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Katenha

von

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Krankheit

Die nächsten Tage waren für Raven eine Zumutung; er kochte Tee wie ein Weltmeister, saß manchmal stundenlang an seinem Bett, um auf Diu aufzupassen, schlief und aß kaum und hatte schreckliche Stimmungsschwankungen.

Auf keinen Fall wollte er, dass Diu etwas richtig Ernsthaftes geschah, da er ihn unbedingt brauchte, allerdings rastete er fast aus, weil er so lange Zeit seine Aufmerksamkeit auf eine Person richten musste und keine zwei Stunden für sich hatte. Zusätzlich rief Dius Stimme in seinem Kopf regelmäßig nach seiner Mutter, was Raven noch mehr zusetzte. Wie sollte er unter diesen Bedingungen die Nerven behalten und nicht einfach durchdrehen?

Gerade, als er Diu zum dritten Mal Fieber gemessen und das Thermometer ihm höhnisch 40,7°C entgegen geblinkt hatte, klingelte es an seiner Haustür.

Sonst tat das nie jemand, warum musste ausgerechnet heute irgendein Idiot auf die Idee kommen, ihn zu belästigen? Falls es einer dieser Verkaufsmenschen war, würde er ihm die Tür vor der Nase zuschlagen, zur Not auch einschlagen, wenn derjenige nicht wegging.

Mit einem seiner bekannten Blicke riss er die Tür auf und bereute es gleich wieder: Vor ihm standen zwei seiner Klassenkameraden, die ihn mit einem erschrockenen Gesichtsausdruck musterten, als wäre er ein Zombie oder ein Geist, der aus den Tiefen der Hölle hervor spaziert war.

„Was wollt ihr von mir?“, fragte er die beiden bedrohlich. „Hab ich euch nicht schon mindestens drei Mal gesagt, dass ihr mich zuhause in Ruhe lassen sollt?

„Du warst seit fast einer Woche unentschuldigt nicht in der Schule“, rief Meily, ein Typ der besonders nervigen Sorte. „Da darf man sich doch mal Sorgen machen!“

„Nein, dürft ihr nicht.“ Sollten sie jemand anderes belagern, aber nicht ihn selbst. Er hatte zu tun.

„Aber...“ Meilys Sitznachbarin Veneo wusste scheinbar nicht, wie sie sich am besten ausdrücken musste. „Du siehst schrecklich aus! Nimmst du Drogen oder so?“

„Ja klar, weil ich das auch so nötig habe.“ Wenn die Leute ihn nun schon für einen Drogenabhängigen hielten, war wohl kaum noch etwas zu retten. Dabei gehörte Raven eindeutig nicht zu den Menschen, die ihre Probleme auf solche Art 'lösten'.

„Haut einfach ab, ihr geht mir auf den Geist, und kommt auf keinen Fall wieder, ich werde noch länger nicht in die Schule gehen und mir euer Geschwätz anhören.“ Mit diesen Worten knallte er die Tür zu, überhörte Meilys und Veneos Geschrei draußen und stapfte ins Bad. Der Blick in den Spiegel verriet ihm, dass Veneos Vermutung nicht ganz unbegründet geäußert worden war, er sah tatsächlich noch eine Spur schlimmer als sonst aus, aber nur, weil er rund um die Uhr Diu pflegte und sich um ihn und die geplante Aktion Gedanken machte. Und nicht wegen Drogen; so ein Schwachsinn.

Immer noch wütend vom plötzlichen Auftauchen der zwei Deppen verließ Raven das Bad, ging in die Küche und trank eine Tasse Tee, den er eigentlich für Diu zubereitet hatte. Die Situation wurde für ihn nicht besser, vielleicht stand morgen wieder jemand vor seinem Apartment und wollte ihn belästigen.

Mit der halbvollen Teekanne schlurfte er zu Diu, stellte sie auf den Nachttisch ab, nachdem er mit dem Inhalt einen Becher gefüllt hatte, und flößte ihn dem kleinen Außerirdischen ein, der sich seit Tagen in einem bedenklichen Zustand zwischen Schlafen und Wach sein befand.

Langsam griff die Müdigkeit nach Raven, bis er gegen seinen Willen mit dem Kopf aufs Bett neben Diu sank; bevor er es wirklich bemerkte, schlief er schon ein. Das tagelange Aufbleiben forderte endlich seinen Tribut.
 

Völlig planlos wachte Raven auf, zuerst wusste er nicht einmal, wo er sich befand und wie lange er geschlafen hatte ebenfalls nicht, aber mehr als drei Stunden mussten es gewesen sein, denn draußen war es stockdunkel.

Aber statt erholt fühlte er sich genauso zerschlagen wie vorher, das fand er nicht besonders gut. Wieso pennte er, wenn es ihm danach sowieso wieder scheiße ging?

„Raven, wie geht es dir?“ Anscheinend war Diu wach, sehr gut. Aber wieso fragte er ihn das? Wer war hier der Patient?

„Dreimal darfst du raten.“ Allein am Aussehen musste man das doch erkennen.

„Es tut mir Leid.“ Diu klang wieder so nervig schuldbewusst. „Ich hab dir, während du geschlafen hast, etwas Energie abgesaugt, damit ich schneller gesund werde.“

Das erklärte natürlich, weshalb sich Raven immer noch erschlagen fühlte und Diu sich viel besser anhörte als vorher. Interessante Dinge konnten die Katenha.

„Das nächste Mal fragst du vorher, ob du mich beklauen darfst“, knurrte Raven versucht böse, was ihm nicht sehr gut gelang, da er zu erleichtert war, dass es Diu nicht mehr so schlecht ging. Obwohl dieser ihn ohne zu fragen dafür angezapft hatte.

„Oh man, ich schlafe gleich wieder ein.“ Ohne Erfolg wollte Raven ein Gähnen verheimlichen. „Brauchst du etwas, vielleicht einen Tee?“

Hastig schüttelte Diu den Kopf, das Zeug wollte er nie wieder trinken.

„Du darfst dir sogar etwas Energie nehmen“, erlaubte Raven großzügig, „aber bitte nur wenig, damit wir bald mal loskönnen, um deinen Leute schön die Meinung zu geigen.“ Müde krabbelte Raven vollständig in sein Bett – er hatte die ganze Zeit irgendwo unbequem zwischen Boden und Bettkante gehangen –, deckte sich zu und spürte, wie Diu sich ganz vorsichtig an ihn schmiegte und seine Arme um Ravens Bauch schlang. Eigentlich müsste er sich nun unglaublich aufregen und den anderen aus dem Bett stoßen, aber er ließ es schließlich bleiben. Brachte sowieso nichts.
 

Beim Ausstehen fühlte sich Raven zwar noch schlecht, aber dafür war Dius Fieber fast verschwunden und seine Haut wieder komplett grün. Wenigstens ein kleiner Fortschritt auf ihrem Weg zum Mond.

In den folgenden Tagen ruhten sich beide ausgiebig aus und begannen mit den Vorbereitungen: Raven packte genügend Essen, Trinken und Kleidung zum Wechseln in zwei Rucksäcke – für Diu gab es extra einen kleineren – und sein Gast hatte die ehrenvolle Aufgabe bekommen, aufzuräumen und zu putzen. Sozusagen die Wiedergutmachung dafür, dass Raven sich tagelang im ihn gekümmert hatte; aber es macht Diu nichts aus, das Geschirr zu spülen oder den Boden zu säubern, er schien sogar fast glücklich zu sein, eine feste Aufgabe zu haben.

„Theoretisch sind wir fertig“, meinte Raven, als sie sich nach getaner Arbeit im Wohnzimmer auf das Sofa setzten. „Glaubst du, wir können gehen? Oder fühlst du dich noch nicht gesund dafür?“ Von Diu hing die Sache ab, also musste er gezwungenermaßen Rücksicht auf ihn nehmen. Nicht dass er sie ausversehen auf den Jupiter statt auf den Mond brachte, das konnte tödliche Konsequenzen mit sich führen und auf sinnloses Sterben im Weltall hatte Raven keine Lust.

„Doch, es müsste eigentlich funktionieren.“ Diu hatte sich in der Zwischenzeit umgezogen und trug ein hellblaues T-Shirt, darüber eine dunkelblaue Jacke, eine Jeans und Ravens ehemalige Lieblingsturnschuhe, die diesem leider mit der Zeit zu klein geworden waren, aber Diu passten sie gut. Im Gegenteil zum Rest, der war zu groß für den kleinen Außerirdischen, nur hatte Raven nichts Kleineres gefunden. Immerhin passten ihm selbst die Klamotten, waren ja auch seine eigenen. Ein dunkelrotes Oberteil, seine schwarze Stoffhose und für den Notfall seinen dunkelvioletten, absolut hässlichen Wintermantel – Fehlbestellung seiner Mutter, deshalb hatte er ihn bekommen –; man wusste nie, was die Katenha mit dem Wetter anstellten, wenn sie schon den Mond bewohnbar machten.

„Okay, dann lass anfangen. Was sollen wir tun?“

„Alles, was du mitnehmen willst, musst du nah bei dir haben, sonst bleibt es hier oder verschwindet im All und ich weiß nicht, ob ich den Transport heute zweimal durchführen kann“, erklärte Diu, worauf Raven einen Rucksack an sich nahm, den anderen seinem Gast in die Hand drückte und sich seinen Mantel über die Knie legte.

„Das war eigentlich alles, was du tun kannst, den Rest muss ich erledigen.“

„Dann mach mal“, forderte Raven ihn auf und wunderte sich ziemlich, als Diu auf seinen Schoß kletterte und ihm die Hände auf die Schultern legte.“ Was wird das?“

„Sei leise, ich muss mich konzentrieren.“ Also fing es schon an, interessant.

Bevor Raven noch irgendetwas Unqualifiziertes sagen konnte, merkte er, dass sich etwas veränderte; das Wohnzimmer begann zu verblassen und wurde ganz langsam von einer anderen Ansicht ersetzt. Einem roten Gebäude ohne sinnvolle Form.

Aber als er es genauer betrachten wollte, fingen beide Bilder an sich zu vermischen und Raven wurde schlagartig schlecht.

Was auch immer Diu gerade tat, er selbst vertrug es nicht. Hoffentlich endete es bald, sonst würde ihn nichts daran hindern, sich auf der Stelle zu übergeben.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  ReinaDoreen
2009-05-22T19:34:56+00:00 22.05.2009 21:34
Wenn Diu Raven Energie absaugt, um gesund zu werden, ist es vielleicht genau das was die anderen Kathena mit den Menschen, die sie entführt haben, machen.
Reni


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