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Western Spirits

von

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In the Air tonight

In the Air tonight
 

Eagle hatte diese Spannung so weit aufgeschoben, wie es ihm möglich gewesen war. Doch jetzt musste er handeln, ehe sich alles in einem Kollaps entlud und noch mehr Unheil über die brachte, die es betraf. Er kannte Rechte und Pflichten und war stets darauf bedacht, dass er sie selbst ebenso einhielt, wie er es von seinen Untergebenen auch erwartete. Mit gutem Beispiel voran zu gehen, empfand er als wichtig, wenn er bestimmte Anforderungen an seine Mitarbeiter stellte. Folglich musste er nun auch diesem Prinzip gerecht werden. Aber es war ihm nicht leicht. Er seufzte tief und eiste seinen Blick von der Stadt los. Langsam, ja widerstrebend, ging er zum Schreibtisch und nahm Platz. Bald mussten sie hier sein. Er fürchtete den Augenblick beinahe und doch wollte er sich ihm stellen. Seine Geradlinigkeit konnte er nicht ablegen und er hatte eine Pflicht dem Neuen Grenzland gegenüber.
 

Colt und Fireball erwarteten Saber auf dem Yuma-Central-Place. Über diese U-Bahn-Station erreichte der nach etwa einer halben Stunde Fahrt den Stadtkern. Von hier aus ging er jeden Tag zur Arbeit. Man musste nur den Platz in Richtung Norden überqueren und hatte noch so fünf bis zehn Minuten Fußmarsch vor sich. Selbiges galt für den Recken auch wenn er zur Station Nahe seinem Haus lief. Jetzt sahen die beiden Freunde ihn und Chily die Treppen hinauf steigen und auf sie zu kommen. Die Hebamme grüßte nur flüchtig und machte sich auf den Weg in die entgegengesetzte Richtung, wo sie verabredet war. Beruflich, betonte sie dabei, damit ihr Manapi nicht wieder falsche Schlüsse ziehen konnte. Für ihren leichten Groll hauchte er ihr einen Kuss auf die Stirn und trennte sich mit seinem Piloten und seinem Scharfschützen von ihr. Die drei waren zu Commander Eagle gerufen worden. Auch wenn sie keine Ahnung hatten worum es dabei nun ging, sie folgten der Aufforderung. Sie kam schließlich von Eagle.
 

Selbst in einer Großstadt wie Yuma, in der alle in der Masse anonym blieben, blieb Chily ein markanter Punkt. Einfach, weil sie so überhaupt kein Großstadtmensch war. Das fiel ihr selbst auf, als sie ihre Blicke schweifen ließ. Erste Schneeflöckchen schwebten sacht vom Himmel und erregten ihre Aufmerksamkeit. Sie folgte ihnen mit den Augen, sah sie vor ihren Füßen schmelzen, kaum dass sie den Pflasterstein berührten. Der Tag war grau und kühl, aber zu warm für Schnee. Chily ging weiter. Seit ihrer Rückkehr von Tucson-City vor etwa einem Monat, waren die Dinge so gut gelaufen, dass sie sich vor Freude darüber gleich in die linke Ponypartie rote und die rechte rosa und lila Strähnchen hatte ziehen lassen. Jetzt trug sie eine dunkle, kurze Jacke, deren Embleme auf den Brusttaschen stark an die Flagge der Irokesen erinnerten, dazu halbhohe hellbraune Wildlederstiefel und beigefarbene Jeans. Ihre heißgeliebte Umhängetasche mit dem Traumfänger-Knopf ließen keinem Passanten Zweifel an ihren indianischen Wurzeln. Am Finger leuchtete der schmale Goldring mit dem kleinen Smaragd.
 

In dem Gewühl der Fußgängerzone stieß sie mit einer dunkelhaarigen, anmutigen Frau zusammen und murmelte eine hastige Entschuldigung. Die Frau sah sie an, musterte sie und strich sich mit einer gemessenen Handbewegung ihr Haar zurück. Seltsamerweise fixierten sich die beiden kurz, hielten in ihren Bewegungen inne, wie erstarrt in dem kalten Wind. Eine Sekunde lang, ehe sie sich abwandten und jede wieder im Menschenmeer untertauchte. Aber dieser Augenblick hatte gereicht um festzustellen, dass sie verschiedener kaum sein konnten. Die buntgesträhnte, quirlige Blondine und die dunkelhaarige, unaufdringlich elegante Dame. Die eine extrovertiert, die andere introvertiert. Zwischen beiden gab es nur eine Gemeinsamkeit und die saß gerade im Büro des obersten Befehlshabers der Sektion West. Während die Blondine keinen Gedanken mehr an diesen Zusammenprall verschwendete, dachte die dunkelhaarige seltsamerweise daran, dass diese gewöhnungsbedürftige Erscheinung einen Ring am Finger trug. Es störte sie sehr und sie änderte ihre Richtung, bog an der nächsten Kreuzung nicht zum KOK ab, sondern in die entgegengesetzte Straße. Irgendetwas machte sie sicher, dass sie ihr ursprüngliches Vorhaben vergessen konnte, weil die Würfel gefallen waren.
 

Inzwischen waren die Jungs im KOK angekommen und betraten recht arglos Eagles Büro nach dem Anklopfen. „Habe die Ehre, Commander“, grüßte Colt heiter. „Und ich die Magengeschwüre, “ brummte der Angesprochene und biss sich auf die Unterlippe. Gegen seinen Willen war ihm das rausgerutscht. Verwundert traten sie ein. „Schon mal mit Entspannungsübungen versucht, Charles?“ fragte Fireball. Seinen Vorgesetzten mit dem Vornamen anzusprechen fühlte sich für ihn noch etwas ungewohnt an, aber immerhin hatten dessen Besuche in der gemeinsamen Wohnung den Japaner so weit gebracht, dass er es überhaupt tat. „Hat nicht geholfen“, antwortete der und bot ihnen an sich zu setzen. „Dafür ist das Problem etwas zu schwerwiegend“, fügte er hinzu. Das Trio nahm, nur noch verwunderter, Platz. „Habt ihr denn ein paar positive Neuigkeiten zu berichten?“ wollte Eagle dann wissen. Zum einen, weil es ihn wirklich interessierte, zum anderen um sich dem unangenehmen noch nicht stellen zu müssen. Damit schob Colt die merkwürdige Laune des Commanders darauf, dass der einfach nur einen schlechten Tag hatte und entgegnete fröhlich: „Der steht jetzt offiziell unterm Scheffel.“ Dabei wies er auf Saber. Fireabll blickte den Recken erstaunt an. „Seit wann?“ wollte er wissen, da der Schotte davon noch nichts erzählt hatte. Nicht weniger überrascht war Eagle. „Tatsächlich?“ – „Seit sie kurzfristig verschwunden waren. Die haben heimlich geheiratet, “ erwiderte der Lockenkopf und entmündigte den Blonden damit. Aber einfach nur, weil er sich so für den und die Hebamme freute. Jetzt grinste er breit und knubbelte Saber übertrieben mütterlich an der Backe. „Unser kleiner Schlawiner.“ Der verzog das Gesicht und rieb sich die Wange. „Ja bin ich denn daheim?“ Seine Frau konnte auch unter solchen Anfällen leiden, aber wenigstens war sie dann sanfter. „Gibst du auch Wickelkurse, Viehtreiber?“ hakte der Rennfahrer amüsiert nach und erntete ein verständnisloses „Hä?“ von dem Cowboy. „Die Glückliche ist Miss Adams, nehme ich an“, wandte sich Charles Eagle an den Recken. Der nickte. „Hast du es doch an die große Glocke gehängt, oder wie jetzt?“ Colt kam nicht mehr mit. Wieso wusste Eagle etwas, dass man vor ihm verheimlicht hatte? „Nein, hat er nicht. Ich musste nur eins und eins zusammen zählen,“ stellte der Oberbefehlshaber der Sektion West richtig. Immerhin war das Verhalten des Schotten in einigen Gesprächen doch recht deutlich gewesen, vor allem, wenn es um die Hebamme ging. Eagle lächelte leicht. Saber Rider hatte also jemanden gefunden mit dem er alt werden wollte. Vielleicht wusste Charles nicht viel über dessen Frau, aber das, was er so mitbekommen hatte, ließ ihn vermuten, dass sie dem Blonden eine gute Frau sein würde. Dann wurde er wieder ernst. „Diese Ehe bekommt schon sehr bald eine Bewährungsprobe“, informierte er unheilvoll.
 

„Das klingt nun wieder gar nicht gut“, bemerkte Saber. „Was ist los, Commander Eagle?“ wollte er sachlich wissen. „Das möchte ich euch fragen. Was war mit euch an der T-C-West Tankstelle los?“ Charles lehnte sich abwartend im Stuhl zurück. „Ich weiß gar nicht, was Sie meinen? Wir haben das gemacht, was wir immer tun: Rein, Überraschungsmoment nutzen, uns möglichst nicht über den Haufen ballern lassen, Bösewichte Dingfest machen und last but not least: Die Welt retten, “ zählte Colt an den Fingern auf. „Diesmal habt ihr etwas mehr getan als das. Und diesmal ist das kaum gut zu heißen, “ gab der Commander zurück und holte aus der obersten Schublade seines Schreibtisches eine Akte hervor. „Das ist das Vernehmungsprotokoll von William Maddox. Was er darin unter anderem sagt, nennt sich Mord, “ erklärte er und schob das Dokument auf die drei zu, damit sie es in Augenschein. Keiner von ihnen rührte es an. Es war auch so klar, worum es ging. „Suzie“, flüsterte Fireball und riss ahnungsvoll die Augen auf. „Genau“, nickte Eagle. „Der gute Besen ist aber von ihrem Lover zur Strecke gebracht worden“, stellte der Scharfschütze klar. „Das ist ja wohl nicht unsere Schuld.“ – „Ihr habt das nicht verhindert“, berichtigte sein Gegenüber ihn. „Da waren wir grad verhindert“, trotzte der Lockenkopf. „Durch?“ bohrte Eagle. „Ein paar Outrider, die uns an die Gurgel wollten.“ Colt war nicht bereit den Standpunkt des Oberbefehlshabers zu sehen. „Das geht nicht aus den Berichten hervor, nicht aus euren. Und Maddox sagt etwas anderes, “ informierte der nun. Dem Trio vor ihm ging langsam auf, wie viele Schwierigkeiten auf sie zu kamen. „Was sagt Maddox denn eigentlich genau?“ fragte der Pilot und runzelte die Stirn. Nichts an dem Verhalten oder den Worten seines zukünftigen Schwiegervaters deutete auf eine Chance hin einigermaßen heil aus dem wohl massiven Ärger herauszukommen. „Dass ihr tatenlos zugesehen habt, wie Jean-Claude seine Waffe auf Suzie gerichtet und abgedrückt hat. In einer Situation, in der ihr hättet eingreifen können, “ antwortete der. Saber schluckte schwer. „Müssen“, korrigierte er. Da also lag der Hund begraben. Das konnte nicht gut enden. „Ihr seid Starsheriffs. Das war eure Pflicht, “ bestätigte Eagle. „Suzie hatte auch Pflichten, “ erinnerte Fireball. „Ja, das ist wahr. Aber darum geht es hier nicht. Es geht darum, dass ihr eure vernachlässigt habt. Hättet ihr eingegriffen, hätte sie der Justiz übergeben und ihrer gerechten Strafe zugeführt werden können, “ erläuterte Charles die Sichtweise des KOK zu der Angelegenheit. „Die hat sie doch bekommen, “ brummte der Kuhhirte uneinsichtig. „Das hätte ein Richter zu entscheiden gehabt, Colt.“ Eagle räumte die Akte wieder weg und der Kritisierte biss sich auf die Lippe um nichts zu sagen. Das wäre sonst unverschämt geworden. „Was bedeutet das nun für uns?“ fragte Saber sachlich. „Unterlassung mit Todesfolge wird sich das ganze nennen. Ich muss es beanstanden, das wisst ihr.“ Genau das war der Punkt, der Eagle nicht behagte. Er kannte den Fall und die Jungs und konnte sich gut vorstellen, wie es dazu gekommen war. Der Vorwurf würde auf Unterlassung mit Todesfolge aufgrund niederer Beweggründe lauten. Dass es nicht so war, wusste der Commander, aber auch, dass es nicht an ihm war, darüber zu entscheiden. Der Schotte nickte verstehend. „Was kommt auf uns zu?“ wollte er wissen und begann gedanklich schon zu überlegen, wie sie den bevorstehenden Schwierigkeiten am besten begegnen konnten. „Die Statuten sprechen von Suspendierung“, antwortete der Gefragte und holte ein Exemplar hervor. „Soll das heißen, wir werden dafür bestraft, dass Suzie eine miese Verräterin ist, die von ihrem Freund erschossen wurde?“ fuhr Colt auf. Aber dieser Ausbruch wurde ignoriert. Er war nicht hilfreich. „Aber Fireball und Colt sind doch eigentlich S.a.D.“ wandte der Schotte ein um vielleicht wenigstens die beiden, besonders den werdenden Vater, daraus halten zu können. Bedrückt schüttelte Eagle den Kopf. „Es wird auf eine Strafe hinaus laufen. Ob das nun eine Suspendierung sein wird, oder etwas anderes, das kann man nicht sagen. Das kommt auf den Untersuchungskommissar an.“ Dabei blätterte in der Satzung. „Ich hoffe, dass es auch in diesen Fällen mildernde Umstände gibt.“ – „Mildernde Umstände? Wofür? Wir haben nichts Falsches getan.“ Das wollte einfach nicht in den Kopf des Scharfschützen. Sie alle hatten wegen Suzie und ihrem Verrat so einiges durchmachen müssen und sollten jetzt auch noch bestraft werden, dafür, dass sie trotz allem Pennyrile gerettet hatten? Nein, dass war für ihn zu hoch. „Das ist es ja, wir haben gar nichts getan! Wir hätten Jean-Claude zumindest ein halblautes "Lass das" mit auf den Weg geben sollen.“ Fireball stieß ihn an. „Willst du mich auf den Arm nehmen oder was? Das kann nicht dein Ernst sein.“ Widerwillig setzte der Cowboy sich darauf hin. „Der Kleine hat Recht, Colt“, sagte Saber. Jetzt schoss der wieder in die Höhe. „Die hat meine Robin entführt, die Kleine von dem Kleinen wäre fast draufgegangen und unsere Jolene hat sie angeschossen. Von dem ganzen Psychoterror will ich mal gar nicht anfangen, “ führte er ungehalten allen noch mal vor Augen. „Und wir sollen uns dafür verantworten?“ Er hätte aus der Haut fahren können. „Du hast Mandy vergessen, Kumpel“, murmelte der Rennfahrer düster. Diese Tatsache hatte er seither konsequent zur Seite geschoben. Er war noch nicht so weit, sich damit auseinander setzen zu müssen. „Suzie hat nicht nur erpresst und bedroht, sie ist auch zur Mörderin geworden“, fasste er zusammen. „Na, dass meine ich doch, “ beharrte Colt. „Wir werden vor einen Richter gezerrt, wegen DER.“ Das letzte Wort hatte eine abfällige Betonung. „Kein Richter. Mensch, Colt, höre einmal wenigstens genau zu, “ kam es genervt von Saber. Dieser Protest war Energieverschwendung und ganz sicher nicht hilfreich. „Und wir werden nicht wegen Suzie dahin zitiert, sondern weil wir etwas nicht getan haben, wozu wir verpflichtet gewesen wären, “ erklärte er dann nüchtern. „Wir sind verpflichtet dazu Verräter und Mörder zu beschützen? Wow, ich wusste nicht, dass ich meinen Job so weit verfehlt hab, “ staunte Colt unabbringbar von seinem Standpunkt. „Ihr hättet sie nicht beschützen sollen, sondern dafür sorgen, dass sie der Justiz vorgeführt wird, “ korrigierte Eagle ihn. „Das wäre ja wohl in dem Fall fast das gleiche, “ schnappte der Lockenkopf schwer verstimmt. Das hätte bedeutet, einzugreifen, als auf Suzie geschossen worden war. Das war Schutz und dies wiederum hätte dafür gesorgt, dass sie in Haft genommen und vor einen Richter geführt werden konnte. Das eine zog das andere mit sich.
 

„Hast du davon schon was nach draußen gelassen, oder warnst du uns grad offiziell vor?“ lotete Fireball die Schonfrist aus. Eagle fuhr sich mit den Händen über das Gesicht. Das Ganze gefiel ihm so überhaupt nicht. Gerade weil er sicher war, was in der Tankstelle passiert war, wollte er sie nicht vor einen Untersuchungsausschuss zerren. Doch gerade weil er Commander war, musste er es tun. „Ich informiere euch, bevor ich es melden muss. Als Oberbefehlshaber darf ich das nicht untergehen lassen, “ antwortete er. Es klang ein wenig nach einer Entschuldigung. „Uns bleibt also noch Zeit, uns gute Ausreden einfallen zu lassen“, bemerkte der Recke. „Erklärungen wären besser. Laut den Statuten wird diese Angelegenheit unter Starsheriffs geklärt werden, “ erläuterte Eagle. „Unter Star Sheriffs. Also in Sabers Fall von Captain zu Captain und in Colts und meinem Fall von Aushilfe zu Aushilfe, “ packte der Pilot den Galgenhumor aus. Das war zumindest besser, als Colts Rage, wenn auch genauso wenig dienlich. „Ich kann grad nur eine Universalerklärung abgeben, aber für diese Angelegenheit ist die nicht ausreichend“, fügte er dann auf das Problem bezogen hinzu. „Ihr werdet das hochrangigen Starsheriffs erklären müssen. Die haben alle Kampferfahrung und das entsprechend länger als ihr, “ führte der Commander ihnen vage vor Augen, was sie zu erwarten hatten. „Ist ja auch keine große Kunst! Die sind alle mindestens zehn Jahre älter, “ brummte der Scharfschütze. „Mindestens,“ bestätigte Eagle. „Also lasst euch gute Antworten einfallen. Vielleicht haben sie vergessen, wie es ihnen in eurem Alter ging.“ – „Die haben in unserem Alter noch die Schulbank gedrückt, so schaut es aus!“ grollte Colt ziemlich wütend. „Es schaut so aus, dass sie euch auch für ein bis drei Jahre ins Gefängnis bringen können.“ Energisch stützte Eagle sich auf der Tischplatte ab und erhob sich. Besser konnte er den Kuhhirten nicht zur Räson bringen. Als er sich abwandte und zum Fenster ging, hörte er alle drei schlucken. „Ich hätte euch zurück rufen sollen“, murmelte er. Er ahnte, was sie jetzt dachten. Fireball zählte zusammen, welche Ereignisse im Leben seiner Tochter er verpassen würde. Den ersten Zahn, das erste Wort, die ersten Schritte, vielleicht sogar die Geburt. Colts Hochzeit mit Robin würde sich noch weiter hinaus schieben und Sabers Ehe mit der Hebamme läge in dieser Zeit auf Eis. „Sie wissen, dass es dafür zu spät ist, Commander. Und Sie wissen auch, dass ohne uns das Alkalit an die Outrider gefallen wäre,“ entgegnete der Schotte sachlich, aber die Vorstellung, seine Frau nur zu den Besuchszeiten sehen zu dürfen, gefiel ihm überhaupt nicht. „Der Fall war von Anfang an viel zu persönlich“, ließ sich Eagle nun vernehmen und drehte sich zu Saber um. „Nicht wahr?“ Bedauernd glitt sein Blick über das Trio. „Und ich werde euch kaum eine Hilfe sein. Die Sache ist es nämlich immer noch.“ Der Schotte zog es vor das Thema Persönlich zu umgehen. „Was wird denn als Milderungsgrund angesehen, Commander?“ wollte er stattdessen wissen. Der hob die Schultern. „Vielleicht April?“ Er schaute auf Fireball. „Vielleicht eine Verlobte.“ Sein Blick wanderte zu Colt. „Oder eine Ehefrau.“ Jetzt sah er den Recken an. „Das kann euch helfen, oder euch das Genick brechen“, informierte er. „Wir haben gute Freunde verloren, mehr als einen“, gab der Pilot zu bedenken. „Ihr könnt noch mehr verlieren“, erinnerte der Commander, kam aber nicht weiter. Das Telefon klingelte. Er nahm den Hörer ab und meldete sich. Kurz hörte er dem Anrufer zu, dann nickte er den Jungs zu, die daraufhin das Zimmer verließen. Der Commander musste ungestört reden können. Es klang so, als wäre der Buschfunk schneller gewesen, als sein Bericht.
 

Betreten ließen die drei die Köpfe hängen, als sie die Tür hinter sich schlossen. Jeder von ihnen versuchte, für sich zu fassen, zu begreifen, was Eagles Worte bedeuteten, was sie getan hatten, oder eben nicht. Keiner sprach ein Wort. Keiner schaute den anderen an, aber unbewusst trotten sie im Gleichschritt zum Fahrstuhl, die Hände in den Hosentaschen vergraben. Im Lift wandten sie sich unbewusst von einander ab, drehte sich die Rückseite zu und starrten auf die Kabinenwand. Genauso schweigsam und vor sich hinbrütend traten sie auch wieder heraus und durchquerten den Eingangsbereich. „Wann werdet ihr hingerichtet?“ Hätte die Hebamme sich nicht bemerkbar gemacht, wäre das Trio an ihr vorbeigelaufen. Sie hockte in einem der Sessel im Empfangsbereich und hatte einmal mehr auf den Köpfen der drei gelesen, obwohl es aus den Gesichtern genauso einfach gewesen wäre. „Die Henkersmahlzeit kriegen wir noch“, brummte Fireball düster. Dass die drei sich ihrem Ende wähnten, entging ihr nicht. Irgendetwas schien demnächst Exitus zu gehen, doch ihr Leben war es schon mal ganz sicher nicht. Nur ihr Berufsleben, las sie weiter und stutzte: „Ich kann es mir kaum vorstellen, aber was habt ihr verbrochen?“ – „Wir haben dem Richter vorweggegriffen, indem wir nichts getan haben“, grummelte Colt noch immer verstimmt. „Verstehe. Suzie. Schimpft sich das nicht unterlassene Hilfeleistung mit Todesfolge?“ versuchte sie das Puzzel zusammen zusetzen. „Ja“, antwortete Saber einsilbig. Seine Frau war eben im Begriff aufzustehen, setzte sich aber sofort wieder. Wortkarge Auskünfte von ihrem Mann deuteten auf das denkbar schlimmste hin. „Was blüht euch im unangenehmsten Fall?“ fragte sie von einem zum andern sehend. „Gesiebte Luft.“ Auweia, auch Colt war kurzangebunden. Da wusste sie doch genau, was mit den drei Herren da los war. Sie fixierte ihren Gatten. „Wie lang?“ wollte sie wissen. „Eine Minute wäre schon zu lang, wenn du mich fragst, “ bemerkte Fireball und unterstrich damit, was sie in ihm schon gelesen hatte. Noch immer starrte sie Saber an. „Wie lang?“ wiederholte sie ungeduldig. „Im besten Fall gar nicht“, entgegnete der. Na super, auch noch ausweichende Statements. Die Sache war offensichtlich noch übler als sie erst gedacht hatte. „Das hab ich nicht gefragt. Wie lange im schlimmsten Fall? Fünf Jahre? Zehn? Fünfzehn?“ Das Beben in ihrer Stimme konnte sie nicht unterdrücken.
 

Aufregung machte sich in ihr breit und solange sie keine Information bekam, mit der sie etwas anfangen konnte, würde es noch schlimmer werden. „Beruhige dich bitte“, murmelte der Recke gedrückt. „Drei.“ An diesem Wort wäre er fast erstickt. Jetzt schoss sie hoch. „Drei? Das mach ich nicht mit, “ rief sie aus. Das kam ja gar nicht in Frage, dass sie jemand von ihrem Manapi trennte. Das schluckte hart. „Noch kannst du die Ehe annullieren lassen“, wurde sie erinnert. „Bitte?“ Diese Auskunft kam in ihrem Kopf nicht wirklich an. Gedanklich ratterte sie schon eine Liste von Leuten durch den Kopf, die sie um Hilfe bitten könnte. „Du hast gesagt, dass du das nicht mitmachst. Das kann ich verstehen, Jolene, “ entgegnete der Recke. Wieder hatte sie nur halb zu gehört. „Gut.“ Genaugenommen wusste sie gar nicht, wovon er da sprach. „Dann ab nach Hause“, entschied sie. Du lieber Himmel, sie kannte so viele Leute, da musste doch einer dabei sein, der wen kannte, der wieder wen kannte, der ... Wo war ein Telefon? Auch Fireball wollte fort. „Ich wünsch euch was. Werde dann mal meiner Süßen einen Vorgeschmack auf die nächsten Jahre geben, “ verabschiedete er sich. „Also gehst du nicht heim oder was?“ hakte der Scharfschütze nach. „Hab ich noch nicht vor.“ Das hieß ganz klar, dass er noch ein paar Momente brauchte, um manche Sachen wieder zu schlucken. Dann fehlte ihm noch die Idee, wie er es April beibrachte. „Okay“, verstand Colt. Das dürfte schwierig werden. „Klingel aber bitte heut Abend mal durch. Oder die Tage, damit wir dass noch mal durchsprechen können.“ – „Sollten wir fast.“ Der Rennfahrer trollte sich. „Eben.“ Damit war auch der Cowboy weg. Die Hebamme begann zu drängeln. „Kommst du?“ Saber hatte Mühe, das eben erlebte zu verdauen. War da Colt einfach nur besorgt gewesen ohne übermäßig zu glucken? So wie ein normaler Mensch eben? „Äh, ja, “ murmelte er zerstreut und setzte sich in Bewegung. „Ich frag mich echt, wie die beiden das ihren Holden erklären wollen?“ äußerte Chily ihre Gedanken. „Colt wird Robin an der Haustür schon damit überfallen, da bin ich mir ganz sicher“, behauptete der Schotte und lag damit ziemlich sicher. „Und Fireball wird es April beichten, wenn sie schon im Halbschlaf ist“, setzte seine Angetraute die Überlegung fort. Dann fiel ihr ein Name ein und sie drängte zu noch mehr heim. "Sehen wir zu, dass wir auch nach Hause kommen. Mir ist da ein Anwalt eingefallen, denn ich anrufen sollte.“ Jetzt schrillten bei Saber die Alarmglocken. Sie hatte also wirklich vor die Ehe annullieren zu lassen. Kein Urteil konnte so hart sein wie das.
 

„Ein Familienrechtler?“ hakte er ahnungsvoll nach. „Hä?“ Sie blieb stehen und schaute ihn verwundert an. Wie er darauf kam, verstand sie gerade kein bisschen. Was wollte sie denn mit einem Anwalt für Familienrecht? „Kein Scheidungsanwalt?“ fragte er seinerseits auch irritiert. „Wovon um alles in der Welt sprichst du?“ machte sie ihrer Verständnislosigkeit Luft. „Okay.“ Saber dehnte dieses Wort. „Wir haben grad aneinander vorbei geredet.“ Das stand fest. Er griff nach ihrer Hand und wollte sie aus dem Gebäude führen und so hoffentlich das Missverständnis abhaken, aber sie rührte sich nicht. Ihre linke Braue zuckte nach oben. „Was hattest du denn diesmal für eine Wahnvorstellung?“ wollte sie wissen. „Keine“, behauptete er mit unschuldigem Blick, aber so wie sie ihn anschaute, konnte er diesen Versuch vergessen. Das würde nichts bringen. „Du hast gesagt, dass du das nicht mitmachen würdest, wenn ich mir mit Colt und Fire eine Zelle teilen werde“, erklärte er dann. „Oh, du bist so ein Idiot.“ Das war ja kaum zum Aushalten. Sie boxte ihm frustriert auf den Oberarm. „Ich meinte, ich mache nicht mit, dass sie uns drei Jahre lang trennen. Nicht, wenn ich was dagegen tun kann, “ stellte sie richtig. „Aua.“ Er rieb sich den Oberarm. „Tu nicht so weich“, schalt sie gleich darauf. „Bist selber Schuld. Was hast du auch immer Zweifel? Muss ich sie dir eben ausprügeln, damit du kapierst, dass uns nur der Tod wirklich trennen kann.“ Das war ja zum verrückt werden mit ihm. „Das beruhigt mich jetzt ungemein, Schatz.“ Aber er lächelte sacht. Das war die etwas schmerzhafte, unbeholfene Art seiner Frau ihn für diesen Punkt zu tadeln und tatsächlich konnte er es ein bisschen verstehen. Und der Schmollmund, den sie dabei stets zog, heiterte ihn doch immer wieder auf. „Wirst du das denn nie lernen?“ fragte sie unglücklich. „Man lernt niemals aus, Aiyana“, beruhigte er sie. „und ich bin immer noch dabei zu lernen, wie du tickst.“ Versöhnlich legte er ihr den Arm um die Schulter und beide traten endgültig den Heimweg an. „Was ist so schwer daran?“ wollte sie dabei wissen. „Ich ticke genauso wie du, nur andersrum.“ Er schüttelte leicht den Kopf und hauchte ihr schmunzelnd einen Kuss aufs Haar.
 

Was Colt mit nach Hause brachte, war mehr Frust als Wut. Robin hatte gerade die Tür geöffnete, da brachte er dies auch gleich zum Ausdruck. Mit mehreren Unterbrechungen, damit sein Redeschwall sie nicht fortspülte, fand sie heraus, was in Eagles Büro gesprochen worden war und bekam eine Ahnung davon, was auf sie alle zu kam. Sie kam nicht um hin, das Gefühl zu haben, alle Welt sei dagegen, dass sie und Colt heirateten. Irgendetwas schien ständig wie ein Damoklesschwert über dieser Hochzeit zu schweben und in einer gewissen Ohnmacht konnte sie nur fühlen, dass dies nicht fair war. Dass Colt sie liebevoll in die Arme zog und ihre Nähe suchte, war ein wenig tröstlich. Es war ein Halt, für sie beide, und gab ihnen Kraft daran zu glauben, dass alles gut werden würde.
 

Etwas von dieser Zuversicht hätte auch Fireball gebrauchen können, doch er hatte sie nicht. Er konnte nur in den düstersten Farben sehen, dass er die ersten drei Jahre seiner Tochter verpassen würde, dass er auf Aprils Liebe, ihre Gegenwart, ihre wunderschönen blauen Augen verzichten musste. Was für eine Farbe wohl die Augen seiner Charlene haben würden? Er würde es nicht sehen. Verdammt! Und das alles nur, weil er einen Moment zu lange gezögert hatte, wie seine Freunde auch. Einen Augenblick zu lang hatten sie sich der Empfindung hingegeben, dass Suzie es verdiene, wenn Jean-Claude ihr den Kopf runter schießen würde. Verdammt noch mal, wieso hatten sie nur? Die Antwort auf diese Frage fand er nicht auf der Rennstrecke, nicht auf den Straßen der Stadt und nicht am Boden des Bierglases, dem fünften oder sechsten davon. Dann musste er wohl heim. Er warf einen kurzen Blick auf die Uhr. April schlief ganz sicher schon, dann konnte er ja rückwärts ins Schlafzimmer schleichen, wie Colt ihm mal geraten hatte. Rückwärts, für den Fall sie würde aufwachen. Dann konnte er ihr erzählen, er müsse nur eben auf die Toilette. Ob das was brachte? Zumindest wankte er erst einmal vom Aufzug zur Wohnungstür. Das letzte Bier war schlecht gewesen, oder auch der letzte Schnaps. Jetzt hopste auch noch das Schlüsselloch immer dann weg, wenn er den Schlüssel hinein schieben wollte. Verdammt, er würde sie doch nicht aus dem Bett klingeln müssen? Dann konnte er auch gleich sein Testament machen. Aber zu Gunsten von Charlene, wenn schon sonst nicht mehr die Möglichkeit hatte, etwas für sie zu tun. Man, diese blöde Tür …
 

Die Tür öffnete sich. „Kann ich helfen?“ Die nicht allzu freundliche Stimme gehörte zu dem bezaubernden Gesicht seiner nicht allzu freundlich gestimmten Freundin. Auweia. „Hey“, räusperte er sich verlegen. „Eigentlich wollte ich dich nicht wecken, Süße“, erklärte er mit entschuldigendem Blick. „Es war etwas unbequem auf dem Sofa, da war es mit schlafen nicht so gut, “ entgegnete sie, hielt sich die Nase zu und trat zwei Schritte zurück. „Wo kommst du her?“ fragte sie dann, obwohl der Geruch eigentlich eine deutliche Sprache sprach. „Von draußen?“ gab er unschuldig zurück und trat ein. „Wieso hast du auf der Couch geschlafen, Süße?“ wollte er dann wissen. Das konnte in ihrem Zustand doch keine gute Idee sein. Sie wich noch ein wenig weiter zurück. „Ich hab auf dich gewartet. Du wolltest nur kurz zu Daddy und jetzt stinkst du wie eine Hafenkneipe. Eklig.“ Das war es wirklich. Unter normalen Umständen vertrug sie es schon kaum, wenn er so roch. Jetzt in der Schwangerschaft war es schier unerträglich. Er murmelte eine Entschuldigung und trollte sich ins Bad. Sie hörte die Dusche und wartete, die Arme vor der Brust verschränkt, an der gegenüberliegenden Wand lehnend bis er wieder heraus kam.
 

Mit dem Handtuch um die Hüfte tapste er, jetzt etwas sicherer auf sie zu und hielt ihr seinen nassen Schopf unter die Nase. „Ist so besser, Schatz?“ Nasse kalte Strähnen kitzelten an ihrer Nase und rochen herb nach Kräutern. Ein angenehmer Geruch, dennoch verzog sie das Gesicht. „Das allein stimmt mich nicht wieder gut. Wo hast du dich also bis eben herumgetrieben?“ wollte sie wissen. Er trottete in die Küche und kramte sich aus dem Kühlschrank einen Joghurt hervor. „Ich war noch in der Stadt unterwegs“, gab er vage zurück. „So lange? Warum hast du nicht wenigstens angerufen?“ hakte sie nach. Ein wenig wunderte sie sich über sich selbst. Sie hörte sich an wie … Ja, wie? Wie die Mutter eines Kindes, das einen Vater, beziehungsweise die einen Partner brauchte, auf den sie sich verlassen konnte und der eben nicht die Nacht zum Tage machte. „Es war keine Absicht, ehrlich“, murmelte er zurück und schaufelte zügig den Joghurt in sich hinein. „Na, ich will hoffen, dass es keine Angewohnheit wird“, grollte sie und ging verärgert ins Schlafzimmer. Auch wenn er jetzt etwas ernüchtert war, war er schmusebedürftig. Gerade auch deshalb, weil er fürchten musste, dass er auf ihre Wärme lange Zeit verzichten musste. „Süße, bleib da“, rief er ihr nach, ließ den halbgegessen Joghurt auf der Anrichte zurück, ignoriert, dass der Becher umfiel und folgte ihr. „Nicht so schnell. Ich wollte dich wirklich nicht ärgern oder so was. Ich wollte nur nicht, dass du... na, der Tag war einfach nicht besonders, “ klagte er dabei. „Ach, deshalb hast du ihn dir besonders gemacht, “ schnaubte sie und ging weiter. Dabei hatte sie gedacht, er wäre verantwortungsbewusster geworden. Sie hatte eben die Schlafzimmertür erreicht, als sich das Wesen in ihrem Bauch heftig bewegte. Sie fuhr zusammen, hielt sich den Leib an der schmerzenden Stelle und keuchte erschrocken auf. „Süße, was hast du? Fehlt dir was?“ Sofort war der Rennfahrer bei ihr. Seine Stimme war Besorgnis. „Du hast gefehlt“, fauchte sie zurück. „So malträtiert mich deine Tochter schon den ganzen Abend. Ihr haben wohl deine Streicheleinheiten gefehlt, aber du musstest dir ja lieber einen antrinken.“ Den ganzen Abend unruhige, heftige Tritte und Schläge verpasst zu bekommen, hatte ihr sehr zugesetzt. Sie freute sich auf ihr gemeinsames Kind, doch so gegen Ende wurde die Schwangerschaft immer mehr zur Qual. Chily hatte es ihr prophezeit und einmal mehr Recht behalten. Er stützte sie fürsorglich. „Süße, bitte, es“, begann er. „Ich weiß nicht, wie viel Zeit uns noch zusammen bleibt... Charlene und du, ihr...“ Auch ohne den benebelten Kopf wäre ihm die passende Formulierung nicht eingefallen. Die Blondine war jedoch zu sehr damit beschäftigt, den Schmerz zu verdauen, als dass sie richtig zu hörte. Zudem trat die Kleine in ihrem Bauch noch einmal zu. Jetzt schob April ihn von sich und verzog gequält das Gesicht. „Wir sind wohl nicht so wichtig“, brummte sie und ging gekrümmt weiter. Unglücklich schlich er hinterdrein. „Wichtiger als alles andere“, erklärte er leise. „Hör zu, Süße, und versprich mir, dass du nicht noch wütender wirst. Ich... Es kann sein, dass wir uns lange nicht sehen werden, “ setzte er zur Beichte an. Sie blieb stehen und drehte sich langsam um. „Warum?“ fragte sie und ihr schwante so gar nichts Gutes. „Wir haben Mist gebaut“, gestand er kleinlaut. „Wen meint wir?“ – „Wir eben... Colt, Saber et moi.“ Dabei wies er mit dem Daumen auf sich selbst. „Inwiefern?“ April tastete sich nach dem Bett. Gleich war es besser zu sitzen. Das spürte sie. Sie stieß mit der Wade gegen die Bettkante und ließ sich langsam auf die Matratze sinken. „Wir haben nicht eingegriffen, als Suzies Leben zu Ende ging“, flüsterte er mit hängendem Kopf.
 

Einen Augenblick lang schien sich der Raum zu drehen. April musste sich mit den Händen abstützen, um das Gefühl von Stillstand zu bekommen. „Ihr...? Wie...?“ setzte sie zu den Fragen „Ihr habt was getan?“ und „Wie konntet ihr nur?“ an, brachte sie aber nicht hervor. Ihre Gedanken wirbelten durcheinander. Suzie, die Freundin. Suzie, die Verräterin. Was sollte sie denken? Was fühlen? Fireball lehnte sich gegen den Türrahmen. „Was spielt das noch für eine Rolle? Fakt ist, wenn wir Pech haben, sehen wir uns ein Gefängnis von innen an. Für sehr lange Zeit, “ murmelte er bedrückt. Die Mutter seiner Tochter brachte kein Wort hervor. Sie suchte nach Klarheit für sich. Der Rennfahrer stieß sich wieder vom Holz ab und kam zu ihr aufs Bett. Liebevoll nahm er sie in den Arm. „Süße.“ Doch auch ihm wollte kein Wort mehr über die Lippen kommen. Die Ereignisse, die Informationen versuchten beide zu ordnen. Dass sie den anderen dabei spüren konnten, war eine Hilfe dabei, weil es daran erinnerte, warum geschehen war, was geschehen war. Die Zeit schien zum Stillstand gekommen zu sein. Endlos. Dann straffte April ihre Schultern und brachte eine Entscheidung mit aus der Endlosigkeit. „Was ist geschehen? Erzähl es mir, “ bat sie ihn. Das konnten sie gemeinsam durchstehen, was auch immer auf sie zu kommen würde. „Ich kann das nicht, April.“ Unsicher löste er die Umarmung wieder. „Warum nicht?“ Ohne Offenheit würde es schwer werden. „Weil ich selber weiß, dass wir das nicht hätten tun sollen. Und ich will dir die Details lieber ersparen. Es tut dir nicht gut, Süße, “ erwiderte er. Aber weder ihm tat das Schweigen gut, noch ihr seine Verschwiegenheit. „Und was soll ich unserer Tochter erzählen, wenn du dann deswegen tatsächlich nicht da bist?“ fragte sie berechtigterweise und lehnte sich ein wenig zurück. „Schatz.“ Beinahe flehentlich schaute er sie an. „Unterlassung ist im Spiel. Und zwar unsere, “ versuchte er zu erklären. „Unterlassene Hilfeleistung mit Todesfolge, “ nickte sie verstehend. Er nickte auch. „So um die drei Jahre Gefängnis“, erinnerte sie sich an den Teil in der Ausbildung, in der dies Thema war. „Daumen mal Pi“, bestätigte er unbehaglich. „Ist das alles, was du mir dazu zu sagen hast?“ wollte sie wissen und erhob sich seufzend. Charlene drückte auf ihre Blase. Sie musste zur Toilette. „Ich will euch nicht allein lassen müssen“, schniefte er ihr nach. „Ich will dich nicht alleine lassen, Süße.“ Es war fast körperlich zu spüren, dass diese Worte die Wahrheit waren. „Und sonst nichts?“ hakte sie nach. Sie wollte die ganze Geschichte hören, aber er vergrub sich in Betretenheit. Sie schaute über die Schulter zu ihm. Wie sollte sie für ihn da sein, wenn er sie außen vor ließ? „Ich kann grad noch nicht ins Bett.“ Mit hängendem Kopf trotte er an ihr vorbei. „Könnte es daran liegen, dass du mir nicht alles erzählst?“ legte sie den Finger auf den wunden Punkt. „Eher daran, dass sich grad alles drehen anfängt, “ schwindelte er. Ihn dieser Lüge zu überführen, war nicht schwer. Er drehte ihr den Rücken zu, nur deshalb. „Du solltest dir überlegen, was du willst, Fireball“, meinte sie verstimmt. „Ich weiß genau, was ich will, Süße“, gab er zurück und wandte sich halb zu ihr um. „Das ist es ja.“ – „Tatsächlich? Weißt du das?“ bohrte sie. „Ja“, seufzte der Japaner. „Nur leider geht nicht alles so, wie ich es will oder mir wünsche. Ich sollte jetzt wirklich noch mal in die frische Luft.“ Damit drehte er sich um und schritt zur Tür. Die Art, wie er das tat, verriet April, wie mies es ihm dabei ging. „Vielleicht solltest du da bleiben. Da draußen, an der frischen Luft. Charlene und mich gibt es nur mit Wahrheit und Ehrlichkeit, aber beides bist du gerade nicht. Du verschweigst mir nämlich mindestens die Hälfte.“ Der Rennfahrer zuckte richtig zusammen. Was las sie da aus seinem Kopf vor? Wann hatte sie das so perfekt erlernt? Sie war eindeutig zu viel mit Chily zusammen. „Was sollte ich verschweigen?“ stellte er sich dumm. „Ob du wirklich die Hilfeleistung unterlassen hast. und warum? Was ist da passiert, in der Tankstelle?“ bohrte sie unerbittlich und distanziert weiter. Distanziert und damit genau so, wie er es am schlechtesten ertragen konnte. Der Gedanke, räumlich von ihr getrennt zu sein, war schon kaum ertragbar. Aber auch ihr Herz zu verlieren war zu viel. „Ja, hab ich. Jean-Claude hat seine Freundin erschossen und wir sind nicht eingeschritten. Wir haben es geschehen lassen, “ nickte er schließlich ergeben. „Warum nicht?“ fuhr sie mit ihrem Verhör fort, hatte aber weder Vorwurf noch Wertung in ihrer Stimme. Sie wollte es einfach nur wissen und klang auch schon wieder mitfühlender. „Suzie hat uns alle verraten und ausgenutzt, bedroht und sie hat...“ Er hörte sie einen Schritt auf sich zu kommen. „Sie war kaltblütig und herzlos...“ Wieder näherte sie sich ihm. Er sackte mit dem Rücken gegen die Wand und ließ sich daran herunter rutschen. Er fühlte sich schwach und müde. April hockte sich vor ihn. „Was noch?“ wollte sie sacht wissen. „Sie hat meine Familie bedroht“, setzte er an und sie beendete den Satz. „… Mandy getötet. Sie hat es verdient.“ Oh sie steckte wirklich zu oft mit der Hebamme zusammen. Rasch erhob sie sich.
 

Ihr Töchterchen drückte noch immer empfindlich auf die Blase. Sie eilte zur Toilette. Ein unpassender Moment, aber das Malheur wollte sie nicht auch noch. Als sie zurück kam, saß der Rennfahrer noch unverändert am Boden. Vorsichtig zog sie ihn an der Hand auf die Füße. „Was glaubst du, verstehe ich daran nicht?“ setzte sie das Gespräch fort. „Du verstehst es, das weiß ich. Es ist nur... Ich fühl mich deswegen furchtbar. Weil ich nicht da sein werde, “ äußerte er unglücklich seine Gedanken. Sein Blick glitt über sie. Da war sie, die Wärme in ihrem Blick, in ihren schönen blauen Augen, das leichte Lächeln und ihre Liebe. Seine Augen huschten über ihre Gestalt, die fülliger geworden war durch das Wesen in ihrem Bauch. Behutsam legte er die Hände darauf, fuhr streichelnd darüber und schloss sie auf ihrem Rücken zu einer behutsamen Umarmung. Sie erwiderte sie. „Das ist doch noch gar nicht raus“, versuchte sie ihn sanft zu beschwichtigen. „Aber, wenn es doch so kommt? Dann lass ich meine Tochter und mein Herz alleine.“ Beinahe schnürte es ihm die Kehle zu. „Aber beide werden wissen, warum. Nämlich weil du uns beschützen wolltest. Außerdem bist du da, “ flüsterte sie und griff nach seiner Hand. Dann legte sie die Finger auf ihr Herz. Er spürte es schlagen. „Du bist hier“, wisperte sie. Seine andere Hand fuhr ihren Rücken hinauf zum Nacken und zog sie näher zu ihm. Er musste sie einfach küssen und er tat es liebevoll. Diesen Rückenhalt brauchte er um sich sicherer zu fühlen. Sie schmiegte sich an ihn. Die Beule, die an ihrem Bauch eauftauchte, konnte er so fühlen und tastete danach. „Wenigstens weiß die Kleine jetzt schon, wer ihr Papa ist“, murmelte er in den Kuss. „Oh ja, “ nickte die Blondine und wie zur Bestätigung, verschwand die Delle um gleich darauf wieder zu erscheinen. „Lass uns schlafen gehen, Süße,“ schlug er vor. „War ein katastrophaler Tag heute.“ Wieder nickte sie und beide trotteten ausgepowert zum Bett. Charlene schien etwas aufgebracht zu haben. Sie begann sich in im Bauch ihrer Mutter unruhig zu drehen. April seufzte. „Sie gibt keine Ruhe“, klagte sie. „Muss sie von dir haben“, schmunzelte der Rennfahrer schelmisch. „Ich fürchte von uns beiden. Theater macht sie grad für zwei, “ antwortete sie. So würde sie jedenfalls kein Auge zu tun. „Jetzt lass sie schon wissen, dass du da bist“, forderte sie ihren Freund auf, musste es aber kein zweites Mal tun. Sofort kuschelte er sich an sie uns strich sanft über ihren Bauch. „Ich werde da sein, solange ich kann“, raunte er seinem Töchterchen darin zu. Dessen Bewegungen wurden ruhiger. „Denk ja nicht, dass ich dich so einfach weg lasse. Nicht, wenn ich was dagegen tun kann.“ April schloss die Augen. „Das weiß ich doch, Süße.“ Sie fuhr ihm durchs Haar. Es war immer noch nass. „Mein Samurai.“ Mehr erlaubte ihre Müdigkeit nicht zu sagen. Des Tages Hektik forderte ihren Tribut und schickte das Paar rasch ins Reich der Träume.
 

Keine der drei Frauen war auch nur flüchtig auf den Gedanken gekommen ihren Partner zu verurteilen oder ihm Vorwürfe zu machen. Sie waren selbst zu sehr in all dies verstrickt und hatten, ähnlich wie die Männer, unter dem Fall gelitten. Er war an keinem spurlos vorbeigegangen, hatte dafür alle nur noch mehr zusammen geschweißt. Schlaflose Nächte und Alpträume suchten sie immer wieder heim und jeder hatte eine Schulter zum anlehnen, wenn er aus dem Schlaf hoch schreckte. Nicht jedem Tag folgte eine solche Nacht, aber häufiger als sie alle zu erst angenommen hatten und oft genug um zu zeigen, dass es noch einige Zeit brauchen würde um das Geschehene zu verarbeiten. Die Mädchen sparten sich die Mühe ihren Jungs die Hilfe eines Fachmannes vorzuschlagen. Es würde nur Protest, Diskussionen und Streit zur Folge haben und am Ende würde keiner der drei Starrköpfe zu einer solchen Sitzung gehen. Nein, die brauchten ein überzeugenderes Argument als ein „Es wäre das Beste, Schatz“.
 

Im Augenblick stand jedoch die Anhörung um Suzies Ableben im Vordergrund. Alle hatten die schriftlichen Vorladungen am nächsten Morgen im Briefkasten. Das KOK vertrödelte keine Zeit damit. Es hatte einen Ruf zu wahren und musste, für den Fall etwas dringe nach außen, gleich mit einer guten Erklärung aufwarten können. Daher stand auch kein Telefon in den Heimen der Freunde still. Der Termin zum Hearing war recht bald und es galt rasch jemanden zu finden, der ihnen in dieser Angelegenheit helfen konnte. Kurzfristig verabredeten sie sich zum Essen im Hause Rider um erste Pläne zu entwerfen, wie sie das ganze angehen konnten.
 

Deshalb öffnete Saber seinen Freunden gegen Abend die Tür und ließ sie herein. Verwundert registrierten sie Chilys lautstarken und weit neben den richtigen Tönen liegenden Gesang, der aus der Küche durch das ganze Haus hallte. „Sie kräht wie ein verrücktes Huhn“, bemerkte der Rennfahrer. Das Gekrächzte schmerzte in seinem Schädel, der sich wattiert anfühlte. Kopfschüttelnd schauten Saber und Colt ihn an und stellten gleichzeitig klar: „Sie IST ein verrücktes Huhn.“ Dieses trat nun aus der Küche, zog die Kopfhörer runter, stellte die fragwürdige Sangesleistung ein und begrüßte die Freunde. Mit der Friedhofsstimmung unter den Freunden hatte sie gerechnet, aber keine Lust, sich davon schon anstecken zu lassen. Offensichtlich schien ihr Frohsinn zumindest aber nun Colt mitgerissen zu haben. Er legte dem Rennfahrer freundschaftlich den Arm um die Schulter. „Und? Gestern auch gleich heim?“ fragte er scheinheilig, obwohl er wusste, dass dies nicht der Fall gewesen war. Der träge Blick des Gefragten sprach Bände. „So mehr oder weniger, ja“, brummte er verkatert. „Aha, wie der Blitz. Nicht so schnell, dafür im Zickzack, “ stieg die Hebamme auf die Neckerei ein. „Und so irrsinnig früh, “ ergänzte April und grinste leicht. „Hat er wenigstens Brötchen mit gebracht?“ wollte Robin wissen. Die werdende Mutter schüttelte den Kopf. „Da ist die Vernunft schneller den Bach runter, als uns lieb war, was?“ reihte sich auch Saber in den Kreis der Spottdrosseln ein. „Ich hab mich nur selbst an die frische Luft gesetzt, bevor April das getan hätte“, entgegnete Fireball. Zufrieden stellte die Frau des Recken fest, dass die Weltuntergangsstimmung verscheucht war. „Ich an ihrer Stelle hätte dich ja eher in die Garage gesetzt. Ins Auto, Motor laufen lassen, damit du es schön warm hast und nicht vergessen: Tür zu, damit die Wärme nicht rausgeht, “ stichelte sie leicht, damit diese Laune ja nicht zurückkehrte. „Moment, “ kam es gedehnt von April. „Solange ich nicht weiß, wo er seine Lebensversicherung hat, wird nichts dergleichen unternommen, “ erklärte sie, lächelte aber dabei. Sie machten es sich alle im Wohnzimmer bequem. „Wegen meinem ausschweifenden Leben haben wir uns hier doch nicht zusammengefunden, soweit ich mich erinnern kann“, versuchte der Rennfahrer das Thema abzubiegen, worauf Chily den Weg zur Küche einschlug und dabei „Remembering the first time ...“ vor sich hin sang. Mit Snacks beladen kehrte sie zurück. Der Schotte brachte die Getränke. „Au, lecker, endlich was zwischen die Beißerchen.“ Die Jugendfreundin des Scharfschützen hatte das Tablett noch nicht auf den Tisch gestellt, da hatte der sich schon an den Sandwiches vergriffen. „Du bist und bleibst ein Vielfraß“, tadelte Robin leicht. „Jetzt weißt du, wo das Haushaltsgeld hingeflossen ist“, bemerkte April. „Ja, aber ich werde mir doch demnächst eine Anlagemöglichkeit überlegen, bei der ich auf das Geld selbst zurückgreifen kann. In umgesetzter beziehungsweise angesetzter Form nützt es mir wenig, “ schmunzelte sie zurück. „Weise Entscheidung, “ kommentierte der Recke, während er Fireballs Glas, das der in einem Zug geleert hatte, noch einmal füllte. „Ihr habt gehört, was uns vorgeworfen wird?“ leitete der Blonde dann den Grund des Zusammentreffens ein. „Spät nachts, aber ja.“ April griff sich ein Sandwich. „Noch bevor ich die Haustür richtig aufhatte“, antwortete die Lehrerin und nahm einen Schluck Saft. Saber und Chily tauschten einen kurzen Blick.
 

Aha. „Hauptsache, ihr wisst alle Bescheid. Schon Ideen gesammelt, wie wir das Unheil noch abwenden können?“ – „Zumindest hab ich mal rumtelefoniert. Aber in meinem Bekanntenkreis findet sich keiner, der euch bei der Sache vertreten kann, “ erwiderte die Hebamme. „Ich kenne nur Rechtsanwälte, die sich gut mit der StVo auskennen, “ ließ sich Fireball vernehmen. Seine Freundin schüttelte bedauernd den Kopf. Ihre Telefonate waren ebenfalls ergebnislos geblieben. „Ich war bisher immer mein eigener Rechtsanwalt“, nuschelte der Kuhhirte mit vollem Mund. „Das erklärt, warum Pennyrile auf mich überschrieben wurde“, stellte Chily fest und wandte sich an ihren Angetrauten. „Werden die Unterlagen eigentlich erforderlich sein, für die Verhandlung?“ Der hob die Schultern. „Das kann durchaus Thema werden.“ Also musste sie wohl die Akten aus ihrem Versteck hervorkramen. „Ich hätte da jemanden, der uns weiterhelfen kann“, meldet Robin. „Wirklich?“ Der Schotte sah sie überrascht an. „Ja, der Onkel eines Freundes von Josh“, entgegnete sie dem Erstaunten. Colts Augenbraue schoss in die Höhe. Er vergaß von dem Sandwich abzubeißen und blickte verwundert auf seine Zukünftige. „Moment mal. Du kennst einen Rechtsanwalt?“ Was hatte er denn da nicht mitbekommen? „Flüchtig“, wich sie aus und ergänzte dann sachlich. „Woody Steeker. Er war auf einer Militärakademie, hat dort seinen Abschluss gemacht, danach Jura studiert und kümmert sich seither um Militärrecht.“ Der Rennfahrer griff nach seinem Glas und nahm noch einen großen Schluck daraus. „Da spielt uns doch nicht etwa der Zufall in die Hände?“ wollte er danach wissen. „Ich kann dir auch eine Infusion legen“, bot die Hebamme ihm augenzwinkernd an und hakte dann bei Robin nach. „Und, sieht er gut aus?“ April stieß ihrem Freund leicht in die Seite. „Lass mal, das hat er sich verdient“, meinte sie an Chily gewandt. Sie konnte den Japaner zwar verstehen, aber so unbedingt hätte das am Vorabend nun auch wieder nicht sein müssen. Von der Lehrerin wollte sie dann ebenfalls nähere Informationen. „Ja, wie sieht der aus?“ Keiner der Frauen waren dabei die Gesichter der Männer entgangen über welche Eifersucht gehuscht war. „Ganz gut. Groß, sportlich, dunkle Haare, “ informierte die Lehrerin leichthin. „Wow, “ gab Chily sich beeindruckt. „Bin ich auch! Nur mich beschreibt keine so, “ mokierte der Scharfschütze sofort. Nicht nur, dass sie wieder vom Thema abkamen, es ging dabei auch noch um einen Mann, der statt Hilfe zur Konkurrenz für die drei Angeklagten zu werden schien. „Und offensichtlich ist er auch nicht auf den Kopf gefallen. Robin, sag mal, ist der noch Single?“ fuhr seine Jugendfreundin die Stichelei fort. „Kann man sich bei dem noch unverbindlich melden?“ unterstützte April sie darin. „Ja, er ist solo“, ließ Robin sie wissen. „Ist nur die Frage, ob er sich auch mit Kindern auskennt“, grummelte Fireball nun. Das war ja nicht zum aushalten. Planten die etwa schon, von wem sie sich trösten lassen würden, für den Fall, dass die Herren eingesperrt wurden? Voraus zu denken war ja gut, aber das war die falsche Richtung. „Er ist Onkel, also hat er schon etwas Übung. Außerdem ist er so weit ich weiß recht offen, “ lieferte die Lehrerin prompt noch weitere Gründe für Eifersucht. „Können wir wieder aufs eigentliche Thema kommen? Das löst unser Problem vorrangig nicht wirklich, “ meldete Saber um zum ursprünglichen Punkt zurück zu kommen. Auf die Weise kaschierte er für alle anderen sein Unbehagen, aber seine Frau wusste es besser. „Kann er uns helfen?“ wollte der Recke von der Lehrerin wissen. „Uns beiden? Bist du sicher dass du das willst?“ neckte seine Frau wenig hilfreich weiter. „Ich dachte eher daran, dass er Colt, Fireball und mir aus der Klemme hilft“, seufzte er. „Aber wenn ihr ohne uns zu Recht kommt, sollten wir doch auf einen Anwalt verzichten und alles gestehen.“ Okay, da war sie etwas zu weit gegangen. Versöhnlich schmiegte sie sich an ihn. „Wir würden wohl auch ohne euch zu Recht kommen, aber das heißt nicht, dass wir es drauf anlegen“, meinte sie, was der Wahrheit entsprach.
 

„Er kann und er wird. Er ist schon auf dem Weg. Morgen kommt er an, “ antwortete Robin auf Sabers Frage. „Das nenne ich Express, “ zeigte April sich beeindruckt. „Schnell zu sein heißt nicht auch gut zu sein, “ konterte der Scharfschütze achselzuckend. Jetzt musste der Schotte grinsen. „Frag Fireball, Kumpel.“ – „Ja, ex und weg, “ schmunzelte dessen Frau. „Ich weiß gar nicht, was ihr habt. Waren doch nur zwei Kurze, “ verteidigte der gepisakte Rennfahrer sich lahm. „Jeder isst, was er ist, “ frotzelte der Kuhhirte. „oder trinkt halt.“ Fireball wünschte sich weit weg von den Spötteleien auf seinen brummenden Schädel. Vor allem als seine Freundin auch noch kommentieren musste. „Und die paar Bier dazwischen halt, sonst wärst du ja schon nach zehn Minuten wieder daheim gewesen.“ Augenblicklich schickte der Cowboy noch einen Spruch nach. „Die Schwäche für was kühles Blondes hat er ja.“ – „Kühl?“ knurrte Ramrods Pilot jetzt. „Schon mal in der Antarktis gewesen? Da ist warm im Vergleich dazu.“ So allzu liebevoll hatte die Mutter seiner Tochter ihn schließlich nicht empfangen. „Jetzt sei halt noch beleidigt. Ist ja nicht so, dass ich vor Sorge um dich fast verrückt geworden bin und deine Tochter mich in einem fort getreten hat, “ schnappte die Schwangere heftiger, als man es von ihr gewohnt war und deshalb für jeden klar, dass sie unter dem momentanen Stadium ihrer Umstände litt. Die Geburt rückte näher und damit wurde die Schwangerschaft immer ansträngender. „Ich hab dir gesagt, warum ich das getan hab und ich hab mich dafür entschuldigt, also hör jetzt bitte auf, darauf rumzuhacken.“ Fireball legte das Sandwich, das er sich eben genommen hatte, wieder zurück. Jetzt war ihm der Appetit vergangen. „Wenn du nicht willst, dass ich dir den Gummibauch anlege, bist du mal bitte wieder etwas freundlicher zu ihr“, mahnte die Hebamme ihn. Der Gummibauch war eine bewährte Maßnahme ihren Patientinnen oder auch deren Männern einen Eindruck von der Schwangerschaft zu vermitteln. Vor allem die Herren der Schöpfung taten sich damit oft schwer, weswegen Chily diese gern dieser Prozedur unterzog. „Also, ich für meinen bescheidenen Teil, will den Gummibauch sehen!“ Colts Stichelei wurde jedoch ignoriert. „Entschuldigung. Mir ist nur nicht nach Späßen heute, “ murrte der Rennfahrer. „Sich in Trübsinn zu vergraben, ist aber auch nicht die Lösung. Wenn.“ Chily brach ab. Sie war drauf und dran etwas aus seinem Kopf vorzulesen, was ihm in Gegenwart der anderen sicher unangenehm sein dürfte. Nun winkte sie nur ab. „Vergiss es.“ Sein unfreundliches „Danke“ brachte sie aus der Fassung. „Was hab ich jetzt falsches gesagt?“ wollte sie wissen. Da hatte sie sich extra zurückgehalten und er war beleidigt. Der beste Beweis dafür war, wie er sich einfach an den Recken wandte. „Wir sind jetzt immer noch kein Stück weiter. Außer, dass wir wissen, wann Mr. Right hier ankommt, haben wir keinen blassen Tau davon, wie wir uns schonend verantworten können, “ fasste er zusammen. Jetzt schmollte auch die Hebamme vor sich hin. „Danke für das Gespräch“, grummelte sie und lehnte sich mit verschränkten Armen zurück. „So lange er nicht hier ist, können wir das wohl auch nicht. Er wird wissen, was genau auf uns zu kommt und wie wir uns am besten darauf vorbereiten, “ entgegnete der Blonde und hob die Schultern. „Jedenfalls, wenn er was von seinem Job versteht, “ fügte er hinzu. „Und sonst verlassen wir uns darauf, dass der Richter eine Frau ist und er mit seinem Aussehen bestechen kann, “ kommentierte Colt. „Egal wie, Hauptsache wir sind aus dem Schneider.“ Zu irgendwas musste Mister Perfect ja taugen. „Woody meldet sich morgen, so bald er gelandet ist, “ informierte Robin noch. „Dann sollten wir uns morgen freihalten, “ fasste April zusammen. „Sehe ich auch so. Wieder hier?“ Saber schaute in die Runde. Chily erhob sich und verschwand in der Küche.
 

Fireball stand ebenfalls auf, nachdem er die Frage des Recken mit einem Nicken beantwortet hatte. Es drängte ihn zurück in die eigenen vier Wände, weg von weiteren, durchaus noch möglichen, Sticheleien, die er mit dem verkaterten Hirn nun wirklich kaum vertrug, und weg von der Hebamme, zu der er heute irgendwie auf Kollisionskurs stand, bevor sie zusammen rasselten. „Aber selbstverfreilich. Bei dir ist die Küche so gut.“ Colt lehnte sich behaglich im Sessel zurück. „Und weniger arbeitsaufwändig“, lächelte Robin. Im Hause Rider fühlte sich das Paar nicht nur als Gast willkommen, sondern königlich. „Genau. Wir haben den Saustall nicht in der Küche stehen, “ grinste der Cowboy frech. „Du könntest trotzdem beim Abräumen helfen, “ schlug die Lehrerin vor. April schaute sie erstaunt an. „Das wäre das erste Mal, dass er was im Haushalt macht“, hakte sie nach. „Oh nein, ich hab ihn schon angelernt, “ gab Robin zurück. Tatsächlich ging ihr der Scharfschütze sehr umsichtig im Haushalt zur Hand. „Dann hattest du bessere Methoden als wir“, ließ Saber sich zu einem kleinen Scherz hinreißen. Chily kam mit einem Tablett zurück und begann das Geschirr darauf zu schichten. „Ganz sicher hatte sie die. Oh, und bevor ich es vergesse, wenn der da morgen wieder so angepisst ist, soll er daheim bleiben, “ bemerkte sie beiläufig und wies mit dem Finger auf den Rennfahrer. Dass der seine schlechte Laune , ähnlich wie damals, als April durch die Entführung beinahe das Kind verloren hätte, wieder auf ihr abgeladen hatte, war ihm nicht so richtig aufgefallen. Jetzt, da sie es ansprach, wurde es ihm erst bewusst. „Dann stöber nicht immer in fremden Köpfen rum“, schnappte er mürrisch und nahm die Hand seiner Freundin. „Kannst du dich loseisen, Süße?“ Er musste hier wirklich weg, sonst las die Hebamme womöglich noch laut vor. „Auch gut, dann komm du eben und ich gehe. Ich bin nämlich leider so wie ich bin, “ erklärte diese und kehrte mit dem vollen Tablett in die Küche zurück. Strenge Blicke richteten sich auf den Rennfahrer. „Fireball“ hörte der den Schotten mahnen. April ließ seine Hand los und deutete damit auf die Tür. „Geh, bevor ich dich trete, mein Lieber!“ – „Oder du blaue Augen bekommst.“ Colt erhob sich warnend. „Du kannst auch einen Abstecher in die Küche machen“, meinte Robin kühl. Es konnte für sie alle nicht sein, dass er der Hebamme etwas vorwarf, wofür sie nichts konnte. Da hätte er auch ihre Haarfarbe kritisieren können. Aber die war angeboren. Ebenso ihre Eigenschaft in den Köpfen anderer zu lesen, und das hatte sie nicht mal laut getan, sonst wüssten sie alle, was genau mit dem Piloten los war. Eine Entschuldigung war also fällig. Der sah missmutig auf die kühle Wetterfront in Form und Gestalt seiner Freunde, schnaufte hörbar und trabte der Hebamme hinterdrein.
 

Die räumte in der Küche gerade die Spülmaschine ein und sah nicht auf. „Kann ich helfen?“ fragte er, blieb aber vorsichtshalber in der Tür stehen. An ihrem gesenkten Kopf war nicht zu erkennen wie schwer verstimmt sie war, aber er wusste, was sie im schlimmsten Fall so alles nach ihm werfen konnte. Da brauchte er nur an ihre Auseinandersetzung mit Suzie denken, bei der sie ihr die Harke auf die Brust gesetzt hatte. Nein, an einer ähnlichen Behandlung hatte er kein Interesse. Wirklich nicht. Zumal sie hier nur auf Gabeln oder Messer zurückgreifen konnte. Aber Chily schwieg verbissen und fuhr mit ihrer Abreit fort. Also schwieg auch er, verschränkte die Arme vor der Brust, lehnte sich gegen die Anrichte und schaute ihr zu. Sie blieben beide so beharrlich still, dass die Freunde aus dem Wohnzimmer besorgt auf den Flur hinaus schlichen um nach dem Rechten zu lauschen. Sie hielten jedoch einen gesunden Abstand zur Küchentür, damit es nicht so auffiel. Drinnen brach Chily schließlich die Stille. „Wenn du dich nicht entschuldigen willst, geh“, meinte sie und betonte „willst“ und „geh“ besonders. „Ich dachte, ich warte erst mal ab, was noch alles kommt, bevor ich mich entschuldige. Du bist zu Recht sauer, das ist mir schon klar, “ begann er. Sie schloss die Spülmaschine, tippte das Reinigungsprogramm ein und startete sie. „Aber dir ist nicht klar, dass du dir schon wieder unnötige Sorgen machst. Zum ersten, hat noch nicht mal die Verhandlung angefangen, geschweige denn ist ein Urteil gefällt. Zum zweiten, selbst das könnte man noch anfechten. Und drittens, wenn das auch nichts nützen sollte, ist April hier trotzdem nicht allein und heißt das nicht, dass dir die ersten drei Jahre von Charlene völlig verloren gehen. Da kann man nämlich was provisorisch machen, mit Fotos und so. Ich dachte, wir alle wären Freunde und halten zusammen, “ entgegnete sie und hatte unbewusst ziemlich genau das ausgesprochen, was in seinem Kopf so vor sich ging. „Das kann ich aber nicht einfach abstellen, “ seufzte er und begann in der Küche herum zu tigern. Unheimlich war das, wie sie den Treffer versenkt hatte. „Du gehst in meinem Kopf spazieren, als wärst du dort zuhause, wo ich noch nicht mal weiß, was ich eigentlich denke“, bekundete er seinen Unmut. „Was soll ich machen? Das kann ich nun mal nicht abstellen. Aber das, was du am meisten fürchtest, wird ohne hin nicht eintreffen. Wenn du nach den drei Jahren heimkommst, sollte es überhaupt so weit kommen, werden beide da sein. Und bis dahin, werden sie jede Chance nutzen dich zu besuchen. Und wenn sie das nicht können, wirst du mit Fotos, Videos und den ersten selbstgemalten Bildern zu gemüllt ...“ Sie schlug sich erschrocken die Hand vor den Mund. Sie hatte es schon wieder gemacht. War das denn möglich? Für Fireball war es jedenfalls nicht zum aushalten. Dass sie seine Befürchtungen aussprach, machte es nun wirklich nicht leichter für ihn. Ausgesprochenen Ängsten musste man sich schließlich stellen. Aber nicht hier, nicht jetzt. „Es tut mir leid, Chily. Das weißt du hoffentlich.“ Er durchquerte die Küche. „Ich werde mich morgen zusammenreißen.“ Er wollte eben die Türklinke runter drücken, da hielt sie ihn am Arm fest. „Es tut mir leid. Das wollte ich nicht. Wirklich, “ versicherte sie ihm hilflos. Er befreite sich rasch. „Schon gut. Wir sehen uns ja morgen.“ Damit war er aus der Küche raus.
 

Dass ihm im Flur niemand begegnete, lag daran, dass sich die Lauscherschaft vorsichtigerweise wieder ins Wohnzimmer zurückgezogen hatte, als sie Geräusche an der Tür vernommen hatte. Das unglücklich gerufene „Manapi“ holte sie nun zurück. „Das ist nicht gut gelaufen, wenn du mich fragst, Schatz“, raunte Colt Robin zu. Saber war mit wenigen Schritten in der Küche. „Jolene...“ Kaum hatte er sie betreten, warf sich seine Frau an seine Brust. „Ich bin so doof“, klagte sie bekümmert. „Weshalb denn?“ Zärtlich nahm er sie in die Arme und streichelte ihren Rücken. Bei dem Anblick reichte es dem Rennfahrer endgültig. Da hatte er ja was angestellt. „Ich fahr schon mal nachhause, Süße. Wenn du willst, kannst du noch bleiben. Colt fährt dich sicher gerne, “ rief er April zu und trollte sich. An der Brust ihres Mannes schniefte Chily trocken. „April? Geh mit Fire, “ wies sie die Schwangere an. „und sei ja lieb zu ihm.“ Er brauchte sie jetzt. Die Navigatorin nickte verwirrt. „Hey, Turbo, warte auf mich.“ Damit war sie ihrem Freund gefolgt und fragte sich, was da wieder zwischen den beiden los gewesen war.
 

In der Küche schmiegte sich die Hebamme beinahe schon in den Recken hinein. „Ich doofes Huhn ich, “ jammerte sie. Sie konnte nicht fassen, dass sie zweimal nach einander so dermaßen tief in einen Fettnapf getreten war. Saber liebkoste sie unentwegt, konnte aber mit ihren Sätzen nicht wirklich etwas anfangen. „Was hast du denn gemacht? Oder soll ich lieber fragen, was Fire verbrochen hat?“ wollte er deshalb wissen. „Ich. Ich war es. Ich les in seinem Kopf – mal wieder. Er sagt, es ist ihm ganz unheimlich, weil ich vorlese, was er nicht mal denken will. Und was mach ich? Les glatt noch mal noch mehr davon vor. Kein Wunder tritt er die Flucht an. Warum kann ich nicht einfach meine Klappe halten?“ sprudelte es aus ihr heraus. „Moment, jetzt noch mal auf Anfang, Jolene.“ Das war etwas viel auf einmal. Saber hob ihr Kinn und blickte sie aufmerksam an „Was hast du ihm denn gesagt?“ – „Na, wovor er Angst hat“, entgegnete sie ungeduldig. „Das kann ich ihm auch sagen, ohne in seinem verstaubten Stübchen zu lesen. Sieht man ihm doch an, “ warf der Kuhhirte dazwischen. „Wir gehen Colt, “ entschied Robin und zog ihn zur Garderobe in der Diele. „Was denn?“ Das ganze Theater musste ihm mal einer erklären und die Lehrerin tat es, als sie die Haustür hinter sich geschlossen hatten und Winterkälte sie umfing. Der einzige, der der Hebamme gerade helfen konnte, war Saber und ganz sicher nicht ein begriffsstutziger Cowboy mit losem Mundwerk.
 

Der Recke schüttelte ungläubig den Kopf. „Hat ihm das sauer aufgestoßen? Nur das?“ So recht konnte er das nicht nachvollziehen. Inzwischen war er es so sehr gewöhnt, dass sie in seinem Kopf ein und ausging, dass es für ihn schon vollkommen normal war. „Schon vergessen wie es dir früher ging?“ erinnerte sie ihn leicht vorwurfsvoll. „Wenn ich dich in die Flucht schlagen wollte, ging das damit ganz leicht. Nur, so wie damals, wollt ich das grad auch gar nicht.“ Er drückte sie wieder liebevoll an sich. „Fireball kriegt sich schon wieder ein, Jolene. Lass ihn noch mal eine Nacht drüber schlafen und morgen ist wieder alles wie vorher, ganz sicher, “ versuchte er seine Angetraute zu trösten. „Nicht, wenn ich ihm wieder alles vorlese, was er nicht sagen will. Ich sollte morgen wirklich aus dem Haus sein, wenn sie kommen, “ zog sie ernsthaft in Erwägung. „Jolene, bitte. Morgen sieht die Welt wieder ganz anders aus, versprochen.“ Er presste sie noch etwas fester an sich. In Moment brauchte er ihre Gegenwart mehr als alles andere, da konnte sie doch nicht einfach aus dem Haus gehen. „Wenn du noch etwas fester drückst, werd ich das nicht miterleben“, röchelte sie, weil er sie unbeabsichtigt haltsuchend fest an sich gedrückt hatte. „Entschuldige, Schatz.“ Sofort löste er die Umklammerung leicht. „Stöber doch morgen in Colts oder in meinem Kopf herum, wenn du in einem lesen willst“, riet er ihr. Den Tipp meinte er zwar gut und ehrlich, aber er übersah dabei etwas. Sie ließ die Schultern hängen. „Ich wollte ihn doch nur beruhigen, wo er vor Sorge schon ganz irre ist. Man, aber ich kann nicht nichts sagen, wenn ich weiß, was mit jemandem nicht stimmt und ich kann nicht kontrollieren, in wessen Kopf ich rummarschiere,“ seufzte sie. Er strich ihr übers Haar und hauchte einen Kuss darauf. „Er weiß, dass du es nicht mit Absicht getan hast, ganz bestimmt. Ach, Jolene. Fireball kann weder seine Gefühle besonders gut kontrollieren, noch seine Gedanken. Nimm es ihm nicht übel. Er tut das bestimmt auch nicht, “ meinte er beruhigend, fragte sich aber im Stillen, was Chily da mit „etwas stimmt nicht“ meinte. Sie fuhr von ihm zurück wie von der Tarantel gestochen. „Ich sollte wirklich meine Klappe halten“, stellte sie alarmiert fest. Verwundert schaute der Recke sie an. „Wieso?“ Was hatte sie denn? In seinem Kopf war sie gewesen. „Na, weil ich dich jetzt auch noch beunruhige“, entgegnete sie. Er zog sie wieder an sich und erklärte schmunzelnd. „Mich darfst du beunruhigen. Ich bin dein Mann.“ – „Ja, aber das wäre unnötig. Ich hab mich nur falsch ausgedrückt. Ich meinte, ich merke, wenn jemand sich um irgendetwas Gedanken und Sorgen macht, so wir das gerade alle tun, “ korrigierte sie die Missdeutung. „Das ist allerdings richtig. Wir haben alle grad den Kopf voll mit Sorgen und Ängsten. Keiner macht da eine Ausnahme, “ stimmte er ihr zu. „Eben.“
 

Es wurde höchste Zeit diese bedrückenden Gedanken zu verscheuchen. „Kann ich dich etwas von deinen ablenken?“ fragte sie unschuldig und hauchte ihm einen leichten Kuss auf seine Lippen. „Gerne“, erwiderte er, auch die Zärtlichkeit. Unter ihren liebevollen Händen konnte er alles vergessen. Sehr viel anders ging es ihr nicht. Sie liebte es ihm Liebkosungen zu schenken. Beide genossen es, den anderen zu spüren, zu schmecken, dessen Duft zu atmen. Das war der Grund, warum ihre Küsse stürmischer wurden, von seinem Mund über den Kiefer zum Hals und von dort zum Ohr wanderten um dieses sanft anzuknabbern. Aber dann löste sie sich von ihm „Das reicht hoffentlich.“ Es hatte gereicht um ihn auf andere Gedanken zu bringen, aber diese wollte er nun auch in die Tat umsetzen. „Nein, absolut nicht.“ Er hielt sie fest und drückte ihr einen feurigen Kuss auf die Lippen. „Muss aber“, murmelte sie beharrend, konnte dies aber nicht entsprechend betonen, sondern antwortete mit weiteren Streicheleinheiten. Es war so schwer sich gegen ihn zu sträuben. „Muss es nicht. Hier hab ich das Sagen.“ Damit presste er sie an sich und hob sie auf die Anrichte. „Seit wann?“ kicherte sie. „Lies in meinen Gedanken, dann weißt du es.“ Zielstrebig glitten seine Hände unter ihr Shirt und hinauf zu ihrem BH-Verschluss. Mit Fingern, die eindeutig nicht ihrem Kopf gehorchten, knöpfte sie sein Hemd auf. „Du hättest mal den Kalender lesen sollen, Schatz“, raunte sie ihm zu. „Den kenn ich schon“, behauptete er, obwohl er keine Ahnung hatte, was sie damit meinte. Dafür entfernte er ihr Oberteil unverzüglich von ihrem Körper. Okay, sie musste ihn warnen. „Offensichtlich nicht, oder bist du neuerdings Pirat.“ Der Hinweis kam in seinem Kopf an. „Das ist jetzt nicht wahr, oder?“ Er fuhr von ihr zurück so weit es ihre Arme erlaubten. „Ich fürchte schon“, gestand sie kleinlaut. „Auch das noch...“ Was konnte denn noch alles daneben gehen? „Manapi, denkst du wirklich, ich lass dich so im Regen stehen?“ fragte sie und lächelte vieldeutig. „Ich hoffe stark, dass du mir einen Regenschirm reichst.“ Das hoffte er wirklich. Sie antwortete nicht. Stattdessen rutschte sie von der Anrichte hinab und schenkte ihm leidenschaftliche Küsse. Ihre Hände gehorchten ihrem Kopf, als sie über seinen Oberkörper fuhren und ihre Lippen langsam folgten.
 

Zu Hause angekommen, zog Fireball sich augenblicklich in das künftige Kinderzimmer zurück. Er betrachtete die Tapete, sorgfältig von April und der Hebamme gestaltet. Sein Blick schweifte über den aufgemalten Himmel zu der Ecke, in der das Bettchen stand, dass er mit Saber zusammen gebaut und über dem er ein Feenmobile angebracht hatte. Die Wickelkommode daneben hatten ebenfalls er und der Recke zusammen montiert. Nein, sie waren nicht allein. Wenn sie Freunde brauchten, waren sofort welche zur Stelle. Mit allem, was Chily gesagt hatte, hatte sie Recht. Das wusste er. Es wäre auch im schlimmsten Fall mindestens eine helfende Hand da. Aber musste es wirklich erst soweit kommen? Er wollte nicht weg. Alles in ihm sträubte sich dagegen. Dass April leise den Raum betreten hatte, merkte er erst, als sie ihm liebevoll die Arme umlegte und sich an seinen Rücken schmiegte. Unhaltbar und urplötzlich rollte eine Träne über seine Wange. Nein, er wollte auf keinen Fall fort von ihr. Aber sie würde da sein, das spürte er auch. Wenn er zurückkäme, wäre sie da. Diese Gewissheit tat gut.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Fells1983
2008-12-07T15:35:17+00:00 07.12.2008 16:35
Ich bin mal wieder voll BEGEISTERT von den Kapitel. Man bin ich gespannt wie es weiter geht. Mach BITTE SCHNELL WEITER.
Von:  Misano
2008-12-07T12:20:54+00:00 07.12.2008 13:20
Oh, *an den Fingernägeln knabber* die Armen, ich hatte sowas schon geahnt. Aber auch nur, weil du so gut schreibst, das Ganze ist genial durchstrukturiert!
Das Zufallstreffen zwischen Chily und Sincia (ja, diesmal kann es nur sie sein ^^) ist hollywoodreif. Ich warte schon auf die Fortsetzung und wie gut der Woody (geiler Name *g*) nun tatsächlich aussieht!


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