Schrilles Vogelgezwitscher, dieses grelle Licht... Er wollte nicht, wollte noch nicht aufwachen... Viel zu schön waren seine Träume gewesen, und so erholsam wie schon lange nicht mehr... Er spürte diesen pochenden Schmerz in seinem Kopf, hielt die Augen noch geschlossen, lag einfach nur da...
Wie automatisch ließ er seine Hand über das Bettlaken streichen und lächelte sanft, als er spürte, dass es noch warm war. Wieder und wieder strich er darüber, bis er plötzlich stockte und die Augen aufriss. Warum war das Bett warm?
Ungläubig starrte er auf eine Stelle, nur wenige Zentimeter von sich entfernt. Es dauerte eine Weile, bis er sich wieder an gestern Abend erinnerte... Sie waren gemeinsam einen trinken gewesen, Reita hatte ihn dazu überredet... Er hatte so viel getrunken. Daher wohl auch diese schrecklichen Kopfschmerzen... Und dann wurde er nach Hause gebracht und... und vorsichtig ins Bett gelegt, hatte den anderen nicht mehr gehen gelassen...
Schwer musste er schlucken. Warum bloß war er so anhänglich gewesen? Eigentlich war er doch sauer auf ihn, und nun das...
Er biss sich auf die Unterlippe, starrte immer noch auf den Fleck, wo bis vor Kurzem noch Uruha gelegen haben musste... War er etwa die ganze Nacht hier geblieben?
Schnell stand er aus dem Bett auf, zu schnell, denn ihm wurde kurz schwarz vor Augen und er musste sich festhalten. Verdammt, warum hatte er so viel getrunken?! Egal, er wusste ja selbst, dass so etwas meist nichts brachte, und dieses Mal... Er schluckte wieder schwer, ehe er sich nun ganz aufrichtete und durch die Wohnung ging, ja beinahe rannte, auf der Suche nach... ihm. Doch... er war nicht mehr da, hatte sich aus dem Staub gemacht...
Niedergeschlagen sackte Aoi zusammen, ließ sich auf den Boden sinken und starrte seine Knie an. Erst jetzt fiel ihm auf, dass er nicht nackt war.
Warum bloß... warum hatte er nichts gemacht? Er hatte mit ihm gekuschelt, war die ganze Nacht hier geblieben und... hatte nichts gemacht, rein gar nichts... Aoi erschrak, als er spürte, wie ihm heiße Tränen die Wangen hinab rannen. Warum weinte er denn jetzt auch noch? Sollte er nicht eigentlich froh sein, dass nichts geschehen war? Schließlich wollte er doch nicht, dass er ihn so anfasste. Er wollte es nicht... Aber gestern war Uruha doch so anders gewesen, so... so sanft und zurückhaltend... so liebevoll und liebenswert... Gestern hatte er sich benommen wie ein... wie ein Freund...
Noch mehr Tränen rannen seine Wangen hinab und er begann zu schluchzen, umschloss seine Knie mit den Armen, zog sie ganz dicht an sich heran. Ihm war plötzlich so kalt, er fühlte sich so verlassen... Sein Schluchzen wurde lauter. Er wollte nicht, dass er weg war. Er sollte hier sein, hier bei ihm! Warum war er die Nacht hier geblieben? Er verstand das einfach nicht... Sonst hatte Uruha doch alles versucht um ihn ins Bett zu kriegen und nun waren sie im Bett gewesen, zusammen, ganz dicht beieinander, und was war geschehen? Nichts! Hätte er doch bloß etwas getan, ihn angefasst, so wie sonst immer, ihm gesagt, was er wollte, und es dann einfach gemacht! Er hätte die Chance gehabt, Aoi hätte sich nicht gewehrt, dazu wäre er doch gar nicht mehr in der Lage gewesen... Merkte Uruha denn nicht, wie sehr er ihm weh tat? Merkte er nicht, was in ihm vorging? Er hatte zwar gesagt, dass er ihn ganz wollte, aber insgeheim hatte er gehofft, dass der Blonde nicht so schnell aufgeben und es weiter versuchen würde, bis er sich dann schließlich einfach genommen hätte, was er wollte... Doch nichts war geschehen, rein gar nichts...
Aoi zuckte zusammen, als es plötzlich an der Tür klingelte. Doch wozu sollte er jetzt aufstehen? Um wieder enttäuscht zu werden, da es ganz sicher nicht Uruha war, der vor seiner Tür stand? Das wollte er nicht... Bald würde er diesen Schmerz nicht mehr ertragen...
Nun hörte er aber Reitas Stimme, er schien sich Sorgen zu machen...
Er wischte sich die getrockneten Tränen vom Gesicht und schlurfte dann zur Tür. So schlecht wie jetzt war es ihm schon lange nicht mehr gegangen... Egal, was passiert war, das hier übertraf alles...
Er öffnete leicht widerwillig die Tür, wollte doch jetzt nur allein sein, einfach nur allein! Ohne Reita, und vor allem ohne Uruha! Und trotzdem öffnete er die Tür, sah den Blond- Schwarzhaarigen aus verquollenen Augen an und wurde von ihm ohne ein Wort in den Arm genommen. Wieder musste er weinen. Er wollte von Reita nicht so berührt werden, nicht von ihm...
„Was hat er schon wieder gemacht?“, fragte der Bassist nach einigen Augenblicken und Aoi konnte nicht anders als wieder laut zu schluchzen. Er spürte, wie Reita sich verspannte. Dachte er etwa wirklich, dass Uruha schon wieder...? So abwegig war das Ganze ja eigentlich auch nicht... Doch um das zu klären schüttelte er leicht den Kopf und löste sich von seiner Umarmung.
„Nichts... Das ist es ja...“ Reitas verwirrter Gesichtsausdruck verriet einiges. Er verstand das alles wohl nicht... Aber Aoi verstand sich ja selbst kaum noch, wie sollte es dann jemand anderem gelingen?
Er wischte sich die Tränen weg, doch es kamen immer wieder neue...
Reita sah ihn einfach nur an und überlegte, was Aoi damit gemeint haben könnte, als der Schwarzhaarige dann plötzlich lächelte. Das hielt aber nicht lange an, schon nach wenigen Augenblicken vergrub er sein Gesicht in den Händen und schluchzte wieder leise.
„Er... er hat hier geschlafen...“, hauchte er mit zitternder Stimme und biss sich dann leicht auf die Unterlippe. „Nur hier geschlafen...“
Er lehnte sich an die Wand, ließ sich daran herunter gleiten und wippte leicht vor und zurück.
„Warum hat er nichts gemacht?...“
Reita kniete sich zu ihm und nahm ihn einfach wieder in den Arm. Mehr konnte er im Moment nicht tun. Was sollte er denn auch sagen? Er wusste nicht, was in Aoi vor ging, aber noch weniger wusste er, was mit Uruha los war. Warum hatte er bloß die Nacht hier verbracht, es aber nicht mal versucht? Da musste doch irgendwas dahinter stecken...
„Ich hätte das nicht tun sollen... das war keine gute Idee... dich zu überreden und dann auch noch von Uruha nach Hause bringen zu lassen... Es... es tut mir leid...“, hörte er nun Reita leise sagen und er wusste nicht wie er darauf reagieren sollte. Wenn überhaupt jemand an dieser ganzen Situation Schuld war, dann doch wohl er selbst... Er klammerte sich einfach zu sehr an diese Gefühle, die eh nie erwidert werden würden... Vielleicht... vielleicht sollte er einfach lernen, loszulassen und Uruha einfach vergessen...
