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Fragile

von

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2

Vielen Dank an meine beiden Reviwer und die restlichen Schwarzleser (ich sehe, wer abonniert *gg*)!

Hier Teil 2 ... viel Spaß.
 

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2
 

Das Konzert in Mainz meisterten wir ganz gut. Die Fans merkten kaum, wie sehr uns Luminor fehlte. Sein Ersatzmann war am Keyboard natürlich sehr gut, sodass zumindest dieser Teil nicht ausfiel. Doch sein Gesang, seine reine Präsenz fehlten einfach und rissen ein großes Loch in unsere Mitte. Vor allem mir schien der nötige Rückhalt zu fehlen, wenn ich in meine Saiten griff und mit einem Grinsen über die Bühne fegte, stand er doch sonst wie ein Schatten stets hinter mir. Niemand von denen dort unten schien jedoch irgendetwas davon zu bemerken.

Als die Setlist, die fein säuberlich hinter einem Verstärker auf den Bühnenboden geklebt war, verkündete, dass „Get off“ der nächste Titel sein würde, zog sich mir kurz die Brust zusammen. Strify würde den Song allein singen müssen. Obwohl er die ganze bisherige Show über Luminors Gesangsparts übernommen hatte – und ich musste ihm anrechnen, dass er sich wirklich größte Mühe gab und es nicht schlecht machte – kam ich nicht umhin, eine Feststellung zu treffen: Er konnte es nicht. Es ging nicht. Er traf nicht einen Ton, konnte diesem Lied einfach nicht annähernd das einhauchen, was Luminor ihm immer gegeben hatte. Nicht nur gesanglich, sein Auftreten war ein völlig anderes. Ich merkte in diesem Augenblick deutlicher als zuvor, dass dies nur Luminors Song war. Es gab keinen anderen Menschen, der ihn würde singen und performen können. Und abermals kam mir eine Aussage von unserem Ältesten in den Sinn: „Cinema Bizarre existiert nur als Cinema Bizarre, jemanden dazuzuholen oder gehen zu lassen, funktioniert einfach nicht.“

Und so war es.

Kurz die Augen schließend, konzentrierte ich mich wieder aufs Gitarrespielen, hatte ich doch gerade gehörig daneben gelangt, wobei mir der kurze, mürrische Blick aus Strifys Richtung bestätigte, dass dieser es nicht überhört hatte. Also blendete ich alles aus und gab einfach zweihundert Prozent.

Und dennoch graute mir ein wenig vor dem morgigen Abend in Amsterdam. Wie sollte ich bloß noch so eine Show überleben? Diese Leere hinter mir schien mich jetzt schon zu verschlingen.
 

Geschafft!

Unser Bus passierte eben das Ortseingangsschild mit den lang herbeigesehnten Buchstaben: Berlin! Wir waren endlich wieder zu Hause.

Nur ganz kurz hatte sich unser Sorgenkind gestern am späten Abend gemeldet, dass er in seiner Wohnung angekommen wäre und sich sofort hinlegen würde. Danach war komplett Funkstille, sooft ich auch nach dem Konzert und auf der gesamten Rückfahrt – die Nacht ausgelassen, denn sowohl er als auch wir brauchten schließlich ein wenig Schlaf – versucht hatte, ihn zu erreichen.

Unruhig rutschte ich auf meinem Sitz hin und her, die Sorge machte mich fast krank.

„Yu, jetzt ist aber mal gut!“, blaffte mich Strify von der Seite an. Natürlich machten wir uns alle Gedanken, doch ich war der Einzige, der in den letzten Stunden zu einem reinen Nervenbündel mutiert war. Selbst Strify, der schnell nervös wurde und sich wie alle anderen um Luminor sorgte, wirkte im Gegensatz zu mir wie die Ruhe in Person. Shin und Kiro dösten zum Glück, nachdem sie die halbe Nacht kaum hatten schlafen können und ständig im Bus herumgetigert waren. Was mir natürlich nicht entgangen war, da ich bis auf wenige Minuten die ganze Nacht wach gelegen hatte.

„Sorry“, nuschelte ich also nur, und begann, an meinem Piercing herumzukauen. Dies hielt ich allerdings nur knappe zwei Minuten durch, dann fischte ich wieder mein Handy aus der Tasche und wählte per Kurzwahl zum gefühlten tausenden Mal heute Luminors Nummer.

Monotones Tuten, nach fast einer Minute sprang die Mailbox an. Entnervt legte ich auf, gab ein Seufzen von mir und steckte das Telefon wieder weg. Verdammt, was machte er nur?!
 

Kaum in unserer WG angekommen, warf ich nur entgegen aller meiner sonstigen Gewohnheiten mein Zeug ins Zimmer, stellte meine geliebte Lady allerdings ordnungsgemäß in ihren Ständer, dann rauschte ich auch gleich wieder zur Wohnungstür hinaus. Kiro und Strify blieb nicht einmal mehr Zeit, mir einen verwunderten Blick hinterher zu werfen.

Schnellen Schrittes machte ich mich auf in Richtung U-Bahn, rannte die Stufen hinunter und hechtete gerade noch durch die sich schon schließenden Türen. Keuchend blieb ich kurz stehen, dann atmete ich einmal tief durch und ließ mich auf einen freien Platz fallen. Vier Stationen, einmal umsteigen, zwei Stationen, ein paar Meter laufen und dann ... dann?
 

Hektisch drückte ich den Klingelknopf, neben dem Luminors bürgerlicher Name prangte. Nicht einmal, nein, ich klingelte Sturm. Verdammt, warum dauerte das so lange? Erneut klingelte ich, diesmal presste ich meinen Finger nur einmal auf den Knopf, allerdings ein paar Sekunden lang.

„Ja?“, kam es leise einen Moment später durch die Gegensprechanlage.

„Lumi, wie geht’s dir?! Ich bin’s, Yu! Lass mich rein!“, sprudelte es aus mir heraus – wenn ich nervös war, sprach ich meistens so schnell, dass mich niemand verstehen konnte, aber das war mir gerade vollkommen egal.

Der Summer ertönte ohne eine weitere Antwort und ich hetzte die wenigen Stufen hinauf. Am letzten Treppenabsatz angekommen, bot sich mir ein wahres Bild des Schreckens: Luminor sah fürchterlich aus.

Wahrscheinlich hatte ich ihn gerade geweckt, denn seine Augen drohten ihm zuzufallen, während er müde in meine Richtung sah, sein Haar war nicht gekämmt, sondern fiel ihm in unordentlichen Strähnen über Schultern und Rücken. Er trug so etwas wie einen Schlafanzug, zumindest sah es nicht so gothic-mäßig aus wie das, was er sonst nur an seinen Körper ließ. Erst dadurch fiel mir auf, wie dünn unser Keyboarder eigentlich wirklich war. Geschminkt war er auch nicht, was wohl seine Augenringe und die leicht hervorstehenden Wangenknochen noch mehr betonte – ich musste in diesem Augenblick zugeben, dass ich ihn noch niemals zuvor ungeschminkt gesehen hatte. Außerdem hing er mehr im Türrahmen, als dass er aufrecht stand.

Atemlos erklomm ich die letzte Stufe und begrüßte ihn mit einer Umarmung.

„Du siehst schlecht aus“, bemerkte ich und sah ihm in die etwas glasigen Augen.

„Nein, es geht schon. Ich bin nur ein wenig müde“, gab er zurück und ließ mich eintreten. Wer Luminor nicht oder nur schlecht kannte, würde wohl meinen, seine Wohnung hätte schwarze Wände und sei voll gestopft mit ausgefallenen Möbeln, inklusive Sarg im Schlafzimmer. Doch das entsprach keinesfalls der Wirklichkeit. Oft war ich noch nicht hier, doch seine Wohnung war hell und gemütlich eingerichtet – natürlich hingen aber im Wohnzimmer und im Schlafzimmer zwei riesige HIM-Poster und ein großes Portrait von der Elisabeth-Sängerin, von der ich mir noch nie den Namen habe merken können. Jedenfalls war sie Holländerin und für meinen Geschmack zu alt. Aber wenn Luminor sie mochte ... ich musste hier ja schließlich nicht leben.

Luminor war vorausgegangen in die Küche, sodass ich mich beeilte, meine Schuhe und Jacke abzulegen und ihm zu folgen.

„Kaffee?“, fragte er, als ich durch die Tür trat, ich nickte. Er trank zwar selbst keinen – er hasste ihn genau genommen – doch hatte er immer ein wenig von dem Gebräu zu Hause, sollte sich mal einer von uns oder seine Mutter bei ihm einnisten.

Während die Maschine vor sich hin gluckerte, ließen wir uns beide am Küchentisch nieder, ich wählte den Platz genau ihm gegenüber, sodass ich ihn eingehender betrachten konnte. Und er war eindeutig nicht nur ein wenig müde.

„Hast du heute schon was gegessen?“, fragte ich in unser Schweigen hinein. Er reagierte nicht, doch das war mir Antwort genug. „Himmel, hast du mal auf die Uhr geschaut?! Es ist fast acht Uhr abends und du hast den ganzen Tag noch nichts gegessen?! Wie willst du da wieder gesund werden, sag mir das mal!“, fuhr ich ihn an und wäre am liebsten aufgesprungen.

„Ich ... ich hab geschlafen“, sagte er kleinlaut. Es war ungewohnt, ihn so zu sehen, doch das bestätigte mir, dass ihm meine Worte zumindest nicht egal waren.

„Du hast gesagt, du musst sehr drauf achten, dass du ordentlich isst, damit genau so was wie vorgestern nicht passiert – und jetzt das.“ Damit erhob ich mich, schnappte mir meinen fertigen Kaffee und lehnte mich gegen die Spüle. Ich musterte ihn genau, als er sich langsam zu mir umdrehte und mich einfach mit ausdruckslosen Augen ansah.

„Tut mir Leid ... Es ist eben ... schwer. Und ich war so müde“, gab er leise zurück, sein Blick klebte förmlich am Fliesenboden fest. Ich hatte in diesem Moment das Gefühl, würde er noch länger hier sitzen, würde er entweder im Sitzen einschlafen oder einfach wieder umkippen. Da ich weder das eine noch das andere riskieren wollte, stieß ich mich von der Spüle ab, stellte meine Tasse auf dem Tisch ab und zog den überraschten Luminor hoch. Wahrscheinlich kam die Bewegung etwas plötzlich für ihn, da ich spürte, wie er sich für ein, zwei Sekunden an mir festhalten musste, weil ihn augenscheinlich ein Schwindelgefühl übermannte.

„Ab ins Bett, Großer. Ich koch dir in der Zwischenzeit was zu essen. Kann ja schlecht zulassen, dass du nicht richtig gesund wirst.“ Ich ließ es so unbeteiligt wie möglich klingen – etwas anderes hätte schon allein mein Stolz nicht zugelassen.

Keiner Antwort oder gar Widerrede fähig, ließ sich Luminor von mir in sein Schlafzimmer bringen, in dem man deutlich die Spuren einer unruhigen Nacht erkennen konnte: zerwühlte Laken, eine zerdrückte Tablettenschachtel – in der beachtlich viel fehlte – und ein halbleeres Wasserglas auf dem Nachttisch, herumliegende Kleidung. Ein sehr ungewohnter Anblick, denn unserem Ältesten war Ordnung fast so wichtig wie mir. Das konnte nur heißen, dass er es tatschächlich nicht schaffte, sich besonders lange auf den Beinen zu halten.

Vorsichtig ließ ich ihn auf seinem Bett Platz nehmen, er sah mich dennoch ein wenig unsicher an. Fürsorge war er wohl wirklich nicht gewohnt. Wie auch, schließlich war er es sonst immer, der sich um uns kümmerte. Zeit, dass ihm das auch mal zuteil wurde.

Ich bedeutete ihm, dass er sich hinlegen sollte, und war überrascht, wie schnell er meiner Aufforderung nachkam, sich in die Kissen sinken ließ und die Decke bis ans Kinn zog.

„Mach einfach ein bisschen die Augen zu, ich schau in der Zeit, was ich zu essen machen kann.“ Damit ließ ich ihn auch schon allein und verschwand wieder in der Küche.
 

Als ich mit der dampfenden Suppenschüssel wiederkam – besonders viel Essbares und vor allem Nahrhaftes hatte er wirklich nicht im Haus – fand ich ihn schlafend vor. Die Decke war halb auf den Boden gerutscht, bedeckte nur noch seine Lenden und die dünnen Beine. Vorsichtig schob ich die Tabletten und das Glas beiseite und stellte die Suppe auf dem niedrigen Tischchen ab. Ich wollte ihn gerade wecken, doch dann hielt ich mich selbst zurück und entschloss mich, ihn noch eine Weile zu betrachten. Wann würde ich wieder die Gelegenheit dazu haben? Vermutlich nicht in naher Zukunft ...

Ich ließ mich auf die Bettkante sinken, meinen Blick auf sein entspanntes Gesicht geheftet. Seine Brust hob und senkte sich gleichmäßig, wahrscheinlich schlief er tief und fest und ihn würde nicht einmal ein Rütteln an seiner Schulter aufwecken. An seiner Schulter ...

Schon hatte sich meine Hand an die weiche Haut seines Halses verirrt, ich lehnte mich ein wenig nach vorn, um mir nicht den Arm dabei auszukugeln. Vorsichtig strich ich zu seiner Schulter hinab und prüfte den Wahrheitsgehalt meiner Vermutung, indem ich ihn leicht anstieß.

„Lumi?“, fragte ich, doch nichts geschah, er bewegte sich nicht einmal. Erneut versuchte ich es, doch er schlief seelenruhig weiter.

Ermutigt durch die ausbleibende Reaktion, machte sich meine Hand aufs Neue selbstständig und streifte nun ein Stück zur Seite, bis sie auf seiner schmalen Brust zum Liegen kam. Deutlich konnte ich seinen Herzschlag fühlen, gleichmäßig und langsam pumpte es das Blut durch seine Adern. Aber auch seine Rippen waren deutlich spürbar, ich konnte sie problemlos zählen, als meine Finger ihre Pfade bis hinab zum Ansatz der Decke zeichneten. Er war so dünn ...

Gedankenverloren starrte ich auf ihn hinab, war so versunken in diesen Anblick, der mich doch eigentlich erschrecken müsste – schließlich war er krank und konnte noch immer einer Kalkwand Konkurrenz machen – dass ich erst aufschreckte als hätte ich einen Stromschlag bekommen, als meine Hand seine nackte Haut berührte. Ohne es richtig mitzubekommen, hatte ich das Shirt ein Stück nach oben geschoben, meine Finger ruhten auf seinem flachen Bauch. Ungläubig starrte ich auf diese Stelle – was, zur Hölle, tat ich hier eigentlich gerade?!



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von: abgemeldet
2008-10-08T16:30:54+00:00 08.10.2008 18:30
Ich stimme Bijay vollkommen zu, so ging mir auch !!!

Echt super geschrieben ;)

Aber leider musste ich feststellen, dass es ein adult - kappi geben wir und das kann ich nicht öffnen *schnief*


Na ja ich hoffe auf eine Art Wunder *zwinker* :D

Mach weiter so !!!
Von: abgemeldet
2008-06-13T14:00:09+00:00 13.06.2008 16:00
Mir fehlen wie immer die Worte wenn ich bei einer deiner Fanfictions lande.

Du hast das mit sehr viel Einfühlvermögen geschrieben und ich habe mich dabei ertappt wie mir die Tränchen hinunterliefen als du Lumi beschrieben hast.

Ich bin schon sehr gespannt was du dir noch so einfallen lässt.

Achja noch eine Frage, wie schaut es bei pain aus. ist da schon was in sicht? *liebguck*
Liebe Grüsse Bijay
Von:  Issyart
2008-06-03T13:46:13+00:00 03.06.2008 15:46
echt schön geschrieben
freu mich wenns weiter geht

LG issy
Von: abgemeldet
2008-06-02T18:13:31+00:00 02.06.2008 20:13
hay!
echt tolles chap!
mach bitte weiter!
GLG Viva


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