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Das Blut der Lasair

von

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Wie vom Erdboden verschluckt...

Wie vom Erdboden verschluckt…
 


 

Catherine biss sich nervös auf die Innenseite ihrer Unterlippe und wartete auf Elizabeths Antwort. Wie kam Elizabeth darauf, dass irgendjemand in das Büro eingebrochen war? Was für Anhaltspunkte hatte sie oder waren das nur Vermutungen? Bisher hatte Catherine nie das Gefühl gehabt, dass Elizabeth in ihren Fähigkeiten als Hexe auch die Gabe der Weissagung oder Visionen hatte… Wenn sie genauer darüber nachdachte, hatte sie niemals eine einzige Fähigkeit bei Elizabeth bemerkt, doch das musste nichts heißen. Sie hatte lediglich das Ritual an Imbolc geleitet und bei allen anderen Problemen Bücher zurate gezogen, mit denen sie dann doch zu keinem Ergebnis kam. Elizabeth Stimme riss Catherine aus ihren Gedanken.

„Wie bitte? Was hast du gesagt?“ fragte Catherine nach, da sie sie nicht verstanden hatte.

„Ich sagte, dass meiner Meinung nach nichts fehlt, aber dass ich mir sicher bin, dass jemand hier war. Die Unterlagen im Tresor sind sehr durcheinander… So habe ich sie nicht zurückgelassen.“ wiederholte Elizabeth.

Catherine nickte. Sie war sich sicher, dass sie die Unterlagen genauso wieder eingeräumt hatte, wie sie sie vorgefunden hatte – nicht sehr unordentlich, aber auch nicht besonders akkurat aufgeräumt. Elizabeth ging wieder zu ihrem Platz hinter dem Schreibtisch und öffnete den Tresor. Catherine zitterte innerlich. Sie musste hinaus aus dem Büro!

„Wir sollten schnell handeln… Was Lea betrifft. Vielleicht ist sie doch noch irgendwo in der Nähe.“

„Das glaube ich nicht.“ gab Elizabeth resignierend zu und Catherine hatte das Gefühl, dass sie ihr bei weitem nicht alles sagte, was sie vermutete. „Irgendjemand war hier.“ wiederholte Elizabeth noch einmal murmelnd und sank in ihrem Schreibtischstuhl zusammen. Catherine schüttelte den Kopf. Sie war hier gewesen. Sie hatte den Tresor durchsucht, aber das würde sie natürlich nicht sagen. Elizabeth konnte es doch wahrscheinlich selbst nur vermuten und hatte nichts Handfestes vorzuweisen. Vermutungen und Gefühle… Gefühle! Ungute Gefühle!

„Ich schlage vor, wir suchen jetzt nach Lea. Wir sollten kleinere Trupps bilden und auch an den Häusern klingeln. Wenn du willst, übernehme ich die Zusammenstellung und die Koordination. Und du solltest die Polizei einschalten, auch wenn sie erst in zwei Tagen etwas tun wird. Sie müssen Bescheid wissen, falls ein Anruf von einem Bürger eingeht, er hätte Lea gesehen. Und du solltest…“

Elatha informieren, hatte Catherine fortfahren wollen, doch sie stockte. Wo war Elatha überhaupt?

„Wo ist Elatha? Ich habe sie heute überhaupt noch nicht gesehen.“ meinte sie deshalb. Elizabeth nickte.

„Sie muss etwas in London erledigen. Bei der Arbeit gibt es offenbar Probleme, die sie auch etwas angehen.“ erwiderte Elizabeth und nahm den Telefonhörer auf. „Es wäre gut, wenn du die Suchtrupps und ihre Routen organisierst. Ich informiere die Polizei und versuche, auch Elatha zu erreichen.“ fuhr sie fort und Catherine nickte, ehe sie schnell das Büro verließ. Elatha war also in London bei der Arbeit. Sie arbeitete bei der Talamasca, das wusste Catherine. Hatte Elizabeth das Ernst gemeint oder nur so gesagt? Gab es überhaupt Probleme bei der Talamasca? Catherine schüttelte den Kopf. Das war nun wirklich nebensächlich. Sie mussten Lea finden.
 

Sie hatte schon viel zu viel Zeit vergeudet. Catherine eilte zurück zu den Mädchen, die bereits viele andere informiert hatten, teilte die Suchtrupps den Gebieten zu, die abgesucht werden sollten.

„Und wo gehst du mit?“ fragte Lilly und drehte sich noch einmal in der Tür um.

„Ich werde allein suchen. Ich habe noch einiges mit Elizabeth zu klären und… ja, geht’ schon!“ antwortete sie bestimmt und sah den Mädchen-Gruppen nach bis es immer stiller im Schloss wurde, ehe sie in ihrem Schrank nach einer Taschenlampe griff und das Zimmer ebenfalls verließ.
 

Leas Verschwinden hatte hier einen riesigen Schock und eine wirkliche Bestürzung ausgelöst, die langsam einer lauten Unruhe und vielen Fragen gewichen waren. Sandy, Lilly und Jessy hatten so viele Helfer wie möglich aufgetrieben, sodass sie nun in Gruppen von drei bis vier Leuten die Stadt und die nähere Umgebung absuchen konnten. Vielleicht erhielten sie auch irgendwelche Hinweise von Einwohnern der Stadt, die Lea gesehen hatten. Catherine nickte und ging hinunter in die Halle. Durch die offene Bürotür hörte sie, wie Elizabeth mit der Polizei telefonierte, die offenbar tatsächlich noch nichts unternehmen wollte. Catherine schüttelte den Kopf. Es stimmte schon: oft tauchten Kinder wieder auf. Oft waren sie weggelaufen… Aber wie oft taten sie das nicht? Wie oft war ihnen wirklich etwas geschehen? Energisch schob Catherine die Gedanken beiseite und schlich leise in den Keller hinunter. Sie wollte erst die Geheimgänge absuchen, die Lea ihr gezeigt hatte, aber glaubte sie wirklich, dass Lea sich hier unten versteckte, wenn oben alles nach ihr suchte... Catherine zuckte die Schultern. Es war eine Möglichkeit, wenn auch eine sehr unwahrscheinliche. Bisher glaubte sie noch nicht daran, dass Lea etwas geschehen war. Wie sollte das geschehen sein? Vielleicht war sie aus irgendeinem Grund weggelaufen. Vielleicht aus demselben, aus dem sie im Büro so seltsam zickig reagiert hatte. Catherine drückte die Tür zu dem Raum auf, in dem Elizabeth die Vampire unterbringen lassen hatte, und knipste die armselige, nackte Glühbirne an, die an einem Kabel von der Decke hin. Nichts hatte sich hier in den letzten Wochen verändert, bemerkte Catherine und schloss die Tür hinter sich. Wahrscheinlich war in den letzten Wochen auch niemand mehr hier gewesen. Sie tastete nach dem Eingang des geheimen Tunnels, der bis zu den Gräbern führte, und zwängte sich durch die schmutzige Öffnung hinein. Ihre Augen gewöhnten sich schnell an das spärliche Licht, das die Taschenlampe verbreitete, und Catherine begann langsam ihre Suche.
 

Die Suche in der kleinen Stadt Irvine war so erfolglos wie Catherines Suchen im Keller und den Geheimgängen. Catherine saß auf einem Baumstumpf bei den Gräbern, schaute immer wieder auf den Ausgang des Ganges und dachte nach. Sie musste nachdenken und die bestürzten Mädchen im Schloss, die zahllose Fragen stellten oder in Schweigen versunken bereits um Lea trauerten, als sei sie gestorben, halfen ihr dabei überhaupt nicht. Unsicher biss sie sich auf die Lippen. War Lea doch etwas zugestoßen? In Catherine tobte ebenfalls bereits diese störende Unruhe, die jeglichen klaren Gedanken verhinderte und nur Verzweiflung säte. Langsam ließ sie ihren Blick über den dunklen Park streifen und zwang sich zur Ruhe. Die kühle Abendluft ließ sie leicht zittern. Es war bereits der zweite Abend nach Leas Verschwinden. Die Polizei würde am nächsten Morgen aktiv werden und endlich etwas tun. Catherine lehnte sich an einen Baumstamm und legte den Kopf zurück.

„Das ist doch verrückt!“ flüsterte sie und stützte das Kinn in ihrer Handfläche ab.

„Was ist verrückt?“ fragte eine Stimme hinter ihr und ließ sie herumwirbeln, sodass sie beinahe das Gleichgewicht verlor.

„Du solltest dich nicht immer so anschleichen.“ meinte sie, als sie Lestat erkannte. „Irgendwann bekomme ich noch einen Herzinfarkt.“ fügte sie hinzu und erhob sich. Lestat trat auf sie zu und schüttelte den Kopf.

„Bei deiner psychischen Konstitution kann ich mir das nicht recht vorstellen. Du bist ziemlich hart im Nehmen.“ meinte er und trat auf sie zu.

„Und wenn du dich irrst? Wenn ich im Moment kurz vor einem Zusammenbruch stehe? Angenommen…“ fragte Catherine.

„Angenommen, das wäre so… und du würdest gleich kurzatmig in meinen Armen zusammenbrechen, würde ich dich nicht in meinen Armen sterben lassen.“ entgegnete Lestat ehrlich und berührte mit seinen warmen Fingern sanft Catherines Wange.

Ihre Finger tasteten nach seiner Hand und hielten sie, während sie den Blickkontakt mit ihm suchte. Ein Schauer lief ihr über den Rücken, doch im selben Moment kehrten die klaren Gedanken zu ihr zurück. Vorsichtig schob sie seine Hand weg und trat einige Schritte zurück. Lestat nickte und räusperte sich.

„Es sind weitere Leichen aufgetaucht, die auf dieselbe Weise umgekommen sind wie Salieri. Ich dachte, das solltest du wissen.“ meinte er und blickte sie an.

Sie war so zerbrechlich. So unglaublich verführerisch. Ihr Haar bewegte sich leicht, als ihr Kopf sich zu einem zaghaften Nicken neigte, und ihre Haut schimmerte im Mondlicht, als sei Catherine wie er selbst. Ihr Blick war gesenkt und er konnte nur ihre Lider und Wimpern zucken sehen. Seine Augen glitten über ihre Lippen und ihr Kinn hinab zu ihrem Hals, an dem die Hauptschlagader fiebrig pulsierte.

„Weißt du, dass Lea verschwunden ist?“ fragte sie schließlich und hob den Blick.

„Ich habe es gerade in der Stadt gehört, ja.“ antwortete er und streckte seine Hand nach Catherine aus. „Louis sucht bereits nach ihr. Wir halten alle die Augen und Ohren offen.“ fügte er hinzu.

„Wo warst du die letzten beiden Tage?“ fragte Catherine und blickte auf seine Hand, die er noch nicht zurückgezogen hatte.

„Ich habe nichts mit Leas Verschwinden zu tun.“ meinte er heftig und ließ seine Hand sinken.

„Das meinte ich doch überhaupt nicht!“ erwiderte Catherine sofort und schüttelte den Kopf. „Das meinte ich nicht.“ wiederholte sie leise und senkte den Blick.

„Wir haben versucht, die blutleeren Leichen verschwinden zu lassen.“ meinte er düster.

Mit seiner Hand stützte er sich an der moosüberzogenen Rinde eines Baumes ab und blickte hinüber zu der Stelle, an der Catherine stand.

„Ihr seid wieder zusammen? Ich meine, ihr wart doch einzeln oder zu zweit, nachdem ihr von Thirlestane Castle abgereist seid, oder nicht?“

„Wir müssen die Spuren beseitigen, die nicht von uns stammen. Blutleere Leichen sind schwer zu erklären und sind deshalb nicht gerade für die Öffentlichkeit geeignet. Trotz ihrer Technik, ihrem Fortschritt und ihrer so aufgeklärten Denkweise, sind die heutigen Menschen abergläubig wie eh und je und äußerst zugänglich für ‚Übernatürliches’ und ‚Satanisches’… Es könnte eine Hysterie geben, die in eine Hetzjagd ausufert.“ Lestat machte eine kleine Pause und schien über seine Worte nachzudenken. „David und Marius meinen eben, wir sollten sicher sein, dass nichts davon an die Öffentlichkeit dringt. Vielleicht hat er Recht, vielleicht machen wir uns umsonst die Hände schmutzig.“ meinte er und grub seine Finger in das Moos, das den Baumstamm überwucherte.

„Ja, ihr solltet euch schützen.“ überlegte Catherine und begegnete wieder seinem Blick. Er war klar und ungetrübt und warf flackernd das wenige Licht der Nacht zu Catherine herüber.

„Ich möchte, dass du mit mir kommst.“ sagte er deutlich und trat wieder auf sie zu.

„Lea…“

„Lea? Hör’ zu, ich weiß nicht, wo sie ist, aber sie ist nicht mehr hier.“

„Ich kann nicht so einfach gehen, solange ich nicht weiß, was mit ihr ist.“

„Wir werden sie finden - und zwar unverletzt.“ entgegnete Lestat beharrlich.

„Wie kannst du dir da so sicher sein?“ entgegnete Catherine.

„Louis spürt, dass sie lebt… Vertrau’ ihm einfach, wenn du mir nicht vertrauen kannst.“

„Du weiß genau, dass ich dir vertraue. Ich würde dir - so paradox das auch klingen mag – sogar mein Leben anvertrauen!“ gab Catherine zurück und hielt seinem Blick stand. Er nickte langsam und strich ihr eine Haarsträne aus der Stirn.

„Ich weiß. Das hast du bereits mehrmals getan.“ meinte er leise und küsste vorsichtig ihre rechte Schläfe. Catherine konnte sich nicht rühren. Zu fesselnd war die Nähe, in der er nun bei ihr stand und sie berührte.

„Was hält dich sonst noch hier?“ flüsterte er. Catherine spürte den Hauch seines Atems gegen ihr Haar und schloss die Augen.

„Die…“

„Die Nachforschungen? Catherine, glaubst du nicht, dass du dich nur vor dem nächsten Schritt fürchtest?“ unterbrach er sie und zog sie noch dichter zu sich.

„Habe ich nicht schon einmal gesagt, dass ich mich vor nichts fürchte?“ erinnerte sie ihn leise lachend. Er nickte.

„Richtig. Das hast du gesagt. Ich habe dir das nie geglaubt.“ gab er zu und fuhr fort: „Hier gibt es nichts mehr herauszufinden.“

„Welcher ist der nächste Schritt, von dem du gesprochen hast?“ flüsterte sie und spürte, dass er seine Finger auf ihre Lippen legte.

„Komm’ mit mir!“ wiederholte er und blickte sie an. „Ich kann dir helfen.“ entgegnete er in einem Tonfall, der Catherine ungeachtet seiner Worte vermittelte, dass Lestat mehr wusste, als bei seinem letzten Besuch.



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