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Das Blut der Lasair

von

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Ein verlockendes Fundstück

Ein verlockendes Fundstück
 


 

Catherine konnte das Tagebuch nicht aus der Hand legen, auch wenn sie von den Seiten kaum etwas lesen konnte. Bei genauerem Hinsehen war ihr auch klar geworden, dass es sich um eine Kinderschrift handelte, aber das spielte keine Rolle. Wie alt mochte das Mädchen gewesen sein? Vielleicht acht oder maximal vierzehn. Und mit Sicherheit war sie aus adligem Stand, denn sonst hätte sie im 17. Jahrhundert bestimmt nicht lesen und schreiben können.

„Was überlegst du?“ fragte Lea plötzlich und ließ die Photos sinken, die es ihr mehr angetan hatten, als diese alten Unterlagen, die ihr so aus dem Zusammenhang eh nichts sagten.

„Ich versuche, mir vorzustellen, wer diese Mary war.“ entgegnete Catherine noch halb abwesend.

„Und wie weit bist du damit?“

„Ein Mädchen von ungefähr… sagen wir… acht bis zwölf Jahren und adlig, da sie schreiben konnte. Und am liebsten hätte ich es, wenn sie aus dem Hause Irvine stammen würde.“

„Hältst du das nicht für sicher? Warum hätte dein Großvater sonst gerade auf ihr Tagebuch kommen sollen?“

„Ich fürchte, das kann ich dir erst beantworten, wenn wir alle Unterlagen durchgesehen haben.“

„Und wann machen wir das? Fangen wir hier an oder nehmen wir einfach alles mit?“

„Ich halte es nicht für sehr sinnvoll, hier alles auszubreiten und dann wieder zusammen zu räumen.“

„Also nehmen wir alles mit. Ja. Das wird besser sein.“ stimmte Lea zu und stellte ihre Tasche auf den Tisch. „Sollen die privaten Sachen auch mit?“ vergewisserte sie sich, worauf Catherine nickte und Lea mit dem Einpacken begann.

Das Tagebuch hatte es Catherine angetan. Eigentlich hatte sie überhaupt nicht anfangen wollen, gleich zu lesen, doch dann war sie schon von den ersten paar Worten gefesselt worden.

‚Ich sitze allein in meinem Zimmer und blicke immer wieder hinaus. In der Ferne sehe ich das Osterfeuer lodern, doch die Stimmen und Gesänge der Dorfbewohner verklingen, bevor sie mich erreichen. Vater sitzt am Kamin und starrt schweigend vor sich hin, während der Arzt immer noch bei Mutter ist. Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, wann sie krank wurde. Es scheint mir schon immer so…’

„Was ist? Hast du etwas Wichtiges entdeckt?“ unterbrach Lea ihr Lesen, worauf Catherine beinahe gleichzeitig den Kopf schüttelte und nickte. Sie war hin- und hergerissen: mit ihren Nachforschungen hatte das bisher noch nicht allzu viel zu tun, doch trotzdem war es unglaublich interessant.

„Ich kann doch mehr lesen, als ich dachte. Das könnte uns weiterbringen, wenn es wirklich ein Mädchen von Irvine geschrieben hat. Die Zeit stimmt.“

„Was steht drin?“ fragte Lea und setzte sich auf den Tisch. Mit einer Hand stützte sie sich ab, mit der anderen hielt sie ihre Tasche neben sich.

„Viel habe ich noch nicht gelesen, aber es ist Ostern, die Mutter ist schon lange krank und der Vater verzweifelt.“ fasste Catherine zusammen und klappte schließlich das kleine Buch zu. Sie blickte Lea an und nickte. „Ich habe ein sehr gutes Gefühl, dass wir endlich weiter kommen.“ meinte sie lächelnd.

„Du bist erleichtert, oder?“ fragte Lea und rutschte wieder vom Tisch herunter. Catherine nickte.

„Ja, mir fällt ein Stein vom Herzen. Ich weiß zwar, dass wir vor viel Arbeit stehen, aber wenigstens können wir etwas tun.“

„Und was tust du, wenn du das alles durchgesehen hast, herausgezogen hast, was drin ist, und du doch kein Ergebnis hast?“ Catherine stockte und schüttelte den Kopf.

„Das glaube ich nicht.“

„Und wenn es so ist?“ fragte Lea weiter.

„Darüber mache ich mir Gedanken, wenn es soweit ist.“ antwortete Catherine und schloss das leere Metallkästchen wieder ab.

Sie reichte Lea vorsichtig das Buch, damit sie es ebenfalls in ihre Tasche steckte, dann brachte sie das Kästchen in der Schließfach zurück und schloss es wieder ab.

„Das wäre alles, oder? Haben wir etwas vergessen?“ fragte Lea und blickte sich um.

„Nein, lass’ uns gehen.“ erwiderte Catherine und ging zum Sicherheitsbeamten, der dann Albert anrief.
 

„Sie sind schon fertig?“ fragte der Filialleiter, der nach wenigen Augenblicken die Treppen hinuntergeeilt kam.

„Ja, wir haben alles erledigt.“ entgegnete Catherine und fügte hinzu: „Mr. Albert, ich möchte das Schließfach nun noch kündigen. Können wir das sofort erledigen?“

„Aber sicher. Kommen Sie noch einmal mit in mein Büro.“ entgegnete Albert und ging voran. Catherine und Lea folgten ihm zurück in die Büroräumlichkeiten. Dann erledigte Catherine die Kündigung des Schließfaches, zahlte noch die restlich angefallenen Gebühren und gab nach ihrer letzten Unterschrift auch den Schlüssel zurück.

„Nun ist also alles erledigt, nicht wahr?“ vergewisserte sich Catherine noch einmal, worauf Albert nickte.

„Ja, das Schließfach gehört nun wieder der Bank.“ entgegnete er noch und nickte noch einmal.

„Schön. Dann bedanke ich mich für Ihre Bemühungen.“ meinte Catherine und erhob sich. Lea erhob sich ebenfalls.

„Es war mir eine Ehre, Miss du Ravin.“ Albert streckte seine Hand aus, die Catherine ergriff, und verabschiedete sich von ihr. „Ich wünsche Ihnen alles Gute für Ihre Zukunft.“

„Danke. Auf Wiedersehen.“ verabschiedete sich auch Catherine und wartete, bis Lea sich ebenfalls mit Händedruck verabschiedet hatte, ehe sie Lea vor sich aus der Tür hinaustreten ließ. In der Tür drehte sich Catherine noch einmal um und nickte ihm ein letztes Mal zu. „Danke.“ wiederholte sie und ging dann hinaus aus dem Büro.
 

Draußen auf der Straße angekommen, rief Catherine sofort ein Taxi, das sie zurück zum Hotel brachte. Sie brachten die Sachen auf das ungerichtete Zimmer und schlossen sie vorsichtshalber im Safe ein, damit nicht irgendeine Reinigungskraft über sie stolperte.

„Wir sollten am besten gleich wieder Touristen spielen, damit wir noch ein paar Photos machen können.“ meinte Catherine und zog sich bequemeres Schuhwerk an.

„Bist du gar nicht neugierig? Kannst du jetzt einfach so durch Edinburghs Untergrund spazieren?“

„Neugierig… Das ist gar kein Ausdruck für das, was ich gerade empfinde.“ gab Catherine zu und kämmte sich noch einmal ihr Haar. „Trotzdem dürfen wir unsere Tarnung nicht vernachlässigen und ich nehme an, die Führung dauert nicht so lange. Wir schaffen es ja auch auf die um 13:15 Uhr und danach kommen wir gleich wieder hierher und können anfangen.“

„Überredet. Warte, ich will mir auch noch schnell wieder meine Blasen bekleben.“ meinte Lea, setzte sich auf das Bett und verarztete sich. Catherine stand bei der Tür und wartete, bis sie fertig war.
 

Auf dem Gang sahen sie, dass die Reinigungskräfte gerade unterwegs waren, und Catherine meinte:

„Gut, dann sind sie auf jeden Fall fertig, bis wir wieder kommen.“

„Das sollte man annehmen, ja. Trotzdem: Ich finde, du bist ganz schön cool, dafür dass wir gerade eine ziemliche Ausbeute gemacht haben.“ stellte Lea fest und drückte auf den Aufzugknopf.

„Ich vermute, ich habe mich schon zu sehr daran gewöhnt, alles vor meiner Nase zu haben und doch nicht nachzuforschen.“

„Wegen dem, was in der letzten Zeit geschehen ist?“ fragte Lea, da sie ihr nicht ganz folgen konnte. Catherine schüttelte den Kopf.

„Nein, aber als ich noch bei der Bruderschaft war, war das auch meistens so: mein Vater und meine Mutter kümmerten sich um die Recherche, mein Bruder wurde allmählich auch darin integriert, aber von mir erwartete man das nicht so. Es war selten, wenn ich stundenlang über Büchern saß. Das hat sich so wirklich erst vor einigen Wochen geändert und auch nur deshalb, weil ich eben nun ohne meine Familie nach etwas suche.“ erklärte sie und trat nach unten aus dem Aufzug und durch die Halle.

„Und du wolltest nie richtig in den Büchern suchen und Dinge herausfinden?“ fragte Lea unverständig und fügte hinzu: „Ich liebe Bücher, musst du wissen.“ Catherine nickte.

„Das dachte ich mir… Nein… Das heißt, ja. Am Anfang wollte ich schon mehr erfahren in den Büchern und habe viel gelesen, aber als mir dann klar wurde, dass das ganze mit der Bruderschaft und den Dämonen, Hexen und Geistern eben nicht nur eine schöne Abwechslung vom Alltag ist, wollte ich nur noch das Nötigste mit solchen Dingen zu tun haben. Als ich ein Teenager war, wollte ich so normal wie möglich sein und habe nur noch das Nötigste gemacht. Ich habe mich auf die Schule konzentriert und habe versucht, möglichst oft mit Freunden etwas zu machen.“

„Du hast dir also innerhalb deiner Bestimmung ein normales Leben aufgebaut?“

„Ja, so könnte man das sagen. Und das Nötigste war eben die Ausführung von Aufträgen. Das habe ich gemacht.“ schloss Catherine nachdenklich. Und dann hatte langsam begonnen, dass sie nicht einmal mehr die Aufträge richtig ausgeführt hatte. Irgendetwas hatte sich tief in ihr verändert und es war, als sei sie aufgewacht. Sie hatte aufgehört, Befehle zu befolgen, obwohl man sie dazu erzogen hatte. Sie hatte sich ihre eigenen Gedanken gemacht. Und je länger sie darüber nachdachte, desto klarer wurde es: ab diesem Zeitpunkt hatte es für sie kein Zurück mehr gegeben, ob nun Daniele zur Villa gekommen war oder nicht.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2008-11-17T17:04:18+00:00 17.11.2008 18:04
uh, endlich gehts weiter!

aww, möchte wieder was von lestat hören! vermisse den sexy blutsauger...


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