Zum Inhalt der Seite

Western Spirits

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

I see lies

I see lies
 

Irgendetwas hatte Colt nicht schlafen lassen. Er hinkte die Treppen hinab in die Küche. „Morgen, Bullet“, grüßte seine Schulfreundin, die wie immer um diese Tageszeit schon gut gelaunt war. „Dir auch, “ murmelte er verschlafen zurück und ließ sich auf einen der Stühle am Esstisch nieder. Die Morgenpost lag darauf. Während sie zwei Tassen Kaffee eingoss, sah er den Stapel durch. Briefe, Wurfsendungen, Fachzeitschriften und … Was war das? Da lag ein zusammen gefalteter Zettel dazwischen. Er runzelte die Stirn und schlug ihn auseinander. Beinahe wäre er vom Stuhl gefallen, als er ihn gelesen hatte. Auf jeden Fall war er jetzt wach. „Hier bitte.“ Chily stellte ihm eine Tasse Kaffee hin. Hastig schob er das Papier in die Hosentasche. „Danke“, erwiderte er und nahm einen Schluck. Es war ihr wohl nicht aufgefallen, stellte er fest. „Chily, meine Schote“, begann er. Sie schaute ihn aufmerksam an. „Tust du mir einen Gefallen?“ Sie nickte. „Die Unterlagen über Pennyrile, kannst du sie wegbringen?“ – „Wieso?“ fragte sie erstaunt. „Ach, wer weiß wozu es gut ist. Ist mir auch egal, wann du sie wohin bringst. Nur ist es vielleicht besser, wenn sie nicht im Haus sind, “ meinte er und gab sich Mühe gleichgültig zu klingen. „Okay.“ Sie konnte diese Bitte nicht einordnen, aber etwas sagte ihr untrüglich, dass Colts Gleichmut gespielt war und er ihr nichts erklären würde. Weiteres Nachfragen sparte sie sich daher. Sie wusste, dass die Angelegenheit um das alte Kohlegebiet noch nicht geklärt war. Colts Anliegen kam recht plötzlich, war aber vermutlich längst überfällig. „Verlass dich drauf. Ich erledige das, “ versprach sie und verließ die Küche um sich für den Tag zu richten.
 

Colt hatte keine Möglichkeit Saber von dem Zettel zu erzählen. Der Recke war damit beschäftigt, Mandarin und Suzie in Ramrods Funktionen einzuweisen und war, kurz nach dem Chily das Haus verlassen hatte, mit den beiden in der Kommandozentrale des Riesenbabys verschwunden. Weder Robin, noch Chily wollte der Scharfschütze von seinem Fund erzählen. Es würde die beiden zu sehr beunruhigen. Es hatte ihn beunruhigt. Was genau hatte das zu bedeuten? Es konnte doch nur eine Warnung von Jean-Claude sein. Schließlich hielt der Kuhhirte es nicht mehr aus und humpelte am späten Nachmittag die Rampe des Friedenswächters hinauf. Kaum war er oben angekommen, lief ihm der Recke über den Weg. „Chefchen, hast du mal eine Minute für mich? Nur wir beide?“ fragte er. Der Gefragte hob erstaunt die Brauen. „Klar. Worum geht es?“ Noch erstaunter folgte er Colt, der in das Quartier der Jungs voran hinkte und dann auch noch die Tür schloss. „Ich will mit dir nur mal ein Gespräch von Mann zu Mann führen“, meinte er dort. „Über Bienen und Blüten, du verstehst.“ Der Blonde rollte die Augen. „Was mit Chily und mir ist, geht dich gar nichts an Colt“, erinnerte er seinen Scharfschützen. „Nein, die Bienen haben mir was anderes geflüstert, Boss“, grinste er. „Ich hab das heute in der Post gehabt.“ Damit zog er den Zettel aus seiner Hosentasche und reichte ihn Saber. „Es ist noch nicht vorbei.“ Der Blonde legte die Stirn in Falten. „Das war in der Post?“ hakte er nach. „ Ja“, bestätigte der Lockenkopf. „Ich dachte, es könnte wichtig sein. Hab irgendwie ein ganz ungutes Gefühl, hab ich doch da.“ Der Schotte schob den Zettel in die eigene Hosentasche und fragte: „Hast du es Chily oder Robin gezeigt?“ Colt riss die Augen auf. „Bist du wahnsinnig?“ rief er. „Damit sie sich gleich wieder Sorgen machen und Angst kriegen. Ich will es auch nicht unbedingt unseren Vorzeigemädels präsentieren, wenn ich ehrlich bin, “ erklärte er dann. „Ich muss das fragen. Chily holt morgens als erstes die Post. Es hätte ja sein können, dass sie es gesehen hat, “ rechtfertigte der Recke sich. „Nein, heute war ich mal schneller mit dem Durchgucken. Als ob ich es gerochen hätte.“ So schien es wirklich. Saber setzte sich auf das untere der drei Betten und stützte sein Kinn auf die Hand. „Was hältst du davon?“ Der Gefragte wiegte den Kopf. „Weiß nicht. Könnte ein saublöder Scherz von irgendwem gewesen sein, oder aber unser aller Freund Jean-Claude ist wieder da, “ grübelte er laut. „Ich meine auch, es ist entweder von Jean-Claude oder ein geschmackloser Scherz von Dean, “ stimmte Saber zu. „Wie kommst du jetzt auf den Flachmaaten?“ wunderte der Kuhhirte sich. „Oh, hab ich ganz vergessen dir zu erzählen.“ Verlegen räusperte sich der Recke. Er hatte tatsächlich nicht mehr daran gedacht, aber das würde Colt nicht davon abhalten ihm dafür den Kopf runter zu reißen. „Ach echt? Was hast du denn vergessen, edler Recke?“ bohrte der sofort an diesem Punkt nach. „Dir zu erzählen, dass Dean hier war“, gestand der Gefragte. „Wann? Der traut sich noch hier her?“ Über den Mut, oder Größenwahn, konnte der Cowboy nur stauen. „Ein Tag bevor du gekommen bist. Dann hast du hier die Mädels kirre gemacht, gestern kam mit Mandarin und Suzie auch das Gezicke ins Haus, weshalb ich es vergessen hab, “ berichtet Saber wahrheitsgetreu. „Was wollte der Kronleuchter für Arme?“ setzte Colt sein Verhör fort. „Er hatte wohl Sehnsucht nach Jolene.“ Saber fragte sich, wie gesund es für ihn war, die ganze Geschichte zu erzählen. „Von mir aus kann er vor Sehnsucht vergehen“, schnaubte der verächtlich. „Also, was war los? Hat Deanilein Stunk gemacht?“ – „Er hat es versucht.“ – „Ein bisschen genauer bitte“, drängte Colt. „Stunk kann von ein bisschen stänkern bis hin zu Attacken meiner Chily gegenüber alles gewesen sein, “ fügte er mit grimmigem Blick hinzu. „Nein, keine Attacken, “ wich der Blonde aus, aber das Gesicht seines Scharfschützen verriet so viel Ungeduld, dass er doch lieber alles erzählte. „Sagen wir es so: Er weiß jetzt, was sie für Unterwäsche trägt.“ Mehr konnte der Schotte nicht berichten. „Er hat sie an gegrabscht?“ entfuhr es dem Kuhhirten ungehalten. „Wo zur Hölle warst du da?“ Egal, wie gehandikapt der Scharfschütze im Augenblick war, wenn Saber jetzt erzählen würde, dass er ihr nicht geholfen hatte, würde er es nicht überleben. „Glaubst du, ich lass das zu. Er hat seine Flugstunden bekommen, “ parierte der Recke diese stumme Unterstellung. „Hast noch mal Glück gehabt, “ brummte Colt. „Sag mir mal bitte, wie der Kandidat für Jolene sein muss, damit du nichts mehr zu nörgeln hast, “ seufzte der Recke frustriert. So oft wie der Cowboy Kommentare gegen diese Beziehung vom Stapel ließ, fragte sich Saber, ob er in dessen Augen überhaupt etwas richtig machen konnte. Ihnen beiden war die kleine Hebamme sehr wichtig, waren sie gleichermaßen an deren Glück interessiert, doch hatte es den Anschein, dass der Blonde bestimmte Anforderungen nicht erfüllen konnte. Das schmerzhafte daran war, dass Colt es war, der diese Anforderungen stellte. „Den gibt es nicht, ganz einfach, “ grinste der breit zurück und fügte dann ernster hinzu. „Nein, wenn auf sie aufpasst und gut zu ihr bist und ich dich auch noch leiden kann, hast du schon gute Karten.“ Jetzt zwinkerte er wieder schelmisch. „Fehlt nur noch das Bestechungsgeld auf meinem Konto.“ Der Schwertschwinger nickte verstehend. „Was muss ich auf den Scheck schreiben, damit du mir für solche Vorfälle nicht wieder den Kopf runter reißt?“ wollte er wissen. „Schreib was Nettes drauf“, bekam er zur Antwort. „Das wird ein Blanko-Scheck“, grinste er nun. „Nee, Balkon mag ich nicht“, wiegelte der Kuhhirte ab. „Jetzt zum Thema zurück. Boss, ich glaube nicht, dass es Dean war. Dafür fehlt ihm der Grips und der Schneid, “ meinte er sachlich. „Das hatte ich befürchtet. Dann sollten wir doch Mandarin und Suzie einweihen. Es gilt die Augen offenzuhalten, “ bemerkte der. „Wie wär es, wenn du erst mal unseren Piloten aus dem Urlaub herholst?“ schlug Colt vor. „Das werde ich nicht ohne die Erlaubnis der Hebamme tun“, entgegnete Saber. „Ist neuerdings Fireball schwanger? April kann doch auf Kur bleiben, oder?“ Das verstand der Scharfschütze gerade nicht. „Jolene hat die beiden nicht umsonst gemeinsam geschickt. Also werde ich Fire nicht ohne ihr Okay von April trennen, “ erklärte der Blonde. Er zweifelte nicht, an den Beweggründen seiner Freundin für diese Maßnahme. „Siamesische Zwillinge sind leichter zu trennen, als die zwei. Ich hab es ja schon immer gesagt, aber auf mich hört ja keiner, “ mimte der Lockenkopf den Verstimmten. „Entschuldigung, hast du was gesagt, “ wurde er prompt aufgezogen. „Nö, ich hab meine Lippen nur des Spaßes wegen bewegt, “ lachte er. „Nein, jetzt im Ernst. Wie willst du Chily erklären, dass wir Fire hier bräuchten, ohne sie einzuweihen? Willst du ihr sagen, dass die Triebwerke mal gewartet werden sollten? Das würd sie nicht mal dir glauben. Sie hat gesehen, wie fix unser Rotschopf in Sachen Technik ist, “ wandte Colt noch ein. „Wir brauchen Fireball hier. Wir haben keinen Piloten und die Mädels können besser mit Ramrod trainieren, wenn wir in voller Besetzung sind, “ lautete die simple Erläuterung des Recken. Schulterzuckend musste der Cowboy zugeben, dass dies einleuchtend war. „Ist schon wahr“, gab er zu. „Aber warum erst jetzt und nicht schon, seit Mandy und Suzie angekommen sind, hm?“ – „Erst die Theorie, dann die Praxis“, erwiderte Saber trocken. „Klugscheißer, elender.“ Der hatte doch wirklich für alles eine Antwort. „Was will Fire den zweien denn in der Praxis zeigen? Kinder kriegen, “ lachte Colt fröhlich. „Mal nicht den Teufel an die Wand. Dann kastrier ich ihn.“ Saber erhob sich wieder. „Ach, alles halb so schlimm. Du musst nur Mandy einen Keuschheitsgürtel umlegen, “ versetzte der Kuhhirte munter. „Kein Bedarf, “ versicherte der Schotte. „Ich verzichte auf die seelische Grausamkeit, die mir Jolene antun wird, wenn sie erfährt, dass ich Mandy so nah gekommen bin.“ Deren Schulfreund nickte zustimmend. „Sollen wir Hexe und Besen jetzt ein Ton von dem Liebesbrief sagen?“ wollte er dann wissen. „Ich schätze, wir müssen.“ Saber öffnete die Tür. „Dein Job. Ich bin im Krankenstand, “ erinnerte Colt ohne Umschweife. „Von wegen, fauler Sack.“ Damit machten sie sich auf den Weg in die Kommandozentrale.
 

Der Cowboy protestierte: „Hey, ich bin doch wirklich nicht einsatzbereit. Und dabei würd ich so gern mit von der Partie sein.“ Er zog einen Flunsch. „Offengestanden, nach deiner letzten Aktion bin ich froh, dass du es nicht bist. Du hast dich da draußen nämlich nicht konzentriert und ich will doch lieber auf deiner Hochzeit tanzen, nicht auf deiner Beerdigung, “ bemerkte der Highlander und bekam einen leichten Schlag auf die Schulter. „DU würdest auf meiner Beerdigung tanzen? So wenig würdest du um mich trauern? Das ist echt gemein von dir, weißt du das?“ Das konnte Colt kaum fassen. „Klar, würd ich tanzen. Ich weiß doch, wie du Trauermienen hasst, “ rechtfertigte der Blonde sich. „Du bist zu gütig, Säbelschwinger. Aber jetzt erheitere mich bitte noch, so lange ich lebe und bring unseren beiden Kampfbienchen die Neuigkeiten.“ Damit betraten sie die Brücke.
 

„Sieh mal einer an, wer uns da beehrt“, lächelte Mandarin aus Aprils Satteleinheit und wies auf die beiden Männer. „Wow, das man euch beide noch mal zu Gesicht bekommt“, ließ sich Suzie vernehmen. „Was verschafft uns das fragwürdige Vergnügen?“ Der Scharfschütze hinkte zu seiner Satteleinheit. „Ich muss doch auch mal aus dem Krankenbett“, meinte er dabei. Suzie schwang sich behände aus dem Sitz. „Ich bin aber nicht deine Krankenschwester, Freundchen“, erinnerte sie. „Was treibt euch jetzt gemeinsam zu uns, meine Herren?“ Der Kuhhirte ließ sich langsam in sein Modul gleiten. „Ach wie hab ich das vermisst“, seufzte er theatralisch. „Da hat jemand einen Liebesbrief geschrieben“, antwortete Saber auf die Frage der Hochgewachsenen. Prüfend linste Mandarin aus Aprils Satteleinheit zu ihm. „Klingt aber nicht so, als wär der Liebesbrief erwünscht“, stellte sie fest. „Na ja, “ räumte er ein. „Jemand hat eine etwas seltsame Vorstellung von Treue.“ Auf die erstaunten Blicke der beiden reichte er ihnen den Zettel. „Bitte. Das war in der Morgenpost. Colt hat es gefunden.“ Verwundert schaute Suzie zu dem Kuhhirten. „Du? Ist ja ganz was Neues?“ wunderte sie sich. „Wieso? Ärger findet der gute Colt doch zu jeder Tages und Nachtzeit, “ grinste Mandarin und als sie dessen gerunzelte Stirn sah, gleich noch etwas breiter. „Na ja, war schon besser, dass ich den Liebesbrief gefunden hab. Chily wär das Herz in die Hose gerutscht, “ meinte er dann nur. „Ja, haltet die Augen offen, aber beunruhigt Jolene und Robin nicht.“ Saber sah die beiden eindringlich an. „Ich dachte, die beiden kann man nur mit eurer Gegenwart beunruhigen?“ neckte der Starcaptain leicht. „So charmant das klingt, halte dich bitte trotzdem daran“, mahnte er. „Aber immer doch“, salutierte sie darauf mit einem Augenzwinkern vor ihm. Sie nahm diese Order ernst. Ihr Scherzen diente nur dazu, den Recken etwas aufzumuntern. Er schien sich doch sehr große Sorgen zu machen. „Keine Sorge. So viel wie Chily und Robin mit mir reden, werde ich wohl kaum Gelegenheit haben, sie zu beunruhigen, “ kommentierte Suzie trocken und rollte die Augen. „Wow.“ Beeindruckt kletterte Colt aus seinem Sitz. „Da hat dieses Gezicke direkt ja was Gutes.“ – „Was? Ist das meine Schuld, dass Robin extrem eifersüchtig ist und Chily offensichtlich nur ein Vakuum im Kopf hat?“ empörte sich die Blondine. „Mäßige deinen Ton bitte, Suzie. Das ist nicht angebracht“, mahnte Saber scharf. Auch Colt nahm seine beiden wichtigsten Frauen energisch in Schutz. „Viel mehr kannst du aber auch nicht haben. Schraub deine Arroganz ein bisschen herunter und behandel meine Zukünftige und meine beste Freundin nicht wie doofe Hühner, “ grollte er finster. „Das mit Robin nehm ich zurück, “ entgegnete Suzie und wandte sich dann verstimmt an Saber. „Aber unangebracht ist das, was dein Betthäschen so vom Stapel lässt. Sogar du musstest sie schon ermahnen.“ Mandarin riss die Augen auf. Colt stand inzwischen neben ihr und sie stützte sich leicht auf ihm ab. „Jetzt wird es interessant“, raunte sie ihm beeindruckt zu. Saber anzuschnauzen war ganz sicher keine gute Idee, nicht im beruflichen Bereich und schon zweimal nicht im privaten. Er mochte ruhig und ernst sein, aber er war auch energisch und wies einen in die Schranken, wenn man so freundlich darum bat, wie Suzie eben. „Ich merke, ihr beide mögt euch nicht“, begann der Blonde nun sehr ruhig. „Das soll mir recht sein. Aber dann hab du wenigstens so viel Respekt vor deiner Gastgeberin und stichel nicht auch noch die ganze Zeit, Suzie. Ich möchte nur ungern etwas über dein Fehlverhalten in meinem Bericht erwähnen, “ fügte er mit einem kühlen Lächeln hinzu. „Das heißt, ich muss die Launen deines Liebchens aushalten und darf mich nicht dagegen wehren. Tut mir leid, wenn du das nicht hören willst, aber sie ist es, die mich von Anfang angefeindet hat, “ schnappte die Getadelte aufgebracht. „Benimm dich einfach, wie man es von einem Starsheriff erwarten kann. Mit Chily werde ich noch einmal reden. Sie wird dich nicht mehr anfeinden, darauf hast du mein Wort, “ entgegnete er. „In Ordnung.“ Suzie gab sich geschlagen und salutierte leicht. Der Schotte nickte zufrieden und ging von der Brücke. Einmal mehr von ihm tief beeindruckt murmelte Mandarin. „Sauber.“
 

Saber saß schon ihm Bett, mit dem Kissen im Rücken, als Chily aus dem Badezimmer kam. Sie ging zum Fenster, öffnete es leicht und ließ ihren Blick über den Sternenhimmel gleiten. Schwer vorstellbar, dass er lange dort oben ihr, ihrer aller, Schutzengel gewesen war. „Jolene?“ begann er vorsichtig. „Es wird Zeit, dass Fireball wieder zu uns stößt. Wir brauchen ihn auf Ramrod. Kann ich ihn zurückbeordern, oder sollte er noch bei April bleiben?“ schnitt er diplomatisch das erste der beiden Themen an, über die er noch mit ihr sprechen musste. „Hm, April hat noch etwas mehr als eine Woche. So wie sie sich am Telefon angehört hat, ist es für sie kein Thema. Little Daddy ist wohl gelegentlich zu anhänglich, “ antwortete sie leicht. Ihre Augen wanderten vom Himmel über die Einfahrt der Ranch. Der Recke lächelte leicht. „Das kann man sich bei Fireball kaum vorstellen. Also kann ich April damit eigentlich was Gutes tun. Sozusagen eine Kur von der Kur, “ bemerkte er. „Ich werd Fireball morgen anrufen. Er soll wieder zurückkommen.“ Dass es so einfach werden würde, hatte er nicht erwartet. Aber dafür hatte es das andere Problem wahrscheinlich umso mehr in sich. Jetzt drehte Chily sich zu ihm um. „Für April wird es nicht das Problem sein“, grinste sie. „Für Fireball schon eher.“ Damit stieß sie sich vom Fensterbrett ab und kam zum Bett. „Wenn er eine Aufgabe hat, wird es ihm nicht so schwer fallen“, entgegnete der Blonde. „Was ist denn seine Aufgabe?“ fragte sie und krabbelte auf ihn zu. „Er muss mir helfen, die zwei noch richtig einzuschulen. Theorie ist eine Sache, aber unser Baby zu fliegen eine ganz andere. Mir ist einfach wohler, wenn wir da zumindest zu zweit sind, “ erklärte er. „Mhm. Dann mach mal.“ Sie drückte ihren Kopf sanft an seine Brust. „Heut war ein komischer Tag. Ich hab das Gefühl, es wäre was passiert, “ murmelte sie. Da war sie wieder, ihre Intuition.
 

Er legte den Arm um sie. „Kommt dir nur so vor“, wiegelte er ab und bog das Gespräch in eine andere Richtung. „Mandarin und Suzie waren heute auch ein bisschen wetterfühlig. Weißt du, Suzie verträgt nicht soviel Spaß wie Colt, Mandarin oder ich, “ schnitt er diesen Punkt an. Chily stieß einen unzufriedenen Laut aus und ließ sich, halb auf ihn, halb auf die Matratze sinken. „Die verträgt gar nichts. Der kann man nicht mal Hallo sagen, ohne dass sie beißt, “ erklärte sie abschätzig. „Jolene, bitte. Feinde sie nicht so an. Suzie hat dir doch gar nichts getan.“ Er schob ihr ein paar Strähnen zurück, die auf seinem Oberkörper kitzelten. „Ich möchte keinen Streit haben, solange die beiden Mädels hier sind, ja?“ fügte er hinzu. Sie richtete sich leicht auf. „Ich mag sie aber nicht“, betonte sie trotzig und zog die Stirn kraus. Das hatte er befürchtet. Leicht seufzend appellierte er an ihre Vernunft: „Sie mag dich auch nicht. Soviel vorne weg. Aber bitte, bitte, hört auf, euch anzugiften und anzufeinden. Es fördert das Klima kein bisschen. Jolene, bitte sei in Zukunft netter zu Suzie.“ Verärgert hakt sie nach: „Warum? Weil es sich gehört? Ich gifte sie doch gar nicht an. Ich sage nur, was ich denke, wie zu jedem andern auch.“ Warum mahnte er sie schon wieder deswegen? Sie hatte doch wirklich versucht, sich zurückzuhalten. War ihm das nicht aufgefallen? „Das kommt angiften in dem Fall aber gleich. Bitte reiß dich ein bisschen mehr zusammen, Jolene. Weil es sich wirklich gehört und ich es so möchte, “ beharrte er und ergänzte erläuternd. „Ich muss mit Suzie zusammenarbeiten und mit dir verbringe ich meine freie Zeit. Wenn ihr euch beide die ganze Zeit über anfeindet, bin immer ich der Esel dabei. Ich habe Suzie schon gesagt, dass sie sich zusammenreißen soll. Sie wird damit also aufhören. Und darum bitte ich dich auch noch mal. Bitte hör auf sie anzugiften, Jolene.“ Müde rieb er sich die Augen und rutschte ganz in Bett. Frustriert schnaubte sie. „Wie viel netter soll ich denn noch zu ihr sein? Die ist nicht ehrlich und ich soll so tun, als wäre alles super?“ Das ging ihr eindeutig gegen den Strich. „Wie kommst du überhaupt darauf, dass Suzie nicht ehrlich ist?“ wollte er wissen. „Das sehe ich an ihren Augen. Sie mag dir tatsächlich versprochen haben friedlich zu bleiben, aber ich kauf ihr nicht ab. Die stichelt anders weiter.“ Davon war die Hebamme überzeugt. Er zog sie wieder zu sich. „Dann steh drüber und geh nicht darauf ein. Du bist doch klüger und reifer als so viele Frauen, “ verlegte er sich aufs schmeicheln und hauchte ihr einen liebevollen Kuss aufs Haar. „Tu es für mich, bitte.“ – „Ich würd sie lieber in die Phantomzone schicken, als eine Minute länger mit ihr unter einem Dach zu leben“, brummte Chily trotzig vor sich hin. Das war ein Starrsinn, wie ihn sonst nur Colt hatte. Unglaublich, dass es das zweimal gab. „Jolene, bitte.“ Der Ton war nicht nur sehr eindringlich, sondern verriet ihr auch, dass sie ihre Streicheleinheiten vergessen konnte und er im Ernstfall auf Ramrod übernachten würde, wenn sie nicht einlenkte. Das wollte sie auf keinen Fall. „Es tut mir leid, Manapi“, antwortete sie deshalb versöhnlich. „Aber ich kann dir nur versprechen, dass ich mir Mühe gebe, nicht dass es mir gelingt.“ Das war ehrlich und besser, als wenn sie es nicht mal versuchen würde. „Gut“, seufzte er. „Solange du nicht mit irgendwelchen fiesen Methoden hinter meinem Rücken agierst.“ Er hatte das noch nicht ganz ausgesprochen, da war sie aufgefahren. „Ich kann auch woanders schlafen“, drohte sie aufrichtig gekränkt. „Musst du nicht.“ Schwungvoll zog er sie wieder an sich und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. „Sei einfach etwas netter zu ihr, ja?“ Er spürte, wie sie an seinem Oberkörper nickte und langte er nach dem Lichtschalter neben dem Bett um die Beleuchtung auszuknipsen. „Schlaf gut, Jolene“, murmelte er.
 

Die folgenden beiden Tage verliefen ohne Zwischenfälle. Chily bemühte sich sehr, Suzie ihre Abneigung nicht zu zeigen. Aber man merkte, dass es ihr nicht leicht fiel. Fireball kehrte zurück. Er war nicht allzu glücklich darüber und wäre lieber noch bei April geblieben, aber grundlos war er nicht gerufen worden, deshalb murrte er nicht. Mit Ramrods neuer Besatzung ging es zu den Trainingsflügen. Toto hielt tagsüber Chily auf Trab, während Colt und Robin sich an die Anordnungen des Arztes hielten und die Krankengymnastik sehr ernst nahmen. Am Abend des zweiten Tages, als Toto, Colt und Robin bereits schliefen, saß Chily noch im Wohnzimmer auf der Couch und las. Saber, Fireball, Suzie und Mandarin waren auf einem nächtlichen Übungsflug und die Hebamme wartete auf ihre Rückkehr. So saß sie in das Buch vertieft und merkte nicht, dass mit der Nacht auch der Schlaf über sie hereinbrach und ihr die Augen zu fielen. Erst, als sie etwas klacken hörte, fuhr sie auf und registrierte verschlafen, dass sie sich in der völligen Dunkelheit des Wohnzimmers befand. Sie seufzte unterdrückt. Die vier waren noch nicht zurück, stellte sie fest. Dann knackte etwas.
 

Unwillkürlich stellten sich ihr die Nackenhaare auf. Leise, kaum wahrnehmbar, war das Geräusch und doch gut genug hörbar um die folgende Stille unheimlich erscheinen zu lassen. Nur ihr eigener Atem unterbrach sie. In dieser Finsternis und mit dem Gedanken an Colts Bitte betreffs der Pennyrile-Unterlagen war es für Chily nicht sehr beruhigend. Nein, es wirkte nur noch unheilvoller. Angst kroch in ihr hoch, als sie tiefe Atemzüge vernahm. Sie schlug sich die Hand vor den Mund. Das Schnaufen hörte auf. Sie hatte es verursacht. Dummes Huhn, schalt sie sich gedanklich und wollte aufstehen, erstarrte aber in der Bewegung, als eine verzerrte Stimme flüsterte.„Ich bin näher, als du denkst, Herzchen.“ Eine Welle der Panik erfasste sie und schlug über ihr zusammen. Sie langte nach der Lampe auf dem Beistelltisch und schaltete diese an. Das Licht war jedoch nicht tröstlicher als die Schwärze um sie herum, sondern warf Schatten, die der Verängstigten noch bedrohlicher erschienen. Wieder knackte es. Chily fuhr herum. Nichts war zu sehen. Sie war allein. „Ich bin näher, als du denkst, Herzchen“, wisperte die verstellte Stimme drohend. Chily langte hastig unter das Sofa und zog die Winchester hervor. Sie sprang auf, spürte das Rasen ihres Herzens und das unkontrollierte Zittern ihres Körpers. Knack. Wieder fuhr sie herum. Verdammt, was war das bloß? „Ich bin näher, als du denkst, Herzchen.“ Chily drehte sich zur Eingangstür und richtete die Waffe darauf. Klack. Von irgendwoher versuchte sie genug Mut aufzubringen um auf die Tür zuzugehen. Sie schritt vorsichtig am Sofa vorbei. Etwas knarrte. Sie hörte Schritte. Schritte aus der Küche. Sie fuhr in die Richtung herum und versuchte das Beben in sich zu unterdrücken. Da oben schliefen drei, die sie liebte und beschützen musste. Sie musste sich zusammen reißen und sich etwas Gutes einfallen lassen. Sie keuchte. Eine Gestalt erschien in der Tür. Chily nahm die Winchester in den Anschlag.
 

„Chily, um Himmels Willen leg das Gewehr weg.“ Die erschrockene Stimme gehörte Fireball. Mit einem Satz war er bei der Geschockten und riss ihr die Waffe aus der Hand. Die Hebamme brach in die Knie, als sie erkannte, dass Mandarin, Suzie und Saber eintraten und zitterte wie Espenlaub. Saber war sofort bei ihr und zog sie in seine Arme. „Sch, beruhige dich“, flüsterte er. „Was ist denn passiert?“ Statt einer Antwort ließ sie ihren Kopf an seine Brust sinken. „Jolene“, hörte sie ihn eindringlich sagen. „Ich bin näher, als du denkst, Herzchen“, wiederholte sie tonlos die Worte, die ihr so unglaubliche Furcht eingeflößt hatten. Sofort schalteten Mandarin und Fireball und begannen sich auf dem Hof umzusehen. Suzie holte ein Glas Wasser aus der Küche und reicht es Chily. „Trink erst mal was und beruhige dich“, sagte sie sanft. „Lass mich in Ruhe.“ Die Hebamme hatte nicht die Kraft ihre Ablehnung gegen die große Blondine jetzt zu unterdrücken. „Trink! Sonst kommst du nie von deinem Trip runter, “ beharrte Suzie. Im nächsten Moment riss ihr die aufgewühlte Hebamme das Glas aus der Hand und kippte ihr den Inhalt ins Gesicht. „Ich sagte, lass mich in Ruhe, du Heuchlerin, “ fuhr sie sie an. Saber nahm ihr das Glas aus der Hand, ehe es noch womöglich noch in Richtung der Hochgewachsenen fliegen konnte. „Jolene, bitte beruhige dich. Komm wieder zu dir! Suzie tut dir nichts, “ beschwor er sie. Doch sie konnte sich nicht beruhigen. „Sie soll mit ihrem scheinheiligen Getue sonstwem auf den Geist gehen, aber nicht auch noch mir.“ Wenn sie doch nur zu zittern aufhören könnte. „Suzie, geh raus und sieh nach, ob du Fireball und Mandarin helfen kannst“, meinte der Recke. Es war klar, dass Chily sich in deren Anwesenheit nicht wieder fassen würde.
 

„Ich bin näher, als du denkst, Herzchen. Wieso Herzchen?“ murmelte sie vor sich hinstarrend. „Du brauchst keine Angst zu haben, ich bin da“, raunte Saber ihr zu und zog sie fester in seine Arme. Was sie gesagte hatte, beunruhigte ihn ebenfalls. Herzchen. Das musste einen Grund haben. „Er war hier, ganz sicher. Ich hab es klacken gehört, und knacken und klacken ... Er war hier ...“ Chilys Stimme brach. Hatte sie klacken gesagt? Klacken, knacken und wieder klacken? „Aber jetzt ist er nicht mehr hier, Jolene. Ich bin da und ich bleibe bei dir, “ versuchte er sie zu beruhigen. Sie krallte sich an ihm fest und holte tief Luft. „Wieso Herzchen?“ fragte sie wieder. „Soll ich so enden wie Dooley?“ Saber riss die Augen auf. Er hat schon fast nicht mehr daran gedacht. Dooley war das Herz entnommen worden. Den Anblick würde sie ihr Leben lang nicht vergessen. „Nein, ganz sicher nicht“, behauptete er, musste aber leider zu geben, dass sie mit dieser Annahme nicht so falsch lag. „Er wollte dir nur Angst machen. Jolene, niemand wird dir etwas tun, solange ich hier bin, “ versicherte er ihr sanft. „Aber du warst nicht hier.“ Nur dieser Umstand war so beängstigend. „Ich werde nicht mehr von deiner Seite weichen. Versprochen.“ Er hatte gesehen, wie sie die aufgewühlte Robin sacht gewiegt hatte. Er tat es jetzt auch mit ihr. Es schien zu wirken. Ihr Beben ließ nach und sie schmiegte sich näher an ihn. „Ich bin da“, flüsterte er, presste ihren Körper noch enger an seinen. Es beruhigte ihn ebenfalls. Sie so aufgelöst zu sehen, hatte auch ihm einen ordentlichen Schrecken eingejagt. Aber jetzt atmete sie wieder ruhiger, gewann sie ihre Fassung zurück. „War nichts zu finden.“ Mit diesen Worten traten Fireball und Mandarin wieder ein. Der Rennfahrer kam zu Saber und Chily und strich ihr noch einmal besänftigend über den Kopf. Sie lächelte ihn verlegen an. Sein Blick war verständnisvoll und warm. Suzie stürmte ins Haus. „Ich hab was gefunden. Das solltet ihr euch ansehen, “ meinte sie bewegt.
 

Sie setzten sich an dem Esstisch in der Küche zusammen, um weder Robin, noch Colt oder Toto doch noch zu wecken, und schauten neugierig auf die flache, schwarze Box, die die Hochgewachsene gefunden hatte. „Was ist das?“ Mit dieser Frage brach der Recke das Schweigen. „Sieht wie ein Recorder aus“, stellte Mandarin fest und wandte den Kasten nach allen Seiten. „Sehr klein, sehr kompakt ...“ – „… sehr kompliziert.“ Fireball nahm ihr das Gerät ab und begutachtete es ebenfalls. „Die Technikfreaks müssen es ja wissen“, meinte Suzie trocken und fragte dann. „Könnt ihr ihn auch abspielen? Vielleicht ist da etwas drauf.“ Die beiden Technikbegeisterten nahmen den Apparat genauer unter die Lupe. „Ich würde zu gerne wissen, wer den hier verloren hat“, überlegte Saber unterdessen laut. „Und warum jetzt?“ warf Chily ihren Gedanken ein, den ihr Freund postwendet beantwortete. „Um dich einzuschüchtern. Die Outrider sind immer noch hinter dem Alkalit her und es ist zu befürchten, dass sie bald wieder angreifen.“ Sie schaute ihn an, als wollte sie etwas sagen, verkniff es sich jedoch. Dann ertönte es zufrieden von dem Starcaptain „Na, bitte. Geht doch“ und das Gerät war aktiviert. Es klackte. Dann Stille. Die Stimme sprach. Chily griff nach Sabers Hand. Es wirkte immer noch beängstigend. Es knackte. Die Zeitanzeige fuhr zurück. Dann wieder die Worte. Das Herz der Hebamme setzte kurz aus. Ihr Freund erwiderte den Druck ihrer Hand. Es knackte erneut. Die Zeitanzeige zählte wieder rückwärts. Noch einmal die Drohung, dann klackte es wieder. Chily war kalt geworden. „Das war clever eingefädelt, wenn ihr mich fragt“, sagte Fireball. Es benötige schon einiges technisches Verständnis um einen so ausgefeilten Recorder vernünftig zu programmieren und eine gewisse Anerkennung im Ton konnte der Rennfahrer nicht verhindern. „Da kann man nicht erkennen, wer dir zur Minne gesungen hat“, bemerkte die große Blonde nüchtern. „Auf die Minnesänge kann ich verzichten“, brummte Chily und versuchte ihr Unbehagen einzudämmen. „Mir reicht es. Ich will ins Bett, “ gestand sie dann. Saber schaute fragend in die Runde. Dass sie jetzt nicht allein sein wollte, war jedem klar. „Wir sollten uns morgen den Kopf darüber zerbrechen. Macht euch für das Bett fertig. Wir sollten schlafen gehen, “ meinte er schließlich. Aber für den Japaner klang es nicht so, als müsse dies sofort getan werden. „Dann schlaft mal gut ihr beiden. Ich bleib noch ein bisschen auf, “ antwortete er ohne von dem Recorder aufzusehen. Auch Mandarin schickte ein abwesendes „Gute Nacht“ an die beiden. Sie saß dicht bei Fireball und betrachtete aufmerksam den Kasten, linste aber auch mal kurz in dessen braune Augen. Nicht nur Saber fiel das auf. „Ich bleibe noch eine Weile bei den beiden sitzen, bis ich mir sicher sein kann, dass sie sich wirklich nur um den Fund kümmern“, ließ Suzie verlauten. „Na ein Glück stichelt die nicht“, raunte die Hebamme halblaut. „Sch.“ Saber stieß sie rasch durch die Tür. „Schlaft gut. Und jagt uns nicht mit dem Ding in die Luft, “ scherzte er.
 

Dann fiel die Küchentür hinter den beiden zu und Chily machte ihrer Empörung auf dem Weg durchs Wohnzimmer Luft. „Was schtest du mich da an? Die hat ja wohl eindeutig gestichelt, “ begehrte sie auf. „Wie kommst du darauf? Wie hat sie denn bitte gestichelt?“ Eine damit vergleichbare Aussage war ihm nicht aufgefallen. Chily war bereits auf der ersten Stufe nach oben und er musste rasch aufschließen. „Ich bleib noch sitzen, bis ich sicher bin, dass die sich NUR um den Fund kümmern, “ äffte die Hebamme die Hochgewachsene nach und erläuterte dann im normalen Tonfall. „Das meine ich damit. Was sollte denn der Kommentar?“ Skeptisch zog er die Brauen hoch. „Sie zieht die beiden ein bisschen auf. Das tun wir doch ständig, Jolene. Weshalb stört es dich bei Suzie so derart?“ entwertete er ihre Aussage. „Weil es kein Aufziehen bei ihr ist.“ Frustriert seufzend lehnte sie sich gegen das Geländer. „Ja, ich weiß. Natürlich ist es das, sie ist ja schließlich ein Starsheriff, da kann sie nicht auch noch ein Miststück sein.“ Er würde ihr wahrscheinlich doch nicht glauben. „Dann bin ich eben eine neurotische Kuh oder so was.“ Geknickt stieg sie die Treppe hinauf. Er grübelte aber über ihre Worte nach. Es musste doch einen Grund geben, warum sie davon so überzeugt war. Einen anderen, als ein schlichtes „Ich kann die eben nicht ausstehen“, denn der schien die Ursache für diese Ablehnung zu sein. „Was ist es dann? Hey, Jolene.“ Sie war schon am oberen Treppenansatz angekommen. Er eilte ihr hinterdrein. „Was hast du gesehen, was ich noch nicht mitgekriegt hab?“ wollte er wissen und verzog leicht das Gesicht. Es wäre ja schon peinlich, wenn ihm, dem erfahrenen Starsheriff, etwas entgangen wäre. Doch sie ging enttäuscht auf ihr Zimmer zu. „Nein, ich hab nichts, außer dem, was ich dir schon gesagt hab. Sie hat etwas in ihren Augen, weshalb ich ihr nicht vertrauen kann, “ gab sie leise zurück. „Okay.“ Wieder folgte er ihr rasch und nahm ihre Hand liebevoll in seine. Sie drehte sich zu ihm um. „Es wird sich schon alles einrenken. Wenn erst alles vorbei ist, sind Suzie und Mandy auch wieder aus deinem Leben verschwunden, “ versicherte er ihr. Sie zog ihre Hand zurück. Es behagte ihm nicht. Er wollte nicht mit ihr streiten, doch offenkundig hatte er schon etwas gesagt, dass sie verletzt hatte. „Was willst du denn hören?“ fragte er und erklärte sich. „Ich kann es einfach nur schlecht glauben, Jolene. Wir arbeiten seit Jahren mit Suzie zusammen und es hat nie Probleme gegeben.“ Sie nickte. Das war ihr schon bewusst. „Hm, ich hab mir nur irgendwie gewünscht, dass du mehr zu mir halten würdest. Aber das Gefühl hab ich nicht. Eher scheinst du mich für eine übergeschnappte Zicke zu halten, “ antwortete sie und es war hörbar, dass ihr dies weh tat. „Nein, das tu ich nicht. Ich tu mir nur schwer damit, deine Intuition zu verstehen, wenn meine jahrelange Erfahrung etwas anderes sagt. Es tut mir leid, Jolene, ehrlich.“ Wieder griff er nach ihrer Hand. Er hauchte ihr einen warmen Kuss auf die Finger. „Wundert sich deine jahrelange Erfahrung nicht darüber, dass die Drohungen wieder beginnen, kaum das die beiden hier sind?“ hakte sie nach. „Das muss noch lange nicht bedeuten, dass es Suzie oder Mandarin ist. Oder gar beide, “ verwarf er diesen absurden Gedanken. „Ich weiß nicht, was es bedeutet. Ich weiß nur, dass ich Angst habe, seit sie da sind. Besonders vor Suzie. Das ist alles, “ hielt sie an ihrer Meinung fest. „Das respektiere ich auch...“ Weiter kam er nicht. „Ja, deshalb soll ich ja auch nett zu ihr sein, “ entgegnete sie gequält, wandte sich von ihm ab und verschwand im ihrem Zimmer. Wieder folgte er ihr sofort. „Was soll denn das, Jolene? Ich weiß, dass dir weder die Situation noch der Umstand behagen, zu Suzie nett sein zu müssen, aber willst du denn nicht sehen, dass Streit unsere Arbeit noch mehr erschwert?“ Er setzte sich zu ihr aufs Bett und berührte sie sacht an der Schulter. „Schatz, ich werde Suzie noch einmal sagen, dass sie sich zusammenreißen soll, aber bitte, bitte gib ihr keinen Grund, eine schlechte Meinung von dir zu haben“, beschwor er sie eindringlich aufs Neue. Er wusste, dass er sich sonst in dem bühnenreifsten Gezanke wieder finden würde, das die Welt je gesehen hatte und dies sicher noch schneller als er „Jolene“ sagen konnte. Träge erhob sie sich um sich auszukleiden. Dabei musterte sie ihn, wie er es ihr gleich tat. Der Tag und vor allem die nächtlichen Ereignisse zeigten ihre Wirkung und schoben die Müdigkeit in jedes Glied ihrer Körper. Aber das Gehirn der Hebamme funktionierte noch sehr gut. Natürlich war es für einen so logisch denkenden, sachlich argumentierenden, vorsichtig abwägenden Menschen wie ihn nicht leicht sich nur auf Intuition zu verlassen, die man nie wirklich begründen konnte. Er war der Verstand, sie das Herz und nur gemeinsam waren sie unschlagbar. Zudem bemühte er sich wirklich sehr sie zu verstehen. Ihr Manapi, das in Shorts unter die Bettdecke schlüpfte. Mhm. Sie lächelte leicht vor sich hin und warf sich ein leichtes Top über. Dann kroch sie ihrerseits zu ihm unter die Decke. „Ich tu, was ich kann“, lenkte sie ein. Er brauchte einen kurzen Moment um zu verstehen, dass sie auf seine Bitte geantwortet hatte und drückte ihr einen leichten Kuss auf die Stirn. „Braver Schatz“, murmelte er müde. „Du färbst wohl auch auf mich ab.“ Sie kuschelte sich an ihn. „So soll es in einer guten Beziehung auch sein.“ Er legte einen Arm um sie, nahm mit der anderen Hand ihre und legte sie auf seine Brust. So war es behaglich. „Du weißt doch“, meinte er dann und begann leise. „You have to give a little … take a little... let your poor heart break a little…“ Sie schlug ihm rasch und erschrocken die Hand auf den Mund. „Wenn du nicht willst, dass ich aufs Sofa auswandere, hörst du sofort auf zu singen“, warnte sie. Unglaublich wie man lausige drei Zeilen so furchtbar falsch singen konnte. „Schade“, meinte er schmunzelnd. „Dabei wäre ich der geborene Popstar.“ – „Der geborene Poppstar“, korrigierte sie. „Aber nur bei mir.“
 

Unterdessen tüftelten Mandarin und Fireball weiter an dem Recorder herum, wobei sie sich das Gerät immer wieder gegenseitig aus den Händen rissen und sich munter dabei neckten. Mit skeptischer Miene beobachtete Suzie sie dabei. Eben hatte der Rotfuchs den Apparat wieder an sich gerissen. „Gib her. Du kleiner Blindfisch, findest ja doch nichts, was uns weiterhelfen könnte.“ – „Aber du.“ Fireball nahm ihr den Kasten wieder ab. „Wo ist jetzt der Chip mit der netten Stimme?“ Aufmerksam untersuchte er ihn wieder. „Meine Güte, bei euch könnte man zwei Vermutungen kriegen, ehrlich. Entweder einer von euch hat das Dingens gebaut, oder aber ihr genießt es, dass April nicht dabei ist, “ kommentierte Suzie. „Wer ist April?“ grinste er schelmisch. „Muss ich deine Erinnerung auffrischen? Die Frau, die einen kugelrunden Bauch vor sich herträgt und glücklich ist, deine Freundin zu sein. Obwohl ich mich ja schon ernsthaft frage, ob sie das hier weiß, “ kam es ein wenig empört von der großen Blonden zurück, wobei sie auf ihn und den Starcaptain deutete. „Ich werde sie doch nicht mitten in der Nacht anrufen und ihr das erzählen.“ Der Rennfahrer schüttelte den Kopf. Sollte er seine schwangere Freundin etwa aus dem Bett klingeln um ihr zu erzählen, dass jemand sehr ausgeklügelt und erfolgreich Chily in Angst und Schrecken versetzt hatte? Das würde auch April sehr aufregen und sie konnte das doch nun wirklich nicht brauchen. „Sind ja nicht unbedingt Dinge, die man gerne erzählt“, bestätigte Mandarin und drehte mit einem spitzen Küchenmesser eine Schraube heraus. „Sei vorsichtig mit dem Ding. Du machst ja noch was kaputt, “ mahnte er und schlug ihr leicht auf die Finger. „Wir brauchen den Chip am Stück.“ Sie legte das Messer weg und nahm vorsichtig die Schraube aus der Fräse. „Als ob deine Wurstfinger sind zart genug dafür wäre. Komm, lass mich wieder an das Ding, Fireball, sonst muss ich dich leider bestrafen.“ Wer nur die Dialoge hörte und nicht wusste, was sie einen Recorder auseinander bauten, konnte sich schon wundern. „Wollt ihr nicht eine Münze werfen, wer zuerst darf?“ fragte Suzie genervt. „Ladies First.“ Mandarin drückte dem Rennfahrer bereitwillig das Gerät in die Hand. „Alter vor Schönheit.“ Er schob es zu ihr zurück. „Lady bist du ja wirklich keine.“ Grinsend entfernte Mandarin die letzten Schrauben und hob die Abdeckung hoch. „Also schön, du Schlingel. Dann pass gut auf. Von mir kannst du noch was lernen.“ Dann hielt sie einen Chip zwischen Daumen und Zeigefinger. „Wär ja doof, wenn ich von einer Frau deinen Alters nichts mehr lernen würde“, neckte er zwinkernd und schaute auf den Datenträger. „Verdammt klein das Ding.“ – „Deswegen kann es trotzdem so einiges drauf haben, das Dingelchen“, meinte der Rotfuchst. „ Es braucht viel Geschick und zierliche Finger um so etwas zu bauen. Und so wie es aussieht auch reichlich an technischem Verständnis. Das kann nicht jeder, “ bemerkte Suzie beiläufig und erntete einen verwunderten Blick von ihrer Kollegin. „Willst du auf was Bestimmtes raus?“ Die nickte. „Es braucht für den Bau eines solchen Gerätes ganz offenbar spezielle Kenntnisse und Fähigkeiten, die nicht jeder haben kann. Und das nötige Werkzeug. Das lässt sich bei euch beiden im Werkzeugkasten sicherlich finden, oder?“ Sie hob die Augenbraue anerkennend. „Du hast den Chip ziemlich fix rausgeholt“, fügte sie hinzu. Mandarin warf einen kritischen Blick auf ihre Arbeit. „Eine halbe Stunde nennst du fix? Und ohne Fire hätte ich das auch nicht geschafft, “ erklärte sie mit sich selbst unzufrieden. „Mit dem richtigen Werkzeug wär es schneller gegangen, ja, “ stimmte der zu. „Aber hingekriegt hättest du das auch ohne mich, Mandy, “ ergänzte er lobend. Suzie erhob sich träge. „Ich hätte es jedenfalls nicht geschafft. Aber ihr zwei seid super. Wirklich.“ Sie gähnte. „Na, dann mal gute Nacht.“ Fireball winkte kurz. „Schlaf gut, Suzie“ und wandte sich dann an den Starcaptain. „Jetzt bin ich überdreht, wie soll ich da noch schlafen können?“ Die verabschiedete sich auch von der Hochgewachsenen. Irgendwas an deren Bemerkungen musste sie falsch verstanden haben. Einen Momentlang kam es ihr doch tatsächlich so vor, als wäre sie zur Verdächtigen mutiert. Egal. „Irgendwas wird uns schon noch einfallen. Die Nacht ist noch jung, “ entgegnete sie dann an den Japaner gerichtet. Die Tür fiel hinter Suzie ins Schloss.
 

„Wie wäre es mit einem Drink an der Bar?“ schlug die Rothaarige vor. „Ein kleiner gute Nacht Trunk?“ Das klang ganz gut. Die beiden verließen die Küche und schlenderten zur Hausbar. Fireball verschwandt hinter dem Tresen und kramte dahinter herum, als wäre es seine Bar. Er wusste ja, dass Chily nichts dagegen hatte. „Dann schau wir mal, was unsere Gastgeberin für uns da hat“, murmelte er dabei und zog eine Flasche hervor. „Likör, Baby?“ Er überflog das Etikett. „Oh, Kleiner. Wenn das April wüsste, dass du dich hier mit mir amüsierst während sie unter ihrer Schwangerschaft leidet, “ bemerkte Mandarin leicht lachend. An ihrer Schwäche für ihn hatte sich nichts geändert. Noch immer wurden ihre Knie weich, wenn sie in seine braunen Augen sah und kribbelte es in ihr, wenn er sie Baby nannte oder lächelte. Jetzt kam sein Kopf wieder zum Vorschein. Er nahm zwei Gläser, stellte sie auf die polierte Theke und schenkte ihnen ein. „Sie leidet nicht. Sie ist ganz froh, dass sie mich mal wieder loshat. Und dagegen“ Er zeigte auf sie und die Gläser. „hat sie bestimmt nichts.“ Zufrieden lächelte die Rothaarige nun. Es schien doch tatsächlich so, dass es zwischen ihm und April nicht mehr so lief, was wahrscheinlich an deren unerwarteter Schwangerschaft lag. Offensichtlich hatte das zu einem Bruch geführt. Oder warum sonst sollte die werdende Mutter froh sein ihn loszuhaben? „Aha, dann muss ich mir ja keine Gedanken machen“, stellte sie fest, kam zu ihm hinter die Theke und nahm ihm eines der Gläser ab. „Nö, musst du nicht. April versteht das, “ versicherte der Rennfahrer naiv. Mandarin trat noch ein Stück näher zu ihm. War das zu glauben, dass sie endlich doch eine Chance bekam? „Dann auf uns“, schlug sie ihm zu prostend vor und hakte ihren Arm in seinen um auf Bruderschaft zu trinken. Arglos hakte er ebenfalls ein, nahm einen Schluck und gab ihr den zu der Zeremonie gehörenden kleinen Kuss. „Auf uns als Dreamteam, Baby“, grinste er munter. „Du sagt es.“ Mandarin legte ihre freie Hand in seinen Nacken, zog ihn zu sich und drückte ihm einem längeren, zärtlichen Kuss auf die Lippen. „Mandy?“ murmelte er überrascht. „Was denn, Kleiner?“ Wieder zog sie ihn zu sich. Irgendetwas knarrte. Fireball schob die Rothaarige auf Armeslänge von sich.
 

„Du hast mich geküsst“, stellte er überrumpelt fest. „Himmel, Baby, wieso machst du das?“ Das ging nicht in seinen Kopf. Was hatte sie denn nur auf diese Idee gebracht? „Ich dachte, weil wir, “ stammelte sie perplex. Dem Rennfahrer schoss tiefe Röte ins Gesicht. „April reißt mir den Kopf ab, wenn ich ihr das erzähle“, wurde ihm klar und gleich darauf folgte eine weitere Erkenntnis. „Das kann ich ihr gar nicht sagen!“ Jetzt verstand Mandarin überhaupt nichts mehr. „Aber du hast doch gesagt, es macht ihr nichts aus und sie versteht das“, erinnerte sie ihn erstaunt. „Ich meinte, sie ist ganz froh, dass ich sie nicht mehr beglucken kann, weil ich wieder hier bin. Aber das wird sie eher weniger verstehen, “ erwiderte er. Jetzt begriff die Rothaarige alles. Einer der Dinge, die sie so schwach machten, war seine Naivität und die hatte gerade für ein gewaltiges Missverständnis gesorgt. Er hatte nicht mal geahnt, was ihre Absichten waren, als sie ihn ausgehorcht hatte. Sie schlug sich die Hand an die Stirn. In eine funktionierende Beziehung hatte sie sich nicht drängen wollen. „Oh Gott. Fireball, es tut mir leid. Ich hab das falsch verstanden. Ich dachte, dass mit euch liefe nicht mehr so, “ versuchte sie sich zu erklären und hätte sich vor Scham am liebsten in Luft aufgelöst. „Nein, nein, “ stellte er hastig klar. „Ganz im Gegenteil! Ich liebe sie und entgegen aller Vermutungen freu ich mich auf unser Töchterchen, “ versicherte er ungestüm. Dann kam ihm noch eine Erleuchtung. Offensichtlich hatte er, wenn auch unbeabsichtigt, sie überhaupt erst auf die Idee gebracht und ihr falsche Signale gesendet. „Mandy, ich hab es nicht mit Absicht getan...“ brachte er dann hervor und wollte ihr die Hand auf die Schulter legen, aber sie wich einen Schritt zurück und starrte auf den Boden. „Schon gut, “ gab sie verlegen zurück. „Ich hätte wohl genauer nachfragen sollen.“ Sie nahm einen Schluck und wechselte das Thema auf ein weniger peinliches. „Ein Töchterchen also. Wie soll es heißen?“ – „Charlene“, erwiderte er und fuhr sich durch die Haare, als könne er so die Verlegenheit fortfegen. Seinen Drink leerte er ebenfalls. „Charlene? Hübscher Name. Wie seid ihr darauf gekommen?“ fragte Mandarin leise. „Wir wollten Chily damit für ihre Fürsorglichkeit danken“, erklärte er. „Und es ist auch eine kleine Hommage an Aprils Dad. Charles und Jolene. Daraus ist ganz schnell Charlene geworden, “ lächelte er dann. „Auf einen japanischen Namen wollte sich Madame nicht einlassen.“ Es war ihm anzusehen, dass er sich auf dieses Kind freute und schon jetzt stolz darauf war. Ein leichtes Linsen in seine Richtung hatte der Rothaarigen dafür genügt. „Und wann ist es soweit?“ Er rechnete nach. „Es wird noch drei Monate ungefähr dauern. Vorausgesetzt natürlich, es kommt nichts Unerwartetes oder schwer belastendes mehr vor.“ – „Das freut mich für euch. Ehrlich, “ versicherte sie und leerte ihr Glas ebenfalls. „Hör mal, können wir beide so tun, als wäre gar nichts passiert. Es ist mir unangenehm und ...“ Sie brachte es kaum fertig weiter zu sprechen, so unerträglich war ihr das. „Da bin ich sofort dabei.“ Der Rennfahrer räumte die Gläser in die Spüle. „Mir ist das wirklich sehr... naja...“ Wieder wurde er rot. "So sind die Rennfahrer. Überall, wo sie hinkommen, brechen sie die Herzen der stolzesten Frauen, ohne es zu merken", hatte Colt mal behauptet. Hatte er tatsächlich so einen dicken Bonus bei Mädels, dass er sie alle haben könnte? Das konnte gar nicht sein. „Dann gute Nacht“, sagte Mandarin und verließ die Bar eilends. „Bis morgen dann“, rief er ihr nach und verschwand in die andere Richtung. Ein paar Minuten an der frischen Luft auf der Veranda brauchte er noch, ehe er wirklich schlafen konnte.
 

Menschen und ihre Gefühle – wer sollte das verstehen. Aber musste man sie überhaupt verstehen, oder reichte es, wenn beide dazu beitrugen einen ans Ziel zu bringen? Die Hauptsache war und blieb das Ergebnis. Nur, weil er den Plan hatte ändern müssen, hieß das nicht, dass er nicht erreichte, was er wollte. Er hatte ja ihre Hilfe. Diese dumme Gans glaubte tatsächlich das, was er ihr versprochen hatte. Als ob er wüsste, was Liebe ist. Jean-Claude lächelte abfällig.
 

Dass sich irgendetwas zwischen Fireball und Mandarin geändert hatte, fiel allen auf. Jeder wusste, dass der rothaarige Starcaptain eine Schwäche für den Rennfahrer hatte. Genauso war bekannt, dass für den nur seine April und das Kind, welches die beiden erwarteten, zählte. Nicht grundlos war er tausend Tode um die beiden gestorben. Deshalb konnte sich keiner einen Reim auf das machen. Wann immer Fireball und Mandarin darauf angesprochen wurden, blockten sie ab oder spielten es herunter. Chily bemühte sich Gelassenheit zu wahren, was ihr jedoch recht schwer fiel, weil sie ihre Abneigung gegen Suzie nach dem Vorfall mit dem Recorder kaum mehr unterdrücken konnte. Sie versuchte Toto und Robin weiß zu machen, sie hätte nur schlecht geschlafen, aber eine überzeugende Lügnerin war sie eben nicht. Nach dem Mittagessen begannen Colt und Robin mit der Krankengymnastik. Fireball und Mandarin versuchten auf Ramrod die unkenntlich gemachte Stimme wieder herzustellen. Suzie telefonierte und Chily kümmerte sich um den Abwasch.
 

Der Recke wollte gerade den beiden auf Ramrod helfen gehen, als Toto ihn an der Scheune abfing und ihm am Ärmel zupfte. Saber hockte sich zu dem kleinen Mann, der offenkundig etwas auf dem Herzen hatte. „MomChi ist unglücklich“, sagte Toto. Der Blonde nickte. „Ich fürchte, da hast du Recht“, erwiderte er. „Dann mach was, damit sie wieder lacht“, forderte der Knirps und stieß dem Schotten die kleine Faust vor die Brust. „Du kannst das bestimmt.“ – „Bist du sicher?“ fragte Saber. Toto nickte mit kindlicher Überzeugung. „Du hast sie doch lieb“, meinte er darauf, „dann kannst du auch machen, dass sie wieder lacht.“ Dass man Erwachsenen aber auch immer alles erklären musste. „Wie wäre es, wenn du mir dabei hilfst“, schlug Saber ihm vor. „Du meinst, ich kann das?“ fragte der Zwerg erstaunt. „Warum denn nicht?“ – „Na, weil MomChi dich wohl lieber mag, als mich“, antwortete Toto. Der Kleine hatte gemerkt, dass er die Aufmerksamkeit seiner MomChi nicht mehr für sich allein hatte, sondern sie mit dem Recken teilen musste. Ihm war auch nicht entgangen, dass sie in dessen Gegenwart glücklicher war, als früher bei anderen Männern. Das war ein Grund, weshalb der Zwerg den Starsheriff mochte und ihn nur einmal mit Tritten oder ähnlichem attackiert hatte. Aber genau deshalb musste er auch etwas von der gewohnten, uneingeschränkten Zuwendung seiner MomChi hergeben und das fiel eben nicht leicht. „Ich glaube, sie hat uns beide gleich lieb“, antwortete Saber nun. Ein erfreutes Glänzen erschien in den Augen des Jungen. „Ja?“ hakte er nach. „Bestimmt sogar“, versicherte der Recke. „Also, hilfst du mir nun?“ Eifriges Nicken war die Antwort.
 

Colt war nicht ganz bei der Sache, wie Robin feststellte. Die Übungen führte er halbherzig und ungenau aus. Mit seinem Kopf war er woanders. Am Morgen hatten Saber und Fireball ihn zur Seite genommen und ihn über die Drohung der vergangen Nacht informiert. Es machte den Scharfschützen unruhig, dass er nicht aufgewacht war. Gleichzeitig war er sehr froh, dass Robin es ebenfalls nicht bemerkt hatte. Noch wusste sie nichts von den Drohungen, ahnte es allerhöchstens. Der Kuhhirte wollte es auch dabei belassen, damit sie sich nicht unnötig Sorgen machte. Er sorgte sich genug für beide. Die Botschaft nahm er sehr ernst. „Ich bin näher, als du denkst, Herzchen.“ Wieso Herzchen? Was hatte das zu bedeuten? Colt befürchtete, dass es wahr war, dass der Gegner näher war, als ihnen allen lieb war. Jemand wusste verdammt genau, wann er wie die Nachrichten an wen überbringen musste. Und so abwegig ihm das auch erschien, die Drohungen kamen mit Mandarin und Suzie, also musste wenigstens eine von ihnen etwas damit zu tun haben. Augen offen halten, Colt.
 

Saber war bewusst, dass er eigentlich Fireball und Mandarin helfen sollte. Aber genauso war ihm klar, wie sehr Chily unter der augenblicklichen Situation litt. Es war nicht nur die Drohung und ihre Abneigung gegen Suzie, sondern auch ihr Eindruck, er würde nicht zu ihr halten. Aber das durfte sie nicht von ihm denken, nicht, wenn er sie noch länger an seiner Seite wissen wollte. Und das wollte er. Nur deshalb ritt er mit ihr und Toto nun in Richtung Ohio-River. Sie blickte gedankenverloren über die Landschaft. Diese Weite, diese Ruhe, das Gefühl grenzenlos frei zu sein hatte sie vermisst. Saber konnte es an ihrem Gesicht erkennen. Sie ließ los, ließ ihren Kummer fahren und entspannte sich mit jedem Schritt, den die Pferde sie weiter von der Ranch wegtrugen. An dem Steg, von dem aus sie den Recken damals ins Wasser gestoßen hatte, breitete der nun eine Decke aus. Toto half ihm beim Tragen des Picknick-Korbes und verteilte das Geschirr für die Drei. Langsam ließ sich Chily von Demons Rücken gleiten, kam zu ihnen herüber und ließ sich auf der Decke nieder. Der Schotte kam nicht dazu, sich zu ihr zu setzen. Toto hatte den Rugby-Ball eingepackt und bestand nun mit kindlicher Überzeugungskraft darauf, das Tackeln zu üben. Ein Abschlagen dieser Bitte war schlicht nicht in Erwägung zu ziehen. Chily beobachtete die beiden und musste mehr als einmal laut auflachen. Es war doch immer wieder drollig, mit wie viel Energie und Anstrengung der Zwerg versuchte den Recken zu Fall zu bringen. Aber schon allein Gewicht und Größe seines Gegners machten ihm dabei zu schaffen. Wenn der Ansatz zu dem Manöver gut war, tat der Blonde dem Kleinen auch den Gefallen zu stürzen und knabenhafter Jubel ertönte am Ufer des Ohio.
 

Chily lächelte glücklich. Dass sich die beiden so gut verstanden, erleichterte sie sehr. Endlich kamen von Toto keine Beiß-, Kratz-, Spuck- oder Trittattacken. Offenbar hatte sie seinen Segen. Abgekämpft kamen die zwei wieder zu ihr. Zeit sich zu stärken und dafür förderten sie eine Obstsalat, belegte Brötchen und einen reichlich überzuckerten Schokopudding für die Naschkatze Chily aus dem Korb. Die verkniff sich jedoch wohl weißlich mit einem Ton zu erwähnen, dass sogar ihr dieser Nachtisch viel zu süß war. Dass sich die beiden soviel Mühe gegeben hatten, rührte sie einfach nur sehr und sie konnte es nicht wirklich in Worte fassen. Toto hielt es nicht lange bei ihnen aus. Mit seiner Tritttechnik war auch sehr unzufrieden und so schlang er rasch ein Brötchen hinunter, ehe er sich den Ball wieder schnappte und sein Training fortsetzte. „Herrlich hier, nicht wahr?“ meinte Saber, während sie das Geschirr wieder zusammen räumten um mehr Platz zu haben. „Ja. Wunderschön, “ bestätigte sie. „Ich liebe es hier zu sein.“ Sie wickelte das genutzte Besteck in ein Geschirrtuch. „Mir gefällt es hier auch. Solang du mich nicht wieder in den Fluss stößt, “ lächelte er leicht. Ein breites Grinsen erschien auf ihrem Gesicht, als sie sich an diesen Tag erinnerte. „Nein, ich hatte vor dich anders da rein zu befördern“, erwiderte sie. „Hast du diesmal an Badesachen gedacht?“ wollte sie dann wissen. „Aber logisch“, lachte er, schob den Korb von der Decke und wies auf die Tasche, die an Steeds Flanke befestigt war. Ihre Augen blitzten. „Na dann, worauf warten wir?“ hakte sie nach und wollte aufstehen, aber er hielt sie zurück. „Weiß nicht“, entgegnete er. „Vielleicht gibt es einen guten Grund, noch nicht ins Wasser zu gehen.“ Er warf einen kurzen Blick über die Schulter. Toto war in das Kicken des Balles so vertieft, dass er nichts sah oder hörte. Saber wandte sich wieder zu ihr, legte seine Hand in ihren Nacken, zog sie näher zu sich und gab ihr einen liebevollen Kuss. Beeindruckt hob sie die Brauen. „Ein ganz guter Grund“, gab sie zu, ehe sie die Liebkosung erwiderte. Der Schotte rutschte auf der Decke herum, so dass er hinter ihr saß und legte die Arme um sie. „Gefällt dir das?“ hakte er nach. Sie schmiegte sich wohlig an ihn. „Ja. Ich liebe diese weite, endlose Natur, “ seufzte sie leicht.
 

Er ließ sie wieder los. „Ja, ist schon beeindruckend“, beteuerte er. Verwundert richtete sie sich wieder auf, drehte sich zu ihm um und fragte: „Was ist los?“ – „Nichts, nichts“, wich er prompt aus. „Ich dachte, so kann die weite Natur besser auf dich wirken.“ Sie glaubte ihm kein Wort. „Du schwindelst ja schon wieder“, erklärte sie ihm auf den Kopf zu. „Würdest du mir bitte sagen, was ich falsch gemacht hab, dass du mich loslässt, als wäre ich eine heiße Kartoffel?“ Unglaublich, wie sie ihn jedesmal entlarven konnte. „Ich mach mir ein paar Sorgen“, wich er auf. „Du bist momentan auf der Ranch ziemlich eingespannt und eingesperrt. Es tut dir nicht gut und... naja, ich will halt nur nicht, dass du irgendwann die Flucht ergreifst, “ erklärte er sich und fügte gedanklich „vor mir“ hinzu. Sie legte die Stirn in Falten und fragte. „Warum sollte ich vor dir die Flucht ergreifen?“ – „Hab ich das laut gesagt?“ Erschrocken schlug er sich die Hand vor den Mund. Missbilligend verzog sie das Gesicht. „Das hab ich dir angesehen, dass du das gedacht hast.“ Sie setzte sich im Schneidersitz auf die Decke. „Also, warum sollte ich die Flucht vor dir antreten wollen?“ bohrte sie. Wozu noch abstreiten? Sie hatte in ihm gelesen, wie in einem offenen Buch. Einmal mehr. „Es ist eng auf deiner Ranch geworden. Mandy und Suzie da sind und ich kann sie nicht einfach wieder wegschicken. Colt ist verletzt und hat sich mit Robin einquartiert. Bald kommt April auch zurück. Fireball ist da und Toto. Dir wurde gedroht. Und wenn du von alldem weg willst, kommt es einem vor mir fliehen gleich, “ erläuterte er. „Ich kann damit leben, so lange ich dich hab, “ wehrte sie ab. „Nur, dass, was du grade tust, kann dafür sorgen, dass ich dich nicht mehr lange hab, “ meinte sie dann. Verwirrt sah er sie an. „Was tue ich?“ fragte er. „Du lügst mich an“, antwortete sie unumwunden und war wieder in seinem Kopf gelandet. „Ich lüge dich nicht an“, behauptete er wenig überzeugend. „Oh bitte“, fuhr sie leidenschaftlich auf. „Du fragst mich, ob mir das gefällt, das Picknick und das Kuscheln. Ich sage, ja und füge hinzu, dass ich diese Umgebung liebe. Und was machst du? Vor lauter Angst, du wärst mir nicht mehr wichtig und ich könnte dich verlassen, interpretierst du da hinein, dass ich meine Freiheit wieder will.“ Ratlos musterte sie ihn. „Warum?“ Eine Antwort darauf brachte er nicht heraus, sah sie nur betrübt an. Sie krabbelte auf ihn zur, drückte ihre Stirn gegen seine. „Wie soll ich dir nur zeigen, dass ich dich liebe. Was muss ich tun, damit du es verstehst, mein Manapi?“ Behutsam legte sie ihm die Arme um den Hals und fragte sanft: „Sind die Wunden wirklich so tief?“ Seine Augen hefteten sich auf die hellblauen Linien, die sich über den tannengrünen Stoff der Decke zogen. Kaum hörbar erwiderte er. „Ich wollte sie heiraten.“
 

Sie hätte mit so ziemlich allem gerechnet, aber nicht damit. Erschrocken fuhr sie von ihm zurück und starrte ihn verdattert an. Natürlich musste es das gewesen sein. Er verschenkte sein Herz nicht an irgendwen. Man musste schon etwas besonderes sein. Sincia, dass wurde der Hebamme jetzt klar, war so jemand besonderes gewesen. Die hohle Nuss hatte es nur nicht gemerkt, dass der Recke alles für sie getan hätte, für sie gestorben wäre. Und völlig verständlich nun für Chily, warum er sich so schwer damit tat ihr zu vertrauen. Diese hohle Nuss, und der Hebamme fiel kein anderes Wort dafür ein, hatte ihm nicht das Herz aus der Brust gerissen. Nein, raus gekratzt hatte sie es, mit einem Teelöffel, und diese Streifen dann auch noch filetiert. Kein Wunder war er so verunsichert. Kein Wunder brauchte er so viel Zeit. Die Frau sollte die Mutter seiner Kinder werden. Er hatte mit ihr den Rest seines Lebens verbringen wollen. So ergab sein Verhalten einen Sinn. Nur so. Wieso war sie nicht früher darauf gekommen? Und war wirklich sie diejenige, die diesen Schmerz lindern konnte? Reichte ihre Liebe und Zuneigung, oder brauchte er noch viel mehr, als sie ihm geben konnte? Dass sie so heftig abgerückt war, brachte ihn noch mehr aus dem Konzept. Oder doch nicht? Man erzählte schließlich nicht von der Vorgängerin. Das, was er ihr gesagt hatte erst recht nicht. „Es tut mir leid, ich hätte nicht damit anfangen sollen“, entschuldigte er sich, aber sie reagierte nicht darauf. Zwar hatte sie ihn gehört, musste aber ihre Gedanken sortieren. Beklommen erhob sich der Recke. „Ich sollte... mal nach Toto sehen.“ Er wandte sich zum gehen. „Nein, warte, bitte“, rief sie und sprang auf. Er blieb stehen, mit dem Rücken zu ihr, den Blick auf die Kiesel am Flussufer gerichtet. Ihre Arme schlangen sich ungestüm um ihn. Ihr Kopf drückte sich innig an seinen Rücken.
 

„Du darfst mich nicht alleine lassen.“ Die Tränen in ihrer Stimme brachten ihn dazu, sich in ihrer Umklammerung umzuwenden und auch die Arme um ihre Schultern zu legen. „Ich lasse dich nicht alleine“, antwortete er rau. „Ich will nicht ohne dich sein. Ich will das nicht, “ murmelte sie, der Kopf, den sie gesenkt hielt, flog nun hoch. Tränen glänzten in ihren Augen. „Hörst du mich? Ich will nicht ohne dich sein.“ Er schluckte überrascht. „Das musst du auch nicht“, sagte er. „Dann rede nie wieder solchen Unsinn.“ In ihrem Ton war zu hören, dass sie dem Aufruhr ihre Gefühle kaum Herr wurde. Sie hätte nicht gewusst, was alles durch sie hindurch jagte. Nur eines wusste sie genau, sie liebte ihn. Er nickte leicht. Wieso nickte er nur? „Ich bin nämlich nicht Sincia. Und ich will auch nicht so sein wie sie, “ fuhr sie ihn an. Sie wollte ihm niemals weh tun. „Ich weiß“, schluckte er. „Ich wollte dich nicht mit ihr vergleichen.“ Aber genau das hatte er oft genug getan. Unbewusst hatte er immer wieder festgestellt, dass Chily genau die Dinge tat, die Sincia nie getan hätte. Und dennoch hatte er der Hebamme dasselbe Verhalten unterstellt. „Ich bin ehrlich. Sie war es nicht, “ führte sie selbst einen Vergleich an. „Ich liebe dich.“ Die Tränen bahnten sich ihren Weg. „Es tut mir aufrichtig leid, Jolene“, sagte er wahrheitsgemäß. „Es ist nur so schwer, wieder Vertrauen zu fassen, es wieder zu lernen...“ Mehr brachte er zur Erklärung nicht hervor. Es war auch nicht nötig. Sie verstand ihn. Etwas zittrig, weil sie so aufgewühlt war, strich sie ihm über die Wange. „Du wirst es lernen, mein Manapi. Ich werd es dich lehren, “ flüsterte sie. Erleichtert beugte er sich zu ihr hinunter und drückte ihr einen kleinen Kuss auf die Stirn. „Ich weiß“, murmelte er zurück. „Aber bitte habe Geduld mit mir.“ Er hatte sie noch nicht verscheucht, stellte er beruhigt fest und es war so gut, dass sie ihn nicht aufgab.
 

Keiner der beiden bemerkte Toto, der mit düster gerunzelter Stirn zu ihnen trat. „MomChi weint“, stellte der kleine Mann fest, trat gegen Sabers Knie und stürzte sich tobend auf ihn. „Was hast du mit MomChi gemacht? Warum weint sie?“ schrie er aufgebracht. Dem ersten Kick hatte der Recke nicht ausweichen können, dem Angriff schon. Er wich zur Seite und nahm den Jungen bei den Schultern. „Ja, MomChi weint“, versuchte er ihn zu beruhigen. „Es tut mir leid, Toto.“ Aber der Zwerg hörte nicht zu, sondern zeterte weiter. „Du solltest sie wieder fröhlich machen. Du, du ...“ Unbeholfen versuchte er den Blonden zu treten oder zu schlagen, aber da er ihn auf Armlänge von sich weghielt, blieb es beim Versuch. „Ich gebe mein Bestes, Toto“, setzte der von vorn an. „Ehrlich, ich will deiner MomChi nicht weh tun. Sie gefällt mir doch auch viel besser, wenn sie lacht.“ Der kleine Vulkan vor ihm wollte sich losreißen. „Ich kann dich nicht mehr leiden“, schrie er und schlug das Kindergebiss in den Unterarm des Schotten. Der verzog das Gesicht und die Hand zurück. „Toto.“ An der anderen Schulter hielt er ihn noch. „Bitte. Ich wollte Jolene nicht weh tun. Ich mag sie doch. Ich mag euch beide, “ versicherte er und flehte Chily gedanklich um Hilfe an. Dieser tobende Racker schien nicht zu beruhigen. Sie hatte sich jetzt wieder unter Kontrolle und griff ein. Energisch trennte sie Toto von Saber und zog den kleinen Mann ihn ihre Arme. „Schatz, hör auf. Beruhige dich.“ Sie wiegte ihn leicht. „Ist doch alles gut.“ Dennoch kickte der noch einmal böse nach dem Recken. „Der macht dich traurig, MomChi. Er soll gehen, und uns in Ruhe lassen! Bäh, “ streckte er dem Blonden noch einmal die Zunge raus. „Nein, Schatz, nein. Ich hab war nicht traurig, weil Saber ich traurig gemacht hat, sondern, weil das jemand mit ihm gemacht hat. Und du weißt doch, so was tut man nicht, “ erklärte sie sanft. Mit einem kleinen Sicherheitsabstand beugt der sich erneut zu dem Jungen. „Deine MomChi passt auf mich auf. Sie tröstet mich. Und es tut mir leid, dass ich sie damit traurig gemacht hab, “ fügte er ihr hinzu. „Aber das solltest du nicht, “ beharrte der Knirps. Immerhin hatte er seine Attacken eingestellt. „Ich weiß, ich sollte sie wieder fröhlich machen. Aber jeder ist irgendwann mal traurig, das ist ganz normal. Schau mal, sogar Colt ist manchmal traurig.“ Toto verstand das, erst recht, als Chily diese Aussage bekräftigte. „Er hat recht. Schatz, du bist auch mal traurig. Das wichtigste ist, das man dann nicht allein ist und hinter her wieder lachen kann.“ Mit dem letzte Rest Starrsinn, denn stur zu bleiben fiel ihm schwer, wenn seine MomChi so mit sprach, trotzte er: „Aber ich bring dich dann nicht zum weinen. Das soll er lassen, sonst tret ich ihm in den …“ – „Toto! Dann machst du mich aber sehr traurig. Außerdem bringt Saber mich auch wieder zum Lachen. Deswegen habt ihr euch das mit dem Picknick doch überlegt, nicht wahr, “ erinnerte sie ihn sanft. „Ja, “ gestand er verlegen. „Du warst so gar nicht mehr fröhlich auf der Ranch. Der blöde Besen …“ Ihr Blick hielt ihn davon ab, diesen Satz zu beenden. „Na, dann wird es jetzt aber Zeit, dass ihr mich zum Lachen bringt“, fügte sie munter hinzu. „Ich hab nichts dagegen“, stimmte Saber zu. „Toto? Holst du den Ball?“ Eine Runde Wasserball zu dritt war wahrscheinlich die beste Ablenkung. Er begann sein Hemd aufzuknöpfen. Toto sprang davon, den Ball zu holen. Chily trat auf den Recken zu und half ihm beim öffnen der Knöpfe. „Das war sehr lieb von dir“, sagte sie leise. Er ließ die Arme sinken und überließ ihr die Arbeit ganz. „Ach, meine Schienbeine sind das gewöhnt, April und Colt treten auch öfter danach“, versuchte er lächelnd herunterzuspielen, was eben geschehen war. „Ich meine nicht nur, wie du grad mit Toto gesprochen. Ich meine, den ganzen Ausflug, “ antwortete sie leicht. „Dieser Ausflug war nötig, sonst wärst du geplatzt, Jolene.“ Sie streifte ihm das Hemd über die Schultern, schmiegte sich kurz an ihn und hauchte ihm einen kleinen Kuss auf die Brust. „Deswegen bin ich dir ja so dankbar“, meinte sie. „Sei mir nicht dankbar“, wiegelte er ab und schloss sie in seine Arme. „Ich liebe dich und nur deswegen habe ich das gemacht.“ Sie lachte leicht an seiner Brust. Genau deshalb war sie ihm doch so zugetan. Dann lösten sie sich von einander und wechselten in die Badebekleidung. „Manchmal bist du doof, obwohl du so klug bist“, grinste sie dabei und gab ihm, als sie in ihren Bikini und er in die Badehose geschlüpft waren, einen Kuss auf den Mund. „Ich liebe dich auch und dieser Nachmittag allein, ist Grund genug bei dir zu bleiben.“ – „Na, danke aber auch“, lachte er leicht. „Komm, ab ins Wasser. Dieses Mal kannst du mir nicht vorhalten, ich solle lockerer werden.“ – „Wollt ihr noch ewig knutschen?“ beschwerte sich Toto. „Wow und ich hab noch nicht mal einen Tritt dafür kassiert“, wunderte sich der Schotte. „Jetzt bin ich endgültig erstaunt.“ Chily lachte. „Der mag dich eben wieder.“ Dann stemmte sie sich gegen ihr und schob ihn in Richtung Fluss. „Und jetzt ins Wasser mit dir.“ Lachend salutierte er „Zu Befehl“ und tauchte ab.
 

Suzie hatte sich, als alle das Haus verlassen hatten, das Telefon gegriffen um April an zu rufen. Sie war immerhin eine alte Freundin und langsam sollte sie sich um sie kümmern. So tippte sie die Nummer des Kurhauses ein, die neben dem Fernsprecher lag, und schlenderte zum Sofa. Es tutete einmal. Die Hochgewachsene ließ sich auf die Couch fallen. Das zweite Tuten. April nahm ab. „Na, April. Wie geht es der werdenden Mutter?“ grüßte sie locker. „Oh, hi Suzie, “ erklang es erfreut vom anderen Ende der Leitung. „Danke mir geht es gut. Die Ruhe hier habe ich wirklich gebraucht.“ Suzie schwang ihre Beine auf das Polster. „Das freut mich zu hören. Ich könnte auch eine Kur gebrauchen. Deine drei Jungs nerven an einem Stück, “ lachte sie leicht. „Ja, dass haben sie so an sich, “ lachte die werdende Mutter zurück. „Wie geht es bei euch?“ Deren Freundin wiegte den Kopf. „Ziemlich verworren im Moment. Tut mir leid, April, “ berichtete sie bedauernd. Das wunderte die Navigatorin. „Verworren? Was meinst du damit? Hast du Ärger mit Robin?“ Das war für sie das einzig Vorstellbare. Colts Braut dürfte es wenig behagen, eine Verflossene im Haus zu haben. „Nein. Es ist eher Mandarin, die Schwierigkeiten macht. Genau genommen bringt sie einiges durcheinander. Vor allem bei deinem Schatz…“ Suzie biss sich auf die Lippe. „Das ist nicht sonderlich schwer. Seit wir wissen, dass wir ein Kind bekommen, ist er doch recht aus dem Häuschen, “ grinste dessen Freundin. „Hm, weißt du, “ setzte die große Blonde an. „ich habe den Verdacht, dass Mandarin uns allen etwas vorspielt und nicht ehrlich ist. Naja, sie bringt Fireballs Hormonhaushalt durcheinander, April. Mandarin wickelt ihn regelrecht ein. Er merkt noch nicht einmal, was sie mit ihm macht, “ brachte sie schließlich hervor. „Bitte?“ Verwundertes Schweigen folgte. „Da hast du sicher was falsch verstanden“, meinte April. Alles andere wollte sie lieber nicht glauben. Das würde einen Fehltritt seinerseits bedeuten und das konnte nicht sein. „Ich wünschte, ich hätte da was falsch verstanden, aber es war eindeutig“, erwiderte die Große. „Dein Freund ist nicht ehrlich zu dir, April.“ Die Geräusche am anderen Ende ließen vermuten, dass April sich setzte. „Hast du irgendwas gesehen oder gehört, dass du dir so sicher bist?“ fragte sie ahnungsvoll. Suzie gab einen bedauernden Laut von sich. „Leider ja“, gestand sie bemitleidend und rückte mit der Sprache raus. „Wir haben neulich nach einem Nachtflugtraining einen Recorder gefunden. Der war von einem technischen Genie gebaut worden. Nicht einmal Fireball hat den Chip rausbekommen, Mandarin aber sehr wohl. Saber und seine Freundin sind schlafen gegangen, ich kurz nach ihnen. Als noch mal runter bin, weil ich was trinken wollte, hab ich gesehen, dass...“ Sie brach ab und kaute auf ihrer Unterlippe. „April, willst du das überhaupt hören? Es tut mir so leid für dich.“ Der schwante übles. Wollte ihr die Freundin erzählen, dass Fireball ihr nicht treu war? „Suzie, bitte, wenn du meine Freundin bist, dann sag mir die Wahrheit“, kam es flehentlich von ihr. „Also, wie gesagt, ich wollte noch mal einen Schluck trinken, da hör ich aus der Bar Stimmen. Neugierig wie ich bin, wollte ich wissen, wer sich da noch so gut unterhält.“ Sie seufzte schwer. „Fireball hat Mandarin geküsst. Und ich rede nicht nur von einem kleinen Kuss auf die Wange. Er hat sie leidenschaftlich geküsst und sie gegen die Bar gedrückt. Mehr wollte ich nicht sehen, April. Es hat mir gereicht um zu wissen, was die beiden als nächstes tun würden.“ Aufgebracht setzte sie hinzu. „Er betrügt dich, April. Du trägst sein Kind in dir und er betrügt dich mit Mandarin.“ Die werdende Mutter schnappte nach Luft. „Das darf nicht wahr sein. Suzie, du muss dich geirrt haben. Das kann ich nicht glauben. Das will ich nicht glauben.“ Tränen stiegen ihr in die Augen. Das wollte sie nicht von Fireball denken. Er würde sowas nicht tun. Aber warum sollte Suzie lügen? „Das musst du aber. Fireball ist kaum ein paar Tage hier, da lässt sich Mandarin schon von ihm flach legen. Obwohl... Naja, ich weiß, zu so etwas gehören immer zwei und ich glaube auch, dass Mandarin ihm unentwegt schöne Augen gemacht hat, so wie sie es immer schon getan hat. Sie hat sich in deine Beziehung gedrängt April und sie drängt sich auch auf deinen Platz an Board von Ramrod, “ berichtete die Hochgewachsene atemlos vor Aufregung. „Mein Platz auf Ramrod ist zu vergeben. Ich werde Mutter, “ schniefte die Navigatorin. „Gott, ich dachte, er freut sich auf unser Kind. Er war so fürsorglich, als er hier war.“ Sollte das wirklich nur Hormonüberschuss gewesen sein? Das Bild, welches Suzie ihr beschrieben hatte, stieg vor ihrem geistigen Auge auf und es gefiel ihr überhaupt nicht. Sie sträubte sich dagegen, dass als Wahrheit zu betrachten. Es war nur ein Albtraum. Ganz bestimmt. „Mandys Chancen deinen Posten dauerhaft zu bekommen, stehen sehr gut. Sie hat deine Jungs alle voll im Griff. Vor allem eben Fireball, “ bemerkte Suzie trocken und mahnte die Schwangere dann. „Ihr seid so jung, April. Und Fireball ist wahrscheinlich ganz einfach nicht reif für ein Kind. Er hat sich von der erstbesten einlullen lassen, wenn er dich und euren Zwerg nicht sogar wegen ihr verlassen wird. Ich fürchte, diesen Gedanken musst du in Erwägung ziehen, bevor es zu spät ist, April. Fireball wird vielleicht kein Vater für das Kind sein wollen.“ Einen Moment lang stutzte die Schwanger. „Die Jungs voll im Griff?“ wiederholte sie leicht ungläubig. Nicht mit Chily und Robin an der Seite. Nein. Aber Fireball. Er war in letzter Zeit sehr anschmiegsam und hatte ein sehr großes Liebesbedürfnis. Mit der richtigen Strategie war es leider nicht so unrealistisch, dass Mandarin erfolgreich gewesen war. Das Bild wurde klarer in ihrem Kopf, als wäre es auch wahrer.
 

April brach ein. Eine Weile hörte Suzie nur hemmungsloses Schluchzen vom andern Ende der Leitung. Sie schwang ihre Beine wieder vom Polster. „Das kann er mir nicht antun“, beharrte April unglücklich. Die Hochgewachsene rollte ungeduldig die Augen. „Er tut es aber. Und er hat sicher nicht vor, dir einen Ton davon zu sagen. Deshalb tu ich es ja.“ Weniger streng fuhr sie fort. „Bitte nicht weinen, April. Er ist es nicht wert, wenn er dich bei der erstbesten Gelegenheit betrügt und hintergeht.“ Hilflos klagte die werdende Mutter. „Das ist doch auch sein Kind. Wie kann er das tun?“ Die Hochgewachsene überdachte ihre folgenden Worte. „Ich weiß es nicht. Ehrlich nicht. Aber er hat es getan. Und wer einmal betrügt, der wird es immer wieder tun, “ beschwor sie die Freundin. „Du darfst nicht nur wegen eures Kindes bei ihm bleiben, April. Er wird dich immer wieder betrügen, egal ob es nun seine Mandarin ist oder jemand anderes. Du darfst dir nicht so wehtun lassen.“ Ein paar Mal wurde herzhaft geschnieft. April versuchte ihre Fassung zurück zu gewinnen, doch auch das kräftige Schnäuzen half nur wenig. „Ich brauch etwas Zeit. Das muss ich erst verarbeiten, “ brachte sie schließlich hervor. „Mach das, “ antwortete Suzie verständnisvoll. „Aber lass dich bitte nicht ausnutzen, April.“ Erneutes Schniefen. „In zwei Tagen bin ich bei euch. Dann sehen wir weiter. Tschüs Suzie. Und danke, dass du so ehrlich warst, “ kam es mit zittriger Stimme von der Navigatorin. „Wir sind doch Freunde April, “ erklärte die andere mild. „Bis in zwei Tagen, also.“ Sie legte auf. Das gab sicher eine hübsche Szene, wenn April wieder zurück war.
 

Am Abend war Colt glücklich wieder in seinem Bett zu liegen. Seine Verletzungen wollten nicht in dem Tempo heilen, das er gern gehabt hätte. Denn dann wäre er schon längst wieder fit und könnte sich aktiver an dem Fall beteiligen. Auch wenn die Schmerzen nicht mehr so intensiv waren, war doch alles, was er tat anstrengender als er zu geben wollte. Er kam sich schon mehr oder weniger nutzlos vor und das störte ihn gewaltig. Es musste ihm doch gelingen herauszufinden, was in diesem Haus vor sich ging. Die ganze Stimmung hatte sich geändert, seit Mandarin und Suzie angekommen waren. Die Atmosphäre schien zu knistern und zwar bedrohlich. Und dann wieder diese Botschaften … Robin kletterte zu ihm aufs Bett und schenkte ihm einen aufmerksamen Blick. „Du willst mir nicht erzählen, was dir heute so durch den Kopf geht“, stellte sie fest. „Schatz, du weißt doch, ich denke nur an das Eine“, gab er grinsend zurück. „Von wegen. Daran denkst du nicht mehr, seit Suzie und Mandy hier sind, “ erwiderte sie. Glaubte er wirklich, er könne ihr noch etwas vormachen? „Was muss ich tun, damit du mich einweihst?“ wollte sie wissen, setzte sich vorsichtig auf seinen Schoss und schmiegte sich behaglich an ihn. Der Kuhhirte kannte die Art, mit der sie das tat, wenn ihre vordere Rundung dabei sanft über seinen Oberkörper strich. „Willst du das wirklich wissen?“ fragte er zurück. „Auch“, flüsterte sie. „Zählt das eigentlich zur Krankengymnastik?“ hakte er nach. „Mehr oder weniger.“ Sie verschloss ihm den Mund mit einem zärtlichen Kuss. Colt gab dieser anschmiegsamen Art gern nach. Er überließ ihr gern die Führung und genoss zu sehr ihre Hingabe. Jedes Paar hatte Momente von besonderer Nähe, besonderem, nicht zu beschreibenden Zauber. Dieser hier gehörte eindeutig dazu. Ihre Haut fühlte sich so herrlich weich an und dieses Ausmaß an Zärtlichkeit hatte es schon eine Weile nicht mehr gegeben. Er sollte wohl öfter im Koma liegen, wenn sie ihm anschließend so bewies, wie sehr sie sich freute ihn wieder zu haben, mit diesen ungestümen Küssen, mit diesem sanften Saugen und Knabbern, mit den süßen Liebkosungen ihrer Zunge und den zärtlichen Berührungen ihrer Finger. Er schloss die Augen und genoss den angenehmen Schauer, der ihn durchfuhr, ihren warmen Mund auf seinem und ihr inniges Anschmiegen an seine Brust. Für diese Frau würde er sterben, wenn es sein musste. Aber noch lieber wollte er mit ihr sehr viele, lange, glückliche Jahre verbringen. Er schloss sie in seine Arme und strich ihr sanft über den nackten Rücken. Nur fest halten. Nur sie halten und glauben, dass dieser Moment nie vergehen würde. Er musste sie beschützen.
 

Saber schlief lange am nächsten Morgen. Als er endlich aufwachte, fand er das Bett neben sich leer. Chily war bereits unterwegs. Halb verschlafen registrierte er das und wollte sich noch einmal umdrehen, da fiel ihm der Zettel auf ihrem Kopfkissen auf. Er stützte sich auf die Ellenbogen, runzelte die Stirn und griff danach. „Es gibt mindestens 1.000 Gründe für mich an deiner Seite sein zu wollen. 1. Mit dir einzuschlafen, 2. Neben dir aufzuwachen, 3. Mir bildlich vorstellen zu können, wie du grad verdattert den Zettel anguckst mit 4. Deinen Manapi-Augen … Hab dich lieb.“ Schmunzelnd drehte er das Blatt Papier herum. Da stand ja noch etwas auf der Rückseite. „Ich weiß, dass du jetzt lächelst.“
 

Saber, Fireball, Mandarin und Suzie statten Sheriff Borland einen Besuch ab, der den ganzen Tag dauerte und dazu diente, die Mädchen auf den momentanen Stand der Ermittlungen zu bringen. Sie studierten die Berichte, suchten nach Hinweisen auf die neue Vorgehensweise des Gegners und besahen die Tatortfotos vom ermordeten Dooley und BooYeah. Mandarin verlor dabei etwas an Farbe, nahm es aber relativ gefasst auf. Die Berufserfahrung lehrte so was. Offenbar recht gut, wie die Männer auch an Suzies Reaktion feststellten. Die beiden berufserfahrenen Frauen konnte man eben nicht mit der emotionsgeladenen Hebamme vergleichen. Natürlich brachen die nicht in hysterisches Geschrei aus oder übergaben sich. Die Routine härtete ab.
 

Als die Vier am Abend heimkehrten wurde ihnen die Tür geöffnet, kaum das der Recke den Hausschlüssel aus der Hosentasche gezogen hatte. Ein hochgewachsener Mann mit schwarzem, lockigem Haar und dunklen Augen stand vor ihm. Er war sportlich und sah, mit seinem breiten, vollen Mund, der sich zu einem sympathischen Lächeln verzog und dabei auch noch eine Reihe perlweißer Zähne blitzen ließ, ziemlich gut aus. Saber durchlebte unweigerlich ein Déjà-vu. Gleich musste Chily sich nähern, dem die Arme um die Taille legen und sich verliebt an ihn schmiegen. Ganz sicher. Dem Schotten wurde kalt. „Du musst Saber sein“, stellte der Schwarzhaarige fest. Lahm nickte der Angesprochene. „Ich soll dir von Chily was ausrichten“, sagte der Mann in der Tür. Gleich kommt es, schoss es dem Blonden durch den Kopf. „Sie ist zu einer Entbindung gerufen worden. Ich sollte hier warten und dir Bescheid geben, damit du dir keine Sorgen machst, “ erklärte der Lockige darauf. „Eine Entbindung?“ wiederholte Saber ungläubig. Dem Fremden fiel auf, dass er immer noch den Eingang versperrte und trat einen Schritt zur Seite um die Vier endlich herein zu lassen. „Ja“, bestätigte er dann. „Das Kind meiner Schwägerin hatte es wohl auf einmal sehr eilig auf die Welt zu kommen. Mein Bruder musste auf dem Weg zum Krankenhaus hier vorbei und hat Chily gleich mitgenommen, sonst hätte sie dich angerufen. DJs Kleinen haben die anderen beiden Heim gebracht, “ schilderte der die Ereignisse. Das war alles. Eine Geburt. Mehr nicht. Saber unterdrückte einen Seufzer der Erleichterung. „Und wann wird sie wieder hier sein?“ fragte er dann mit wieder gefundener Fassung. Ihm wurde klar, dass sie ziemlich umsichtig gehandelt hatte. Wäre sie fort gegangen ohne eine Nachricht dazulassen, hätte er vor Sorge tatsächlich Tucson-City auf den Kopf gestellt um sie zu finden. Das hatte vermeiden wollen. Dass sie ihm einen Schock damit einjagte, wenn sie den Schwager der Patientin bat auf den Blonden zu warten, hatte sie in dem Augenblick nicht bedenken können. Sie hatte sich auf ihren Job konzentrieren müssen, seine Jolene. „Ich weiß nicht, wie lange es dauert“, antwortete der Lockige. „Vielleicht hat es sich mein Neffe ja auch wieder anders überlegt. Ich werde mal ins Krankenhaus fahren.“ Sie riefen ihm noch ein Taxi und anschließend den Pizzaservice. Nach diesem Tag, da ihnen von den ganzen Berichten der Kopf schwirrte, hatte keiner Lust, die Küche der Hebamme in Flammen aufgehen zu lassen. Mit dem Pizzaservice kamen auch Colt und Robin zurück. Sehr viel später auch Chily, die es nicht geschafft hatte, der dankbaren Schar Verwandtschaft zeitiger zu entkommen. Die Schwangerschaft der Patientin war von Anfang an mit Komplikationen belastet. Sie und ihr Mann hatten zuvor mehrere Fehlgeburten durchstehen müssen. Da sie jetzt endlich einen gesunden Sohn hatten, war dieser sehr glückliche Moment gleich vor Ort mit Sekt gefeiert worden, was den Schwips erklärte, den Chily nach Hause brachte. Fix und fertig hatte sie nur ein träges Winken als Gruß und trollte sich die Treppe hinauf ins Bett. Sie plumpste gerade hinein, als Saber eintrat. „Entschuldige, Manapi. Hatte keine Frau da, die dir die Tür hätte öffnen können, “ murmelte sie und war im nächsten Moment eingeschlafen. Mit einem milden Lächeln deckte er sie zu.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück