »Ganz genau. Melden Sie sich doch bitte, wenn sie die Antwort wissen, Matsumoto.«

»Ja, Professor.«, entgegnete Rei und nahm sich den Rest der Stunde vor, schon aus Trotz, sich nicht mehr zu melden.

»Der 2.Weltkrieg ist ein sehr umfangreiches Thema. Angefangen bei Adolf Hitler, bis hin zum Holocaust und den Konzentrationslagern. Wir werden heute zu den Anfängen des Nationalisozialismus gehen. Wer weiß, wo das war?«
 

In genau diesem Moment ging die Tür auf. Der Professor mochte keine Unterbrechungen während seines Unterrichts und setzte gleich eines seiner grießgrämigsten Gesichter auf. »Wer stört?« Das noch nichteinmal die jeweilgen Personen vorher angeklopft hatten, bevor sie die Tür öffneten, rechnete er ihnen als äußerste Unhöflichkeit an.

Herein traten zwei Studenten. Der eine war der Klasse nicht unbekannt, der andere hingegen, zog augenblicklich alle Blicke auf sich. Rei erstarrte, als er das neue Gesicht sah. Es war der deutsche Soldat von gestern! Seine Kinnladen fuhren hinunter.

>Was macht der denn hier?!<
 

»Verzeihen sie die Unterbrechung, Professor.«, entschuldigte sich Max und verbeugte sich vorschriftsgemäß. »Ich habe einem neuen Schüler von Ihnen den Weg in das Klassenzimmer zeigen müssen.« Der neue Student trug seine Uniform in einem eher lässigen Stil und hatte es anscheinend für nicht nötig gehalten, sich seine Krawatte zuende zu binden. Zudem war der Blick, mit dem er den Professor ansah, alles andere als freundlich. Wohl eher gelangweilt, wenn nicht gerade müde. »Und wie ist dein Name?«

»Kai Shirakawa.«

»Woher kommst du, wenn ich fragen darf?«

»Aus meinem Zimmer.«
 

Diese unangebrachte Antwort ließ einen Teil der Klasse leise auflachen, den anderen jedoch erstarren. Professor Kageyama zumindestens schien alles andere als belustigt über diese banale Bemerkung zu sein. »Halten wir uns für witzig, mein Junge?«

»Nein, Professor. Und bitte nennen Sie mich nicht: Mein Junge.«

Ein leises Kichern und Raunen ging durch die Klasse. »Ruhe!«, ordnete Kagayama an.

»Ich bin gestern aus Deutschland hier eingetroffen, wenn Sie das wissen wollten.«

»Soso...ein Deutscher, also? Passt ja hervorragend zu unserem derzeitigen Thema...«, merkte der Professor abfällig an.

»Da muss ich sie enttäuschen. Ich bin Halbjapaner und wurde in Russland geboren.«

Erstaunen ging durch die Reihen. Dieser Shirakawa war unverschämt und dreist. Dass man sich so einem Lehrer präsentiert hatte, war den Studenten bis dahin neu gewesen. Sie hatten sich immer respektvoll verhalten.

»Und was führt dich nach Japan?«

»Meine Mutter. Sie hielt es für das Beste mich in ein Internat zu stecken, damit ich sie mit ihren Liebhabern nicht stören kann.«

Kageyama schwieg. Das Gespräch mit diesem Schüler setzte ihm deutlich zu. Er war es nicht gewohnt, dass man ihm so respektlos gegenüber trat. »Setz dich einfach...«, sagte er, musterte den Schüler namens Shirakawa argwöhnisch.
 

Der Schüler tat wie ihm geheißen. Auf dem kurzen Weg zu seinem Platz erhaschten seine Augen, das Gesicht des Jungen, der ihm gestern noch so “freundlich” den Weg erklärt hatte. Ein leichtes Schmunzeln huschte über Kais Lippen, das den schüchternen Rei in Verlegenheit versetzte. Schnell wandte er seinen Blick von ihm ab und sah zu Max. In der Hoffnung, dass er ihm durch einen Blick verraten konnte, ob er irgendwelche Informationen herausfinden konnte, flehten Reis Augen um Aufklärung. Aber Max schüttelte nur den Kopf.

>Nichts...das kann doch nicht sein!<, dachte er sich benommen. > Wie kann niemand etwas wissen, wenn sie sich doch schon hinter unserem Rücken alle das Maul über Koji und Masato zerreißen?<
 

Man hört nur kurz wie Kai seine Tasche auf den Tisch fallen ließ und wie er den Stuhl an den Tisch rückte, als er sich hingesetzt hatte. Sein Interesse für deutsche Geschichte war sehr gering. Merken konnte man das daran, dass sich seine Miene immer mehr in die Länge zog, ein Ausdruck absoluter Desinteresse inne lag und daran, dass sein Gähnen des Öfteren die hinteren Sitzbänke amüsierte. Rei versuchte einige Male unbemerkt nach hinten zu schauen. Seine Neugier gewann oft die Überhand und auch Takao und Max schienen an dem Neuling interessiert zu sein.
 

Als das Klingeln die Stunde beendete, sah der Lehrer gereizt zu jenem, doch verschwand so schnell, dass man denken konnte, das ihn das alles nicht berührte. Unruhiges Gemurmel entstand um den Neuen. Einige fragten ihn woher er kam und was er hier zu suchen hatte, aber er schien nicht daran interessiert zu sein, ihnen eine Antwort zu geben. Wortlos packte Kai seine Sachen in die Tasche und verschwand aus dem Raum. Rei, fasziniert und verblüfft hing dem Gedanken hinterher, diesem nachzulaufen, bis Max vor seinem Tisch stand und traurig den Kopf schüttelte.

»Keiner weiß, wo er sein könnte.«, sagte der Halb-Japaner und schloss demütig die Augen. »Wirklich keiner. Es ist, als wäre er vom Erdboden verschwunden.«

»Das kann doch gar nicht sein. Er kann...er ist...« Aber Rei fehlten die Worte. Hin und Her gerissen zwischen dem Verschwinden seines Freundes und dem Auftauchen eines merkwürdigen neuen Mitschülers, stand er nun vor der Wahl welchem von beiden er mehr Aufmerksamkeit schenken sollte.

»Was sollen wir nun tun, Rei?«, fragte Takao, der ebenso ratlos dreinblickte wie seine Freunde. »Sollen wir...die Lehrer fragen?«

»Nein. Zu auffällig. Sie würden uns ohnehin nicht die Wahrheit sagen, wenn sie die Wahrheit wissen.«, entgegnete Rei und griff sich seine Tasche. Gemeinsam mit seinen Freunden verließ er den Raum. Alle hatten den Blick gesenkt und waren verzweifelt. Was konnten sie nur tun, um Koji zu helfen? Was, nur...?
 

Es war eher zufällig, als Max aufsah, seine Augen über den Flur wanderten und dort einen Mann sahen. Gutaussehend. Schlank. Muskulös und vertraut.

»Masato?« Max stupste sofort seinen Freund an. Geschockt aber auch erleichtert, dass sie wenigsten einen ihrer Freunde gefunden hatten. »Sieh mal! Da ist Masato!«

Augenblicklich sahen sie auf. Sahen, dass dieser sich mit einem anderem Schüler unterhielt, aber was das wichtigste war: Sie sahen, dass er anders als sonst, traurig, niedergeschlagen und verflucht unglücklich aussah. Seine Augen, sonst strahlend, waren glanzlos. Sie sahen apathisch auf den Boden, während sein Gesprächspartner leise auf ihn einredete. Aber Masato schien nicht wirklich zuzuhören. Ab und zu nickte er.

Masatos Gegenüber war überraschenderweise....der Neue. Doch was hatte dieser mit einem Studenten höheren Jahrgangs zu schaffen? Wie kam es, dass ein vollkommen Neuer sich mit einem beliebten und angesehenem Studenten dieses Internats unterhielt, obwohl sie sich noch nicht einmal kennen dürften. Sowohl Rei als auch Takao sahen sich nervös an. »Ich wusste nicht, dass sie sich kennen.«

Kai sah zu Masato, wirkte ein wenig angespannt und erschöpft. Wenige Minuten zuvor war von alledem nichts zu erkennen gewesen. Er schien seine Sorgen gut verbergen zu können.
 

»Und du weißt nicht, was passiert sein könnte?«

»Nein.«

»Auch nicht, warum er sich auf einmal so verhält?«

»Nein.«

»Kannst du dir irgendwie erklären, dass er dich meidet?«

»Nein.«

Kai seufzte, lehnte sich gegen den kalten Stein des Gemäuers. »Willst du überhaupt, dass man dir hilft?«

»Nein. Man kann mir nicht helfen.«

»Verstehe. Aber du willst, dass er zu dir zurückkommt, oder?«

»Ja...das will ich.« Masato sah auf, sah in Kais rote, durchdringende Augen, die ihn zu durchschauen schienen. Augen, die niemals traurig waren. Augen, die so anders als die Kojis waren.

»Ich will ihn wiederhaben. Koste es, was es wolle.«

»Du weißt schon, dass man dich vom Internat schmeißen könnte, wenn man erfährt, dass du schwul bist und mit einem Jüngeren auf dieser Schule schläfst...«

»Ich bin mir dessen bewusst.«

»Und dennoch willst du es wagen?«

»Ja. Denn das ist Liebe.«

»Liebe...warum willst du so viel wagen? Wie er scheint, bedeutest du ihm nicht so viel, wie er dir.«

»Das ist mir egal. Er bedeutet mir mein Leben. Und das will ich nicht so ohne weiteres aufgeben.«

»Wenn das deine Entscheidung sein sollte, dann kannst du dir sicher sein, dass ich dir helfe.«

Entschlossen klopfte er dem Älteren auf die Schulter. »Auch, wenn das zuerst nicht meine Absicht war...«

»Trotzdem danke. Ich weiß deine Hilfe zu schätzen.«

Masato blickte auf, atmete tief ein und aus. Tiefe Augenringe zeichneten sich auf seinem Gesicht ab. Spuren des Leidens und der Unvernunft. Koji hatte mit ihm Schluss gemacht.
 

»Ich liebe dich nicht mehr. Es ist aus und vorbei. Es ist einfach das beste für uns beide. Wenn wir unser Spiel noch weitertreiben würden, wer weiß, was noch passiert.« Diese Worte waren so herzzerreissend gewesen, so demütigend und gelogen.

»Was soll das , Koji?«, hatte Masato gefragt. »Ich kenne dich schon so lange. Ich weiß, dass du lügst! Aber warum? Nenn mir den Grund!«

»Ich habe dir bereits einen Grund genannt. Ich sagte, dass ich dich nicht liebe.«

»Das stimmt nicht!«
 

Und wenn doch? Was, wenn es doch die Wahrheit gewesen war? Was, wenn es für ihn alles nur ein kleines Spiel gewesen war. Ein Zeitvertreib?
 

Kai schloss den Älteren in eine freundschaftliche Umarmung, während seine Augen zu Rei sahen. Durchdringend und wunderschön.

Rei zuckte zusammen, als er ihm begegnete. Ein eiskalter Schauer durchfuhr ihn. Und als er ihn so sah...Masato im Arm haltend, da überkam ihn auch ein Gefühl....der Eifersucht.

Unerwartete Hilfe

Es war ein merkwürdiges Gefühl, als er aufstand, sich über die Lippen leckte und mich mit seinen stechenden Augen ansah. Ich konnte den ganzen Hass und die Abscheu in ihnen für mich sehen; ich sah, dass er mich verachtete und erkannte, dass alles nur ein Spiel gewesen war. Ein Spiel, bei dem ich niemals gewinnen konnte. Er stand auf, sah kurz aus dem Fenster und lächelte. Auch ich erhob mich langsam, zog die Decke bis zu meiner Brust und wagte es nicht aufzusehen. Scham überkam mich. Die letzten Minuten zogen ein weiteres, demütigendes Mal durch meinen Kopf: Die heißen Küsse, die wilden Augen und die rhythmischen Bewegungen unserer Körper...ich wollte vergessen. Ihn und alles andere. Doch ich war dazu verdammt ihm willig zu sein....
 

Rei und die Anderen gingen auf Masato zu, der sich noch immer mit dem geheimnisvollen Neuen ernst unterhielt. Sie wussten zwar nicht, was sie genau sagen wollten, doch das war ihnen im Moment allen gleich, da die Neugier viel zu groß war.

»Ihr kennt euch, Masato?«, fragte Takao einfach frei heraus. Zuerst verdutzt sah Masato dem Jüngeren entgegen, als Kai für ihn wie selbstverständlich antwortete.

»Ja, tun wir.«, sagte er kühl, schenkte Takao aber keinerlei Aufmerksamkeit. »Und ihr ihn anscheinend auch?«

»Masato ist ein enger Freund von uns.«, entgegnete Max freundlich. »Wir wussten nicht, das du als Neugling schon so gute Kontakte hast.«

»Nun..wir kennen uns noch nicht lange...«

»Kai hat sich bereit erklärt mir zu helfen.«, sagte Masato nun ein wenig anwesender.

»Helfen? Wobei?« Rei versuchte möglichst normal in Anwesenheit Kais zu wirken. Ihm waren diese Gefühle, die plötzlich aufgetaucht waren, noch sehr fremd und teils auch unheimlich, aber er wusste instinktiv, dass es Gefühle waren, die man vor anderen lieber geheim halten sollte.

»Kai wird mir dabei helfen Koji wieder zurückzuholen.«

Erstaunt sahen die Freunde sofort zum Genannten. »Er weiß davon?«

»Ja.«, war Masatos knappe Antwort. »Aber macht euch keine Sorgen. Er wird nichts verraten. Man kann ihm vertrauen.«

»Das sagst du so einfach. Ihr kennt euch doch kaum.«, protestierte Max und versuchte dabei den höflichen Ton beizubehalten. »Tut mir Leid, wenn ich das nun sagen muss, aber das ist zu riskant. Du kannst nicht jedem x-beliebigen Studenten dein Geheimniss anvertrauen.«

»Ich bin nicht irgendwer, okay?«, reagierte Kai äußerst gereizt und stellte sich gefährlich drohend vor den Blonden. »Ihr könnt mir vertrauen.«

»Das sagst du!« Max schien immer noch nicht überzeugt zu sein. Ganz anders als Rei und Takao. »Nun ist es eh egal. Er weiß Bescheid und wenn er uns versichert, dass er nichts verrät, dann bleibt uns nichts weiter übrig, als darauf zu vertrauen.«

»Ich bin derselben Meinung. Komm schon, Max. Er sieht nicht wie jemand aus, der intolerant ist.«

»Du kannst doch nicht nur vom Äußeren ausgehen!« Das blonde Haar des Halbjapaners sträubte sich bei solchen Einstellungen, doch als er in die Augen seines Freundes Takaos sah, wusste er, dass es keinen Sinn hatte und dass er sich ergeben musste.

»Es wird schon nichts schlimmes passieren. Ich habe ein ganz gutes Gefühl.«

Max erlag immer diesem charmanten Lächeln seines jahrelangen Gefährten. »Wenn du meinst.«, seufzte er resignierend.

Takao und Rei, die von ihrer kleinen Schwäche ihres Freundes wussten, grinsten einstimmend einander zu.
 

»Da wir das nun geklärt hätten, würde ich euch gerne mal was fragen.«, merkte Kai an, der sich ein wenig verlegen aussehend am Hinterkopf kratzte. »Kann es sein, dass man mich...wie soll ich sagen? Beobachtet?«

Als die Freunde sich umsahen, erkannten sie, dass die umhergehenden Studenten ihre Blicke alle auf den Neuen und den kleinen Kreis, in dem er stand, starrten. Einige sahen froh aus, andere hingegen misstrauisch. Rei sah, dass viele aus dieser gaffenden Meute aus dem letzten Kurs stammten und wusste sofort die Situation einzuschätzen.

»Du hast mächtig Eindruck bei ihnen geschunden, als du dich dem Lehrer entgegengestellt hast.«

»Was meinst du damit?«

»Du warst unseren Lehrer gegenüber ziemlich respektlos.«

»Kann ich doch nichts dafür, wenn er so selten dämmliche Fragen stellt.«

»Das ist doch kein Grund...«

»Und wenn schon. Da wo ich herkomme, ist das nun mal so...«

Der Neue war lässig, anders als die meisten spießigen Studenten und vor allem erfrischend. Seine unkonventionelle Art brachte Rei zum Lachen und auch die Anderen waren sofort in seinen Bann gezogen.

»Du bist echt seltsam...«, kommentierte Takao und grinste den Neuen frech an. »Das ist mal was Neues.«

»Ach ja? Freut mich....« Doch Kai schien nicht so begeistert zu sein. Seine Aufmerksamkeit schien einzig und allein Rei zu gelten, der immer darauf bedacht war, dem Neuen nicht aufzufallen.

»Ihr seid also gute Freunde von ihm. Deshalb will ich euch ehrlich sagen, dass es sehr unwahrscheinlich ist, dass wir Koji dazu bringen können, seine Maske fallen zu lassen.«

»Maske?«, fragte Rei, sah dabei aber zu Masato. »Was soll das heißen?«

»Koji und Masato sind doch schon seit geraumer Zeit zusammen. Und soweit ich weiß, war die Beziehung immer gut und harmonisch, bis vor kurzem, oder?«

»Das ist richtig.«, bestätigte Takao.

»Es ist doch sehr auffällig, dass Koji genau jetzt Schluss macht. Vor allem mit der merkwürdigen Erklärung: >Weil ich dich nicht mehr liebe.< .«

»Das hat Koji gesagt?«, platzte es aus Rei heraus. »Das kann ich nicht glauben. Koji würde soetwas doch niemals sagen!«

»Das habe ich auch gedacht, Rei...das habe ich auch gedacht.«, flüsterte Masato und lehnte sich wieder an die Mauer. »Aber er hat es gesagt.«

»Und glaubst du, dass es sein Ernst war?«
 

»Nein....«
 

In seinen Erinnerungen schwebte Kojis blasser Gesichtsausdruck; wie seine schmalen Lippen schrecklich zitterten und wie seine Augen glasig in seine blickten. Der hoffnungslose Versuch stark und überzeugend zu wirken, während er die Worte, die alles zunichte machten, aussprach.

Masato sah, wie sein Liebster unter der Last der Lüge beinah zusammenbrach und wie sich seine Augen mit Tränen füllten. Es war eine Lüge gewesen! Eine hässliche Lüge, mit der er eine schöne Beziehung zerstört hatte.
 

»Wie ich dir bereits gesagt hatte, Masato. Koji wird seine Gründe gehabt haben, dich so sehr anzulügen. Auch wenn ich ihn und dich kaum kenne, kenne ich die menschliche Psyche. Niemand gibt so leicht etwas auf, was ihm am Herzen liegt. Niemand.«

»Ich hoffe, dass du Recht hast.«

»Wenn ich mich nicht täusche, hat ein gewisser Minagawa deinen Freund schon länger im Auge gehabt, oder?«

»Ja. Minagawa ist der entscheidende Punkt. Ich bin mir sicher, dass er etwas mit Kojis Verhalten zu tun hat. Ganz sicher.«

»Nun...wenn das so ist, dann bleibt uns nichts anderes übrig, als ihn zu fragen.«

»Wen?«, fragten Max und Takao synchron. »Doch nicht etwa Minagawa?!«

»Natürlich.«

»Bist du irre? Das ist nicht dein Ernst, oder?«

»Natürlich ist es das. Wenn es jemanden gibt, der es weiß, dann euer komischer Lehrer.«

»Das können wir nicht machen.«, mischte sich Masato ein und legte eine Hand auf Kais Schulter. »Es ist eine ganz schlechte Idee. Falls wir falsch liegen und er gar nichts mit der Sache zu tun hat, dann geben wir ja offen zu, dass ich eine Affäre mit einem jüngeren Studenten habe.«

»Und was willst du sonst tun?«

»Ich...will noch einmal mit Koji reden.«

»Und du glaubst, dass dies etwas bringen wird?«

»Wer weiß...vielleicht.«

Rei ging die wenigen Schritte auf Masato zu, versuchte in seine dunklen Augen zu sehen und zu deuten, was in ihm vorging. »Lass mich mit Koji reden. Er und ich sind gut befreundet...«

»Du meinst, dass er dein bester Freund ist...«, korrigierte Masato ihn freundlich.

Als Antwort lächelte Rei sein unschuldiges Engelslächeln. »Ja...mein bester Freund. Ich kenne ihn besser als manch anderer und ich weiß auch, dass seine Gefühle für dich, stärker sind, als du dir vielleicht vorstellen kannst.«

»Und dennoch hat er Schluss gemacht...«, seufzte Masato. Minute für Minute schienen seine Kräfte zu schwinden. Sein Gesicht wirkte leichenblass und die strengen Züge, die sonst um seine Augen schwebten, waren verschwunden.

»Ich bin der festen Überzeugung, dass Koji dich immer noch liebt, auch wenn er sich von dir getrennt hat. Ich...kenne seine Gefühle für dich. Seit er mir damals erzählt hat, dass er sich in dich verliebt hatte, habe ich jetzt schon das Auf und Ab eurer Beziehung miterlebt. Ich kenne Koji besser als er sich selbst. Bitte, Glaube mir...er liebt dich. Und es gibt einen Grund, warum er dich so verletzt hat.«

Etwas Hoffnung flackerte in Masatos Augen auf, die Überzeugung, die aus Reis Worten sprach, veranlasste ihn dazu mehr Mut und Vertrauen zu schöpfen. »Vielleicht hast du Recht...«
 

»Ich glaube dein Freund hat Recht, Masato.«, mischte sich nun wieder Kai ein und trat an dessen Seite. »Wenn er sein bester Freund ist, dann wird er schon wissen, wovon er redet.«

»Ich hoffe, dass es stimmt...«, nuschelte Masato und nahm seine Tasche vom Boden. Er sah auf die Uhr und seufzte. »Ich muss gehen. Der Unterricht beginnt. Und ich will Minagawa keinen Grund geben mich rauszuwerfen.«

Rei und Max sahen einander an und Takao tauschte einen Blick mit Kai aus. »Wir müssen auch gehen.«, sagte Zuletztgenannter. »Auch wir haben Unterricht. Es ist besser, wenn wir uns unauffällig verhalten und die Anderen nicht merken lassen, dass wir etwas mit der Sache zu tun haben.«

»Das wird das Beste sein.«, bestätigte Max und machte sich mit Takao auf in den entgegengesetzten Korridor, der in die Gärten und zum Biologie-raum führte. »Wir müssen zu den naturwissenschaftlichen Räumen. Man sieht sich später, Rei.«

»Man sieht sich.«, verabschiedete sich dieser und sah zu, wie seine Freunde, einer nach dem anderen wegging, bis nur noch er und Kai zurückblieben. »Und was hast du jetzt?«, fragte er ihn und mied es wie immer seinem Blick zu begegnen.«

»Kann ich dich mal was fragen, Rei?«, konterte Kai in einem ungewohnten vertrauten Ton. Der Schüler setzte eine genervte Miene auf und drängte den chinesischen Studenten and die Wand. »Warum...«, fing er an. »Warum meidest du immer meinen Blick?«

Er stützte sich mit beiden Armen links und rechts von Rei ab, zwang ihn dazu in seine strengen Augen zu sehen und verhinderte sein Entkommen. »Was soll das?«, fügte er noch hinzu.

Überrascht weiteten sich Reis Augen. Durch den rauen Stoff seiner Schuluniform konnte er Kais warmen Körper und die sehningen Muskeln spüren. Augenblicklich blieb ihm der Mund offen stehen und kleine Schweißperlen bildeten sich auf seiner Haut. »Ich weiß nicht, was du meinst...«, stotterte er verlegen und sah sofort zu Boden.

Doch Kai gefiel diese Art von Schüchternheit nicht und zog sein Gesicht grob an seines. »Was soll ich davon halten?«

Ungewollt lief Rei bei dieser Berührung rot an. Er konnte hören, wie sein Herz ihm bis zur Brust schlug und ihn seine Kräfte allmählich versagten. »Lass mich los...«, flüsterte er hilflos.

»Erst wenn du mir sagst, warum du dich in meiner Gegenwart immer so merkwürdig aufführst.«

Erschrocken darüber, dass jener sein keusches Verhalten deuten konnte, presste er schnell die Lippen zusammen. Dort stand er nun, an die Wand gedrängt von einem neuen Studenten, der die sinnlichsten Gefühle in ihm aufkommen ließ und an den er die ganze Zeit denken musste, obwohl ihm der Grund dafür selbst unklar blieb.

»Kann es sein, dass ich dich nervös mache?«, fragte Kai und sah ihn noch eindringlicher an.

»Lass mich los. Die anderen...«

»Welche anderen?«

Eigentlich hatte Rei gedacht, dass sich noch weitere Schüler auf dem großen Korridor befanden, aber als er sich umsah, war alles leergefegt. »Wir kommen zu spät zum Unttericht...«, setzte Rei etwas hektischer fort. »Jetzt lass mich schon los. Wenn man uns so sieht, dann...«

»...könnte man denken, wir beide hätten was miteinander?«, vollendete Kai seinen Satz und musste grinsen. »Lass es sie doch denken. Was ist schon dabei?«

»Was meinst du? Soll das etwa heißen, dass du auch...«

»..schwul? Nein. Da muss ich dich enttäuschen.«

»Enttäuschen? Wie...wieso?«

»Bist du denn nicht schwul?«, merkte Kai an und trat einen Schritt zurück, behielt seinen Gegenüber aber immer noch im Auge.

»Nein! Wie...wie kommst du darauf?« Rei fühlte sich ein wenig durchschaut, auch wenn er der festen Überzeugung war, nicht auf das gleiche Geschlecht zu stehen.

»Du scheinst viel Verständnis für Koji und Masato zu haben. Außerdem ist es merkwürdig, wie du immer versuchst, dich in meiner Gegenwart unscheinbar zu machen.«

»Das...das stimmt nicht!«, wehrte Rei ab, sah aber wieder zu Boden.

»Siehst du? Du tust es schon wieder! Warum kannst du mir nicht in die Augen sehen?«

»Ich...ich weiß es nicht.« Langsam rutschte Rei an der Mauer entlang. Seine Augen hafteten auf dem grauen Gestein und machten auch keinen Anschein wieder nach oben zu schauen. »Ich weiß nicht, warum ich das mache....aber....«

»Aber?« Kai kniete sich neben ihn und lauschte gespannt seinen Worten.

»Aber ich habe jedes Mal das Gefühl, dass du in mich hineinsehen könntest, wenn ich dich...ansehe.« Nun war es gesagt. Auch wenn er Kai erst seit sehr kurzer Zeit kannte und ihn noch nicht einmal einen Bekannten bezeichnen konnte, so fühlte er sich doch angenehm zu dieser Person hingezogen. Rei wusste selbst nicht, seine Gefühle zu deuten. Aber vor allem schockte es ihn, dass es ein Mann war, auf den er so sensibel reagierte. Warum gerade ein Mann? Und warum gerade Kai?
 

»Fühlst du dich unsicher?«

»Ja. Ein wenig.« Man merkte, wie Rei sich schämte und wie unangenehm ihm die Blicke des Mannes waren. Hilfesuchend versteckte er seine Hände in den Taschen und hoffte, dass der Moment endlich verflog.

»Wenn das so ist....«, seufzte Kai und stand auf. »Dann entschuldige ich mich für mein Verhalten.«

»Hä?« Rei sah nach oben und erschrak kurz, als Kai seine Hand nach ihm ausstreckte und ihm aufhelfen wollte.

»Aber ich dachte, dass du auf mich steheh würdest....und ich wollte nicht, dass du dir unnötig Hoffnungen machst.«

»Achso...«, nuschelte er verlegen und ergriff seine Hand. »Das...kann ich natürlich verstehen...«

Aufeinmal grinste Kai und es war ein Grinsen, dass Rei noch nie zuvor an ihm gesehen hatte. Es war ein zufriedenes und glückliches Grinsen, welches Rei die Knie weich machte.

»Es tut mir Leid, falls ich dir Angst eingejagt haben sollte. Ich kann manchmal ein wenig schroff und unhöflich sein...«

»Nein...es ist schon in Ordnung.« , sagte Rei und verlor sich in Kais Augen, die sehr freundlich und warm wirkten. Anders als die Augen, in die er sich das erste Mal verliebt hatte.

»Aber ich wollte nun mal nicht, dass Missverständnisse entstehen...«

»Ja...«
 

Rei wusste nicht, ob er sich freuen sollte, dass Kai aufeinmal so nett und vertraut mit ihm umging oder ob er traurig sein sollte, weil er ihm gerade klar gemacht hatte, dass er keine Chance bei ihm hatte, solange er ein Kerl war. Kai zog ihn am Ärmel und ging mit ihm den langen Korridor entlang. »Wir müssen los. Unterricht wartet.«, grinste Kai und schleifte ihn mit sich.

Er bemerkte nicht, wie Rei seinen Worten schon lange nicht mehr lauschte und wie er seinen Gedanken nachhing.

>Aber ich wollte nun mal nicht, dass Missverständnisse entstehen...<, erinnerte er sich zurück.

Aufeinmal klang Kais Stimme gar nicht mehr lieblich, sondern zerstörerisch und wirkte wie ein Orkan, der über ihn und sein Herz fegte; alles mit sich riss und nichts als eine Wüste hinterließ.
 

...
 

>Aber ich wollte nun mal nicht, dass Missverständnisse entstehen...<



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Kommentare zu dieser Fanfic (5)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Roset
2008-09-20T17:02:18+00:00 20.09.2008 19:02
der anfang ist super,mach bitte schnell weiter bin schon ganz gespannt wie es weiter geht mit kai und ray,also freue mich schon auf das nächste kappi^^
Von: abgemeldet
2008-08-14T18:35:28+00:00 14.08.2008 20:35
das kapitel wahr auch schon
kreig ich ein ENS wen das nexte kapitel kommt
das wäre nett^_______^
Von: abgemeldet
2008-08-14T18:34:27+00:00 14.08.2008 20:34
ich finde den anfang echt gut mach weiter so^____^
Von: abgemeldet
2008-07-26T13:36:51+00:00 26.07.2008 15:36
mir hat es gefallen
mach weiter so^^
Von: abgemeldet
2008-07-26T13:23:50+00:00 26.07.2008 15:23
wieso haben kai und rei adere nachnamen
sons ist mir nichts komische aufgefallen



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