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Das Blut der Lasair

von

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Tränen aus Blut

Tränen aus Blut
 


 

Catherine lag mit Lestat auf ihrem Bett und hatte die Augen geschlossen. Er lauschte ihren Atemzügen und streichelte ihre Wange, ihren Oberarm und strich ihr durch die Haare.

„Ich bin so müde.“ murmelte sie leise, worauf er sich seitlich auf einen Ellenbogen aufrichtete und sie anblickte.

Er hatte wertvolle Zeit vergeudet, sie nicht anzusehen. Er konnte nichts sagen, sondern küsste sie nur auf die Stirn. Sie war stiller geworden. Stiller. Leiser. Ihr Herz schlug langsamer und schwächer. Ihr Atem war so flach geblieben, doch sie atmete seltener, als wollten ihre Lungen nicht mehr. Als wollte sie nicht mehr.

„Ich denke, ich werde gleich einschlafen.“ fuhr sie fort und schlug die Augen auf.

Ihre Augen fanden seine und Lestat sah in ihrem Blick, dass sie nicht glaubte, noch einmal aus ihrem Schlaf aufzuwachen. Er schluckte und festigte seine Umarmung um sie.

„Es tut mir leid, Lestat.“ flüsterte sie und berührte schwach mit ihrer Hand seinen Arm, den er um ihren Oberkörper geschlungen hatte.

„Nicht, Catherine. Sag’ nicht, dass es dir leid tut.“ bat Lestat leise.

Wenn es ihn nicht gegeben hätte, und Magnus nicht, dann müsste sie nun nicht sterben. Ihr hatte nichts leid zu tun! Magnus war an allem Schuld. Margaret war an allem Schuld. Und er, da er nichts tun konnte.

„Doch, mir tut so vieles leid… Dass ich dich kennen gelernt habe, kann ich auf keinen Fall zu diesen Dingen rechnen, Lestat.“

„Catherine…“

„Ich kann mit dem Leben nicht hadern. Es hat mir dich geschenkt.“

Lestat strich Catherine über das Haar und sprach nicht. Er konnte nichts sagen. Es war zu viel. Er spürte die blutigen Tränen in seine Augen steigen und einen dunkelroten Schleier über seinen Blick legen.

Catherine streichelte ihm über die Wange und lächelte. Nein, sie würde die Monate mit ihm nie bereuen. Es stimmte, was sie in ihrem Traum gesagt hatte.

„Ich liebe dich.“ meinte sie ruhig und blickte ihm dabei in die Augen. „Vergiss’ es nicht.“

„Ich werde es nicht vergessen. Wie könnte ich? Es wird in jedem meiner Gedanken sein. Du wirst in jedem meiner Gedanken sein.“ brachte er schließlich heraus und nahm ihre Hand in seine.

„Vergiss dich selbst darüber nicht, Lestat. Ich möchte nicht, dass du… dich zerstörst.“ entgegnete sie vorsichtig, da sie ihn besser kannte, als er wahrhaben wollte. „Du trägst keine Schuld.“ redete sie auf ihn ein.

„Ich weiß.“ versicherte er, doch sie glaubte ihm nicht ganz, wie auch er seinen Worten keinen Glauben schenkte.

„Lea braucht dich.“ meinte sie, worauf Lestat nickte. „Und ich muss wissen, dass du zurecht kommen wirst… dass du weitermachen wirst.“

„Du bist alles für mich geworden, Catherine.“ gestand er und schüttelte den Kopf. „Du bist alles.“

„Bitte… Lestat, du musst leben.“ bat sie und fühlte, wie ihre Kräfte wichen.

„Von einem Toten zu verlangen, er solle leben… Wie gerne wollte ich dir diesen Wunsch erfüllen, Catherine, doch ich bin schon lange tot. Du hast mich nur erneut zum Leben erweckt, doch ohne dich falle ich zurück in die Dunkelheit, aus der ich komme.“

„Du gehörst nicht in die Dunkelheit.“ murmelte Catherine mit leiser Stimme und ließ ihre Hand an seiner Wange liegen.

„Ich gehöre nicht länger auf diese Welt, wenn du nicht in ihr bist.“ widersprach er, worauf Catherine die Tränen in die Augen stiegen.

„Ich will, dass du lebst!“ erwiderte sie, doch hinter ihren Worten steckte nicht mehr die Kraft, die sie ihnen gerne verliehen hätte.

Vergebens versuchte sie, sich aufzurichten und wollte weitersprechen, doch Lestat fuhr zärtlich mit seinem Finger über ihre blassen Lippen.

„Ich werde mein Versprechen halten, mich um Lea zu kümmern, meine liebste Catherine, aber mehr kann ich dir nicht versprechen.“

Catherine schüttelte traurig den Kopf, wusste aber, dass er nicht mit sich reden ließe. Es trug nicht gerade dazu bei, dass sie sich besser fühlte, nun da sie wusste, dass sie Lestat am Anfang eines zerstörerischen Weges zurückließ, doch sie war inzwischen schon zu müde, um ihm etwas entgegen zu setzen. Ihre Kraft schwand.

„Es tut mir leid, dass ich dir Kummer bereite, Catherine.“ flüsterte er und küsste ihre Stirn. „Ich kann dich nur nicht belügen.“

„Ich weiß, Lestat, aber deshalb macht es mich nicht weniger traurig.“ flüsterte sie, worauf er sein Gesicht in ihr Haar presste und stumm blieb.

Catherine wusste, was sie schon von ihm verlangte. Sie sterben zu lassen. Das war wirklich viel verlangt und mehr konnte sie tatsächlich nicht verlangen. Sie hatte von ihm mehr bekommen, als sie erwartet hatte, als sie gehofft hatte und als sie erträumt hatte. Seine Liebe. Einmal in ihrem Leben. Und bis zum Ende ihres Lebens.
 

Sie fühlte, dass ihre Schläfe nass wurde und wusste, dass Tränen aus Blut aus seinen Augen traten und ihre Haut benetzten. Tränen aus Blut. Catherine schloss die Augen und ließ ihre Hand auf seinem Rücken ruhen. Ihr Herz schlug einige Male heftig und unregelmäßig, was sie in der Brust sehr schmerzte, doch sie zuckte nicht zusammen.

Es war beinahe, als sei sie nicht mehr Teil dieses Schmerzes oder Teil dieses Körpers. Catherine strich Lestat über den Rücken und zwang ihn schließlich mit sanftem Druck, sie anzusehen. Sie wollte nicht einschlafen, doch sie konnte es nicht mehr viel länger verhindern. Musste sie jetzt schon gehen? Musste sie ihn jetzt schon verlassen?

Lestats Tränen hatten kleine, rote Rinnsale auf seiner Haut hinterlassen. Catherine zog ihn zu sich und führte seine blutbefleckten Lippen auf ihre. Sie wollte nicht gehen. Sie wollte nicht sterben. Sie wollte bleiben. Ihre Tränen vermischten sich miteinander, als ihre Lippen sich ein letztes Mal fanden und sich in zärtlicher Leidenschaft verloren.

Lestats Blut auf ihren Lippen und das wenige, das in ihren Mund gelangte, brannte wie Feuer, doch sie spürte keinen Schmerz, denn eine lähmende Kälte hatte sich über sie gelegt. Das Feuer wärmte sie nicht. Es verbrannte sie nicht. Es war ein Teil von ihr. Ein Teil, der bleiben würde, sie wusste es.

Catherine sank zurück und blickte ihn noch ein letztes Mal an. Sie strich mit einer zitternden Handbewegung die Tränen von seinen Wangen und sah in seine Augen. Schwach schüttelte sie den Kopf, als neue Tränen über den Rand seiner Augen rannen und flüsterte kaum hörbar:

„Warum… kann ich nicht… bleiben?“

Lestat presste Catherines Hand gegen seine Lippen und küsste sie. Wie kalt sie war! Seine Finger umfassten ihre Hand fest, während er sie ansah und mit tränenverschleiertem Blick ihr Haar streichelte.

„Ein Wort von dir, Catherine!“ sagte er und hielt ihre Hand und berührte sie, sodass sie spürte, dass sie nicht allein war.

„Ich fürchte… mich nicht.“ flüsterte sie und blickte an die Decke. „Ich fürchte mich nicht. Und dennoch… weiß ich… nichts.“ murmelte sie, während sie ihn anblickte, ehe ein langer Atemzug ihre Brust hob und ihre Augen sich schläfrig schlossen.
 

Catherine blinzelte verstört und schüttelte ungläubig den Kopf. Rauch und dichter Qualm nahmen ihr beinahe die Sicht, doch sie wäre dankbar dafür gewesen, wenn er das Sehen komplett unmöglich gemacht hätte.

Sie stand mitten auf einer Straße. Um sie herum standen mehrere Autos mit offenen Türen, die ihre Insassen in Panik fluchtartig verlassen hatten. Manche der Autos waren ausgebrannt und manche brannten noch. Die Hitze der Flammen züngelte zu ihr herüber und ließ sie zurückweichen, während ein Gedanke sich nicht mehr aus ihrem Kopf vertrieben ließ. Das war die Hölle.

Stumm und ungläubig ging Catherine weiter. Spitze Steine und Glassplitter stachen in ihre Fußsohlen, doch so sehr sie sich auch bemühte, konnte sie ihnen nicht ausweichen. Es waren zu viele. Sie wusste nicht, warum sie Schmerzen empfand. Sie wusste nicht, ob das wirklich die Hölle war, deren Existenz sie immer bezweifelt hatte. Warum war sie hier? Sie wusste nur eines: Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie es nicht mehr versuchte, die Verletzungen durch Steine und Splitter zu vermeiden.

Irgendwo in der Ferne brach krachend ein Haus unter den Flammen zusammen und Catherine wartete auf den Lärm von Sirenen, doch nichts ertönte. Niemand war hier. Niemand half. Niemand kümmerte es. Niemand konnte etwas tun. Sie war allein. Niemand war am Leben.

Catherine wanderte allein weiter durch die Hitze und die Stille, die nur vom Geräusch der lodernden Flammen gebrochen wurde. Ihre Lippen wurden trocken. Ihr Mund wurde klebrig. Nach kurzer Zeit – oder war es eine Ewigkeit – wurde ihr das Schlucken schwer. Ihre Beine wollten sie nicht mehr tragen. Sie hatte keine Kraft. Sie zitterte und eine Gänsehaut überzog ihre Glieder, obwohl die Hitze unerträglich war.

Schließlich blieb sie stehen. War es das? Sah so das Ende aus? Ein Ende, das selbst kein Ende hatte, keine Gnade kannte und keine Zuversicht? Die Straßen waren leer. Die gesamte Stadt war leer. Die Flammen und der Rauch und der Qualm und die Hitze waren ihre einzigen Gefährten.

Wozu sollte sie weitergehen? Wozu sollte sie gehen und kämpfen? Wozu, wenn aufgeben so einfach war. Sie musste sich einfach nur setzen. Setzen und sitzen bleiben. Niedersinken. Catherine schloss die Augen und fühlte nicht mehr, wie ihre Beine unter ihr nachgaben. Ihr Körper brach zusammen und blieb auf dem Rücken auf dem rissigen Asphalt liegen. Ihr Geist war eingesperrt in einem gebrochenen Körper. Ein Käfig. Die Hölle.

Ein Tropfen berührte ihre Stirn und ihr Herz machte einen freudigen Sprung. Regen? Konnte das wahr sein? Regen, der die Flammen löschte? Regen, der den Rauch und Qualm vertrieb? Regen, der die Luft säuberte? Nein, sie musste sich irren. Es konnte nicht sein.

Catherine fühlte noch einen Tropfen und noch einen und noch einen, bis sie schließlich nicht mehr verleugnen konnte, was sie spürte. Tropfen. Warme Tropfen, die so zahlreich waren, dass sie nicht mehr sagen konnte, wo sie die Tropfen trafen. Sie prasselten auf sie nieder und sie musste die Augen öffnen.

Sie schrie aus vollem Hals, als sie auf sich blickte, und strauchelte auf die Füße. Es war Blut. Es regnete Blut. Sie war mit Blut bedeckt. Die Straße um sie herum war blutüberströmt. Blutiger Regen stürzte in das Feuer, doch löschte es nicht. Das Blut tropfte vom Himmel auf die Erde und allmählich versank sie im dunkelroten Strom.



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