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Es war einmal...

von

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Gefangenschaft und Hoffnungslosigkeit

Gefangenschaft und Hoffnungslosigkeit
 

Als Feenia erwachte, fühle sie sich seltsam. Sie hatte das Gefühl als hätte sie einen wichtigen Teil von sich unwiederbringlich verloren. Ihr ganzer Körper zitterte und ihr war kalt. Kälte. So etwas hatte sie noch nie empfunden. Sie trug nicht mehr als ihr dünnes Kleidchen und erst jetzt bemerkte sie, dass es bereits zu dämmern begann. Langsam stand sie auf. Auf wackligen Beinen ging sie durch den Wald. Alles erschien ihr so riesig und beängstigend. Noch nie hatte sie das Gefühl gehabt, dass der Wald ihrer Angst machen könnte. Doch jetzt war es anders. Sie wusste nicht wie lange sie gelaufen war, aber nach einer Ewigkeit, wie es ihr schien, erreichte sie endlich die Quelle. Aber was sollte sie noch hier? Sie hatte nicht einmal einen Ort an den sie gehen konnte. Sie kniete sich an die Quelle und atmete einmal tief durch. Dann schaute sie in das Wasser und erblickte ihr Spiegelbild. Vor Schreck wich sie sofort wieder zurück. Sie kannte dieses Mädchen, welches sie gerade angesehen hatte, nicht. Das war nicht sie. Und doch musste es wohl so sein.

Noch einmal hielt sie ihren Kopf über die klare Oberfläche des Wassers und schaute hinein. Zittrig fuhr sie sich durch das Haar. Es war nicht mehr braun. Es hatte beinahe überhaupt keine Farbe mehr. Es war silbern geworden. Nur wenn ein Sonnenstrahl darauf fiel, schimmerte es leicht blond. Und auch ihre Augen waren grau, mit ein paar blauen Sprenkeln. Ihre Mutter hatte ihr wirklich die ganzen Farben genommen. Dann schob sie mit der Hand ihrem Kragen des Kleides beiseite, um den letzten und endgültigen Beweis zu sehen, dass sie nun wirklich ein Mensch war. Würde das Mahl nicht mehr perlmutfarben leuchten, würde sie es erst glauben können, dass sie nie wieder zurück konnte. Und es leuchtete nicht mehr. Stattdessen war es ein einfaches Muttermahl worden, welches die Form eines Apfels mit einem einzelnen Blatt hatte. Sie berührte eine Pflanze, die vor ihrem Knie wuchs und konzentrierte sich. Das Gänseblümchen sollte wachsen und erblühen, doch nichts geschah. Sie hatte keine Magie mehr in sich.

Ihr Köper zitterte immer mehr und erneut liefen Tränen ihre Wange hinunter. Durch tränennasse Augen sah sie sich um. Im Gebüsch erkannte sie die Tiere, mit denen sie am Morgen noch gesprochen hatte.

„Habt keine Angst.“, sagte sie. „Ich tut euch nichts... Ihr... Ihr seid doch meine Freunde...“ Doch die Tiere schauten sie nur aus neugierigen Augen an und wagten es nicht einen Schritt näher zu kommen. Die Tränen wurden immer mehr und sie bemühte sich vergeblich sie wegzuwischen. Dann faste sich das Rotkehlchen ein Herz und flog zu ihr. Es setzte sich, wie so oft, auf ihr Knie und sprach: „Weine nicht. Du hast jemandem das Leben gerettet. Das war eine sehr edle Tat von dir.“

Aber Feenia verstand nichts von dem, was das Rotkehlchen ihr sagte. Alles was sie hören konnte, was das Zwitschern eines Vogels. Darüber war der neue Mensch so bestürzt, dass sie vollkommen zusammen bracht. Das Schluchzen und Weinen wurde immer mehr und ihr Herz war so schwer.

Sie hatte wirklich alles aufgegeben um einen einzelnen Menschen zu retten, dachte sie. Nur wegen eines Menschen war sie so unglücklich. Und dann durfte sie diesen Menschen niemals wieder sehen. Sie wusste ja nicht einmal, ob ihre Mutter ihn wirklich gerettet hatte. Wie konnte sie nur so etwas tun? Hatte sie es wirklich gewollt?

Die Nacht brach über ihre herein und sie weinte sich in den Schlaf. Es war ihr egal, ob sie frieren würde oder nicht. Es gab für sie kein „zu Hause“ zudem sie zurückkehren konnte. Ihr zu Hause war der Wald und nie würde sie wohl wo anders leben können.

Was sie aber nicht bemerkte war, dass die Tiere Mitleid mit ihr hatten. Sie war immer gut zu ihnen gewesen und hatte immer mit ihnen gespielt. Also versammelte sie sich um das schlafende Mädchen und legten sich neben sie. Niemand von ihnen dachte daran sie zu verletzen oder ihr wehzutun. Der Bär legte sich an ihren Rücken, so dass sie sich an sein dickes Fell kuscheln konnte. Der Fuchs legte sich vor sie, so dass sie ihn in ihre Arme schließen konnte. Und auch die andern Tiere versuchten ein Stück ihres Körper zu wären.

Am nächsten Morgen waren die Tiere bereits wieder verschwunden, als sie erwachte. Aber sie beobachteten sie von den Gebüschen aus. Das erste was sie an diesem Morgen sah, war das Gänseblümchen, welches sie nun mit geöffneter Blühte anstrahlte. Es hatte es auch ohne ihre Hilfe geschafft zu erblühen. Sie beugte sich über die kleine Pflanze und betrachtete sie einige Minuten. Dann fiel ihr ein, dass sie auch einen neuen Namen brauchte. Aber sie brauchte nicht lange zu überlegen und hatte ihren neuen Namen schnell gewählt.

Bellis. So wollte sie von nun an heißen.

Von diesem Tag an lebte ein kleines Menschenmädchen in diese Wald. Nach ein paar Tagen vertrauten ihr die Tiere, wie sie es auch zuvor getan hatten und der Bär gab ihr in seiner alten Höhle einen Unterschlupf. Es war eine sehr große Höhle und wurde von außen durch Farne und Efeu bedeckt, so dass ein Fremder sie niemals finden konnte. Die Tiere versorgten sie mit Nahrung, indem sie ihr Beeren brachten oder Brot und Kleidung aus der Stadt stahlen. Natürlich wusste Bellis nicht, dass diese Dinge gestohlen waren, doch sie war für jede Hilfe dankbar, die die Tiere ihr gaben. Sie selbst verließ aber nie den sicheren Wald. Von den verstorbenen Tieren durfte sie das Fell haben und sich damit die Höhle auslegen. Die Biber fertigten ihr einen Tisch, wie sie ihn einstmals bei den Menschen gesehen hatten und die Vögel sangen ihr jeden Morgen ein Lied, welches sie gleich viel fröhlicher stimmte.

Noch immer ging Bellis an die Quelle und spielte dort mit den Tieren. Doch sie war nicht nur dort, um mit ihnen zu spielen, sondern sie hoffte, dass er zurückkehren würde. Er hatte versprochen zurückzukommen und sie hatte geglaubt, dass er zu ihr kommt, sobald er wieder gesund war. Doch auch zu ihrem früheren Treffpunkt kehrte er nicht zurück. Sie selbst durfte nicht nach ihm suchen und auch den Tieren verbot sie, zu ihm zu fliegen. Sie wusste was gesehen würde, wenn sie es vielleicht doch taten.

Hatte er sie wirklich vergessen? Waren die Menschen wirklich so undankbar, wie ihr die Tiere einst erzählt hatten? Konnte sie so schnell vergessen und sich nicht mehr an ein Versprechen erinnern?

Diese Gedanken gingen ihr Tag für Tag, Jahr für Jahr durch den Kopf. Doch Erion kam nie zurück. Aber selbst nach zehn Jahren ging sie immer noch an ihren alten Treffpunkt zurück. So wie auch an diesem verhängnisvollen Tag. Gedankenversunken schaute sie in die Ferne auf das weite Land und erinnerte sich an die Tage an denen Erion über das große Feld nach Hause ging. Der Wald, aber vor allem die selbst, hatten sich sehr verändert. Sie war nun nicht mehr ein kleines einfaches Menschenmädchen mit einen runden Gesicht. Bellis war zu einer jungen Frau herangewachsen. Ihre Arme und Beine waren doppelt so lange, wie noch vor 10 Jahren. Sie hatte eine Taille bekommen und ihre Brüste waren gewachsen. Ihr silberblondes Haar reichte ihr nun bis zur Hüfte. Nur eines war noch so wie damals, das Mal auf ihrer Brust. Dieses hatte sich nicht verändert und zeigte noch immer die Form eines Apfels. Wenn ein Mensch sie so gesehen hätte, dann hätte er zugeben müssen, was für eine außergewöhnlich schöne Frau sie war. Wie ein Engel sah sie aus, wenn sie den Sonnenuntergang beobachtete und wartete bis der Mond aufging. Jedes Tier welches neu in den Wald kam und sie zum ersten Mal sah, schwur, dass es noch nie einen schöneren Menschen gesehen hatte. Doch natürlich konnten sie Bellis dies nicht erzählen. Also schauten sie sie nur mit bewundernden Blicken an.

So sehr hing sie an diesem Tag ihren Gedanken nach, dass sie nicht bemerkte, wie sich zwei Männer auf ihren Pferden dem Wald näherten. Erst als sie unmittelbar vor ihre standen wurde sie sich ihrer Gegenwart gewahr. Die Tiere, die sich sonst immer vor Gefahren warnten, begleiteten sie nie bis zu Grenze des Waldes. Zu gefährlich war ihnen dieses Gebiet.

Starr vor Schreck schaute Bellis zu den Männern hinauf. Dies war erst das zweite Mal, dass sie Menschen begegnete und diese sahen nicht so freundlich aus, wie Erion damals. Der kleinere von ihnen hatte schütterndes Haare und eine sehr große Nase, die sie auf den ersten Blick an den Schnabel eines Adlers erinnerte. Der andere war größer und hatte dichtes schwarz gelocktes Haar. Seine Augen waren kalt und machten Bellis Angst. Sie konnte nichts freundliches darin erkennen. Beide trugen Anzüge aus edlen Stoffe und Pfeil und Bogen bei sich. Ihre Pferde waren ebenso prächtig geschmückt, wie die Reiter selbst.

Erst nach scheinbar endlosen Sekunden konnte sie sich wieder bewegen und doch hatte es zu lange gedauert. Gerade als sie sich umdrehen wollte, packte sie einer der Männer am Handgelenkt und hielt sie fest.

„Na, na. Wer wird denn gleich wieder davon laufen?“, fragte der größere von ihnen hämisch und entblößte einer Reihe krummer Zähne. Bei diesem Worten traf sie sein Atem und sie hatte für einen Moment die Befürchtung, dass sie sich übergeben müsste.

„Was treibst du dich in den privaten Wäldern das Königs herum?“, fragte nun der andere.

Bellis verstand ihre Worte und doch ergaben sie für sie keinen Sinn. Was war ein König? Was war privat? Also antwortete sie ihnen nicht.

„Scheint wohl nicht sonderlich gesprächig.“, sagte nun wieder der Größere. „Was machen wir mit ihr?“

„Nun, ich denke wir sollten sie mitnehmen. Sie hat unbefugt das Gebiet es Königs betreten. Weiß du denn nicht, dass der streng verboten ist?“, fragte sie nun der Kleine tadelnd. Wieder verstand Bellis den Sinn der Worte nicht.

„Wer hätte gedacht, dass wir etwas so schnell von der Jagd zurück kommen würden. Und dann auch noch mit so einem hübschen Fang.“

Er packte sie fester an den Handgelenken und wollte sie auf sein Pferd ziehen. Bellis wehrte sich so gut sie konnte. Sie versuchte davon zu laufen, doch sein Griff war zu stark.

Bitte helft mir doch!, versuchte sie die Tiere das Waldes zu rufen. Doch niemand kam. Sie waren zu tief im Wald, als das sie sehen konnten was mit ihrer liebsten Freundin geschah.

“Sieh an. Ganz schön widerspenstig die Kleine. Aber das haben wir gleich.“

Sie spürte wie er sie mit einem Ruck zurück zog und sie rückwärts taumelte. Vor Schreckt drehte sie sich um. Alles was sie dann noch sah, war eine riesige Hand die auf sie niederfuhr. Danach spürte sie einen so starken Schmerz im Gesicht, wie sie ihn noch nie empfunden hatte. Ihr wurde Schwarz vor Augen und die Sinne schwanden ihr.

Als sie die Augen wieder öffnete, blickte sie auf einen schwankenden Boden unter sich. Panik überkam sie. Wo war sie? Was war geschehen? Sie versuchte den Kopf zu heben, doch nur bei der kleinsten Bewegung kehrte der Schmerz zurück und ihre wurde erneut übel.

„Sie scheint munter zu sein.“, hörte sie nun erneut die Männerstimme von vorhin.

„Wirklich? Wurde ja auch mal Zeit. Dachte schon, die pennte ewig.“, sprach nun der andere Mann. Bellis realisierte nun, dass dieser grässliche Mensch direkte hinter ihr saß. Ihr Herz begann zu rasen und Angstschweiß trat auf ihre Stirn. Wie konnte sie nur so unvorsichtig gewesen sein? „Genau pünktlich, wir sind schon da. Bin mal gespannt, was der König mit dir vorhat. Wenn er keine Verwendung für dich hat, nehme ich dich.“

Bellis drehte den Kopf nun doch leicht nach links und rechts und erkannte jetzt wo sie sich befand. Ihr Körper war quer über das Pferd gelegt worden und es transportierte sie nun wie ein Sack Kartoffeln.

Plötzlich blieb das Pferd stehen und der Mann stieg ab. Dann packte er Bellis an der Taille und zog sie unsanft nach unten und stellte sie auf ihre zwei Beine. Von dieser schnellen Bewegung wurde ihr schwindlig.

„Na los komm schon.“ Der große Mann gab ihr einen Schubs. Erst jetzt bemerkte sie, dass ihre Handgelenke mit einem Lederband zusammen gebunden waren. Sie versuchte sich zu befreien und bewegte die Arme hin und her, doch es war so fest zusammen gebunden, dass sich das Band in ihr Fleisch schnitt. Kleine Bluttropfen fielen zu Boden.

Das riesige Schloss erhob sich wie ein Ungetüm vor ihr. Nackt und kalt starrten die hohen Mauern sie an und flößten ihr noch mehr Angst ein. Das waren also die großen Häuser in denen die Menschen lebten. Wie unnötig, dachte sie. Was nützen ihnen all die vielen Zimmer, die sich hinter den Wänden verbargen, wenn sie sich doch nie in mehreren gleichzeitig aufhalten konnten. Bellis blickte hinter sich und sah das riesige Tor. Es sah aus wie das Maul des Ungeheuers mit scharfen Zähnen, dass sie bereits ganz verschluckte hatte und sie nun verdauen wollte.

Ängstlich richtete sie ihren Blick wieder nach vorn. Sollte, dass nun der Lohn dafür sein, dass sie einem Menschen einst das Leben gerettet hatte?

„Na, mach schon. Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit!“, rief der große Mann. Er packte sie an der Armen und zog sie hinter sich her. Schwankend folgte sie ihm in das Schloss und sah sich dabei nach links und rechts um. Egal wo sie hinblickte, alles war grau und trist und sehr dunkel. Hier und da standen ein paar vereinzelte Kerzenleuchter, die die Dunkelheit ein wenig kompensierten, aber so richtig Erleuchten konnten sie die Gänge nicht. In ihren schwachen Schein sah das ganze noch bedrohlicher und unheimlicher aus. Bellis begann zu zittern. Ihre Schritte wurden noch langsamer und sie hatte mühe überhaupt noch von selbst einen Fuß vor den anderen zu setzten.

Plötzlich blieben sie vor einer großen Doppeltür aus Eiche stehen. Es war ein kunstvolles Muster hineingeritzt worden und Bellis fragte sie, wie alt die Bäume gewesen sein mochten, die dafür sterben mussten.

„Was wollt ihr?“, hörte sie nun eine andere fremde Stimme fragen. Sie zuckte zusammen und drehte den Kopf leicht zur Seite. Erst jetzt erkannte sie, dass da noch jemand war. Es war so dunkel in den Gängen, dass sie die Wachposten vor der Tür nicht gesehen hatte. Mit ihrer scharlachroten Uniform wirkten sie nicht weniger bedrohlich. Sie empfand die Männer, die sie hierher gebracht hatte im Gegensatz zu diesen, als weniger gefährlich.

„Wir haben etwas im Wald gefunden und würden gern dem König davon berichten.“, hörte sie den größeren Mann sagen. Seine Stimme wurde ihr immer unsympathischer und die Ohren schmerzten ihr von seinen Worten.

Sie spürten den Blick der beiden anderen Männer auf sich und senkte den Kopf. Eine Weile war es still, doch sie wusste, dass sie sie noch immer anstarrten. Wie eine seltene Pflanze, die man nur alle paar Jahrzehnte zu Gesicht bekam.

„Ihr könnt passieren.“ Diese Stimme musste dann wohl dem anderen Wachposten gehören. Sie war nicht so rau und wesentliche flüssiger, als die anderen. Trotzdem klang sie in ihren Ohren reichlich gelangweilt und desinteressiert.

Die Eichentüren knarrten, als sie nach innen aufschwangen.

Wieder wurde sie nach vorn geschubst und sie stolperte auf wackligen Beinen in den Saal. Es war ein sehr großes Zimmer. Und anders als der Flur war dieses mit Wandteppichen und anderem Gezier geschmückt. Die Wandteppiche erzählten Geschichten, von Einhörnern, Riesen, Nymphen und anderen Fabelwesen und Bellis sehnte sich einmal mehr nach dieser Welt. Behutsam sah sie sich um. Auch dieser Raum wurde von der Farbe Rot dominiert. Nur an einigen wenigen Stellen schimmerte es Golden. Auf der rechten Seite gab es Fenster, die mannshoch waren und von schweren dunklen Stoffen umrahmt wurden. Die Sonne tauchte alles in ein brennendes Licht und ließ den Ort noch unheimlicher und bedrohlicher erscheinen.

Bellis und die beiden Männer liefen auf einem schmalen roten Teppich immer weiter in den Raum hinein. Als sie ihren Blick nach vorn richtete, sah sie zwei große Stühle. Es waren keine einfachen Stühle, sondern Sessel, mit rotem Samt überzogen und einen goldverzierten Rahmen. Der linken von beiden war etwas größer, als der andere und auf dessen Spitze, erkannte sie so etwas wie ein Hut, nur das von diesem gleichmäßig große Zacken ausgingen. Erst als sie weitere nach unten blickte, sah sie, dass in diesem Stuhl jemand saß. Es war eine kleine gedrungene Gestalt und Bellis fühlte sich im ersten Moment an einen Zwerg erinnert, nur nicht ganz so klein.

„Belzack und Ratius, was führt euch zu mir? Wolltet ihr nicht auf die Jagd?“, fragte nun der große Zwerg. Bei dem ersten Namen hatte sich der große Mann ehrfürchtig verbeugt, bei dem anderen der kleinere von ihnen.

„Das ist richtig meine Maiestet. Aber statt einen Reh haben wir das hier gleich am Waldrand gefunden. Es scheint als hätte sie sich unbefugt auf ihrem Land rumgetrieben.“, antwortete der Mann der offenbar Belzack hieß.

„So, so.“

Noch immer hatte Bellis den Blick gesenkt, aber sie konnte aus den Augenwinkeln sehen, dass der Mann sich erhob auf sie zutrat. „Du kennst wohl das Gesetzt nicht? Es ist verboten sich auf den Ländern des Königs aufzuhalten. Lass mal dein Gesicht sehen.“

Mit seinen kalten knochigen Fingern, hob er ihr Kinn an und zwang sie somit ihm in die Augen zu sehen. Die Augen diesen Menschen waren grau und stumpf, so als hätten sie bereits eine Menge schlimmer Dingen gesehen und vielleicht auch selbst getan. Ihr Atem wurde schneller und sie glaubte ihr Herz würde jeden Moment aus ihrer Brust springen. Noch nie hatte sie soviel Angst verspürt.

„Mmh...“, machte er nachdenklich. „Was ist, warum antwortest du nicht?“

„Sie hat die ganze Zeit noch nicht gesprochen.“, antwortete ihm nun Ratius.

„Vielleicht ist sie eine dieser Waldmenschen, die sich nur von Beeren und Wurzeln ernähren. Die sollen ja wie die Heuschrecken sein und immer weiter durch das Land ziehen.“, war es nun Belzack der sprach.

„Bist du eine Heuschrecke?“, fragte sie nun der König und sein fauler Atem blies ihr ins Gesicht. „Wenn dann bist du aber eine ausgesprochen hübsche.“

Die Angst schnürte ihr die Kehle zu und sie konnte nicht antworten. Aber sie wusste auch nicht, was sie hätte antworten sollen. Sie kannte die Bedeutung der Wörter nicht, die er gebrauchte.

Die Sekunden verstrichen langsam und er ließ ihr Gesicht schließlich los.

„Na, was sollst. Ich würde sagen wir-“

Mit einem lauten Knall schwangen die Türen erneut auf und der König wurde unterbrochen.

„VATER!“, rief eine Männerstimme und Bellis zuckte erneut zusammen. Sie wagte nicht aufzusehen, doch anhand der Stimme konnte sie erahnen, dass der Besitzer noch ein junger Mann sein musste und offenbar war es der Sohn dieser Maiestet.

Der König sah kurz auf und Bellis konnte erkennen, dass er verärgert über diese Unterbrechung war.

„Vater! Wie kannst du es wagen, diesen Hochzeitstermin festzulegen?! Ich habe dir bereits gesagt, dass ich NICHT heiraten werde!“ Sie konnte hören, dass die Stimme mit jedem Wort näher kam. Die Person war aufgebracht und sehr wütend. Trotzdem machte sie ihr nicht so eine Angst, wie die der anderen Männer. Sie war weich und voller Leidenschaft.

„Und ich habe dir bereits gesagt, dass ich nicht darüber Diskutieren werde!“ Bellis war überrascht, wie kräftig die Stimme dieses Mannes noch klingen konnte. Wie ein Donnergrollen halte sie durch den Raum. „Ich bin der König und du bist mein Sohn! Und auch du hast zu tun, was ich befehle!“

„Das werde ich nicht tun! Niemals, werde ich diese Person heiraten! Und schon gar nicht, weil du es willst!“

Bellis konnte hören, wie der König scharf ausatmete.

„Belzack. Ratius. Bringt sie weg. Schafft sie erst einmal in den Kerker, bis ich weiß, was ich mit ihr machen werde.“

„Mit Verlaub, mein König, wenn sie keine Verwendung für sie haben, ich hätte da bereits eine.“, hörte sie Belzack sagen und es schwang etwas in seiner Stimme mit, dass ihr den Magen umdrehte. Lieber würde sie auf der Stelle sterben.

„Mal sehen. Schafft sie weg.“

Belzack zog sie auf die Beine. Als sie sich mehr oder weniger freiwillig umdrehte, bemerkte sie wie der Mann sie musterte. Sie wagte es nicht dem Blick zu heben und ihn anzusehen, deswegen sah sie nicht, wie überraschte er über ihre Schönheit war.

Als sich die Türen hinter ihnen geschlossen hatten, erhob sich die Stimme des jungen Mannes erneut und Bellis fragte sich, was ihn so erzürnt hatte. Was bedeutete das: Heiraten?

„Scheint, als ob unser junger Prinz nicht sonderlich glücklich mit seiner Braut ist.“, bemerkte Belzack spitz, während sie Bellis einen weiteren dunklen Gang entlang führten.

„Ja. Sie soll eine Furie sein, wohl aber ganz hübsch. Er wird keine Wahl haben. Wenn der König einmal etwas beschlossen hat, gibt es zurück. Außerdem ist die Macht, die dieses Land dadurch zugewinnt, einfach zu verlockend.“

„Unser Prinzchen soll sich mal nicht so haben. Was würde ich dafür geben an seiner Stelle zu sein. Aber vielleicht habe ich ja Glück und bekomme dieses hübsche Exemplar hier.“

Bellis versuchte nicht auf seine Worte zu achten, doch konnte sie nicht verhindern, dass ihr ein Schauer über den Rücken lief.

Nach scheinbar zahllosen Gängen, die ihr jedes Mal endlos lang erschienen waren, traten sie an eine Treppen, die sie herabgeführt wurde. Von nun an gab es nicht einmal mehr den Kerzenschein, sondern nur noch Dunkelheit.

Erst als sie fast am Ende waren, konnte sie wieder einen schwachen Lichtschein erkennen.

„Was bringt ihr denn da Schönes?“, fragte Mann, der ebenfalls eine rote Uniform trug.

„Ein kleines hübsches Rehchen. Wir haben es im Wald gefunden. Hast du noch ein Plätzchen für sie?“, fragte Belzack und gab ihr bei diesen Worten einen klapps auf den Hintern.

„Sicher. Momentan ist hier eh nicht viel los. Ein bisschen Gesellschaft kann nicht schaden.“ Bellis sah, dass er sich erhob und ein paar Schritte nach hinten ging. Es schlug etwas gegen Metall und hörte sie es zweimal klicken und im Anschluss eine knarren.

Belzack stieß sie unsanft nach vorn.

„Hier wirst du erst einmal leben.“, sagte er. „Wenn du Glück hast nicht für lange. Ich werde mich bald deiner annehmen.“ Er zwang sie ihn anzusehen und das Leuchten welches sie in seinen Augen sah, ließ ihr Herz erstarren. Was ging in seinem Kopf bloß vor?

Er löste die Fesseln und mit einem weiteren Stoß gegen in den Rücken schubste er sie in die Zelle und Bellis stürzte zu Boden. Mit den Händen hatte sie sich gerade noch so abfangen und ein blutiges Knie vermeiden können. Sie hörte hinter sich ein weiteres knarren und wieder dieses klicken und sie wusste, dass sie die Tür nun verschlossen hatten.

Sie blieb noch auf dem Boden sitzen, als sie hörte wie sich die Stimmen immer mehr entfernten und schließlich waren sie ganz verstummt.

Panisch sah sie sich um. Links neben ihr und vor ihr befand sich eine weitere dieser riesigen, unheilbringenden Mauern. Rechts und hinter ihr waren Eisgittern. Die Abstände zwischen den Eisenstäben waren gerade einmal so breit wie ihre Hand. Auf dem Boden konnte sie Stroh wahrnehmen. Es musste altes, modriges Stroh sein, wenn sie von dem Geruch ausging, der ihr in die Nase stieg. Sie ließ ihren Blick über den Boden gleiten, bis dorthin wo sie einen kleinen schwachen Lichtkegel wahrnahm. Ihre Augen folgten dieses Licht und es führte sie schließlich, zu einem kleinen Fenster, welches nicht größer als zwei Mauersteine war. Und auch dieses war mit Gitterstäben gesicherte. Vorsichtig und langsam bewegte sie die Hand nach vorn. Immer eine nach der anderen und zog ihre Beine nach. Solange bis sie den Lichtstrahl ereichte hatte. Sie setzte sich hinein und schlang die Arme um ihre Brust. Die Beine zog sie fest an. Sie lehnte sich gegen die Mauer und schloss die Augen. So lange wie sie wusste, dass die Sonne irgendwo da draußen sein musste, so lange gab sie sich nicht der völligen Verzweiflung hin.

Wie konnte das nur geschehen?, fragte sie sich. Wie hatte sie nur so unvorsichtig sein können? Würde sie jemals in den Wald zurückkehren können?

Bellis spürte, wie ihr Herz langsamer schlug und auch ihr Puls sich beruhigte. Es wurde still um sie herum und stumme Tränen liefen ihre Wange hinunter.

Eine Weile saß sie so in dem schwachen Lichtschein. Im laufe der Zeit, die sie nun schon in diesem Gefängnis saß, veränderte sich dessen Position und mit ihm veränderte sie auch ihre Position. Sie konnte es nicht ertragen in dieser Dunkelheit allein zu sein und dürstete nach jedem Sonnenstrahl, der durch dieses kleine Fenster dringen konnte. Noch hatte das Licht eine einigermaßen starke Leuchtkraft, doch Bellis wusste, dass schon bald die Nacht herein brechen würde und dann würde die Sonnen sie in der Dunkelheit allein zurückgelassen.

Die Tränen auf ihrer Wange waren noch nicht getrocknet, als sie Schritte näherkommen hörte.

„Hier ist sie, eure Hoheit.“, hörte sie die Wache sagen.

Automatisch zog sie die Beine noch enger an ihren Körper und versteckte das Gesicht hinter den Haaren.

„Danke.“ Verwundert über diese Stimme wurden ihre Ohren aufmerksames. Es war nicht die kalte Stimme des Königs, die da gesprochen hatte, sondern die des anderen, jungen Mannes.

Sie konnte die Blickt der Männer auf sich spüren und fühlte sich noch unwohler.

„Ich glaube, sie können jetzt erst Mal einen Pause machen.“, hörte sie den jungen Mann sagen.

„Aber eure Hoheit, dass kann ich unmöglich machen. Ich habe eine Pflicht zu erfüllen.“

„Kein Angst, ich entbinde sie von ihrer Pflicht. Ich befehle ihnen sogar einen Pause zu machen. Geben sie mir den Schlüssel.“

Bellis sah, dass wie er die Hand hinhielt und darauf wartete, dass der Wächter die Schlüssel hineinlegte. Nur zögerlich tat er, wie ihm gehießen.

„Also gut, aber ich werde nicht lange wegsein.“, sagte er und verließ den Kerker.

Noch immer wagte Bellis es nicht aufzusehen, aber der Gedanke, dass dieser Wächter nun weg war, machte ihr Herz leichter. Doch sie spüre, wie der Sohn des Königs sie weiterhin durch die Gitterstäbe betrachtete, so als wüsste er nicht recht, was zu tun sein.

Dann nahm sie wahr, wie er den Schlüssel in das Schloss steckte und mit zwei Klicken sprang die Tür erneut auf. Der Prinz zog sie auf und trat in ihre Zelle ein. Sobald er sie betreten hatte, zog er die Tür hinter sich zu.

Er blickte auf die Frau, die zusammengekauert auf dem Boden saß.

Als könnte sie diese Körperhaltung vor irgendetwas schützen!

„Du bist also die fremde Frau, die sich einfach so auf unserem Land rumtreibt.“, sagte er schließlich und trat auf sie zu. Bellis hob den Kopf nicht an, aber sie drückte sich noch mehr an die Mauer.

Der Prinz stand vor ihr und kniete sich hin. Wie auch schon sein Vater, faste er ihr unter das Kinn und hob ihr Gesicht an, so dass er es besser sehen konnte. Seine Hand fühlte sich so ganz anders als die seines Vater ans. Sie war weich und warm und ließ nichts von der Kälte erahnen, die seinem Vater umgab. Sie wich seinem Blick aus und schaute auf den Boden, während er sie betrachtete. Durch die Dunkelheit des Raumes konnte sie sein Gesicht nicht erkennen. Obwohl ihre Augen sich inzwischen etwas daran gewohnt hatten, konnte sie doch nur umrisse erkennen.

„Du bist wirklich ziemlich hübsch.“, sagte er schließlich. Ihr silberblondes Haar hatte ihn von Anfang an fasziniert und das grau-blau ihrer Augen hatte etwas Außergewöhnliches. Aber etwas in seiner Stimme hatte sich verändert. Sie konnte es ganz deutlich spüren. Sie war schärfer geworden, als er dies gesagt hatte und Bellis glaubte auch Bitterkeit darin zu hören.

Der Prinz stand wieder auf und lief in der Zelle auf und ab.

„Du weiß gar nicht wie sehr ich dich beneide!“, stieß er scharf aus. „Du konntest dein bisheriges Leben in Freiheit genießen, während ich an dieses Schloss gebunden war! An seine Verpflichtung und Etikette! Wie sehr ich es doch hasse!“ Seine Stimme wurde immer lauter und Bellis zuckte bei jedem Wort zusammen. „Und nun soll ich auch noch diese Frau heiraten! Eine Frau, die ich nicht einmal kenne, geschweige denn Liebe! Für den Rest meines Lebens, werde ich an diesen Menschen gebunden sein!“

Sie konnte hören wie die Wut ihn übermannte und sein Atem schneller wurde. Er machte ihr mehr und mehr Angst. Eine Weile schwieg er und seine Schritte verlangsamten sich.

„Warum sollte ich also nicht noch einmal die Freiheit auskosten?“ Seine Stimme klang nun nicht mehr weich oder leidenschaftlich. Eher kalt, verhasst und bitter. So als wollte er mit aller Macht seine vorherigen Worten entkommen.

Bellis machte sich noch kleiner. Sie verspürte erneut Angst.

Schnellen Schrittes ging er auf sie zu und packte sie am Arm. Mit einer einzigen Bewegung riss er sie nach vorn und warf sie auf den Boden. Vor schmerz schrie sie auf und hielt sich das Handgelenk, welches noch immer von den Fesseln schmerzte. Sie lag am Boden und drehte sich auf den Rücken. Ihr war schwarz vor Augen geworden und es dauerte etwas, ehe sie wieder einigermaßen scharf sehen konnte. Mit einem weiteren Schritt stand der Prinz vor ihr und beugte sich in seiner nächsten Bewegung über sie. Ein Knie lag zwischen ihren Beinen und die Hände hatte er neben ihrem Kopf abgestützt. Entsetzt sah sie ihn an und ihr Brustkorb hob und senkte sich schnell. Sollte sie sich wirklich in dieser Stimme getäuscht haben? Jetzt erkannte sie, dass seine Haare wohl schwarz waren und seine Augen leuchteten wie Onyxe.

„Ich habe gehört, dass Belzack dich vielleicht bekommen soll.“, sagte er und nun klang seine Stimme wieder normal. „Das tut mir leid.“

Als Bellis dieses Worten hörte, wusste sie instinktiv dass sie auch so gemeint waren. Er hatte sie nur geflüstert und sie glaubte Traurigkeit daraus zu hören.

Sein Verhalten verwirrte sie und machte ihr Angst. Er schien unberechenbar.

„Auch du wirst dann für immer gefangen sein.“, sprach er weiter. „Genauso wie ich. ... Nur einmal noch möchte ich frei sein. Nur einmal, will ich etwas tun, weil ich es möchte. ... Es tut mir leid, dass du ausgerechnet heute hierher gekommen bist.“

Seine Worte ergaben für sie keinen Sinn und sie verstand nicht, was er ihr damit sagen wollte. Doch bevor sie überhaupt weiter darüber nachdenken konnte, hatte er seine Lippen an ihren Hals gelegt und begann sie stürmisch zu küssen.

Nach der ersten Lähmung, die auf dieses Verhalten folgte, machte sich Panik ihn ihr breit. Sie wusste nicht ganz genau was er tat, aber sie hatte davon gehört.

„Nein!“, presste sie mühsam hervor. Sie versuchte ihn mit ihren Händen wegzuschieben, aber sie war zu schwach. „Nein! Nein!“, rief sie immer wieder. Seine Lippen bewegten sich nun ihren Hals abwärts. Es fühlte sie widerwärtig auf ihrer Haut an und Angstschweiß bildete sich auf ihrem Körper. Sie schlug mit den Händen auf ihn ein, doch sie ereichte nichts. Sie wollte ihn treten, doch ihre Beine erreichten ihn nicht. Stattdessen strampelten sie in der Luft.

„Nein! Hör auf!“, schrie sie erneut. Sie konnte die nackte Angst aus ihrer Stimme hören.

Plötzlich ließ er von ihr ab und sah sie an. Sein Blick war unergründlich, aber sie hoffte, dass er von ihr ablassen würde.

„Du kannst ja doch sprechen.“, sagte er und klang sichtlich überrascht. „Aber hier wird dich niemand hören.“, sagte er und es klang beinahe so, als würde er sich ebendies wünschen.

Er fasste ihre Handgelenkte mit der rechten Hand und drückte ihre Arme somit über ihren Kopf. Mit dem Knie schob er ihre Beine weitere auseinander. Er saß inzwischen regelrecht auf ihr und egal wie sie jetzt versuchen würde sich zu wehren, sie würde ihm nicht mehr entkommen können.

Bevor er sich abermals zu ihr runterbeugte, fuhr er mit dem Zeigefinger der rechten Hand über ihre Lippen. Dann flüsterte er in ihre Ohr: „Deine Lippen werde ich aber nicht küssen.“

Abermals begann er sie zu küssen. Am Hals, am Ohr, am Schlüsselbein – aber niemals auf die Lippen.

Sie versuchte sich weiter zu wehren, doch er hatte ihre Handgelenkte so fest im Griff und ihrem Oberkörper so sehr auf den Boden gedrückte, dass ihr nur eine schwache Bewegung gelang.

Ihre Kräfte ließen langsam nach Tränen stiegen in ihr hoch. Sie stahlen sich aus ihrem Auge, wie kleine Diamanten und fielen lautlos zu Boden. Ihr Atem ging viel zu schnell und das Adrenalin rauschte durch ihren Körper, aber die Versuche sich zu wehren wurden schwächer und ihre Verzweiflung immer größer.

„Nein!“, sagte sie wieder und wieder. Ein Schluchzen entrann ihrer Kehle. Er löste sich kurz von ihrem Schlüsselbein und küsste sie hinter ihrem Ohr.

„Es tut mir leid.“, flüsterte er. Doch er hörte nicht auf. Sein Mund fuhr von ihrem Ohr den Hals entlang, allerdings ohne diesen wirklich zu berühren. Nur sein warmer Atem strich über ihre Haut. An der Halsbeuge küsste er sie erneute.

Dann hob er den Arm und führte seine linke Hand ihren Körper entlang. Durch den Stoff ihres Kleides hindurch konnte sie die Berührung seiner Finger spüren und mit jeder Bewegung, die er nach oben macht stieß sie einen weiteren Schluchzer aus.

Seine Hand glitt von ihrer Hüfte aufwärts, ihre Taille entlang und berührte schließlich ihre Brust. Dort verharrte sie und der Prinz begann diese zu streicheln.

„Nein, bitte nicht...“, sagte sie abermals. Ihre Stimme war gebrochen und nicht mehr als ein Krächzen. Die Tränen strömten ihr Gesicht herunter und machten sie nun völlig blind. Fragen schossen ihr durch den Kopf, von denen sie wusste, dass sie wohl nie eine Antwort darauf erhalten würde.

Warum war sie eigentlich hier? Hatte sie etwas unrechtes getan? Was hatte dieser Mensch mit ihr vor? Warum tat er das? Warum berührte er sie so? Was wollte er von ihr? Warum sagte er, dass es ihm leid tat, wenn er es doch nicht beendete? Und warum zitterte er?

Der Prinz selbst, war niemand der anderen einen Schaden zufügte. Niemals würde er jemanden aus Spaß verletzen. Auch dieses Mädchen nicht. Als er ihr Schluchzen hörte du ihre Tränen sah, geriet seine Entscheidung noch mehr ins wanken. Er fühlte sich so schon schrecklich, bei dem was er tat, aber ihre Tränen und ihr Flehen zerrissen ihm fast das Herz. Er war sie verunsichert, so hin und hergerissen, dass sein Köper zu zittern begonnen hatte. Denn tief in seinem Inneren wollte er das gar nicht tun. Und doch war die Verzweiflung über sein eigenes Schicksal größer, als seine innere Stimme. Nur einmal wollte er etwas tun, was in seiner Macht lag. Nur einmal wollte er etwas tun, weil er es selbst wollte. Auch wenn es auf dem Unglück eines anderen gebaut sein würde. Er würden den Rest seines Lebens an diesem Ort dafür zahlen.

Trotz allem waren seine Berührungen war nicht grob oder gewaltsam. Er versuchte trotzdem sanft zu ihr zu sein und ihr keine Schmerzen zu bereiten. Der Schmerz, den er ihr in wenigen Augenblicken zufügen würde, würde groß genug sein.

Seine Hand strich mit zittrigen Fingern über ihre Brust. Dann wanderte sie langsam weiter nach oben und strich ihr über das Gesicht. Automatisch drehte sie den Kopf zu Seite. Sie wollte von diesem Mann nicht berührt werden. Das Gefühl seiner Finger auf ihrer Haut, brannte wie Feuer. Als sie aus den Augenwinkeln sah, wie er sie betrachtete, schloss sie die Augen. Sie konnte diesen Blick nicht ertragen. Der Prinz beugte sie über ihr Gesicht und küsste eine weitere Träne aus ihrem Auge.

„Vergib mir.“, sagte er so leise, dass sie es kaum verstand.

Dann legte er seinen Finger an den Kragen ihres Kleides und Bellis spürte, wie er begann ihn nach unten zu ziehen.

„Nein! Nicht!“

Sie verstand noch immer nicht, was das ganze bedeutet, aber es machte ihr höllische Angst. Sie verspürte in diesem Moment, die gleiche Angst, wie damals, als sie als Mensch erwacht war, und ganz allein war. Er begann sie erneut zu küssen und dieses Mal machte er nicht in der Halsbeuge oder ihrem Schlüsselbein halt, sondern seine Lippen wanderten weiter nach unten. Sie berührten nun die Stellen, die der Kragen des Kleides bisher verdeckt hatte. Er hielt in seiner Bewegung inne. Sollte er das wirklich tun? Wollte er das wirklich tun?, dachte er. Doch jetzt gab es für ihn kein zurück mehr. Zu weit war er schon gegangen. Wenn er schon in der Hölle kommen sollte, dann auch richtig.

Bellis konnte spüren wie sein heißer Atem über ihre Brust strich und sie wusste plötzlich, was er als nächstes tun würde.

Ein letztes Mal versuchte sie sich aufzubäumen und ihn von ihrem Körper zu stoßen. Doch noch immer hielt er ihre Hände festumklammert und das Gewicht seines Körpers drückte sie so fest nach unten, dass sie sich kaum bewegen konnte.

„Nein...Nicht!“, sagte sie immer wieder, doch sie realisierte, dass es keinen Zweck haben würde. Trotzdem wiederholte sie die Worte immerzu, in der Hoffnung, dass er sie vielleicht doch erhören würde. Gleich würde er sie an dieser Stelle berühren.

Sie kniff die Augen zusammen und wollte, dass es nur noch vorbei ist. Sie wusste nicht wie viel Zeit bereits vergangen war, aber es kam ihr vor wie eine Ewigkeit. Eine Ewigkeit der Qual.

Doch dann veränderte sich etwas.

Abrupt hielt er in seiner Bewegung inne und Bellis konnte hören, wie er scharf den Atem einzog.

Sie bewegte sich nicht und sie sah ihn auch nicht an. Sie wollte dieses Gesicht nicht auch noch sehen. Ihr Atem war hektisch und flach. Wie ein Tier lag sie wohl da, das im Sterben lag und auf den Gnadenstoß wartet. Und nicht anders fühlte sie sich auch. Sie erwartete nur, dass die Tortur gleich weitergehen würde.

Die Sekunden verstrichen und Bellis spürte ihn noch immer auf sich, aber nichts geschah. Es war ihr als würde er sie nur ansehen. Wollte er sich jetzt noch an ihrem Leid laben?

Dann geschah etwas Seltsames. Es geschah so schnell, dass sie es gar nicht richtig realisieren konnte. Seine Hand löste sich schlagartig von ihren Handgelenken und gab sie wieder frei. Sie hörte etwas rascheln und das Gewicht auf ihr, verwand plötzlich und sie konnte leichter atmen. Trotzdem wagte sie es nicht ihn anzusehen. Aber innerhalb des nächsten Augenblickes hörte sie erneutes klicken, im Anschluss ein Knarren und dann schnelle Schritte. Er als diese verstummt waren, lösten sich ihre Muskeln aus ihrer Starre und Bellis öffnete die Augen.

Er war verschwunden. Sie war allein in diesem Raum.

Langsam sickerten die Ereignisse zu ihrem Bewusstsein durch und Erleichterung durchströmte sie. Doch trotzdem wollten die Tränen nicht aufhören. Stattdessen vielen sie nur noch hemmungsloser auf den Boden. Sie krümmte sie auf dem alten Stroh zusammen und zog die Beine wieder an. Dann gab sie sich in der Dunkelheit ihrem Elend und Schmerz hin. Nicht einmal die Sonnenstrahlen, würde ihr jetzt Hoffung spenden können.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: enni
2008-11-04T09:09:19+00:00 04.11.2008 10:09
owouwouwouwou.....spannend!!!

Das ist es was ich an deiner schreibweise so mag!!! Sie ist spannend, fesselnd (wieder einmal am Bildschirm kleb!), mitreisend und gefühlvoll. Da sind alles Dinge die eine gute Geschichte ausmachen!!

Auf jedenenfall bin ich von dem Kapitel mehr als begeistert! Es liest sich flüssig und man kann Bellis und des Prinzens gefühle sehr gut nachvollziehen. Auch das sie im Kerker mit der Sonne "wandert" ist wirklich etwas was mich sehr berührt hat....(ich bin da ähnlich) vielleicht darum XD. Und dann diese fast Vergewaltigung....gut geschrieben, wirklich gut!!!

So und jetzt will ich wissen wie es weitergeht! XD

hdl Enni
Von:  la_estrella
2008-08-01T16:14:28+00:00 01.08.2008 18:14
Puuuuuh...Also ich weiß wirklich nicht ...wo ich anfangen soll...

Ich bin richtig begeistert. Wirklich, Lob und ein dickes Kompliment an dich. Du schreibst so sehr mit Gefühl, lässt den Leser durch die detaillierten Beschreibungen in die Geschichte eintauchen und nie wirkt es irgendwie zu viel oder verliert sich. Du hast wirklich einen beneidenswerten Schreibstil, der flüssig und absolut gut lesbar ist.
Der Inhalt ist auch nicht schlecht...Tz was heißt schlecht? Ich mein, er ist richtig gut. Du bringst die Gefühlslage des Mädchens (Sorry aber ich krieg den Namen nicht mehr auf die Reihe..Bl..??^.^) gut rüber...Ob es die Verzweiflung ist, als sie ihr Spiegelbild im Wasser sieht da sie nun ein Mensch ist, oder die Liebe zu den Tieren, wie auch wiederum die Ängste, die sie in der Gegenwart der zwei Männer und später unten im Kerker empfindet.
Und ich glaub, ich hab ne gute Vermutung, wer der Prinz ist. :-)

Super toll!

Bitte schreib ganz ganz ganz schnell weiter und lass die FF noch nicht so früh enden!

Und irgendwie hättest du auch mal wirklich ein paar mehr Kommentare vedient. Nun gut ich muss zugeben, das Genre "Märchen" hat mich anfangs auch fast davon abgehalten, die FF zu lesen... He. aber es hat sich sowas von gelohnt. Ok und ehe ich hier noch nen Roman verfasse,
hau ich mal lieber ab.^^

LG
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