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Western Spirits

von

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To my hometown. To my country. To the place, where I was born.

„…Wenn es Nacht wird in Old Tucson, werden Geister wieder wach, alle Helden aus dem Westen, treffen sich in dieser Nacht. … mmm mmm mmm … Durch die menschenleeren Straßen, weht ein kalter Abendwind, durch den Staub sieht er sie kommen, wenn sie durch Old Tucson zieh'n. …mmm mmm mmm … echte Helden sind unsterblich, wenn man nur von ihnen träumt. Wenn es Nacht wird in Old Tucson, werden Geister wieder wach, alle Helden aus dem Westen, treffen sich in dieser Nacht…“
 

Tucson-City dehnte sich vor ihm aus. Die breite Hauptstraße erinnerte ihn immer an die staubigen Straßen der Westernfilm-Städte, in denen das Finale Duell ausgetragen wurde, gesäumt von Häusern und Geschäften. Tucson-City … man würde eine Großstadt dahinter vermuten. Doch es war nur ein kleines Städtchen in der Weite des Landes und unter dem nachtdämrigen Himmel. Hier war es schon herrlich friedlich und lebendig. Er war Jahre nicht mehr hier gewesen. Er hatte es vermisst. Und sie. Sie war immerhin seine Number 1. Die beste Freundin, die man haben konnte. Aber er hatte auch noch andere gute Freunde. Allein war er nie gewesen. Dafür schätzte er sich glücklich. In schweren Zeiten hatte immer mindestens einer zu ihm gestanden. Wenn er so auf sein Leben zurückblickte, konnte er zu frieden sein. Er hatte viel erreicht und das Glück war ihm noch immer hold. Bald wollte er einen weiteren, wichtigen Schritt gehen. Auch da wollte er seine Freunde um sich haben. Morgen würden sie hier eintreffen. Nach einem Jahr, auf den Tag genau, und in der Stadt, in der für ihn alles begonnen hatte. War das zu glauben? Für ihn nur schwer. Tränen glitzerten in seinen Augen. „Is okay zu weinen, Bullet.“ Er lächelte leicht. Hoffentlich konnte sie sich überhaupt noch an ihn erinnern.
 

Manchmal hatte er das Gefühl, er würde ewig Single bleiben. Er war nicht der Mann, der Gefühle gut zeigen, über seine Gedanken reden und ohne weiteres sein Herz öffnen konnte. Oft genug wirkte er kühl, sachlich und distanziert. Keine guten Voraussetzungen für eine dauerhafte Beziehung. Die letzte war genau aus diesen Gründen zerbrochen. Obwohl er bereit war eben doch sein Herz zu öffnen. Sincia. Er hatte ihr sein Tagebuch anvertraut und sie so tief in seine Seele schauen lassen, wie niemand zuvor. Doch sie hatte es augenscheinlich nicht verstanden. Während des Waffenstillstandes hatte sie ihn nicht bei seinen Eltern besucht. Das Thema hatte er dreimal angesprochen, dann nicht mehr um nicht aufdringlich zu sein. Als der Sieg über Nemesis errungen war, war sie auch nicht zum Bankett erschienen. Daraufhin hatte er sie besucht und wäre beinah tot umgefallen. Ein anderer Mann, seinem Verhalten nach zu urteilen, schon länger dort wohnhaft, hatte ihm geöffnet. Gleich darauf war Sincia in der Tür erschienen. Verlegen, nach Worten suchend und ihm kaum in die Augen sehen könnend hatte sie ihm schließlich noch sein Tagebuch zurückgegeben. Das war die verständlichste aller Erklärungen. Das war deutlich. Das war das Ende. Inzwischen war es nur noch eine unangenehme Erinnerung. Die Enttäuschung und der Schmerz waren verblasst. Erst hatte er sich in die Arbeit als Ausbilder beim KOK gestürzt, dann, vor drei oder vier Monaten, auch wieder angefangen auszugehen. Doch neu verliebt hatte er sich seit her noch nicht. Dass Colt angerufen hatte, war eine sehr erfreuliche Überraschung gewesen. Das Team Ramrod hatte sich jetzt im Frieden aus den Augen verloren. Nun tat der Scharfschütze auch noch geheimnisvoll und wichtig, was der Grund war, weshalb der Recke nun hier in einem Cafe in Tucson-City saß und auf das Eintreffen des ehemaligen Kollegen wartete.
 

Während er an seinem Kaffee nippte und seinen Gedanken nachhing, blieb sein Blick an ihr hängen. Ihre Ponysträhnen waren rotbraun gefärbt und mit feinen Lederbändern geflochten. Das Haar an sich war blond, von der Sonne gebleicht und wallte mit jedem ihrer schwungvollen Schritte. Er stutzte kurz. Sie war barfuß unterwegs. In der Stadt? Normalerweise sah man höchstens kleine Kinder barfuß durch die Straßen laufen. Die Hose war bis zu den Knien hin aufgekrempelt. Das Oberteil war ein Streitpunkt, denn es war entweder ein zu kurz geratenes Minikleid oder ein zu langes Shirt. Der schmale Schnitt verriet jedoch ihre zierliche Gestalt. Um den linken Fußknöchel waren mehrere Lederbänder gewickelt und ihrer Umhängetasche diente ein aufgenähter Traumfänger als Knopf. Er hatte ihre Erscheinung gerade erst erfasst, da war sie auch schon an dem Fenster des Cafés vorbei gelaufen. Ehe er sich vorbeugen und ihr nachsehen konnte, rief jemand: „Hey Säbelschwinger.“ Der Angesprochene wand sich in die Richtung, aus der der Ruf kam und hatte noch genug Zeit aufzustehen, ehe Colt ihn schwungvoll und brüderlich zur Begrüßung umarmte. Er erwiderte den Gruß und klopfte dem Freund auf die Schulter. „Na, du. Wie geht es dir?“ Sie setzten sich. Colt hatte sich kaum verändert. Seiner Vorliebe für Jeans, weiße, lässig geknöpfte Hemden und den Cowboyhut war er treu geblieben. Das Jahr in Frieden hatte ihm offensichtlich gut getan. Er lachte munter, war noch etwas lockerer als früher und seine blauen Augen blitzten gut gelaunt. „Gut, Boss. Alles bestens, “ antwortete er. Der Recke schmunzelte über die Tatsache, dass er eben wieder mit „Boss“ angesprochen worden war. Seit Nemesis besiegt worden war, waren sowohl der Scharfschütze als auch Fireball in ihr ziviles Leben zurückgekehrt. Während der Rennfahrer an alte Erfolge auf der Bahn an knüpfte, hatte der Cowboy angefangen, sich beim Rodeo einen Namen zu machen. Saber war nicht länger ihr Vorgesetzter und doch sprach ihn Colt noch so an. „Und was treibst du so?“ wollte der Blonde wissen. „Erzähl ich dir, wenn unser Traumpaar da ist. Sie müssten bald hier sein, also warten wir noch kurz, “ meinte der Gefragte heiter. Saber warf einen kurzen Blick zur Tür und dann einen bedeutungsvollen zum Kuhhirten. „Oder auch länger.“ Verwundert drehte sich der nun um. Just in diesem Moment betraten Fireball und April das Lokal. Turtelnd, als hätten sie die Welt um sich vergessen. Colt und Saber beobachteten, wie Fire seinen Arm um Aprils Hüfte gelegt hatte und ihr etwas ins Ohr flüsterte. Die Blondine kicherte, umschlang seinen Nacken und gab ihm einen innigen Kuss. Jetzt legte der ehemalige Rennfahrer seinen anderen Arm um sie. „Nehmt euch ein Zimmer dafür“, krähte Colt gewohnt kess durch das Cafe. Die beiden wanden sich überrascht zu ihnen um. „Hey, du Rodeoclown, “ grinste Fireball und durchquerte mit April noch immer im Arm den Raum. „Das sagt die richtige Turobopfeife, “ lachte Colt zurück und drückte seinen Hombre überschwänglich an sich. „Lass ihn ganz, “ mahnte April, nachdem sie Saber begrüßt hatte. „Jaja, ich kann mir schon denken, dass du ihn noch brauchst.“ Er ließ Fireball los und streckte ihr die Arme entgegen. „Aber nur, wenn ich jetzt auch mal richtig begrüßt werde“, erklärte er fröhlich. Die Wiedersehensfreude stand ihm klar ins Gesicht geschrieben. Sie setzten sich wieder, bestellten sich was zu trinken und überrissen kurz, was sie in den vergangen Monaten so alles erlebt hatten. Es schien, als hätten sie sich nie getrennt. Sie fanden aufbauende Neckereien für Saber, zweideutige Kommentare für Fire und April und freundschaftliche Sticheleien für den Cowboy, der Robin zu liebe seither kein Schießeisen mehr angerührt hatte. „Jetzt sag schon, Colt“, forderte Fireball schließlich auf. „Wo ist deine Robin? Und warum sollten wir eigentlich herkommen?“ Theatralisch schmachtete der Cowboy ihn an und klimperte mit den Augen. „Ich hatte Sehnsucht nach euch.“ Grinsend schob Fire ihm daraufhin den Hut vor die Augen. „Das hält ja keiner aus.“ Belustigt rückte Colt die Kopfbedeckung wieder zurück. „Robin hat noch keine Zeit. Sie kommt nach, sobald die Ferien angefangen haben, “ antwortete er dann und ließ die Bombe platzen. „Ihr seid hier, weil Robin und ich in ein paar Wochen heiraten.“
 

Sie brauchten eine Weile um das Gehörte zu verdauen. Die Kinnladen hatten sie synchron aufgerissen. Dann stammelte Fireball: „Das ist ein Witz, oder?“ Colt runzelte unzufrieden die Stirn. Das war nicht ganz die Reaktion, die er sich vorgestellt hatte. War es denn so unwahrscheinlich, dass er als erster aus der Truppe vor den Altar trat? „Wenn ich einen Witz machen wollte, würde ich April fragen, ob sie meine Frau werden will“, gab Colt zurück. „Sehr charmant.“ Die Blondine fuhr sich durchs Haar. „Du meinst das echt ernst“, stellte sie dann noch immer überrascht fest. Colt nickte. „Das ist ein sehr wichtiger Tag und ich möchte die, für mich, wichtigsten Menschen dabei haben.“ Erneut schwiegen seine Freunde. Das war ja ein Geständnis. Und dann auch noch ein ernsthaftes. Diese Ernsthaftigkeit behagte dem Kuhhirten nicht so recht, zumal grad niemand wusste, was er sagen sollte. Die fröhliche Begrüßung hatte ihm besser gefallen. „Ihr solltet erstmal Quartier beziehen“, schlug Colt deshalb vor.
 

Etwa fünfzehn Kilometer von der Stadt entfernt, lag in der grünen Ebene die Ranch. Weitläufig mit einem Holzzaun umgeben, war zu vermuten, dass hinter dem Haupthaus, der Scheune und dem Stall noch mehr Grundstücksfläche lag. Alles war recht schlicht und ländlich. Das Wohnhaus hatte zwei Stockwerke und eine kleine, überdachte Veranda auf deren Holzbank ein Schäferhund vor der Mittagssonne Schatten gesucht hatte. Die Eingangstür daneben stand weit offen. Darüber hing eine mittelgroße, gusseiserne Glocke mit einem Glockenstab. Colt machte sich damit lautstark bemerkbar. Der Hund hob seinen Kopf und blickte den Cowboy vorwurfsvoll a. „Sagt mal, wann sind wir in einem Filmstudio gelandet. Ich hab das Gefühl mitten in einer Wild-West-Film-Kulisse zu stehen, “ meinte Fireball und sprach aus, was alle anderen dachten. „Danke, genau so wollte ich das auch haben, “ erklärte eine weibliche Stimme aus dem Haus. Dann trat eine junge Frau mit kastanienbraunem Haar heraus. „Hi“, grüßte sie. „Ich bin Donna Joe.“ Sie reichte jedem die Hand. Ihr kräftiger Händedruck passte zu ihrer Erscheinung. Sie war eine Vollblutrancherin, gewohnt fest zu packen. Auf den Weg in den oberen Stock erklärte sie ihren Gästen, dass der Hof in erster Linie eine Pferderanch war, Ausritte anbot und einige Zimmer vermietet. Außerdem wies ein Türschild auf die Praxis einer Hebamme hin. „Was tut man nicht alles, um sich über Wasser zu halten“, grinste sie. Die Zimmer unterstrichen den Eindruck der erwähnten Western-Romantik, was zu den Nobelhotels der Großstädte ein perfekter Gegensatz war. DJ ließ den Anblick in Ruhe auf die Angekommenen wirken, ehe sie fragte: „Soll ich euch noch den Rest zeigen?“ Wie sie schon vermutet hatten, dehnte sich hinter dem Haupthaus eine große Koppel aus, auf der sechs Pferde grasten. „Wow, sind die schön“, ließ sich April vernehmen. Dabei blieb ihr Blick an einem Rappen und einem Schimmel hängen, die etwas abseits weideten. „Das sind wirklich zwei besondere Tiere“, bestätigte DJ. „Allerdings ich muss euch warnen. Unsere gute Angel“ Dabei wies sie auf das weiße Pferd. „ist ja wirklich lammfromm und brav. Vor Demon müsst ihr euch in Acht nehmen. Der trägt seinen Namen nicht umsonst. Er lässt sich nur von seiner Besitzerin reiten. Jeden anderen, der es unbedingt drauf angelegt hat, hat er abgeworfen. Er ist sehr eigen.“ – „Bist du seine Besitzerin?“ fragte Saber. DJ schüttelte den Kopf. „Nein. Das ist meine Freundin die Hebamme.“ Sie hatte bis eben am Gatter gelehnt, jetzt stieß sie sich davon ab. „Wenn ihr nichts dagegen habt, lass ich euch jetzt allein. Ich hab noch zu tun.“ Damit machte sie sich auf den Weg.
 

Sie hatten sich in Ruhe auf der Ranch umgesehen und waren anschließend in die Stadt gefahren. Nach einer kleinen Führung von Colt und einer langen Shoppingtour dank April, saßen sie völlig fertig und mit Eindrücken vollgestopft in einem Steakhaus zusammen. Sich nach einem Jahr wiederzusehen, weckte Erinnerungen und sie schwelgten ausgiebig und ausgelassen darin. Die einbrechende Nacht vertrieb die Hitze des Tages und kühlte erfrischend, als sie wieder auf die Straße traten. Sie schlenderten zum Parkhaus im Stadtzentrum zurück, wo ihr Auto stand. Fireball und April liefen voraus. Arm in Arm und ungeniert turtelnd. Während sie noch auf Ramrod gedient hatten, hatten sie sich noch zurückhalten müssen. Beziehungen dieser Art innerhalb eines Teams waren nicht erwünscht. Das dürfte dem Rennfahrer, der in diesem Punkt doch recht schüchtern war, ganz recht gewesen sein, stellte Colt für sich schmunzelnd fest. Aber schon da waren sie für den Kuhhirten das perfekte Paar gewesen und es freute ihn, die beiden so glücklich zusammen zu sehen.
 

Genauso bedauerte er Saber für sein Singledasein. Die Trennung von Sincia dürfte ihm schwer getroffen haben, auch wenn der Recke recht sachlich darüber gesprochen hatte. Sachlichkeit war dessen Schutzschild. Colt wusste, dass Ramrods ehemaliger kommandierender Offizier nie schlecht über eine gescheiterte Beziehung reden würde. Das verbot ihm sein Anstand. Aber insgeheim war Colt ganz froh, dass es so gekommen war. Er hatte das Ganze nie als eine Kiste von Dauer gesehen. Zwar war Sincia ein nettes Mädel, doch gehörte sie ganz einfach zu der Sorte Frauen, die sowohl die tägliche Anwesenheit ihres Partner brauchten, als auch ständige Kitschroman-Romantik. Dafür war der Highlander jedoch nicht der Richtige. Nicht nur, weil er damals nicht anwesend sein konnte, sondern auch, weil seine Liebesbekenntnisse nicht dieser Art von Sentimentalität entsprachen. Die Frau, die ihn wirklich glücklich machen konnte, musste in der Lage sein, ihn intuitiv zu verstehen. Colt fiel auf Anhieb eine ein und grinste wieder vor sich hin.
 

„Ich möchte wirklich wissen, was du denkst, wenn dauernd so grinsen kannst.“ Mit diesen Worten holte Saber ihn aus seinen Gedanken. „Alles und nichts“, erwiderte der Scharfschütze mit Unschuldsmiene. Der Blonde hob die Brauen und machte deutlich, dass er die Aussage nicht glaubte. Inzwischen hatten sie das Parkdeck erreicht. Nur noch wenige Autos und ein Motorrad standen dort. „Ab Richtung Quartier“, schlug Fireball vor und öffnete die Fahrertür. Ehe er jedoch einsteigen konnte, hörte er jemanden rufen. „Colt ‚Bullet‘ Willcox?“ Alle wanden sich überrascht in die Richtung, aus der der Ruf gekommen war. „Bei den Satteltaschen meines Großvaters.“ Colt erkannte die Frau, zu der die Stimme gehörte. Sie stand am anderen Ende des Parkdecks auf dem Parkplatz neben dem Motorrad, der nicht von der kargen Beleuchtung erhellt wurde. „Jolene ‚Chily‘ Adams, “ rief er erfreut. Im nächsten Moment sprang die ihn an und umschlang ihn mit Armen und Beinen. Barfuß. Lederbänder am linken Fußknöchel. Die Hose bis zu den Knien hinauf gekrempelt. An Colts Schulter schmiegte sich ein blonder Schopf. Ein rotbrauner mit feinem Lederband geflochtener Zopf fiel schwungvoll auf den Rücken des Kuhhirten. „Du hier?“ Er hob sie in die Höhe, hielt die zierliche Gestalt auf Armes länge über sich und drehte sich mit ihr einmal um die eigene Achse. „Seit gestern“, lachte er. „Ich bin seit gestern in der Stadt.“ Er setzte sie behutsam ab. Na, wenn die nicht eindeutig Colts Beuteschema war. Fireball schüttelte leicht den Kopf. „Crazy Chily.“ Der Scharfschütze pfiff anerkennend durch die Zähne. „Man, was aus einer dürren Spinatwachtel so werden kann.“ Sie lachte munter. Ihre blaugrünen Augen blitzten heiter. „Charmant wie ein Haifisch. So typisch. Du hast dich kein bisschen verändert. Man, Colt, ehrlich. Du hättest dich ja ruhig früher melden können, “ meinte sie dann. „Hab ich doch, “ entgegnete der. „Ich hab mit allen aus der Gegend noch Kontakt.“ – „Ach ehrlich.“ Das freudige Gesicht verwandelte sich in eine düstere Miene.
 

Ohne Vorwarnung und völlig unvermittelt holte diese Chily aus und verpasste Colt einen wohl gezielten Kinnhaken. Der Überraschte landete mit seinem Hintern auf dem Boden. Von dort aus protestierte er: „He, wofür war das?“ und rieb sich die getroffene Stelle. „Dafür, dass du mich nie angerufen hast“, fauchte sie und rauschte zurück zu dem Motorrad. „Du behandelst also alle Frauen so liebevoll“, stellte April sachlich fest. „Und was hat sie mit mir gemacht?“ Verstimmt wies Colt auf seine Wange. Ungerührt erklärte Fireball: „Du hast endlich mal das gekriegt, was du verdienst.“ Noch immer am Boden sitzend und reichlich geplättet, rollte der Scharfschütze die Augen. „Dein Mitleid ist unglaublich. Du weißt ja gar nicht, wie das ist, “ knurrte er. „Ich benehm mich schließlich auch nicht so, wie du, “ meinte der Rennfahrer unbeeindruckt. „Jaja.“ Jetzt stand der Cowboy endlich auf. Sein Blick haftete an Chily, die gerade ihre Bikerstiefel anzog. „Außerdem hat sie unrecht. Ich hab angerufen. Ganze zweimal. Ist nur keiner hingegangen, “ versuchte er sich zu rechtfertigen. „Wie lange hast du läuten lassen? Einmal oder hast du zweimal geschafft?“ fragte Saber trocken und hob eine Augenbraue. „Dreimal“, parierte der Gefragte sofort. So ein Feigling war er dann doch nicht. „Das war wesentlich länger, als ich dir zugetraut hatte“, gab der Recke zu. Der Rennfahrer konnte sich eine Stichelei nicht verkneifen. „Keine Frage, deswegen ist deine Telefonrechnung so niedrig. Traust dich ja bei keiner so lange zu warten, bis sie abhebt, “ grinste er. Jetzt war die Kleine am Bike dabei, ihre Tasche zu verstauen und sich den Helm aufzusetzen. „Ihr wisst ja gar nicht, wie das ist. Von einem Mädchen wie ihr verschwindet man nicht bei Nacht und Nebel. Von ihr verabschiedet man sich, “ erläuterte Colt. „Warum hast du es nicht getan?“ hakte Saber nach. Der Cowboy senkte den Kopf, zog den Hut tief ins Gesicht und murmelte kleinlaut. „Weil sie mir einfach zu wichtig war ... ist.“ Vorsichtig hob der Rennfahrer die Kopfbedeckung ab und klopfte sacht auf den Kopf des Kuhhirten. „Hallo? Jemand zuhause? Grade dann sagt man Auf Wiedersehen, du Wüstenhopser, “ informierte er. Etwas unwirsch nahm der ihm den Hut wieder ab. „Was weißt du schon?“ Im nächsten Augenblick stand Chily wieder vor ihm. „Die Dunstkiepe ist ja immer noch meine.“ Damit hatte sie Colt das Ding auch schon abgenommen und kehrte wieder zu ihrem Bike zurück. Dass Colt nicht mal zu Protest ansetzte, war verwunderlich. Immerhin stand auf unerlaubtes Berühren seiner heißgeliebten Kopfbedeckung die Todesstrafe. „Warte Number 1.“ Er lief ihr nach und sie war tatsächlich stehen geblieben. Er legte ihr den Arm um die Schulter und raunte ihr ins Ohr. „Du weißt doch, wer ich bin.“ Der Dackelblick aus seinen blauen Augen genügte jedoch gerade noch nicht. „Ja“, schnaubte sie, „der Feigling, der sich nicht mal von seiner besten Freundin verabschieden kann, oder mal anruft. Das war nur fies. Ich hab aus der Zeitung erfahren, wo du gelandet bist.“ Sie machte sich heftig von ihm los und die nächsten Worte verstanden auch seine Freunde am Auto, so schrie sie. „Aus der Zeitung! Ich! Du mistige, kleine Kanalratte.“ Der Faustschlag auf seinen Oberarm tat ihr allerdings mehr weh als ihm. „Hast du auch nur im Ansatz eine Ahnung, was ich mir für Sorgen um dich gemacht hab?“ Bei diesen Worten hatte Chily ihr Motorrad erreicht. Als er zu ihr in den Schatten trat, boxte sie ihn wieder. Ungeachtet dessen zog er sie in seine Arme und flüsterte in ihr Ohr. „Ich weiß. Crazy Chily, ich weiß. Aber ich wusste nicht, wie ich es dir sagen sollte.“ Dass er sie jetzt so fest hielt, besänftigte sie wieder. „Kenn dich doch, Bullet. Ich kenn dich doch.“
 

Verdattert folgten Saber, Fireball und April dem Motorrad zurück zur Ranch. Da hatte der Kuhhirte doch glatt eine Alte Flamme hier. Ob Robin begeistert war, wenn sie davon erfuhr? Wohl kaum. Besonders nicht so kurz vor der Hochzeit. Für den Rennfahrer und seine Freundin war klar, dass zwischen „Bullet“ und „Chily“ die Gefühle noch nicht abgekühlt waren. Saber jedoch hielt die beiden für gute Freunde. Keine verflossene Liebschaft hätte sich so gefreut Colt zu sehen und der Disput über den Abschied und die Trennung hätte wesentlich länger gedauert. Doch so leicht wie Chily sich hatte beruhigen lassen, erhob sie keine ernsthaften Ansprüche auf den Cowboy. Für den Recken wies alles auf eine gute Freundschaft hin und so viel stand auch fest: Chily war definitiv nicht wie andere Frauen.
 

Von dieser etwas anderen Frau gab es an diesem Abend jedoch nicht mehr viel zu sehen oder zu hören. Kaum näherte sie sich der Eingangstür, stürmte der Schäferhund freudig bellend auf sie zu. „BooYeah.“ Chily ließ es zu, dass er sie umwarf und ihr zur Begrüßung das Gesicht ableckte. „Ja, ich hab dich auch vermisst, mein Süßer“, erklärte sie, knuddelte den Hund und erhob sich wieder. Mit einem „Gute Nacht“ war sie auch schon im Haus verschwunden. Offenbar hielt sie es genauso wenig für nötig irgendetwas zu erklären, wie Colt selbst. Der trollte sich gleich darauf ebenfalls und schien nicht die Absicht zu haben alsbald neugierige Fragen zu beantworten. Denn zumindest für den heutigen Abend war er ganz einfach nur müde und hatte keinen Bedarf mehr an Spötteleien, die seinen Erklärungen unweigerlich folgen würden.
 

War das ein Nachthemd, das sie da noch trug? Es konnte auch ein langes Shirt sein. Auf jeden Fall endete es recht knapp unter ihrem Hinterteil. Mit einem Korb unter dem Arm tapste sie barfuß über den Hof in den kleinen Hühnerstall. „Petjuschka, du beklopptes Hahnenvieh, wenn du mich wieder hakst, landest du im Topf. Klar?“ Als hätte der Gockel sie verstanden, hielt er Abstand und wartete, bis sie das frische Gras aus dem Korb auf den Boden geleert hatte. Dann beäugte er abwechselnd das Grünzeug und seine Überbringerin um dem Futter den Vorzug zu geben. Chily verließ den Stall zufrieden. „Deine Tierliebe war schon immer ungewöhnlich.“ Die Stimme gehörte Colt. Seit wann konnte der denn so früh auf den Beinen sein? Der schlief doch sonst wie ein Murmeltier und war kaum aus dem Bett zu bringen. Jetzt war er rasch in eine Jeans gesprungen und stand neben Chily auf dem Hof. Was er ihr sagte, konnte Saber von seinem Beobachtungsposten aus nicht verstehen. Die beiden standen nah bei einander und sprachen recht leise. Sehr vertraut. Er strich ihr übers Haar und zog neckend an einem ihrer Zöpfe. Sie fuhr zurück und lachte. Dann verschwanden beide im Haus.
 

Die Bewohner der Ranch pflegten für gewöhnlich gemeinsam mit ihren Gästen zu essen. Das ersparte zusätzlichen Aufwand, für den bei der Arbeit auf der Ranch keine Zeit blieb. Außerdem verlieh es dem Aufenthalt eine familiäre Note. Grundsätzlich, so erklärte Donna Joe beim Frühstück, kam es gut an. Einfach, weil man sich so auch etwas kennen lernen konnte. „Na, da frag ich doch glatt mal, woher du unseren Colt kennst und warum er dich Chily nennt“, richtete Fireball seine Neugierde prompt auf die rotbraun gesträhnte Blondine. Die Gefragte grinste, als hatte sie das erwartet. „Colt und ich haben schon zusammen in die Windeln gemacht.“ – „Und Chily heißt sie,“ erklärte der Scharfschütze, „weil sie früher auf Knopfdruck heulen konnte. Sie hat dann immer einen roten Kopf gekriegt. Wie eine Chili-Schote.“ Er lächelte sie gut gelaunt an. Gerade wollte sie etwas erwidern, da schellte das Telefon im Nebenzimmer. Donna Joe und sie lauschten auf den Klingelton. „ Für mich.“ Chily verschwand im angrenzenden Raum. „Okay, Mist. Die seht ihr heute nicht mehr, “ stellte Donna fest. Damit mussten sie den Ausritt, den sie zuvor geplant hatten, auf den nächsten Tag verschieben und ihre Zeit auf der Ranch und in der Stadt totschlagen.
 

April nutzte ihre Chance und schleifte sie auf eine Shoppingtour durch die wenigen Geschäfte mit, die sie am Vortag nicht mehr abgeklappert hatten, weil die Jungs sie vehement und energisch bestreikt hatten. Am späten Abend fanden sie dann eine völlig fertige Chily auf der Bank vor dem Haus vor. Sie lümmelte halb liegend, halb sitzend darauf. Der Schäferhund hatte seinen Kopf auf ihren Schoss gelegt und ließ sich ausgiebig kraulen. „Man, du siehst ja fit aus“, stellte Colt fest und schüttelte leicht grinsend den Kopf. „Versuch du mal was so groß wie eine Melone aus einer Öffnung so groß wie eine Zitrone rauszuholen – im Doppelpack. Ich möchte ehrlich wissen, wie fit du dann noch aussiehst, “ gab sie müde zurück. Der Scharfschütze hockte sich zu ihr und dem Hund. „Na, BooYeah. Alles klar?“ Er strich dem Tier ebenfalls über den Rücken. In Fireballs Ohren klang das seltsam. „Großer Gott, sag nicht, dass der Hund echt ‚BooYeah‘ heißt.“ – „Großer Gott, sag nicht, dass du echt ‚Fireball‘ heißt“, versetzt Chily träge. „Jeder hat einen Namen auf, den er hört.“ Damit richtete sie sich ein wenig auf, gab dem Hund ein demonstrativen Kuss auf die Stirn und streckte Colt dann die Arme entgegen. „Bringst du mich ins Bett?“ bat sie mit Dackelblick. Er nahm sie auf die Arme. „Okay, Number 1.“ Das war dann richtig seltsam. Kein dummer Spruch, kein verlegenes Getue, nur aufrichtige Fürsorge, mit der der Kuhhirte seine kleine Freundin in ihr Zimmer hinauftrug. BooYeah folgte den Beiden. Ungläubige Blicke flogen zwischen Saber, Fireball und April hin und her. So kannten sie den Cowboy gar nicht. Sie konnten sich nicht daran erinnern, dass er Robin in Gegenwart seiner Kollegen so behandelt hatte. So ohne Scheu. Eindeutig verband ihn und Chily etwas Besonderes. „Ich hoffe, er kann es Robin besser erklären, als uns. Sonst ist er tot, “ meinte Fireball. „Er hat es uns gar nicht erklärt, “ gab April zurück. „Besorgen wir ihm einen bequemen Sarg, “ schlug Saber nüchtern vor. „ Und was meißeln wir ihm in den Stein?“ wollte der Rennfahrer wissen. „Na ja, über Tote nur Gutes, “ überlegte der Recke laut, „also am besten, gar nichts.“
 

Am Vormittag des folgenden Tages nahmen sie den aufgeschobenen Ausritt vor. Chily sollte sie als Führerin begleiten, weshalb sie nun die Fuchsstute Terra und den Braunen Sundancer sattelte. April bekam die weiße Stute, die sie am Tag ihrer Ankunft bewundert hatte. „Angel heißt sie. Richtig?“ wollte die Wissenschaftlerin wissen, während Chily den Sattelgurt festzog und prüfte, ob ihre Hand noch dazwischen passte. „Ja, richtig. Demons kleine Freundin.“ Lächelnd richtete sie sich wieder auf. „Nicht wahr, meine Schöne“ Die Stute nickte, als hätte sie verstanden, worum es ging. Colt führte ein Pferd, auch schon für den Ritt bereit, mit sich. „Wo bleiben Fire und Saber?“ erkundigte er sich. „Sind schon da“, ließ sich der Rennfahrer daraufhin vernehmen. „Alle bereit?“ Sabers Blick glitt über die vier gesattelten Tiere. In der Koppel begann Demon unruhig zu tänzeln. „Was ist denn mit dem los?“ fragte Fireball belustigt, nachdem er dem Treiben des Hengstes von Sundancers Rücken aus eine Weile zu gesehen hatte. „Der Leithengst erträgt es nicht, wenn es ohne ihn losgehen soll“, erklärte Chily und ging auf den Rappen zu. „Oh, Demon, “ rief sie neckend. Der Vollblüter näherte sich ihr ebenso und drückte seinen Kopf gegen ihre Schulter. Auf die Weise schob er sie sanft zum geöffneten Gatter. Das Schieben hörte nicht auf, bis sie rittlings aus der Koppel stolperte und lachte. „Keine Angst, Baby. Wir gehen doch mit, “ versicherte sie dann dem Tier. Der Hengst wieherte zufrieden und sie verschwand im Stall, auf der Suche nach Zaumzeug.
 

Das Motorgeräusch eines sich nähernden Buggy zerriss die Stille dieses Sonntagmorgens. Das orangefarbene Gefährt näherte sich rasch und schwungvoll der Ranch und bremste scharf am Zaun. Colt hatte die Fahrzeugführerin erkannt noch ehe sie ausgestiegen war. Er war bei ihr am Tor, bevor sie es durchqueren konnte. „He, wo kommt denn meine Süße her?“ Im nächsten Moment riss er Robin in seine Arme und gab ihr einen stürmischen Begrüßungskuss. „Ist die Überraschung gelungen?“ fragte sie und erwiderte den Kuss. „Und wie.“ Der Scharfschütze legte ihr den Arm um die Schulter und schlenderte mit ihr zu den anderen. „Wir wollten grade Ausreiten. Kommst du mit?“ Seine Freunde lächelten dem Paar zu. „Ihr kennt Robin ja noch“, meinte Colt leichthin. „Ja, kann mich vage an die hübscheste deiner Bekanntschaften erinnern“, zwinkerte Fireball ihr munter zu. „Schön, dich wieder zu sehen, Robin“, ließ sich Saber vernehmen. Während die beiden recht verhalten grüßten, war April von Angel wieder hinabgestiegen und umarmte die Lehrerin erfreut. „Hi du!“ Chily kam aus dem Stall zurück und trug das Zaumzeug auf dem Arm. „Ja, hi, “ grüßte sie überrascht und freundlich den Neuankömmling. „Darf ich dir meine Number 1 vorstellen?“ wand Colt sich an die Kleine und wies dabei auf Robin. Die rotbraun gesträhnte Blondine hielt in der Bewegung, Demon die Zügel anzulegen inne, und hakte überrascht nach. „Noch eine? Jetzt wird es aber eng auf meinem Thron.“ Ihr Tonfall war unverfänglich, aber Robin hob verständnislos die Brauen. „Noch eine?“ Sie musterte Chily, die ein bauchfreies Neckholder-Top und eine enge Hose aus schwarzem, weichem Leder trug. „Wie viele hast du denn?“ fragte sie und Zorn schwang mit. „Ich weiß nicht, wie viele er hat. Fakt ist, bis eben war ich noch Number 1, “ erwiderte Chily leicht hin und hatte damit einen größeren Fehler gemacht, als ihr bewusst war. „Bis eben?“ wiederholte die Lehrerin ungläubig und brauste auf: „Colt?! Was geht hier vor? Lässt du mich nur kommen, damit du...“ Sie deutete auf Chily. „Ich dachte, du wolltest mich heiraten, aber das muss ich mir nur eingebildet haben.“ Damit wand sie sich schwungvoll ab und ging den Weg, den sie gekommen war zurück zum Auto. Prompt lief der Kuhhirte ihr nach. „Warte“, rief er aufgeregt. „Das kann ich dir erklären.“
 

Irritiert murmelte Chily: „Hat sie heiraten gesagt?“ Der Recke nickte: „Das hatte er vor, ja.“ – „Man munkelt es, ja“, bestätigte Fireball und auch April erklärte. „Ja, in ein paar Wochen ist Termin.“
 

Währenddessen dachte Robin nicht daran, stehen zu bleiben. Sie beschleunigte ihren Schritt. „Das kannst du dir sparen, war ja eindeutig genug!“ Hilflos rief Colt hinter ihr. „Aber das ist doch alles anders.“ Die Blondine hatte ihren Buggy erreicht, öffnete die Tür und schrie dem Scharfschützen zu: „Ja, es ist alles anders, als ich es mir vorgestellt habe! Ich will dich nicht mehr sehen!“
 

Von der Koppel her beobachteten die anderen das. „Der wollte heiraten“, stellte Chily noch immer verdattert fest. Als die Autotür zu schlug, begriff sie, dass sie gerade unbeabsichtigt für ein gewaltiges Missverständnis gesorgt hatte und rief: „He ... äh Blondie.“ Aber Robin hatte in ihrer Raserei kein Ohr dafür und brauste davon. Colt sackte auf den Boden und wimmerte hilflos: „Schatz, Süße! Bitte bleib doch da. Ich kann es dir erklären, echt.“ Dann erhob er sich wieder und drehte sich total überfahren zu seinen Freunden um. „Da ist sie hin, mein Ein und Alles.“ Bestürzt kehrte er zu ihnen zurück. Robin war auf hundertachtzig gewesen. Da hatte es keinen Sinn ihr irgendwas zu erklären, weshalb er ihr nicht folgte. Dafür fuhr Chily ihn an. „Colt, du bist doch echt ein Idiot.“ Vergnügt lachend bemerkte Fireball darauf: „Die Kleine da ist ein richtiger Blitzmerker.“ Für ihn, Saber und April war das die beste Show gewesen, die Colt in Punkte Frauen und Fettnäpfchen hatte hinlegen können. „Ich behaupte mal, ich kenn ihn besser als du“, knallte die Kleine ihm ungerührt zurück, dann brauste sie ihren Schulfreund an. „Soviel zum Thema: Number 1: Warum hast du mich nicht vorgewarnt?“ Der kam aus seinem überraschten Zustand kaum heraus. „Vorwarnen? Wovor denn? Vor Robin muss man normalerweise nicht vorwarnen, muss man doch nicht, “ entgegnete er. „Ja, glaub ich dir sofort. Hör mal, Jolly Jumper. Wieso, weiß ich, als Ex-Number 1, nichts von deinen Heiratsplänen? Ich hätte doch die Klappe gehalten.“ Sie fuhr sich durchs Haar. Das war ja ein schöner Schlamassel, den sie da verursacht hatte. „Jolly Jumper, “ wiederholte Saber grinsend. „Der ist gut.“ – „Der konnte noch nie still sitzen“, informierte Chily beiläufig. Deprimiert hob der Cowboy die Schultern. „Ich hatte noch vor, es zu erzählen. Aber... eigentlich... Robin wollte doch erst morgen kommen, bis dahin hätte ich dir das noch gesagt. Aber... Okay, ich hab es verbockt.“ Chily blickte ihn mit erstaunten Augen an. Das war mal eine Erkenntnis. „Aber gründlich, “ bestätigte sie, stemmte die Hände in die Hüften und schüttelte vorwurfsvoll den Kopf. „Was für eine Überraschung.“ Noch immer amüsierten sich Colts Freunde auf den Pferden. „Fehlt nur noch, dass irgendwo hier ein kleiner Jolly Jumper rumläuft“, feixte der Rennfahrer. „Das wär wirklich eine Überraschung, vor allem für unsere kleine Lehrerin.“
 

Just in diesem Moment meinte ein kleiner Junge mit braunen Locken und blauen Augen über den Hof rennen zu müssen und zu rufen: „MomChi, MomChi. Nimmst du mich mit? Ich will mit reiten.“ April brauchte nicht lang um zu erkennen, dass dies durchaus zusammen passte. „Colt, wo warst du vor ungefähr fünf Jahren?“ wollte sie lachend wissen. „Da bin ich grad weg von hier“, gab er einigermaßen arglos zur Antwort. Er wusste, dass Donna Joe einen Sohn hatte und von ihrem Mann getrennt lebte. Der Kleine war die vergangene Woche bei seinem Vater gewesen und sollte heute zurückkommen. Deshalb war Colt in dem Moment auch nicht klar, wie das auf seine Freunde wirkte. „Du hattest schon immer ein sagenhaftes Timing, Colt“, stellte Saber fest und deutete auf den Knirps, den Chily eben hochhob. „Hä?“ entfuhr es ihr und dem Scharfschützen gleichermaßen verständnislos. „Wovon redet ihr?“ bohrte sie nach. „Davon, dass der Kuhtreiber offenbar keine Alimente abdrückt. Das hätte er erwähnt, “ Fireball fiel vor Lachen fast vom Pferd „Ihr denkt das ist unser?“ Sollte Chily diese Aussage ernst nehmen? „Kann schon sein, ja“, gab April unumwunden zu. „Ich? Ein Kind? Ausgerechnet von Colt? Geht es noch?“ brauste die Kleine auf. „Zwillinge wären schlimmer gewesen“, stichelte der Rennfahrer munter weiter. Vor allem Colts Miene war ein Bild für die Götter. Er sah seine Kollegen ungläubig an und fand das Ganze eindeutig nicht lustig. „Komm aus der Sonne, Turbo, bevor dir das letzte bisschen Hirn weg brutzelt. Lässt ja tief blicken, was ihr von mir denkt, “ knurrte er verstimmt. Gleichzeitig kam die Antwort. „Nur das Beste!“ Chily setze Toto auf Demons Rücken und stieg ebenfalls auf. „Offensichtlich“, schnaubte sie mit düsterem Gesicht. „Colt? Wie hast du das mit denen bloß ausgehalten?“ – „Frag ich mich auch grad. Tolle Freunde hab ich, hab ich die doch.“ Er stieg auch auf. Chily pfiff noch nach BooYeah, der sofort über den Hof gewetzt kam und meinte: „Na, dann mal los, Bullet. Reiten wir. Sollen sie sehen, wo sie bleiben. Toto, festhalten.“ Damit presste sie die Schenkel leicht in die Seiten des Hengstes, der daraufhin lospreschte. Der Scharfschütze folgte ihr und seine Freunde mussten aufpassen, dass sie nicht abgehängt wurden. „Da fehlt das Lenkrad und der Ganghebel,“ maulte Fireball scherzend. „Ich frag mich es, wie es gelungen ist, dich von deinem Auto zu trennen,“ grinste April.
 

Colt und Chily überquerten die Wiese sehr zügig und waren im angrenzenden Wald verschwunden, ehe die drei Spottdrosseln folgen konnten. Da sie das Gebiet nicht kannten, entschieden sie sich den Weg am Forst entlang zu reiten um leichter zurück zur Ranch zu finden. Colt und Chily durchritten das Dickicht und erreichten auf der anderen Seite das Ufer des Ohio-River, dem sie folgten. Zunächst schweigend. „So, ich glaub, jetzt haben wir mal zwei Minuten Ruhe“, meinte Colt dann. „Ja, hoffentlich.“ Chily war etwas verstimmt über die Spötteleien. „Wie hast du das mit denen bloß ausgehalten?“ Grinsend erwiderte er: „Eigentlich ganz gut. Du weißt ja, man passt sich an.“ Darüber musste sie lachen. „Oho, du hast dazu gelernt. Das war doch sonst nicht deine Stärke.“ Heiter erklärte er: „ Du wirst es nicht glauben, ich bin brav geworden. Und... häuslich.“ Sein breites Grinsen sollte das wohl betonen. „Klingt gut. Erzähl mir mehr davon. Wer ist die neue Miss Number 1?“ Nachdem sie der Grund für den Streit zwischen den beiden war, wollte Chily schließlich wissen, was ihr da eigentlich entgangen war. „In einigen Wochen Misses. Ich will sie heiraten, “ erhielt sie recht schlicht zur Antwort. „Vielleicht solltest du den Termin aufschieben. Ich hatte nicht den Eindruck, dass das noch was wird.“ Die Zukünftige war immerhin wütend abgerauscht. „Robin beruhigt sich schon wieder. Hkm, hoffe ich halt.“ So sicher wie er gern wäre, war er leider nicht. Robin hielt seine Schulfreundin offenkundig für eine Rivalin. Leider war Chily ja keine Vogelscheuche. „Mein Schatz ist manchmal ziemlich schnell auf hundertachzig. Aber eigentlich eine ganz Liebe, “ ergänzte er dann, damit Chily nicht den falschen Eindruck bekam. Er wollte sie genauso bei der Feier dabei haben, wie die abgehängten Spottdrosseln. Die Reiterin neben ihm hob die Brauen. „Das hast du über alle weiblichen Wesen dieser Stadt gesagt. Was ist denn an ihr so besonderes? Außer, dass sie konsequenter ist, als alle anderen, “ bohrte sie. „Sie ist eine starke Frau. Selbstbewusst und gleichzeitig selbstlos. Robin ist mein Fels in der Brandung und ihre Augen.“ Der verliebte Blick reichte Chily. Sie hatte ihn ja schon oft schwärmen sehen, aber das da war grad ganz eindeutig Liebe in seinen Augen. Sie grinste zufrieden. „Aha. Wo habt ihr euch kennen gelernt?“ Um keinen Preis würde sie ein Wort darüber verlieren, dass es ihn voll erwischt hatte. Sonst würde er wieder vor lauter Verlegenheit alles herunterspielen. Oder nicht? Robin musste ihn in diesem Punkt verändert habe. Verträumt sah Colt über den Fluss. „Tranquility, die Friedliche.“ Er flüsterte es beinahe. „Sie ist dort angepöbelt worden, als ich grade einkaufen war.“ Chily lachte munter: „Oh man, dann war sie aber gerade kein gutes Aushängeschild für ihre Stadt. Und du hast mal wieder Retter in der Not gespielt. War ja klar.“ Die Masche kannte sie schon vom ihm. „He“, mahnte er sie. Nicht mal seine Schulfreundin durfte ein falsches Wort über Robin sagen. „Die gute Robin hat keinen Retter in der Not gebraucht, das hab ich dann auch gemerkt“, erklärte er. „Ach und weshalb hat sie keinen gebraucht? Jetzt bin ich gespannt.“ Sie hob amüsiert die Brauen. „Hat sie den oder die Typen etwa selber platt gemacht?“ Der Scharfschütze schüttelte den Kopf. „Das hab ich noch erledigt. Aber dafür hat sie mich dann platt gemacht. Gott, diese Frau hat Pfeffer im Hintern! Robin hat genaue Vorstellungen vom Frieden und von Gerechtigkeit, “ meinte er dann. Das waren ja nicht zu letzt die Gründe, weshalb er sich sofort in sie verliebt hatte. Chily verstand das gleich. „Aha, so wie du und ich, “ nickte sie. „Und sie hat zur Abwechslung keinen Retter gebraucht. Das ist doch mal was anderes. Wie hat sie dich platt gemacht?“ In Chily wuchs immer mehr Sympathie für Colts Herzdame. „Ach, das ist doch nicht so wichtig“, wich er aus. „Naja, ich weiß nicht wie, aber irgendwie hab ich sie abgekriegt, “ lachte er dann. „Also musst du irgendwie auf dem Boden gelandet sein. Sonst würdest du es erzählen, “ scherzte sie. „Man, Jolly Jumper, ich hätte nie gedacht, dass dich mal eine vor den Altar schleift. Aber irgendwas sagt mir, dass sie die richtige ist, “ stellte sie dann fest. „Klar ist sie die richtige. Sie ist kinderlieb und gut erzogen, “ ergänzte er grinsend. Jetzt fiel Chily beinahe vom Pferd vor lachen. „Die ist perfekt. Die darf ausbügeln, was ich versaut hab.“ Nein, dass war herrlich. Wie oft hatte die rotbraun gesträhnte Blondine versucht, Colt davon abzuhalten irgendwelchen Blödsinn zu verzapfen? Genauso oft wäre ein Gespräch mit einem Pfosten erfolgreicher gewesen. Offensichtlich musste man sein, wie Robin um bei ihm was zu bewirken. „Lass sie das nicht hören, sonst versohlt sie dir dafür den Hintern. Du hast keine Ahnung, wie oft sie mich fragt, wer mich so verdorben hat, “ antwortete er neckend „Na, gut, dass ich diesmal vorgewarnt bin,“ japste sie zurück und versuchte, sich wieder zu beruhigen. „Weil wir doch gerade bei vorgewarnt sind, “ wechselte der Cowboy das Thema. „Muss ich auch vorgewarnt werden, vor deinem Liebsten?“
 

Chilys Miene verdüsterte sich für einen Moment, dann lächelte sie wieder. Colt war es dennoch nicht entgangen. „Och nö, da gibt es keinen. Es seiden der Verflossene meint mal wieder, dass er mich zurück will, “ informierte sie leicht hin. „Wie hast du ihn denn verflüssigt, dass er das nicht so ganz wahrhaben will?“ hakte der Cowboy nach. „Eigentlich war mein Wortlaut: Verschwinde aus meinem Leben, aber er ist leider sehr besitzergreifend. Du weißt ja, wie ich auf sowas stehe, deshalb war es ja auch der Trennungsgrund.“ Das war ihre Art so wenig wie möglich darüber sprechen zu müssen. Colt kannte das und bohrte darum weiter. „Das war doch eigentlich sehr deutlich. Also, deutlicher als mein Antrag. Der hat wohl was an den Ohren. Kenn ich den Knilch?“ Verlegen hustete sie. „Ja. Es wurde ihm schon oft verdeutlich, aber irgendwie ist er wohl vergesslich.“ Ach so war das. An ihrem Verhalten erkannte er, dass sie sicher schon die Polizei mal hatte einschalten müssen. „Soll ich ihm das mal deutlich machen? Ich kann das sehr gut. Hab da zwei durchschlagende Argumente und zur Not noch zwei Freunde, die ich ihm auf den Hals hetzen kann, “ bot er an. Das Funkeln in seinen Augen verriet, dass er erstens alles wissen wollte und keine Ausflüchte duldete. Zum zweiten, dass er wem auch immer gewaltig die Meinung geigen würde, wenn sie nicht aufpasste. Und gewaltig war nicht unbedingt verbal gemeint. „Ach weißt du, die durchschlagenden Argumente der Polizei haben ihn nicht so beeindruckt“, wand sie sich noch ein wenig und überlegte, ob es viel Sinn machen würde, ihn an die Leine zu legen. Vermutlich nicht. Wenn er erstmal alles wusste, würde er die Leine zerreißen und dennoch losstürmen. Das musste sie anders anstellen. „Da kennt er meine Argumente aber schlecht. Zeig mir den Armleuchter mal. Den knöpf ich mir vor.“ Das war Colts Beschützerinstinkt wie schon aus Kindertagen. „Lass gut sein, Colt. Im Moment ist er ja wieder bei Tausend-Tonnen-Tina eingezogen. Ich hab also erstmal Ruhe, “ dämmte sie seine aufkeimenden Retter-der-Unschuldigen-Allüren. „Ah, ja, die gute TTT.“ Das Mädchen war mit ihnen auf die High-School gegangen und ein Jahrgang unter ihnen gewesen. Da sie zu dem Zeitpunkt die Figur hatte, der sie den Namen verdankte, war Colt noch weniger davon begeistert. Selbst wenn der Name nun nicht mehr zu ihr passte, Colt war sich sicher, dass sie keine Konkurrenz zu seiner besten Freundin war. „Hör mal, Chily, der Kerl muss mal ein paar Takte Anstand erklärt bekommen. Also, wer ist dein Verflossener?“ fragte er energisch. „Dean“, hustete sie wieder verlegen. Auch den kannte er von früher. Der war im gleichen Jahrgang gewesen, wie die beiden. Dem Scharfschützen rollte die Kinnlade ins Unendliche. „DER?“ rief er geschockt aus. „Wie besoffen warst du denn da, als du dich mit dem zusammengetan hast?“ Der angesprochenen stieg die Verlegenheitsröte ins Gesicht. „Steig mal ab, Toto, und spiel mit Boo mal eine Runde Stöckchen werfen.“ Damit setzte sie den Knirps ab und wartete bis der mit BooYeah ein Stück vorrausgesprungen war. „Ich war nicht besoffen“, rechtfertigte sie sich dann. „Er war einfach ... na ja ... zum verlieben halt.“ – „Dann hat sich das hässliche Gesicht ausgewachsen? Und jetzt rückt dir der Pfosten nicht mehr von der Pelle? War wohl doch nicht so die große Liebe, was, Chily?“ Der Cowboy konnte das nicht so ganz fassen. Dean war in der Schule als Pickelgesicht bekannt gewesen. Doch aus der Pubertät raus zeigte sich bald, dass unter der fiesen Akne ein recht hübsches Gesicht steckte. „Er war für drei Jahre weg. Als er wieder kam letztes Jahr ... Er sieht gut aus. Und schien sich geändert zu haben, nett und charmant zu sein. Du weißt besser als jeder andere, dass ich es nicht mag, wenn man mich einengt. Wie sollte das halten? Schon wir beiden hatten Zoff, wenn ich das Gefühl hatte, du würdest mich beglucken, “ führte Chily die Sachlage aus. „Ich beglucke nicht, ich passe auf dich auf!“ Das musste Colt sofort klar stellen. „Der Kerl wollte die Freiheitsliebende zur Hausfrau machen? Das konnte ja nur in die Hose gehen. Und jetzt rafft er nicht, dass "Nein!" auch bei Frauen "Nein" heißt? Ich sollte mich mal auf ein paar Bierchen mit ihm zusammensetzen und ihm ein Frau-Mann-Lexikon mitbringen.“ Kopfschüttelnd antwortete sie: „ Oh Bullet, als ob ich nicht weiß, was das bedeutet. Aufschlagen, zuschlagen und immer wieder nachschlagen. Lass es einfach.“ – „Ich lass gar nichts“, brauste der prompt auf. „Keiner tut meiner Number 1 was und der schon gleich zweimal nicht.“ Wie kam er denn dazu? Nein, nicht mit Colt. Chily hatte von jeher ihre Unabhängigkeit geliebt. Niemand durfte ihr die nehmen. „Und Robin?” Chily hatte das so unvermittelt gefragt, dass der Scharfschütze nicht gleich mitkam. „Und Robin? Die ist mein Glück, mein kleiner Schatz.“ Keck grinsend stellte seine Jugendfreundin fest. „Vor hin hast du sie mir als Number 1 vorgestellt. Es kann nur eine geben.“ – „Echt, hab ich das? Ich... naja... Es gibt ja auch nur eine Robin und eine Chily, “ entgegnete er leicht grinsend und zog seinen Cowboyhut so tief ins Gesicht, wie er nur konnte. „Und auf welche hörst du? Auf keine, “ lachte sie. Das war Colt wie er eben war. „Muss ich auch nicht. Naja, noch nicht, “ gab er zurück. „Tu mir einfach einen Gefallen, Bullet. Okay?“ Chilys Stimme hatte einen schmeichelnden Ton. Sie wusste, dass es genau der war, den sie treffen musste, um von dem Kuhhirten so ziemlich alles zu bekommen, was sie wollte. „Aber immer doch, Süße, “ erwiderte er. Jetzt setzte sie noch ihre Unschuldsmiene auf. „Wirklich? Schwörst du?“ bohrte sie. „Ich schwör auf die Satteltaschen meiner Großmutter“, versicherte er. Schließlich wusste er, dass sie ihn um den Finger wickeln wollte. „Oh Jolly bitte. Die konnte gar nicht reiten. Es ist wichtig.“ Der flehende Blick aus ihren hübschen blaugrünen Augen reichte um ihn weich zu kochen. Wie immer. „Du hast mein Wort.“ Er legte die rechte Hand auf seine Brust und hob die linke. „Dann lass bloß Dean in Ruhe. Verstanden. Vielleicht hält es diesmal mit ihm und TTT. Dann brauchst du dich gar nicht bemühen.“ Jetzt war ihr Tonfall wieder normal. „Aber wenn er dir zu nahe kommt, darf ich ihn mit meinen Freunden bekannt machen“, beharrte er. Mist, wieso fiel er auf die Masche immer noch rein? „Wird er nicht“, warf sie zurück. „Aber wenn doch: Das hier sind Vernunft und Verstand“ Dabei hielt er je eine Faust in die Höhe. „Und Fire und Saber haben die auch.“ Sie würde es nicht schaffen, ihn am Eingreifen zu hindern, sollte Dean ihr je in Colts Gegenwart zu nahe treten. „Du hast dich kaum verändert“, bemerkte sie nicht wirklich überrascht. „Hab ich auch nie behauptet.“
 

Irgendwann machte sich die kleine Gruppe auf den Rückweg. Toto begann zu quengeln und bekam Hunger. Als sie den Wald zurück zur Wiese ritten, begegneten sie Saber, April und Fireball, die von ihrer Tour auch gerade auf dem Heimweg waren. „Ich hoffe, ihr habt euch keine allzu großen Sorgen um uns gemacht“, kommentierte der Recke das unschöne Abhängen durch Chily. Leicht verstimmt trabten sie nun voraus. Alles schwieg. Jeder hing seinen Gedanken nach. Der Wind wehte sanft und strich ihnen laue Luft in die Gesichter. Die Sonne warf ihre warmen Strahlen auf die Erde und ließ die Bäume am Waldrand kühlenden Schatten auf den Wiesenrain werfen. Plötzlich zerriss ein kräftiger Rülpser die Stille. Die vorderen drei wanden sich überrascht um. Chily blickte vorwurfsvoll auf Colt, der sie seinerseits recht überrascht ansah. April setzte grade an, den Kuhhirten tadeln zu wollen, da krähte Toto: „Boah, MomChi. Was für ein Brüller. Du bist ja besser als ich.“ Chily riss die Augen auf. Verlegenheitsröte schoss ihr ins Gesicht und entlarvte sie als Übeltäterin. Ihrer Miene nach zu urteilen, konnte der Knirps sich glücklich schätzen so klein zu sein. Jeden anderen hätte sie wohl kurzerhand vom Pferd geschmissen. „Bist du sicher, dass das nicht deiner ist, Colt? Ein Gespür für Fettnäpfchen hat er ja, “ meinte April. „Na hör mal, “ fuhr Chily sie heftig an. „Rechne mal bitte nach. Toto ist fünf. Colt und ich sind zweiundzwanzig. Ich wäre siebzehn gewesen. So eine bin ich nicht, “ fauchte sie wütend. Sie presste Demon ihre Schenkel in die Seiten und ritt in scharfen Galopp davon und Richtung Ranch.
 

Chily ließ sich fast den ganzen Tag nicht mehr blicken. Erst am Abend fand sie den Weg auf die Ranch, nachdem sie mit ihrem Motorrad noch stundenlang durch die Gegend gefahren war, um das Essen zu machen. Colt half ihr dabei in der Küche. Wie früher, ganz selbstverständlich. Seine Freunde hörten die beiden albern. Vorsichtig traten sie in die Küche. Gleich neben der Küchentür befand sich eine lange Eckbank, der Esstisch und ein paar Stühle darum. In der gegenüber liegenden Ecke befand sich die Kochzeile. Fireball und April huschten auf die Bank. Aus irgendeinem Grund hatten sie das Gefühl, es sei sicherer einen gewissen Abstand zu Colt und Chily zu halten. Saber trat unschlüssig ein paar Schritte auf die beiden Freunde zu, die ihre Neckreien eingestellt hatten, als die drei hereingekommen waren. Saber stützte sich gegen die Lehne des Stuhls, der der Kochnische am nächsten stand. „Hör mal, Chily,“ brach er schließlich das entstandene Schweigen. „Es tut uns leid. Bei Colt kann man nie wissen… Aber wir hätten nicht von ihm auf dich schließen dürfen.“ Sie fuhr fort eine rote Paprika zu würfeln, drehte sich auch nicht um und gab nur knapp zurück. „Das wäre für den Anfang ganz nett gewesen.“ Unbehaglich rutschte April auf der Bank vor. „Ja, weißt du, mit der Zeit wird man ein bisschen rücksichtslos, wenn man mit Colt durch die Lande zieht,“ versuchte sie zu erklären. Ihr verlegenes Lächeln entging der rotbraun gesträhnten Blondine, die sich jetzt daran machte einen grünen Paprika zu zerkleinern. Dann warf sie doch einen kurzen, aber vorwurfsvollen Blick über die Schulter. „Du kennst ihn schwach, wenn du rücksichtslos und Colt so in einen Satz einbauen kannst.“ Der Scharfschütze setzte einen Topf mit Kartoffeln auf den Herd und schaltete die Platte ein. „Sie meint, dass Colt die Spöttelein alle verträgt. Naja, wir dachten, seine Freunde unterscheiden sich nicht groß von unserem Viehtreiber,“ nahm der Rennfahrer seine Freundin in Schutz. Jetzt drehte sich Chily um, musterte ihn kurz, schaute prüfend in ihren Ausschnitt und meinte dann: „Nö. Ist nicht so wirklich offensichtlich der Unterschied.“ Immerhin umspielte nun ein leichtes Grinsen ihre Lippen. „Wir reden nicht von den Äußerlichkeiten Chily,“ lächelte Saber darauf. „Da wärst du uns zehmal lieber als Colt.“ Der hatte eine Pfanne aus dem Schrank geholt und ging an dem Recken vorbei zum Herd. Das Plong verriet, dass er dem Blondschopf einen leichten Schlag damit versetzt hatte. „Hab ich dir das erlaubt?“ Chily wand sich wieder dem Gemüse zu. „Hab ich mich je an sowas gehalten?“ Die Bratpfanne wurde ebenfalls auf den Herd gestellt und Öl wurde hinein gegossen. „Nicht so viel davon,“ mahnte Chily und Colt setzte die Flasche ab. „Ich glaube, das Missverständnis heute war ein Segen für deine Robin,“ meinte sie dann. „Und an mich denkst du wieder gar nicht,“ nörgelte er. „Nö,“ grinste sie frech. „Ich hatte schon von jeher mehr Mitleid mit den armen Mädels, die auf dich reingefallen sind.“ Colt nahm das Schälchen in dem schon Zwiebelringe waren und kippte es ins Öl. „Die Mädels?“ hakte er nach. „ Sind das die, die du unter der Rubrik ‚hohle Nuss‘ geführt hast? Oder …? Gab es überhaupt noch einen anderen Bereich?“ – „Ich. Es gab nur zwei Arten Mädchen. Die auf dich reingefallen sind, die ‚hohlen Nüsse‘, und mich.“ Mit der Erläuterung drückte sie ihm einen Kochlöffel in die Hand.
 

„Und was unterscheidet dich so wesentlich von den anderen Mädchen?“ wollte Fireball wissen. Jetzt endlich war der Zeitpunkt da, wo man ein paar interessante Details von früher in Erfahrung bringen konnte. „Ich bin die Einzige, die Colt als Ausrede benutzt hat, wenn sie um ein Date gebeten wurde, auf das sie keine Lust hatte. Das hatte zur Folge, dass man uns für ein Paar hielt und sämtliche Mädchen mich nicht leiden konnten. Sie waren schließlich alle hinter Colt her und ich war die böse Konkurenz,“ grinste sie und holte sich aus dem Kühlschrank einen Becher Sahne. Saber machte es sich auf dem Stuhl bequem, an dem er bis eben noch gelehnt hatte. „Warum nennst du ihn Jolly Jumper?“ Chily beförderte den Paprika in die Pfanne. „Der Hengst Jolly Jumper konnte nie an einem Ort bleiben und Colt nie bei einem Mädchen. Er hat so etwa fünfzig Prozent der Bevölkerung von Tucson-City gedatet,“ informierte sie dabei. „Nur fünfzig,“ staunte April. „Na ja, eigentlich einundfünzig, aber mit mir ist er nie ausgegangen und die restlichen neunundvierzig Prozent sind Männer,“ erhielt die Blondine leichthin zur Antwort. Die Zuhörerschaft grinste breit. „Und warum ist er nie mit dir ausgegangen?“ bohrte April weiter, aber Chily stand grübelnd vor dem Gewürzregal, weshalb Colt antwortete. „Chily und ich sind zu verschieden. Sie ist so mehr der Hippie und ich eher der Soldat. Sie stopft Blumen in den Lauf einer Waffe. Ich feuere sie ab. Die Waffen.“ So langsam konnten sich seine Freunde besser vorstellen, was die beiden früher für ein Bild abgegeben hatten. „Lass ja nix anbrennen,“ erinnerte Chily ihn. „Hab ich nie.“ Schnell rührte er den Inhalt der Pfanne um und fügte die übrigen Zutaten hinzu. „Außerdem hat er ständig auf mich aufgepasst,“ ergänzte seine Schulfreundin die Erklärung. „Die Vorstellung, dass ein Junge mir die Unschuld rauben könnte, hat ihn schier wahnsinnig gemacht. Er hat mir erzählt, als wir fünfzehn waren und er so unschuldig nicht mehr war, dass man um Sex zu haben fünfundreißig sein muss und eine staatliche Genehmigung braucht.“ Seine Freunde brachen in schallendes Gelächter aus. Das Statment passte zu dem Scharfschützen, der sich schwach rechtfertigte: „Das stimmt auch … für Texas.“ Eine solche Aussage führte nicht dazu, dass das Lachen verstummte. Chily bemerkte kopfschüttelnd: „Du kannst dir immer noch nicht vorstellen, dass ich Sex haben könnte.“ – „Du hast keinen Sex,“ rief der Cowboy aus. Die erneute Lachsalve war kaum minder, als die vorige. Chily löschte den Inhalt der Pfanne mit etwas Wasser ab und fügte ein paar Gewürze hinzu. „Bullet, mit der Jungfrau Maria hab ich nun wirklich gar nichts gemeinsam.“ Der Angesprochene warf einen prüfendenen Blick auf die Kartoffeln und begann dann den Tisch zu decken. „Dachte ich mir doch, dass er schon immer ein Schwerenöter war,“ meinte Fireball munter. „Ja, war er,“ bestätigte Chily, während sie das Essen abschmeckte. „Auf der Highschool gab es kein Mädchen in unserem Jahrgang, dem er nicht die Zunge in den Hals gesteckt hätte.“ Saber hob die Brauen. „Sogar dir?“ hakte er nach. Leicht verlegen wand sie sich zu ihnen. „Na ja, zu Übungszwecken halt.“ Grinsend tauschten die drei am Tisch Blicke.„Deshalb warst du so geschockt, als du gehört hast, dass er heiraten will,“ meinte die Wissenschaftlerin. „Auch.“ Die Gefragte schaltete den Herd ab. „Weißt du, wenn wir als Kinder ‚Heiraten‘ gespielt haben, hat Colt immer einen Meter vor dem Altar kehrt gemacht, die Flucht angetreten und mich stehen lassen.“ Fireball quiekte vor Vergnügen. „Was für ein Omen. Also sieht er nicht nur aus wie Lassie, er kann auch so lecken wie er!“ Chily schoss die Schamesröte ins Gesicht. „Da fragst du die falsche, aber eine Umfrage in der Stadt wird dir die Antwort geben.“ Saber hob die Schultern. „Eigentlich ist die ganze Stadt für uns jetzt Tabu.“ bemerkte er. „Wieso?“ Dabei goss Colt das Wasser aus dem Topf mit den Kartoffeln. „Du bist mit der gesamten Stadt ausgegangen und Fire und ich halten uns an die alte Regel: Die Ex eines Kumpels ist Tabu, “ grinste der Recke vielsagend. Chily nahm die Pfanne vom Herd und füllte den Inhalt in eine Servierschüssel. „Ich bin keine Ex“, informierte sie breit grinsend. Sofort warf Colt hinterher. „Aber trotzdem Tabu!“ Das musste schließlich klar gestellt sein. „Fängt das schon wieder an.“ Seine Jugendfreundin rollte die Augen. „ Zwei Tage hier und schon wieder komplett die Oberglucke. Muss ich jetzt ins Kloster?“ Fireball rutschte auf der Bank ein Stück nach vorn. „Das nicht, aber ein Keuschheitsgürtel würde ihm schon genügen.“ Prompt sprang Chily von Colt weg. „Untersteh dich, Jolly“, warnte sie.
 

April lehne sich zu frieden zurück. „Aber Hauptsache um mich macht er sich keine Sorgen.“ Dann lachte sie. Einen Keuschheitsgürtel hatte Colt ihr nie angedroht oder auch nur im Ansatz so extrem den Bewacher gespielt. „Mensch, man könnte ja glauben, unser guter Colt wäre unter die Pfarrer gegangen“, meinte die Blondine dann. „Nee, das würde Reverant Steam nicht zu lassen. Seine Tochter hat Jolly schließlich auch verführt.“ Fireball glitt vor Lachen fast unter den Tisch. „Oh, Mann. In unseren Gefilden ist die Tochter des Pfarrers Tabu, “ japste er. „Colt, bist du wirklich so triebgesteuert, oder tust du nur so?“ Dessen Jungendfreundin setzte an, das herunter zu spielen. „Ich würd ihn jetzt weniger triebgesteuert nennen, eher experimentierfreudig.“ Aber das hatte nicht ganz die Wirkung, die es haben sollte. „Deswegen ist er also an einer Lehrerin hängen geblieben“, stellte Saber trocken fest. So trocken, dass Chily einen Lachanfall bekam. „Hast du ein Problem mit Robin?“ wollte Colt wissen. „Ich sage lediglich, dass du in Robin deine Meisterin gefunden hast“, antwortete der mit spöttischem Lächeln. Unter der erneuten Lachattacke brach Chily nun in die Knie. Hilflos keuchte sie. „Halt bloß die Klappe.“ Schulterzuckend erwiderte der Recke. „Naja, ich mein ja nur. Seit er mit Robin dauerhaft zusammenwohnt, ist er schon soweit, dass er die Zahnpastatube nicht mehr offen liegen lässt. Das haben wir in zwei Jahren nicht geschafft. Ihre Erziehungsmethoden zeigen also Wirkung.“ Die Zweideutigkeit darin legte Chily endgültig flach. „Wenn du sie umbringst, Boss“ Dabei deutete Colt auf Chily, die kaum noch Luft bekam, vor lauter Lachen. „bring ich dich um.“ Der Angesprochene hob unschuldig die Hände. „Wenn deine Marotten ihr Todesurteil sind, ist es ja nicht meine Schuld.“ Das zweideutige Lächeln verschwand jedoch nicht aus seinem Gesicht. „Sie hat meine Marotten überlebt, wie man sieht. Aber du nimmt ihr den Atem, “ betonte der Scharfschütze. „Das spricht doch sehr für mich.“ Von seinem Platz aus deutete Fireball auf Chily, die krampfhaft versuchte sich wieder zu beruhigen. „Wer sagt denn, dass du die damals schon hattest?“ Jetzt hob sie leicht den Arm und japste: „Ich … ich sag das. Ist immer noch dasselbe mit ihm.“ – „Okay, aber offensichtlich wusste sie nicht, dass sie schlimmer geworden sind, deine Marotten“, nickte der Recke verstehend. Chily erhob sich kichernd. „Ich liebe Leute mit trockenem Humor, auch wenn es mich jedes Mal vor Lachen fast killt“, sagte sie und strich sich eine Strähne zurück, die ihr über den Augen hing. „Na dann, darf ich vorstellen? Chily, dein Traummann. Saber - dein Hippie, “ machte Fireball die beiden mit einander bekannt. „Na, kann das sein, dass das etwas voreilig ist. Er sieht nicht aus, als würde er auf Hippies stehen.“
 

Damit stellte sie das Essen auf den Tisch. „Außerdem hängt unsere gute Chily-Schote an ihrer Freiheit.“ Colt setzte sich. „Ach, tief in seinem Herzen ist unser Saber doch auch ein Hippie“, versicherte der Rennfahrer und begann sich eine gute Portion auf seinen Teller zu häufen. Einen gesunden Appetit hatte er noch immer. „Muss sehr tief sein.“ Colt bediente sich ebenfalls. „Und wie schon gesagt, Chily würde ihre Freiheit nie freiwillig hergeben“, betonte er. „Ja, freiwillig vielleicht nicht, aber so hinterrücks könnte das schon passieren. Das geht schneller als man denkt, “ entgegnete April leicht hin. Der Cowboy runzelte die Stirn. Auch Chily. „Ich glaube, du verstehst nicht das gleiche unter Freiheit wie ich, April“, meinte sie dann. Immerhin war das keine Metapher für Unschuld. Sowohl Colt als auch Chily sprachen von Freiheit im eigentlichen Sinne. „Dann definier mir deine Freiheit, Chily“, forderte die Wissenschaftlerin sie auf. „Ganz einfach: Tun und lassen was ich will. Ich treffe meine Entscheidungen für mich und da Colt nicht da war, konnte mich auch niemand davon abhalten.“ Endlich fand sie auch zu den anderen an den Tisch und begann zu essen. „Man kann niemals tun und lassen was man will. Es geht nur bis zu einem gewissen Grad. Verpflichtungen, Erwartungen und die Arbeit schränken die Freiheit erheblich ein, “ konnte April sich nicht verkneifen ernsthaft zu erklären, dann lächelte sie wieder. „Obwohl, du hast Recht. Ich muss mich auch nach dem Herren hier richten, wenn er mal Zeit hat.“ Damit stieß sie ihren Freund leicht an. „Mit dem was ich tu, schade ich ja keinem. Also bitte.“ Ein kleinwenig entrüstet klangen die letzten beiden Worte. „Aber nicht alle Entscheidungen, die ich früher treffen wollte, konnte ich umsetzen ohne dass Colt mit einem Keuschheitsgürtel ankam.“ Der verteidigte sein Verhalten postwendend. „Das ist auch gut so! Sonst hättest du einen Stall voll kleiner Fratzen.“ – „Denkst du ich bin dämlich?“ fragte sie vorwurfsvoll. „Du nicht, aber die Affen da draußen sind alle wo gegen gelaufen!“ Damit schob Colt sich einen Happen in den Mund und grinste zu Frieden. „Das wird echt nie enden. Colt, vielleicht solltest du aus meinem Leben verschwinden, damit ich ein normales habe.“ – „Normaler als mit mir wird es nie sein“, warf der zurück. „Okay. Dann lass mal noch ein paar Sprüche hören, Saber. Ich will grad sterben ... aber bitte so lustig wie möglich, “ wand sie sich an den Recken. „Colts alltäglichen Wahnsinn muss man doch nicht kommentieren, das reicht, wenn man es mit ansehen muss,“ gab der Schulter zuckend zurück. „So viel zum Thema Traummann.“ Chily warf Fireball einen kritischen Blick zu. „Kein Wunder bin ich Single. Auf Männer kann man sich einfach nicht verlassen.“ Der rechtfertigte sich gleich. „Hey, guck mich nicht so an! Ich mein, ich helf gern aus, aber da muss ich passen.“ Das muntere Grinsen war ihm dabei noch nicht vergangen. „Meine Rede. Männer!“ Chily schob sich den letzten Happen in den Mund, bevor sie auf die Idee kam, etwas Unpassendes zu antworten.
 

Dummerweise war in ihr und dem Recken aber die Erinnerung an die Enttäuschungen durch das andere Geschlecht hochgespült worden. „Ihr Frauen seid auch kein Stück besser, nur weil ihr so tut“, entfuhr es Sabers Lippen. Schnell trank er einen Schluck Mineralwasser, aber es war zu spät. Das Gespräch hatte eben eine Wende in einen unerfreulicheren Bereich genommen. Die rotbraun gesträhnte Blondine hakte sofort ein. „Was genau willst du uns Frauen jetzt bitte unterstellen?“ Saber versuchte eine unbeteiligte Miene aufzusetzen. „Ihr seid scheinheilig“, antwortete er knapp, aber nicht bissig. „Du meinst, wir lügen?“ bohrte Chily weiter. „Nein, aber ihr legt die Wahrheit sehr frei aus“, stellte er richtig. „Das würde nur bedeuten, dass wir schon einigermaßen clever sind“, definierte Colts Jugendfreundin das auf ihre Weise. „Hinterhältig, ja. Aber das hat mit clever nichts zu tun, “ korrigierte der Blonde die Aussage. „Hinterhältig? Na, dass ist aber nicht wahr. Wir machen keine Versprechungen, die wir dann nicht halten und wir schränken niemanden ein.“ Jetzt war Chilys Tonlage schon leicht gereizt. Colt, Fireball und April folgten dem Dialog im aufgesperrten Ohren. „Aber ihr meldet euch nicht, antwortet nicht auf Briefe und geht nicht ans Telefon. Ihr spielt mit den Männern, “ erklärte Saber noch nüchtern. „Nicht mehr und nicht weniger, als Männer das mit uns tun. Außerdem müssen wir uns terrorisieren lassen, nur weil ihr zu blöd seid zu kapieren, dass "Nein" auch "Nein“ heißt, “ schnappte Chily. „Wenn ihr dann auch mal "Nein" sagen würdet, wenn ihr das meint,“ widerlegte der Recke noch immer sachlich ihr Statement „Jetzt reicht es dann mal …“ Chily hatte gerade wirklich aufbrausen wollen, doch Colt griff in das Gespräch ein. „Können wir uns darauf einigen, dass es bei beiden Geschlechtern solche und solche gibt?“ fragte er um zwischen den beiden zu vermitteln, bevor ein ernsthafter Streit daraus werden konnte. Außerdem hatte er genug gehört um bestätigt zu wissen, was er über das Scheitern von Sabers Beziehung schon vermutete hatte, nämlich, dass es dem Recken ganz schön zu gesetzt hatte. Zudem war ihm nun auch klar geworden, was die Sache mit Dean für seine kleine Freundin bedeutete und weshalb sie kaum darüber hatte reden wollen. Jetzt war der Scharfschütze im Bilde und versicherte allen Anwesenden: „Chilys "Nein" ist jedenfalls sehr deutlich.“ Fireball nutzte die Aussage um das Gespräch wieder auf die witzige Seite zu ziehen. „Lass mich raten. Es hinterlässt Fingerabdrücke im Gesicht, “ grinste er munter. „ Genau, “ gab Colt zu. „Nur, wenn man partout das Wort allein nicht kapieren will, “ berichtigte Chily, damit keine Missverständnisse aufkommen konnten. In den vergangen zwei Tagen hatte es schließlich reichlich davon gegeben. „Ich frag mich, weshalb Colt seinen Kopf noch dran hat.“ Der Rennfahrer runzelte die Stirn. „Ich musste ihm einmal eine ballern, danach nie wieder“, informierte die Kleine und Colt ergänzte: „Ich häng schließlich an dieser Freundschaft.“ Auch Saber schaltete sich nun wieder in das Gespräch ein. „An deiner Robin aber nicht, oder was?“ hakte er mit erstraunt nach oben gezogenen Augenbrauen nach. „Doch natürlich. Nur, dass mit Robin ist ja wohl auch keine Freundschaft. Das ist eine Partnerschaft, aus der eine Ehe werden soll. Selbstverständlich häng ich sehr an ihr.“ Colt klang verständnislos. Wie konnte daran jemand Zweifel haben? „Wow. Das solltest du ihr mal erklären, “ kommentierte April. Der Wink mit dem Zaunpfahl war deutlich. Der Cowboy hatte bisher noch keine Anstalten gemacht, Robin anzurufen und ihr alles zu erklären. Das lag daran, dass er sie gut genug kannte um zu wissen, vor heute Abend oder morgen konnte er sich den Atem dafür sparen. Sie würde ihn ja doch nicht zu Wort kommen lassen. Wenn sie sich mal aufregte, brauchte sie eine Weile um sich zu beruhigen. „Mach ich schon noch“, antwortete er deshalb lahm. Na, gut. Ein bisschen Angst hatte er auch davor. Die Situation war ja schließlich verfänglich gewesen. „Aber warte nicht solange, bis du alleine vorm Altar stehst“, mahnte April. Colt rollte die Augen. Warum mussten alle Frauen in seinem Leben immer nur so verdammt recht haben? „Jaja.“ – „Ich glaub, die Frau, auf die du hörst, muss erst noch geboren werden“, meinte Chily und warf ihrem Freund einen missbilligenden Blick zu. „Nein, ich glaub, die Frau sitzt in einem Flugzeug und fliegt nach Tranquility zurück“, erklärte der Rennfahrer. „Wenn eins nach Tranquility fliegt, startet sicher auch eins von dort.“ Chily sah Colt ans und deutete mit dem Kopf Richtung Tür. Wenn Robin nach Tranquility zurückfliegen konnte, konnte sie von dort auch wieder hierher kommen. Nur anrufen sollte er sie wenigsten einmal. Der Blick seiner Jugendfreundin war streng und duldete keinen Widerspruch. Als dann auch noch Saber meldete. „Jetzt geh endlich, bevor ich deinen Junggesellenabschied absagen muss“, trollte Colt sich aus der Küche.
 

„Nur kein Stress. Die Stripperin brauchst du nicht abzubestellen, “ grinste Chily. „Das hatte ich auch nicht vor. Aber aus dem Junggesellenabschied wär dann eine Trauerfeier geworden und das hätte den Abend vermiest, “ entgegnete der Recke leichthin. „Da fällt mir ein ... hoffentlich habt ihr keine, die mal was mit Colt hatte, sonst ist der Abend trotzdem gelaufen, “ überlegte sie. „Warum?“ fragte April. „Er hat doch vor hin gesagt, die Ex des Freundes ist tabu und ... okay ... Fire sollte sich eh nicht trauen, mit der Stripperin durch zu brennen.“ Sie warf Saber einen kurzen Blick zu. „So ein Pech“, endete sie ihre Gedankengänge seufzend. Der Schotte lächelte sie an. „Ich hab Alternativpläne parat.“ Sie hob reserviert die Brauen. „Wenn ich die nur die Alternative, die zweite Wahl bin – oh sicher nicht. Außerdem: ich spiele nicht mit Männern.“ Ja, was dachte der denn von ihr? „Ja, du sagst definitiv "Nein", “ stellte Fireball fest, schob den Teller von sich und lehnte sich zurück. „Hast du Zweifel daran?“ fragte Chily, wurde aber ignoriert. Schließlich hatte April nur darauf gewartet, dass er sich endlich anlehnte und schmiegte sich nun an seine Brust. Damit hatte sie die volle Aufmerksamkeit ihres Rennfahrers. „Welche Frau spielt denn nicht mit Männern?“ Sabers Blick fiel auf das Pärchen. Sanft Fireballs Wange streichelnd und ihm tief in die Augen sehend, so wie gerade, konnte die Wissenschaftlerin ihn jeder Zeit um den Finger wickeln. „Erlaubt ist, was beiden gefällt“, meinte Chily trocken und folgte den Augen des Recken zu den Schmusenden. „Vorausgesetzt, es wird mit offenen Karten gespielt und beide sind mit den Spielregeln einverstanden“, wand der Blonde ein. „Schaut für mich danach aus.“ Tatsächlich bekam das Paar auf der Bank gar nichts von dem Gespräch mit. Sie waren viel zu sehr damit beschäftigt sich in die Augen zu sehen, zu streicheln und neckisch auf die Nasenspitze zu küssen. „Das sind die Hormone. Da ist was leicht vernebelt, “ bemerkte Saber belustigt und deutete auf die Beiden, die augenscheinlich benebelt genug waren um sehr schnell zu vergessen, wo sie eigentlich grad waren. „Endorphine. Das hält gesund und macht glücklich, “ grinste Chily. Die beiden gaben ein hübsches Paar ab und schienen vor allem beneidenswert verzaubert von einander. Ach ja, so ein paar Endorphine konnte sie selbst auch gebrauchen. Aber man konnte ja nicht alles haben. „Es macht offensichtlich doof“, grinste der Schotte amüsiert. Jetzt glitt doch tatsächlich Fireballs Hand über Aprils vordere Rundung. Die bekamen ja gar nichts mit. Oder doch? Von dem seltsame Gefühl beschlichen, beobachtet zu werden, lösten sie sich leicht von einander und linsten zu ihren Zuschauern. „Euer Zimmer ist oben“, informierte Chily mit einem breiten Grinsen. Verlegen erhoben sich die beiden. „Ich ziehe den Sternenhimmel vor.“ Mit roten Ohren schob der Rennfahrer seine nicht minder verlegene Freundin aus der Bank und zur Tür raus. „Heut Nacht wird es zu windig. Geht lieber in die Scheune, “ schlug Chily vor. Das Rot wurde noch ein wenig dunkler. „Was du wieder denkst“, murmelte Fireball. „Schließ nicht von Colt auf andere, den Fehler haben wir heute schließlich auch schon gemacht.“ Dann war auch er aus der Küche. „Stimmt.“
 

Mit der Feststellung stand Chily auf und begann den Tisch abzuräumen. Saber erhob sich ebenfalls und half ihr dabei. „Jaja, die Liebe, “ sagte er leicht hin. „Wie hieß sie? Und was genau hat sie dir angetan?“ Chilys Frage kam so unvermittelt, dass der Recke nicht folgen konnte. „Bitte?“ Sie sah ihn prüfend an. „Tu doch nicht so. Nach den Sprüchen über Frauen, die du grad vom Stapel gelassen hast, frage ich mich, was ein weibliches Wesen jemandem wie dir antun konnte.“ Er reichte ihr die Teller. „ Sie war mindestens so ehrlich, wie du neben Colt keusch warst“, meinte er. „Wieso neben?“ Sie sortierte die Teller in den Geschirrspüler ein und beförderte klirrend das Besteck in die Körbe. „Solang er da war, mein ich“, berichtigte er sich, doch durch das Geklapper verstand sie den Satz nur halb. Sie fuhr auf. „Was bitte soll das heißen? Klingt gerade so, als würdest du mir Fremdgehen unterstellen, “ hakte sie nach. „Nein, das hab ich doch gar nicht gesagt! Colt wollte dir doch immer einen Keuschheitsgürtel anlegen und ganz so gutgläubig wie unser Kuhhirte bin ich nicht. Der glaubt ja, du wärst immer noch die Unschuld in Person. Darauf wollt ich eigentlich hinaus, “ seufzte er. Also langsam war er sicher, dass es zwischen ihm und Frauen allgemein schwere Kommunikationsprobleme gab. Da durfte er sich eigentlich über gar nichts wundern. „Ich hab auch nie behauptet unschuldig zu sein. Er will ganz einfach nicht wahr haben, dass ich ein Intimleben hab. Das ist alles, “ erklärte Chily und füllte Reiniger in die Spülmaschine. „Er will schon mehr nicht wahrhaben als das, “ bestätigte der Recke leicht lächelnd. „Das ist wahr. Also, in welchem Punkt hat sie dich angelogen?“ Chily war offensichtlich wie Colt. Hatten sie erstmal Lunte gerochen ließen sie sich kaum noch aufhalten. „Wer sagt, dass ich angelogen worden bin?“ wich der Blonde aus. Da er kaum mit seinen Freunden darüber geredet hatte, würde er kaum einer Fremden das Herz ausschütten. „Du hast gesagt, dass sie so ehrlich war, wie ich keusch und ähm ... das heißt, sie hat gelogen“, stellte Chily leicht in Verlegenheit geraten klar. „Sie hat nicht direkt gelogen, aber im Endeffekt kommt es aufs Selbe hinaus“, bestätigte Saber. Chily schlussfolgerte rasch: „Ah, ja üblicherweise nichts gesagt, weil sie nicht wusste wie, und dann ist die Bombe geplatzt. War sie schwanger?“ Wie der Recke in das Verhör geraten war, wusste er nicht, aber er wollte da wieder raus. „Ich wusste gar nicht, dass Colt kochen kann“, startete er einen Themawechsel, aber Chily ging nicht darauf ein. „Alles klar, dann war es doch ein anderer Mann.“ Jetzt schloss sie den Geschirrspüler und schaltete ihn ein. Dann musterte sie Saber und schüttelte den Kopf. „Kein Verlust, ehrlich. Das war ganz sicher eine hohle Nuss.“ – „Woher willst du das wissen? Du kennst sie nicht, du hast sie noch nicht einmal gesehen. Wie kommst du also zu der Annahme, sie wär eine hohle Nuss?“ Sein Ton war verstimmt. Er mochte es nicht, wenn einfach Urteile gefällt wurden, wenn man kaum etwas über eine Sache oder eine Person wusste. Außerdem würde er Sincia nicht schlecht machen. Das war ihr gegenüber nicht fair. „Na, ganz einfach. Ich hab Augen im Kopf und jede Frau, die bei Verstand ist, überlegt sich schon allein wegen deiner Optik zweimal, ob sie dich in den Wind schießt oder nicht, “ entgegnete sie. Scheu sah er auf den Boden. „Das fasse ich als Kompliment auf“, murmelte er. „Ja, sorry, ist halt so.“ Sie schrubbte den Topf in der Spüle etwas energischer als notwendig war. „Nur leider ist die Optik nicht das wichtigste für eine Bindung“, seufzte er dann. „Das ist das einzige, was ich im Moment beurteilen kann“, gab sie über die Schulter zurück. „Leider hast du Recht. Ein hübsches Gesicht allein reicht nicht, “ fügte sie dann hinzu. „Ja, beim Rechthaben hab ich eine Trefferquote von neunundneunzig Prozent.“ Verschmitzt grinste er. Er wollte ihr nicht das Gefühl geben, sie hätte etwas falsch gemacht. Sie war nur ehrlich und nicht Schuld an dem Ende seiner Beziehung. „Tja, Nobody is perfect.“ Sie wand sich um und suchte nach dem Geschirrtuch. „Die anderen drei brauchen schließlich auch Erfolgsmomente.“ Damit hielt er es ihr vor die Nase. Sie griff danach. „Ja ... danke.“ Ihr Blick blieb an ihm hängen. „Sag mal, wie lange ist das her mit dir und ... der Nuss.“ – „Schon eine Weile“, wich er wieder aus. „Ein Jahr?“ bohrte sie und Saber bekam das Gefühl, sie könnte in seinem Kopf herumspazieren. Wieder bestätigte er: „Ungefähr, ja.“ Ihr Blick wurde etwas traurig. „Muss ein schlechtes Jahr für die Liebe gewesen sein. Viele, die ich kenne, haben sich getrennt, “ meinte sie dann. „Du auch?“ hinterfragte er nun seinerseits. „Ja. War das vorhin nicht deutlich? Meine Sprüche ...“ grinste sie unsicher. „Doch. Und nach deinen Aussagen zu schließen, war er ein Arschloch, das das Wort "Nein" nicht in seinem Wortschatz hat.“ Der Recke konnte schließlich auch eins und eins zusammenziehen. „Hat er definitiv nicht und ja, er war ... ist ein Arschloch, “ gab sie zu. „Soll es geben. Du scheinst auch nicht gerade ein Glücksgreifer in Liebesdingen zu sein, “ bemerkte er dann trocken. „Nö, ich bin wohl zu“ Sie überlegte kurz. „egoistisch. Das fällt oft.“ Er nickte verstehend. „Oh, das kenn ich. Aber seine Freiheit zu lieben und einen eigenen Kopf zu haben hat nichts mit Egoismus zu tun.“ Wieder sah sie ihn an. Er hatte wirklich ein hübsches Köpfen und auch noch was drinnen, so schien es. Aber wie oft hatte sie sich da schon geirrt. „Ach echt? Ich kann nicht anders sein.“ Zumindest hatten sie einen Leidensgenossen in dem anderen gefunden. „Das wär auch Blödsinn, wenn du dich ändern würdest“, grinste er. „Gleichfalls.“ – „Hab nicht vor, was an mir zu ändern. Außer vielleicht…“ Ihm entging nicht, wie sie prompt neugierig aufhorchte. „Vielleicht was?“ drängte sie. „Neugierig?“ fragte er schelmisch. Sie knurrte leicht zurück: „Leider viel zu sehr. Ist dir das noch nicht aufgefallen?“ Immerhin hatte sie ihn ja eben noch wie ein Sieb gelöchert. „Ein ganz klein wenig vielleicht …“ Er zögerte und unterdrückte das Lachen. „Mach mich nicht schwach.“ Sie rollte die Augen. Er lachte. „Tu ich doch gar nicht. Aber hätte ich gewusst, wie leicht du schwach wirst, hätt ich das früher gemacht.“ Sie warf ein Handtuch nach im und lachte ebenfalls. „Okay, der war gut“, gestand sie. Er fing das Tuch auf. „Ich weiß.“ Sie lachte immer noch. „Da muss ich ja gleich das Handtuch werfen.“ Er gab es ihr zurück. „Warte.“ Sie wühlte in einer der Schuladen. „Dann geb ich dafür den Löffel ab“, grinste sie munter und hielt ihm einen hin. Er nahm ihn an und hob die Schultern. „Solang du dir die Radieschen nicht von unten ansiehst.“ Sie winkte heiter ab. „Nö, ist kein gutes Bild und da ich kein Pferd bin, werd ich auch nicht so bald ins Gras beißen Oh da fällt mir ein ...?“ Im nächsten Moment war sie aus der Küche raus. Überrascht rief er ihr nach: „Was denn?“ Da kam sie zurück, packte den Löffel in die Schublade zurück, hängte das Tuch weg und verschwand erneut nach draußen Der Recke folgte ihr verdattert.
 

„Ich glaub, ich hab dich verschreckt. Wieso läufst du jetzt davon?“ Ihr Weg führte über den Hof zur Koppel. „So lange du mich nicht in Ketten legst, kannst du mich nicht verschrecken“, rief sie zurück. „Ketten hab ich keine, aber Handschellen kann ich anbieten.“ Er musste sich beeilen. Chily hatte eine scharfen Schritt drauf. „Lass mich bloß in Ruhe damit ...“ Sie öffnete das Gatter und lief hinein. Er blieb am Zaun und sah ihr zu, wie sie die Pferde Angel und Demon lockte. „Also: Was ist dir jetzt so wichtiges noch eingefallen? “ wollte er dann wissen. Sie drehte sich zu ihm um und wies auf den Himmel. Noch ein wenig rot und violett schimmerte der Horizont. Bald würde es richtig Nacht sein. „Dass heute Vollmond ist und in Vollmondnächten ist ein Ritt was ganz besonderes. Was ist? Kommst du mit?“ Ihre Augen funkelten vor Begeisterung. „ Da sag ich nicht nein.“ Er stieß sich vom Zaun ab. „Steed hätte das gefallen.“ Einen Moment gedankenverloren sah er in den Himmel. „Nimm Angel.“ Die Stute war schon gesattelt. Dann griff sie nach Demons Zügeln und wollte aufsteigen, hielt aber in der Bewegung inne. „Worauf wartest du?“ fragte Saber und schwang sich geschmeidig in den Sattel. Mehr hatte sie nicht sehen wollen. Sie schwang sich auf den Rücken des Hengstes und murmelte: „Auf gar nichts.“ Das Grinsen unterdrückte sie jedoch. „Los Demon.“ Mit einem leichten Druck in dessen Flanken, vermittelte sie dem Tier, dass es los traben konnte. „Und das ist, so nebenbei, die Freiheit, die ich meine ...“ Sie schien sich richtig wohl zu fühlen. „Das dürfte das Pferd anders sehen.“ Er ritt ebenfalls los. „Nö. Wir drei sind der gleichen Meinung. Wir könnten den ganzen Tag durch die Gegend galoppieren. Das Beste dabei ist, niemand stört es oder fragt, wo ich war.“ Sie ließ die Zügel los und breitete die Arme aus. Sie genoss das ganze sichtlich. „Wartet ja auch keiner zuhause.“ Das klang ein wenig bitter. Daheim ritt Saber abends auch öfter mit Steed aus und genau die Tatsache, dass er stets in eine leere Wohnung zurückkehrte, war das unangenehme daran. Chily musterte ihn. „Wie wäre es“, schlug sie vor, „schweigen wir ein bisschen?“ Sie hatte das Gefühl, dass es angebracht sei. Kaum merklich nickte er. Also schön, schwiegen sie nun gemeinsam.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Kittykate
2008-07-26T10:18:22+00:00 26.07.2008 12:18
Super, super, super! Echt toll. Bin total begeistert. Weiter so! Prima.

Von:  Misano
2008-07-24T09:45:50+00:00 24.07.2008 11:45
Uih, eine neue Story von dir! Toll!!! Hoffentlich klappt das mit dem Lesen... (siehe ENS)


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