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Das Blut der Lasair

von

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Eine Übereinkunft ohne Versprechen

Eine Übereinkunft ohne Versprechen
 


 

Catherine blickte Lestat ruhig und gelassen an. Sie wusste, dass er dieses Leben nicht für sie wollte, was sie durchaus verstand. Doch sah er denn nicht, worum es ihr ging?

Natürlich wusste sie nicht, ob sie nur noch kurze Zeit zu leben hatte – was auch immer die Bruderschaft plante, konnte ihr Leben nun einmal verkürzen. Sie hatte ein ungutes Gefühl und das verringerte sich auch nicht, je mehr sie über die Vergangenheit ihrer Familie in Erfahrung brachte. Es wurde eher schlimmer, aber sie wollte sich nicht wegen der Angst vor einem frühen Tod in seine todbringende Umarmung begeben, sondern fürchtete, was die Bruderschaft mit ihr vorhatte. Schlimmes vielleicht - oder noch Schlimmeres. Solange sie alle bezüglich der bruderschaftlichen Ziele noch im Dunkeln tappten, konnte das niemand sagen.

Der bloße Tod durch Handlanger der Bruderschaft schien die unberuhigendste mögliche Konsequenz zu sein. So viele hatte die Bruderschaft schon auf dem Gewissen – wie viele Opfer würden noch folgen? War sie die nächste…

Catherine schüttelte leicht den Kopf und schloss die Augen für einen Moment. Sie wollte sich nicht von ihrer Furcht leiten lassen, wo sie doch nach außen hin scheinbar alles unter Kontrolle hatte. Sie schluckte. Es machte ihr zu schaffen, dass in ihrem Unterbewusstsein noch Wissen vergraben war, das sie dringend benötigte, und es noch dazu eine halbwegs sichere Möglichkeit gab, dieses Wissen ans Licht zu bringen, doch es fühlte sich falsch an, dass jemand anderes als Lestat…
 

„Catherine?“ drang Marius Stimme zu ihr hindurch und riss sie aus ihren Gedanken.

„Ja… Was ist?“ fragte sie und blickte sich um.

Marius stand zwischen Armand und Lestat, die sich wütend und finster musterten. Lestats Lippen waren leicht geöffnet und Catherine sah seine spitzen Zähne hervorblitzen. Die Anspannung in seinem Körper alarmierte Catherine, sodass sie sich langsam erhob und auf ihn zuging.

„Vorsichtig, Catherine!“ mahnte Marius, doch Catherine schüttelte den Kopf.

Lestat würde ihr nie etwas tun – selbst wenn er im Moment mit eiskaltem und hasserfülltem Blick auf Armand fixiert war und seine restliche Umgebung nicht wahrzunehmen schien. Er würde ihr nichts tun. Dafür hatte er sich ihr gegenüber zu sehr unter Kontrolle.

„Lestat…“ begann Catherine, doch aus seiner Kehle entwich ein scharfes Zischen, was sie verstummen ließ.

Langsam streckte Catherine ihre Hand nach ihm aus, legte sie ohne zu zittern auf seine Schulter und trat dann in sein Blickfeld. Sie sprach nicht, doch strich mit ihrer anderen Hand über seine Wange und Lippen. Er betrachtete sie neugierig, doch behielt seine starre, angespannte Haltung bei. Sein Blick flackerte unruhig zu Armand, der sich hinter Catherine langsam und versöhnlich zurückzog, dann suchte er wieder Catherines Blick.

„Er wird es nicht tun, Lestat.“ flüsterte sie sehr leise. „Er wird es nicht tun und ich werde es auch niemals zulassen.“

„Ist es nicht das, was du willst…“ gab er ebenso leise und rau zurück und Catherine schüttelte den Kopf.

„Ich gehöre dir, Lestat, also stünde dir auch mein Blut zu. Dir und keinem anderen. Und es ist deine Entscheidung. Es tut mir leid, dass ich es dir vor einigen Minuten zum Vorwurf gemacht habe, dass du nur mein Bestes willst und mich auch vor dir selbst beschützt.“

Lestat nickte nur stumm, da er nicht wusste, was er sagen sollte. Ihre Worte hatten ihn beruhigt und er spürte, wie er langsam und unwillkürlich seine kampfbereite Haltung löste.

Marius und David konzentrierten sich auf etwas, was nicht auf dem Tisch lag, Armand hielt sich im Hintergrund, Louis und Lea blickten sich immer wieder an und sahen immer wieder verstohlen zu ihm und Catherine.

Lestats Finger tasteten nach Catherines offenem Haar und spielten mit einer Strähne, während sich seine andere an ihren Kiefer und Hals legte. Er betrachtete sie und strich langsam über ihre Kieferlinie zum Kinn und wieder zurück.

„Catherine, tu éclaires la nuit d’encre autour de moi parce que tu es la seule étoile dans mon ciel obscur. Catherine, du erhellst die stockdunkle Nacht um mich herum, weil du der einzige Stern an meinem finsteren Himmel bist. Tu me connâis comme tu te connâis parce que tu es le miroir de mon âme peinée. Du kennst mich wie du dich selbst kennst, weil du der Spiegel meiner betrübten Seele bist. Tu détiens mon corps, mon sang et mon esprit parce que tu es le battement de mon cœur. Du besitzt meinen Körper, mein Blut, meinen Geist, weil du das Schlagen meines Herzens bist. Tu fais partie de moi parce que je ne peux pas endurer la seule pensée de te perdre. Du bist ein Teil von mir, weil ich den bloßen Gedanken daran, dass ich dich verliere, nicht ertragen kann. Pour moi, tu es la foi, l’espérance et l’amour. Für mich bist du Glaube, Hoffnung und Liebe. Tu contrôles ma nature parce que tu es l’air que j’ aspirais à pleins poumons pour être avec toi. Du kontrollierst mein Wesen, weil du die Luft bist, die ich in tiefen Zügen einatme, um bei dir zu sein. Tu as ma confiance inébranlable parce que je t’aime plus de ma vie. Du hast mein unerschütterliches Vertrauen, weil ich dich mehr liebe als mein eigenes Leben.“ meinte er sanft und strich ihr immer wieder zärtlich über ihre Kieferlinie zu ihrem Kinn.

Catherine fühlte, wie sie innerlich zitterte. Seine Worte waren die schönesten Worte, die jemals irgendjemand zu ihr gesagt hatte, und sie wusste vom ruhigen, ernsten Klang seiner Stimme, dass in jedem Wort, jeder Silbe die Stimme seines Herzens zu ihr gesprochen hatte. Tränen glitzerten in ihren Augen, das wusste sie, doch sie wischte sie nicht ab. Es waren Tränen des Glücks. Tränen der Freude. Tränen der Liebe. Sie schluckte und lächelte ihn ergriffen an.

Sprechen konnte sie nicht. Denken konnte sie nicht – sie war zu aufgewühlt und glücklich. Catherine schlang ihre Arme um ihn und vergrub ihr Gesicht an seinem Hals. Sie fühlte, wie Lestats Arme sie umfingen und einfach festhielten. Sie fühlte wieder die Sicherheit, die sie so sehr liebte.

„J’adore… Ich liebe dich sehr.“ flüsterte sie und spürte seine Hände über ihren Rücken und über ihr Haar wandern. „Je te remercie… Ich danke dir…

„Pour quoi? Wofür?“ fragte er leise.

„Tout. Alles.“ murmelte Catherine und er lachte leise. „Tout simplement pour tout, Lestat. Ganz einfach für alles.“ wiederholte sie und lauschte dem Klang seines Atems.

„Eh, bien… On va tâter, Catherine, si tu crois que c’est la seule possibilité et si tu es sûre. Gut… wir werden es versuchen, Catherine, wenn du glaubst, dass es die einzige Möglichkeit ist und wenn du dir sicher bist.“ meinte Lestat nach einer Weile, doch sie verstand nicht gleich, worauf er hinaus wollte.

„Qu’est-ce que tu veux tâter… Was willst du versuchen… Lestat, est-ce que je te comprends bien? Verstehe ich dich richtig?“ erwiderte sie und löste sich etwas von ihm.

„Oui, ma chérie, je vais boire à ta veine, mais je ne peux pas promettre que nous allons apprendre des nouvelles comme ça. Ja, ich werde von deiner Ader trinken, aber ich kann nicht versprechen, dass wir so Neuigkeiten erfahren werden.“ antwortete er mit leicht trauriger Stimme und blickte ihr in die Augen.

“Je trouve que tu devrais essayer de boire à ma veine, mais si tu pense à ce moment que ce n’est pas bon, tu le laisses. Ich finde, du solltest es versuchen, aber wenn du in dem Moment denkst, dass es nicht richtig ist, lässt du es.“ schlug Catherine vor und konnte die Ruhe kaum fassen, mit der sie ihm antwortete.

„J’espère que tu te ne l’imagines pas trop facile. Ich hoffe, das stellst du dir nicht zu leicht vor.

„Non, pas du tout. Nein, bestimmt nicht.“ versicherte sie und Lestat nickte.

„Alors, je suis d’accord, mais pas aujourd’hui, s’il te plâit. Gut, einverstanden, aber nicht heute, bitte. J’ai besoin d’un peu de temps. Ich brauche noch ein bisschen Zeit.

„Oui, moi aussi. Ja, ich auch.“ lachte Catherine, stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste Lestat zärtlich. „Nous avons encore un peu de temps. Wir haben noch ein bisschen Zeit.“ flüsterte sie und berührte noch einmal seine Lippen mit ihren.
 

Ein Räuspern ließ Catherine und Lestat ihre Köpfe wenden und Catherine erröten: sie hatte völlig vergessen, dass sie nicht alleine waren, doch Lestat schien es nicht zu überraschen.

„Seid ihr fertig?“ fragte David und deutete wieder auf die Chronik.

„Hey, mein Französisch wird besser – ich habe ziemlich viel verstanden!“ meinte Lea und strahlte Louis an.

„Dann kannst du ja bald in französische Kinofilme gehen, damit die beiden hier nicht so oft als Traumpaar herhalten müssen.“ meinte Armand und Catherine warf ihm einen wütenden Blick zu.

„Nur kein Neid.“ murmelte sie, was Lestat ein leises Lachen entlockte, jedoch Armand nur missmutig schnauben ließ.

Lestat setzte sich auf Catherines Platz und bedeutete ihr, auf seinem Oberschenkel Platz zu nehmen, was sie ohne zu zögern tat. Ihr Kopf drehte sich noch immer, wenn sie daran dachte, was sich in den letzten Stunden – oder auch nur Minuten – alles verändert hatte! Lestat hatte nicht nur darauf verzichtet, seine Hände bei sich zu behalten, wenn sie mit den anderen zusammen waren, sondern hatte ihr auch seine Liebe gestanden und seine Sichtweise dargelegt. Und dann hatte er nebenbei auch eingelenkt, diese Möglichkeit, die ihnen noch blieb, ebenfalls auszuschöpfen. Er würde es versuchen, obwohl es ihm mit Sicherheit immer noch nicht gefiel. Catherine freute sich über sein Entgegenkommen, doch allmählich teilte sie seine Bedenken. Konnte es sein, dass sie sich von Anfang an zu sehr auf diese Möglichkeit versteift hatte? Und was war, wenn sie keine Ergebnisse lieferte? Würde sich große Enttäuschung breit machen? Oder gar Resignation?

Sie wusste es nicht und fühlte, wie Lestat ihr sanft über den Rücken strich, um ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen, da David in neuen Ausführungen über Details sprach.
 

Es dauerte eine kleine Weile, bis Catherine wieder völlig da war, doch dann folgte sie dem Gespräch mit wachem Geist – sofern das ihre Gedanken an Lestat überhaupt zuließen. Lea erzählte von der Sage über Morair, die sie als Kind gehört hatte, und meinte schließlich:

„Sie sollte wohl bei Catherines Namensgebung wiedererweckt werden, doch etwas hat sich so funktioniert, wie sich das meine Mutter und Großmutter dachten. Sie dachten, Catherine würde ihnen den Namen Morair als ihren nennen.“

„Das Ritual wurde unterbrochen.“ erinnerte Marius, doch Lea schüttelte den Kopf.

„Nicht direkt. Die Sprüche und Beschwörungen waren abgeschlossen. Eigentlich hätte die Unterbrechung durch die Bruderschaft nicht mehr zu einer Änderung des Namens führen dürfen.“

„Deshalb hat sie so entsetzt geschaut, als ich mich als Lasair vorstellte.“ überlegte Catherine und Lestat nickte nachvollziehend.

„Was hat dann die Änderung des Namens herbeigeführt? Es fällt mir schwer zu glauben, dass Catherine all das aus reinem Zufall oder einer Verwechslung heraus passiert.“ meinte er, doch Lea konnte keine Antwort geben.

„Ich weiß es nicht. Es könnte aber sein, dass es an Catherine selbst liegt. Ihre Persönlichkeit könnte allein schon durch ihre Ausbildung bei der Bruderschaft zu stark sein, um von einer anderen Seele in Besitz genommen zu werden.“

„Das klingt ziemlich vage.“ meinte Catherine.

„Das ist es auch.“ gab Lea zu und fuhr fort: „Es gibt keinerlei Eintragungen in unseren Büchern über Lasair, die sich nicht auf diese eine Göttin beziehen, doch mit der hat Catherine sicher nichts zu tun. Es gibt in Unterlagen deines Großvaters, Catherine, auch nur diesen Vermerk ‚Blut der Lasair’ statt ‚Blut der Flamme’. Mehr nicht, oder?“

„Nein, mehr ist es wirklich nicht.“ stimmte Catherine zu.

„Hm.“ meinte David und überlegte.

„Ansonsten scheint ‚Lasair’ ein ziemlich unbeschriebenes Blatt zu sein.“ fügte Lea hinzu.

„Das Blut der Lasair den herrschenden Bann endlich bricht.“ murmelte David nachdenklich.

„Vielleicht ein Zauber, der gebrochen werden soll.“ schlug Catherine vor, doch glaubte selbst nicht so richtig daran.

„Hm.“ machte David wieder nur, doch Lea zuckte wenigstens mit den Schultern.

„Vielleicht. Die Frage ist nur, ob du dich dafür rächen sollst, dass Margaret – wenn man die Umstände sehr vereinfacht - von ihrem Halbbruder verurteilt und verraten wurde.“ entgegnete Lestat und blickte Catherine an.

„Dagegen spräche aber, dass die Hexen glauben, dass Morair selbst zurückkommen wird. Allerdings sagt sie in meiner Vision, dass einer kommen wird, der ihre Rache ausüben wird. Vielleicht hatte sie niemals vor, ihre Rache selbst zu verwirklichen. Ach, ich weiß es nicht! Es ist ja auch einer und nicht eine!“

„Ich frage mich, was die Bruderschaft über Morair und Lasair weiß.“ meldete sich David wieder zu Wort. „Der Befehl, den auch du bekommen hast, lautete, eine alte Macht an ihrer Auferstehung zu hindern, nicht wahr?“ Catherine nickte nur, damit er gleich weitersprechen konnte. „Wenn sie es allerdings für möglich gehalten hat, dass es Morair sein wird – könnte man daraus schließen, dass sie selbst ihre Rache fürchet, weil sie maßgeblich an ihrem Tod beteiligt war.“

„Dann richtet sich ihr Hass nicht nur gegen ihren Bruder, sondern gegen den gesamten Orden. Das ist möglich.“ meinte Lestat und nickte noch einmal.

„Das ist unser nächster Ansatzpunkt: Herausfinden, was die Bruderschaft wusste und weiß.“ meinte David und blickte Marius an.

„Und das bedeutet …“ begann Lea fragend.

„Wir müssen uns Zugang zu den Archiven der Bruderschaft verschaffen.“ schlussfolgerte Catherine wenig begeistert.



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