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Bleibt alles anders

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I. Kapitel

Es war nicht mehr das Gleiche. Nein, das war es absolut nicht.

George Weasley, seit einigen Monaten alleiniger Inhaber von Weasleys Zauberhaften Zauberscherzen, saß vor dem Arbeitstisch in dem Hinterzimmer seines Ladenlokals in der Winkelgasse und starrte auf einen Haufen... Zeug. Anders konnte man das, was da vor ihm lag, wohl kaum nennen. Eigentlich waren diese Etwasse dazu gedacht, die Nachfolger der berühmten Kanarienschnitten zu werden und die unschuldigen Wesen, die sie aßen, in Katzen, Hunde und Schildkröten zu verwandeln. Wie gesagt: eigentlich. Denn das Problem war, dass er nicht mit den Cremeschnitten vorankam. Er hatte die Zutaten vor sich liegen, aber dennoch fehlte... der gewisse Funke. Es fehlte der Austausch mit Fred. Das Herumalbern, das hemmungslose Ausprobieren, während der andere jegliche Notfallzauber bereithielt. Es fehlte die kreative Explosion.

George biss sich auf die Unterlippe und schob einen Haufen Salmiakpastillen missmutig beiseite. Seine Stirn knallte auf den Holztisch und er schloss die Augen.

Ron und Ginny versuchten, im Laden auszuhelfen und ihn bei der Entwicklung neuer Ideen zu unterstützen, doch das funktionierte nicht. Sie waren eben nicht Fred.

Keiner war Fred. Und Fred war nicht mehr da.

Und das war das Problem.

Müde öffnete George wieder die Augen und richtete sich auf. Was brachte das hier schon noch? Er sollte lieber zusehen, dass er ins Bett kam und sich ausschlief. Vielleicht würde ihm dann ja etwas einfallen, wie er die Haustierschnitten fertig bekam. Er brauchte dringend neue Ideen – denn das Weihnachtsgeschäft stand bald vor der Tür und die meisten Hogwartsschüler beschenkten ihre Freunde mit den Überraschungsleckereien der Weasleyschen Zauberscherze.

Ihre letzte gemeinsame Idee war eine Weihnachtswundertüte gewesen, bei der der Käufer selbst nicht wusste, was genau der Beschenkte erhielt – und die sich bei einigen ersten Testverkäufen als absoluter Renner erwiesen hatte. Offenbar gefiel die Überraschung den meisten Käufern beinahe genauso gut wie die Scherzideen. Doch was brachte eine Wundertüte, wenn es nichts gab, womit man sie füllen konnte?

Der Rotschopf seufzte tief und stand auf. Seine Bewegungen waren matt, seine Schultern hingen und der Glanz schien beinahe völlig aus den braunen Augen gewichen zu sein. Es fehlte das lebendige und überdrehte Funkeln darin, das die Zwillinge immer ausgezeichnet hatte. Und das sorgte wiederum dafür, dass Molly Weasley vor Sorge um ihren Sohn beinahe durchdrehte und die gesamte Familie noch wahnsinnig machte. Sie hatte das Gefühl, noch einen Sohn zu verlieren – und das war für sie absolut unerträglich.

George wusste das – aber er konnte ihr auch nicht den Gefallen tun, sich zu verstellen und sein Innerstes zu verbergen. Ihm fehlten ja sogar die Ideen für irgendwelche kleinen Idiotereien, die Fred und er immer ausgeheckt hatten, um selbst in den schlimmsten Situationen die Familie zum Lachen zu bringen. Er war ausgebrannt und leer. Vollkommen ideenlos.

Und das war mit das Schlimmste.

Er vermisste diese kreativen Feuerwerke.

Und er vermisste verdammt noch mal Fred. Sein zweites Ich, seinen Bruder und besten Freund.
 

Am nächsten Morgen zwang sich George mehr oder weniger aus dem Bett. Am liebsten hätte er sich die Bettdecke über den Kopf gezogen und einfach weitergeschlafen. Mindestens bis in die Ewigkeit, wenn nicht sogar noch viel, viel länger. Aber das ging wohl kaum. Vor allem nicht, da seine Mutter ihren Besuch für den Nachmittag angekündigt hatte und somit spätestens um zwölf vor der Tür stehen würde. Wahrscheinlich mit einem riesigen Fresspaket, einem dicken Wollpullover, frischen Socken und Rasierwasser, weil sie fand, dass Georges Rasierwasser einfach scheußlich roch. Sie konnte es einfach nicht lassen. Und sie würde es auch nicht lassen. Sie quengelte ja auch bei Bill immer noch, ob sie ihm nicht vielleicht doch die Haare kürzen konnte. Immerhin reichten sie dem ältesten der Weasley-Söhne mittlerweile bis zum Allerwertesten.

Außerdem stand besondere Kundschaft an. Kundschaft, die sich grundsätzlich nur zur Hintertür hereintraute.

„Du siehst beschissen aus, Weasley“, schnarrte die kühle Stimme zur Begrüßung.

„Dir auch einen wunderschönen guten Tag, Malfoy“, konterte George gelassen. „Willst du das nächste Mal durch die Vordertür kommen müssen wie alle anderen?“

Der Malfoy-Erbe verschränkte die Arme vor der Brust und funkelte den rothaarigen Mann an, verkniff sich aber jegliches Kontra. Sie wussten ja beide, weswegen er hier war. Und dass es ihm trotz aller Waffenstillstände zwischen Harry Potter und ihm sowie den Weasleys und ihm nicht möglich war, durch die Vordertür in diesen Laden zu gehen, um einen Teil seines Familienvermögens auszugeben. So weit reichte seine Fähigkeit dann doch nicht, über seinen Schatten zu springen. Es bedeutete ja schon genug, dass er überhaupt herkam. Wobei das vermutlich aber einfach ein Anzeichen dafür war, dass er ein ernsthaftes Problem hatte.

„Kommen wir zur Sache, Weasley“, lenkte Draco Malfoy schließlich ein. „Zwei Hunderterpackungen.“

„Oha.“ George zog eine Augenbraue hoch. „So schlimm?“

Die Antwort war ein eindrucksvolles Verdrehen der grauen Augen. „Bei Merlin, Weihnachten steht vor der Tür. Hast du eine Ahnung, was Frauen dann auf einmal einfällt, was denn alles ach-so-entzückend und ach-so-umwerfend und unglaublich-süß-nicht-wahr-Schatz ist?“

„Du lässt dich Schatz nennen?“ George lachte leise, was ihm einen giftigen Blick einbrachte, der jedoch vollkommen an ihm abprallte. „Dich muss es wirklich erwischt haben.“

Draco zuckte mit den Schultern. „Das soll vorkommen, oder?“

„Hast du auch schon mal davon gehört, dass man Menschen so lieben sollte, wie sie sind?“ George stützte sich amüsiert an seinem Arbeitstisch ab.

„Oh ja. Und ich habe festgestellt, dass das de facto nicht gerade umsetzbar ist. Wer kann schon mit jeder Macke eines Menschen umgehen und diese akzeptieren? Man versucht den anderen zu ändern. Jeder versucht den anderen nach seinen Vorstellungen zu formen, damit er auch wirklich perfekt ist. Das sind die Spielregeln.“

„Und der Slytherin greift natürlich zu gewissen magischen Hilfsmitteln.“ George schüttelte den Kopf, zog eine Schublade auf und ergriff zwei Schachteln, die er Draco lässig zuwarf.

„Natürlich.“ Draco lachte und fing beides beiläufig auf. Der Quidditchsucher in ihm war immer hellwach.

„Du solltest mal ein Freundschaftsspiel zwischen den alten Teams organisieren...“, wechselte George das Thema. „Harry würde vor Begeisterung sofort aus dem Büro stürmen, wenn er wieder gegen dich fliegen könnte.“

Draco lachte auf. „Das kann ich mir vorstellen. Ist eh eine Schande, dass er in dem Aurorenbüro verschimmelt.“

George zuckte mit den Achseln. „Jedem das seine.“

„Eben.“ Stillschweigend wechselte eine gewisse Anzahl an Münzen den Besitzer.

„Wann darf ich wieder mit dir rechnen? In zwei Wochen?“ George grinste breit. Normalerweise tauchte Draco höchstens einmal im Monat auf und kaufte eine Fünfzigerpackung der Halt-die-Klappe-Bonbons, doch derzeit schien es eher so, als wenn er noch mehr davon brauchen würde.

„Schauen wir mal. Halt auf alle Fälle einen Vorrat bereit.“ Draco nickte knapp und wandte sich um, um durch die Hintertür wieder zu verschwinden. George widmete seine Aufmerksamkeit wieder den Haustiercremeschnitten. Irgendwie musste das doch...

„Es war keine böse Bemerkung vorhin. Du siehst wirklich beschissen aus. Und so, als wenn du die Arbeit hier nicht schaffst.“ Dracos Stimme riss ihn brutal aus seinen Gedanken und sorgte dafür, dass er einen Augenblick lang nur verwirrt blinzelte.

„Was?“

„Bei Merlin, Weasley, du brauchst Hilfe hier im Laden!“

„Wieso? Ich hab doch Verity... Sie verkauft und...“

„Ja, aber nicht diese Art von Hilfe. Du kriegst die ganzen Neuentwicklungen doch gar nicht mehr auf die Reihe.“

„Ach, beobachtest du unser Geschäft so genau?“ George funkelte den ehemaligen Slytherin zornig an. Was maßte sich dieser Mistkerl eigentlich an? Ihn hatte nicht zu interessieren, wie es ihm ging! Das hatte verdammt noch mal niemanden!

„Bei Merlin, welche Wahl hat man denn, wenn man Augen im Kopf hat?“ Draco lehnte sich gegen die geschlossene Tür und erinnerte George auf einmal an ein Frettchen, das sich entschlossen hatte, zum Angriff überzugehen. Wahrscheinlich sträubte es sogar gerade das Fell...

„Was ich sehe, ist, dass der Laden den Bach runtergeht. Anstatt eine Fortsetzung des kometengleichen Aufstiegs hinzulegen, wie alle prophezeit haben, stürzt dieser Laden ab! Schau doch in deine verdammten Bücher. Du brauchst dieses beschissene Weihnachtsgeschäft, um nicht Pleite zu gehen, George. Und das ist nur die Wahrheit!“

Perplex starrte dieser den blonden Mann an. Das letzte, was er erwartet hatte, waren solche Worte. Worte, die seine Situation sehr genau auf den Punkt brachten, eine Situation, von der noch nicht einmal seine Familie eine Ahnung hatte. Er war so verblüfft, dass ihm sogar die Tatsache entging, dass es Draco Malfoy gerade gewagt hatte, ihn mit seinem Vornamen anzusprechen.

„Ergo: Du brauchst Hilfe. Jemanden, der fähig ist, Ideen umzusetzen und welche zu entwickeln. Jemanden, der dazu bereit ist, in dieses risikoreiche Geschäft einzusteigen und selbst keine Wahl hat. Und der ausgezeichnet auf dem Gebiet der Zusammenführung magischer Ingredienzen ist“, fuhr der Malfoy-Sprössling überlegt fort.

„Lass mich raten: Du hast jemanden bei der Hand?“, erwiderte George spöttisch und fand mühsam zu seiner gewohnten Art zurück.

„Das habe ich wirklich.“ Dracos Antwort war ernst, von Spott, Hohn und jeglichem Slytheringetue war nichts zu spüren. „Jemanden, der verzweifelt genug wäre, hier anzufangen. Allerdings... wäre es empfehlenswert, wenn niemand davon erfahren würde.“

„Ein entlaufener Verbrecher? Ein ehemaliger Todesser? Vergiss es, Malfoy! Dafür bin wiederum ich nicht verzweifelt genug!“ Georges braune Augen funkelten zornig. „Verschwinde!“

„Du bist verzweifelt genug.“ Draco machte keine Anstalten, sich von der Stelle zu rühren. „Und er ist es auch.“

„Malfoy... Das ist absolut bescheuert!“

„Versuch es zumindest.“ Auf einmal war seine Stimme bittend, beinahe schon an der Grenze zum Betteln und Georges Augen wandelten sich zu misstrauischen Schlitzen.

„Warum liegt dir so viel daran, Malfoy? Was gewinnst du dadurch?“

„Jemandem etwas zurückzugeben“, antwortete der Blonde langsam. „Jemandem, der eine zweite Chance braucht.“

George seufzte tief. „Schick ihn her. Heute Abend. Dann schauen wir, ob etwas daraus wird.“

Ein Nicken war die Antwort und kurz darauf verschwand der ehemalige Slytherin durch die Hintertür im ersten Schnee dieses Jahres. Weiße Flocken tänzelten von einem grauen Himmel, legten sich weich über das dunkle Kopfsteinpflaster der Winkelgasse und verbargen die kleinen Unebenheiten, bis sich eine weiche Fläche gebildet hatte, die reine Perfektion vorgaukelte. So, wie es mit dem menschlichen Leben aussah, bis man das Wesentlichste daraus entfernte.



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