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Über mich und Joey Wheeler

Unsere Art befreundet zu sein
von

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Über mich und Joey Wheeler - Unsere Art befreundet zu sein

Es war einer dieser miesen Tage gewesen, die man einfach nur einsam, alleine und mit einem großen Glas Gin beenden konnte. Einer dieser Tage, in denen es mich in die abgelegenste und grauenvollste Bar dieser Stadt zog, weil ich mich dort ungehindert betrinken konnte.

Was so alles geschehen war, war nie von Bedeutung. Im Grunde waren es meist bedeutungslose Dinge, die nur mich dazu brachten den Tag zu verfluchen, aber es war eben so und ich hatte aufgehört zu versuchen etwas daran ändern zu wollen.
 

Es war nicht der erste dieser vielen Abende gewesen, an dem sich ein Blondschopf in einer grünen Jacke zu mir an den Tresen gesellte und sich irgendeinen Cocktail bestellte.

Zuerst hatte ich mich gefragt, ob das einfach nur ein dummer Zufall sei, ein grausames Schicksal oder schlicht und ergreifend Pech, dass er mir begegnete egal wo ich auch hinging, doch mittlerweile sah ich darüber hinweg.
 

Das simple „Hai.“, mit dem er mich begrüßte und die gewohnte Frage, die darauf folgte, „Auch wieder hier?“, beantwortete ich immer nur mit einem schweigenden Nicken.

Die ersten dieser vielen Abende verbrachten wir schweigend. Gelegentlich beobachtete ich wie er stundenlang auf dem Zahnstocher herumkaute, auf dem die Olive für seinen Cocktail steckte, und fragte mich, warum er überhaupt hier war, wenn er seinen Drink selbst nach drei Stunden kaum angerührt hatte.

Im Grunde war er nur in die Bar gekommen, um einen miesen Tag ganz ruhig und gelassen abklingen zu lassen. Der Cocktail spielte dabei wohl die kleinste Rolle.
 

Ich hingegen schüttete mich grundsätzlich mit Gin zu. Ich kannte meine Grenzen und ich war nie betrunken und doch half mir dieses Gesöff all die negativen Dinge des Tages für eine Weile zu vergessen und das war der Grund, warum ich diese Bar so häufig besuchte.

Manchmal ertappte ich den Blondschopf dabei wie er versuche mitzuzählen, wie oft ich mir hab nachschenken lassen, doch er sagte nie etwas. Lediglich ein Kopfschütteln war seine eigene Antwort auf die Frage, die er nicht stellte.

Ich hatte von seinem Vater gehört und ich verstand, dass er daher eine gewisse Abneigung gegen Alkohol hatte, und so hätte ich eigentlich auch gleich begreifen müssen, warum sein Cocktail meist noch fast voll war, wenn er vor mir ging.
 

Irgendwann kamen wir dann ins Gespräch. Es war ganz simpel, offenbar hatten wir ausnahmsweise mal ganz ähnliche Gedankengänge, denn fast zur selben Zeit fragten wir uns gegenseitig, wie es käme, dass wir schon so oft in dieser scheußlichen Bar nebeneinander gesessen hätten und uns dennoch nie irgendwelche Beleidigungen oder sonstige spitze Bemerkungen an den Kopf geworfen hätten.

Die Antwort darauf war ganz simpel: Wir waren nicht dort, um zu streiten, sondern um einfach nur zur Ruhe zu kommen und somit war bewiesen, dass selbst so ein aufgeweckter Junge wie Joey Wheeler irgendwann mal Ruhe brauchte.
 

Die Dinge hatten sich in den folgenden Wochen einfach entwickelt. Wir sprachen über dies und jenes. Unser Leben heute, unsere Kindheit. Wir sprachen über Duellmonsters und unsere Geschwister. Es machte mir fast Angst, dass man sich mit Wheeler normal unterhalten konnte. Ab und an hatte er sogar mal einen Geistesblitz und redete über tiefgründigere Dinge. Er zeigte Verständnis für meine Probleme und versuchte mir zu helfen, wenn er konnte.

So war es natürlich nur eine Frage der Zeit, bis ich mich irgendwie verpflichtete fühlte auch einmal etwas Gutes für ihn zu tun. Doch es war schwierig. Wheelers Probleme waren so ganz anders als meine. Sie waren schwieriger und die meisten davon konnte man leider nicht einfach mit Geld beseitigen.

Doch offenbar wollte er meine Hilfe auch nicht, zumindest nicht so. Er sagte mir, dass es ihm schon reiche, wenn er wüsste, dass die Menschen in seiner Umgebung hinter ihm stünden und ihn unterstützten. Vor allem die Menschen, die er als seine Freunde betrachtete.
 

Dieses Gespräch regte mich irgendwie zum Nachdenken kann. Betrachtete er etwa ausgerechnet mich als einen seiner Freunde? Dass Yugi das tat, wunderte mich ja nicht, aber ausgerechnet Wheeler?

Ich besuchte die Bar irgendwann nicht mehr, weil ich verstand, dass meine Probleme es nicht Wert waren, in Alkohol ertränkt zu werden und dass Zuhause Menschen auf mich warteten, die mich brauchten, und zwar ganz nüchtern.

Und doch konnte ich Joey Wheeler und unser Gespräch einfach nicht vergessen. Um mit mir und ihm ins Reine zu kommen, musste ich mir endlich darüber im Klaren werden, wie ich zu ihm stand.
 

Bisher hatte ich in ihm immer nur einen zweitklassigen Duellanten gesehen. Einen räudigen Köter, der nichts war und nichts hatte. Ein nerviges - oder eher das nervigste - Mitglied von Yugis Kindergarten Truppe.

Doch in den letzten Jahren hatten wir so einiges erlebt und ich musste ernsthaft überdenken, ob ich ihn noch immer so sah oder sehen wollte. Immerhin hatte ich ihn mittlerweile auch von einer anderen Seite kennen gelernt.
 

Ich habe lange darüber nachgedacht und viele Nächte nicht schlafen können, aber irgendwann begriff ich, wie ich wirklich zu Joey Wheeler stand, und es erschreckte mich.

Ich war neidisch. Ich beneidete ihn um seine Art so frei und fröhlich zu sein. Ich fühlte mich noch nie frei und das simple Gefühl fröhlich zu sein, war mir fremd. Auch hatte er so viele Freunde, die – wenn sie auch nervig und dumm waren – immer zu ihm hielten, egal wie dumm er sich anstellte oder wie kindisch er sich benahm. Außer Mokuba hatte ich lange niemanden, der so zu mir war, und wenn doch, dann wies ich diese Menschen immer kalt zurück. Ich war neidisch auf das viele Glück, das er beim Duellieren hatte. Er konnte immer einfach so an ein Duell rangehen, er hatte nie eine Strategie und doch gewann er fast immer. Ich könnte nie ein Duell gewinnen, wenn ich keine Strategie hätte...
 

Ich wusste natürlich, dass es Joey Wheeler im Grunde genau so ging. Er war neidisch auf meinen Erfolg und das viele Geld, das er nie besaß und wohl auch nie besitzen wird. Es störte ihn, dass alle in mir eine Autoritätsperson sahen und ihn alle wie ein kleines, dummes Kind behandelten. Vielleicht ist er sogar neidisch auf meine Duellierkünste und meine Art die Dinge anzugehen. Immerhin hat ihn sein Glückspiel schon immer eine Menge Lebenspunkte und auch einige Duelle gekostet...
 

Wir beneideten uns gegenseitig um die Dinge, die wie nie hatten und gerne haben würden. Doch das würden wir nie zugeben.

Wir hatten auch einige Gemeinsamkeiten wie ich feststellen musste. Wir beide liebten unsere jüngeren Geschwister wie kaum ein zweiter. Wir würden alles für sie geben, sogar unser Leben, wenn es nötig wäre. Wir beide hatten eine traurige und häufig einsame Kindheit und wir beide verarbeiteten all das Negative, das uns wiederfahren war, in unseren Duellen und hatten – jeder auf seine Weise – Erfolg damit.
 

Wir waren einfach zu verschieden, um jemals richtig befreundet zu sein, und doch konnte ich ihn jetzt verstehen. Alles würde nun einfacher sein, denn ich wusste nun endlich, was mich und den Köter miteinander verband, ebenso wie ich wusste, was uns immer voneinander fern halten würde, und das war gut so.

Denn endlich hatte ich begriffen, dass er okay war.

Anders konnte ich mir nicht erklären, dass ich die vielen Gespräch mit Wheeler recht erbaulich fand und ihn gedanklich auf einmal häufig sogar Joey nannte und feststellte, dass er, mal abgesehen von seiner Hirnlosigkeit, Tollpatschigkeit und seiner Talentlosigkeit beim Duellieren, doch gar kein so schlechter Kerl war.

Niemand, mit dem ich befreundet sein oder auf der Straße zusammen mit ihm gesehen werden wollte, aber jemand, der, für seine Verhältnisse und das alles, ganz in Ordnung war.
 

Und so machte ich mich heute endlich wieder auf den Weg in die Bar. Dieses Mal jedoch hatte ich Mokuba und Ishizu bei mir. Der Blondschopf saß bereits an der Bar und flirtete) – wie auch all die vielen Male zuvor – mit der Barfrau, die niemand anderes war als seine große Liebe Mai. Neben ihm saß der Igelkopf mit seiner nervigen Freundin Tea und irgendwo daneben saßen auch der Einhornschädel und Wheelers naive Schwester.
 

„Hai.“, meinte Wheeler nur kühl. „Auch wieder hier?“, grinste er mir dann entgegen.

Anstatt eines Nickens erwiderte ich jedoch: „Denk ja nicht, dass ich deinetwegen hier bin, Köter.“, es klang kühl und abweisend, doch an Wheelers grinsendem Nicken erkannte ich, dass er mich verstanden hatte.

Es war ein Friedensangebot. Wir konnten keine Freunde sein. Doch wir konnten uns respektieren, akzeptieren und auch ab und an mal unterstützen. Das war alles, was wir wollten und alles was wir brauchten.
 

Es war unsere Art befreundet zu sein...
 

~~~
 

Über Kommentare würde ich mich sehr freuen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Jien
2009-11-29T21:34:04+00:00 29.11.2009 22:34
;____;
Nur 3 Kommentare zu so einer guten Geschichte?
Das macht mich traurig, sogar sehr traurig...
Ich finde Seto sehr gut charakterisiert, besonders weil er zwar zu einem Schluss kommt, was seine Beziehung zu Joey angeht, aber es ein offener Schluss ist.
Es gibt keinen leichten Weg für die zwei, kein Klischee-Happy Ending, keine Abkürzung. Weder auf Beziehungsebene, noch als Freunde.
Diese Lösung - geteilter Respekt und das Wissen um die Differenzen die man hat - sind der ideale Mittelweg zwischen bitterer Feindschaft und der Bettgeschichte die die beiden nunmal nie haben werden.
Bravo!

Und ick liebe dir für den Polarshipping-Hint! *~*

Von:  miramiri
2009-01-30T19:58:51+00:00 30.01.2009 20:58
iwei hast du nur 2 kommi für die ff bekommen..*grübel*
ich finde du hast mehr verdient. ich finde die gedanken nicht schlecht und du hast es echt super umgestzt und ich finde es klasse, das sich mal jemand traut so was zu schreiben. respekt!!!
Von:  Tea_Kaiba
2008-05-15T20:25:48+00:00 15.05.2008 22:25
Hooray - Solche Geschichten brauchen wir, viel öfter sogar noch.
Freundschaft kommt in Fanfictions definitiv zu kurz, vor allem, wenn es sich um etwas komplexere Beziehungen handelt. Klar, dass Yugi und Joey befreundet sind - die Tatsache streift jeder irgendwann mal. Aber wenn es um Seto und Joey geht, haben wir entweder gnadenlose Abneigung oder sofort eine Bettgeschichte (von den vielen, vielen OOC-Romanzen gar nicht zu reden).

Grosses Lob an dich, dass du mit dem Stereotyp gebrochen hast! :)
Ich finde, du bringst Seto sehr glaubhaft rüber. Auch die Art, wie er von Joey spricht - skeptisch, aber langsam doch mit Respekt - passt sehr gut.
Die allerletzte Szene fand ich nicht ganz so gelungen, weil das Ganze da auf einmal in eine Party ausgeartet ist, mehr oder weniger. Aber ansonsten fand ich die FF wirklich klasse. :)
Von: abgemeldet
2008-05-04T14:32:41+00:00 04.05.2008 16:32
Eine wirklich super Geschichte Kaiba wirkt irgendwie menschlich aber nicht übertrieben Hast du echt gut hinbekommen

PS: Die bezeichnung Einhornschädel (XD) ist mir zum ersten mal untergekommen coole Idee!


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