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Das Blut der Lasair

von

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Böses Erwachen

Böses Erwachen
 


 

„Setzen Sie sich.“ meinte Sanderson und behielt das Blatt mit der Aussage noch in der Hand. Catherine setzte sich auf den Stuhl, auf dem sie während ihrer Aussage schon gesessen hatte und blickte Sanderson ruhig an. „Sagen Sie, Miss du Ravin… Haben Sie eine Ahnung, wo sich Ihr Bruder Lucien derzeit aufhält?“

„Nein. Ich habe ihn seither nicht mehr gesehen.“ log Catherine und fragte weiter: „Wieso? Was ist mit ihm?“

„Nun, er war hier. wahrscheinlich suchte er nach Ihnen.“

„Dann wissen Sie aber doch, wo er ist.“ entgegnete Catherine und blickte nun zu Parker.

„Nein. Wie ich schon sagte: er war hier. Allerdings hat er sich den Ermittlungen entzogen. Sie haben ihn nicht zufällig doch im Krankenhaus besucht. Oder ihn gewarnt?“

„Wie sollte ich ihn besuchen, wenn ich nicht wusste, dass er hier war? Und wieso sollte ich ihn warnen? Wir haben nichts getan.“ Sanderson nickte zaghaft und musterte Catherine.

„Bei Ihrem Bruder sind wir uns in dieser Angelegenheit nicht so sicher, Miss du Ravin.“ meinte nun Parker.

„Sie glauben… Nein, das ist absurd. Dazu wäre er nie fähig.“ widersprach Catherine und blickte vom einen zum anderen. Nachdrücklich schüttelte sie den Kopf.

„Sie haben ausgesagt, der erste fremde Mann sei vor Ihnen im Haus gewesen und habe allein mit Ihrem Bruder gesprochen…“

„Das ist überhaupt kein Beweis dafür, dass Lucien in die Sache verwickelt gewesen sein soll.“ gab Catherine zurück. Sanderson nickte.

„Ein Beweis ist das nicht, nein, aber ein Hinweis.“ erwiderte er. Catherine zögerte, dann meinte sie:

„Niemals. Das glaube ich nicht.“ Sanderson nickte und drehte sich etwas zu seinem Schreibtisch.

„Wäre es Ihnen möglich, die Männer zu beschreiben?“ fragte er und Catherine überlegte kurz.

„Der erste Mann hatte kurzes Haar – dunkelbraun bis schwarz, war mittelgroß und hatte einen südländischen Einschlag. Die Augenbrauen waren sehr geschwungen. Die Lippen eher voll. Er trug dunkle Kleidung und sah nicht unbedingt ungewöhnlich aus.“ Catherine nickte. „Die beiden älteren hatten beide ergrautes Haar. Der eine allerdings war dicker und kleiner. Tut mir leid, aber mehr kann ich ihnen nicht sagen. Vielleicht noch, dass der größere der beiden leicht gehinkt hat, aber mehr… Nein, tut mir leid.“ Catherine blickte Sanderson an.

„Der dickere hat also gehinkt?“ fragte er nach.

„Nein, er dünnere. Der dünnere war größer, der dickere kleiner.“ antwortete Catherine und hielt dem Blick stand.

„Gut, danke. Das hat uns sehr geholfen.“ entgegnete Sanderson und händigte ihr das Blatt aus.

„Lesen Sie Ihre Aussage noch einmal genau durch. Wenn sie korrekt ist, unterschreiben Sie sie.“ meinte er und setzte sich wieder hinter seinen Schreibtisch. Catherine blickte ihn aus den Augenwinkeln noch einmal prüfend an, dann begann sie zu lesen.
 

Schließlich nahm sie den Füllfederhalter, der ihr hingelegt worden war, und unterschrieb das Papier. Parker nahm es entgegen und heftete es ab. Sanderson blickte sie an und nickte.

„Das war alles, Miss du Ravin.“ meinte er und Catherine erhob sich.

„Was soll ich jetzt tun?“

„Sie können tun, was Sie wollen. Hier bleiben. Zurück nach Paris fliegen. Ganz wie Sie wünschen.“ entgegnete Parker und fügte hinzu: „Jeder Verdacht gegen Sie ist fallen gelassen.“ Catherine nickte und hängte ihre Tasche über die Schulter.

„Ich danke Ihnen.“ meinte sie und griff nach der Türklinke, doch Sanderson war schneller. Er blickte sie an und kniff die Augen zusammen.

„Ach, sagen Sie, Miss. Sie sind doch in Paris geboren - in welchem Krankenhaus? Entschuldigen Sie, aber ich habe lange in Paris gearbeitet und es würde mich einfach interessieren.“ meinte er.

„Im Hopital Saint Louis.“

„Ah, das ist in der Rue de Rivoli, nicht wahr?“ fragte er und blickte sie an. Catherine schüttelte den Kopf.

„Nein, in der Avenue Claude-Vellefaux. Das Krankenhaus in der Rue de Rivoli ist die Clinique Saint Vincent.“

„Tatsächlich. Da habe ich mich getäuscht.“ Catherine lächelte und nickte. „Aber sagen Sie, Miss… Die Avenue Claude-Vellefaux ist doch ziemlich weit von der Avenue de Choisy, in der Sie wohnen, entfernt. Ich dachte, dass Leute aus Ihrer Gegend ein Krankenhaus in ihrer Nähe aufsuchen – wie etwa in der Rue de Rivoli.“

„Nun, soweit ich weiß, arbeitete ein Freund meines Vaters damals noch im Saint Louis. Deshalb wollten meine Eltern wahrscheinlich dorthin… Und von der Avenue de Choisy lägen die Clinique Villa Montsouris oder die Clinique Jeanne d’Arc günstiger.“

„Sie kennen sich sehr gut aus in Paris.“ Catherine lachte flüchtig und meinte dann:

„Ich habe bisher mein ganzes Leben in Paris verbracht. Was erwarten Sie?“ Sanderson nickte und hielt ihr die Tür auf.

„Leben Sie wohl, Miss du Ravin.“ meinte er und Parker schloss sich an. Catherine nickte kurz und entgegnete höflich:

„Auf Wiedersehen.“
 

Catherine verließ das Büro und ging an der Beamtin am Empfang vorbei hinaus auf die Straße. Es regnete leicht und war inzwischen ganz dunkel geworden. Der Schein der Straßenlaternen und die Scheinwerfer der Fahrzeuge spiegelten sich auf dem nassen, schwarzen Asphalt. Sie ging langsam die Straßen entlang, die sie gekommen war und blieb hin und wieder an einem Schaufenster stehen. Wie lange hatte sie das nicht mehr getan? Wie lange war sie nicht mehr einigermaßen unbekümmert durch irgendeine Stadt geschlendert? Catherine betrachtete die ausgestellten Schuhe und ging dann weiter. Nicht, seit sie keinen Kontakt mehr zu Nathalie und den anderen hatte. Nicht, seit sie hier war. Nicht, seit es permanent Wichtigeres gab als ein Schaufensterbummel. Sie seufzte. Zumindest hatte sie das mit der Polizei erledigt, was sie sehr erleichterte und beruhigte. Catherine lächelte. Sie konnte es kaum erwarten, auf Elizabeth zu treffen, in ihr Gesicht zu blicken und einfach nur zu sagen, dass sich die Sache mit der Polizei erledigt hatte, weil sie sich selbst gleich darum gekümmert hatte. Sie brauchte Elizabeth nicht, und wenn sie ihr das damit zumindest etwas zeigen konnte, würde ihr das schon sehr gut tun. Catherine legte den Kopf in den Nacken und dachte an Lestat. Sie musste dringend mit ihm reden. Oder ihn zumindest sehen. Ihm nahe sein. Ihr Herz begann zu rasen und plötzlich hatte sie das Gefühl, als müsse sie sterben, wenn sie ihm jetzt nicht bald wieder nahe sein konnte. Lestat. Catherine biss sich auf die Lippen und beschleunigte ihren Schritt.
 

Catherine trat in den Eingangbereich und ging zuerst in ihr Zimmer, um ihre Tasche wegzulegen. Lea begegnete ihr auf dem Gang.

„Hallo.“ Catherine nickte ihr zu und ging weiter. „Kann ich mit dir reden?“ fragte sie und schloss neben ihr auf. Sie suchte Catherines Blick, doch Catherine stieß nur die Tür zu ihrem Zimmer auf, warf ihre Tasche auf das Bett und verließ es wieder.

„Später, Lea. Jetzt nicht.“ entgegnete sie knapp und rauschte an ihr vorbei den Gang entlang und wieder die Treppe hinunter. Unten wartete Elatha und meinte ohne ein Wort der Begrüßung:

„Saerlaith will dich sofort sprechen.“

„Ich nehme an, es geht um meine Aussage. Sie kann beruhigt sein.“ entgegnete Catherine und wandte sich ab. Elatha griff nach ihrem Oberarm und hielt sie fest.

„Sie will mit dir reden. Und zwar sofort. Du tust gefällig, was sie will.“ wies Elatha sie forsch zurecht. Catherine machte sich los und funkelte sie wütend an.

„Es ist alles erledigt! Sie wird wohl warten können. Ich habe es satt, zu springen, wenn sie pfeift!“ entgegnete sie gereizt und ließ Elatha stehen. Schnell eilte sie durch die Halle zur Kellertreppe, die sie ebenfalls rasch hinuntereilte, und durch den dunklen Gang, der zum Raum führte, in dem die Vampire untergebracht waren. Catherine klopfte stürmisch an und öffnete gleichzeitig die Tür.

„Lestat, ich…“ Catherine brach ab. Vor ihr lag nur ein leerer Raum. Verlassen. Kalt. Düster. Im ersten Moment war sie nicht fähig, irgendeinen winzigen Gedanken zu fassen, dann stürzten tausend verschiedene auf sie ein und raubten ihr fast den Verstand. Er war weg. Sie waren weg. Wo waren sie? Warum? Catherine ging weiter in den Raum hinein. Das trübe Licht der einzelnen Glühbirne über ihrem Kopf erhellte nur kläglich den Raum, in dem sonst immer viele Kerzen gebrannt hatten. Wachstropfen klebten noch am Boden.

„Verdammt, Lestat… Warum?“ flüsterte sie immer noch fassungslos und stützte sich an der Wand ab. Ihre Finger fühlten die feuchten Steine und pressten sich stärker gegen das Mauerwerk. Langsam kroch die Kälte über ihre Finger in ihren Körper und lähmten ihr Herz. Die Schläge schienen vor ihren eigenen Ohren zu verstummen. Sie hörte nur noch ihr eigenes Blut pochend gegen ihre Glieder rauschen. Catherine begann zu zittern. „Nicht auch noch du.“ flüsterte sie und sank kraftlos auf den Boden nieder. Ihre Augen füllten sich mit heißen Tränen und benetzten allmählich ihr Gesicht. Enttäuschung. Einsamkeit. „Nicht auch noch du.“ wiederholte sie leise. Dann schloss sie die Augen und über ihre Lippen kam nur noch in einem zarten Hauch ein Name:

„Lestat…“



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