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Verlust schweißt zusammen

Kai x Ray & Mariah x Emily
von

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Verlust schweißt zusammen...

Titel: Verlust schweißt zusammen...

Autorin: Firefox_Takara

Serie: Beyblade

Genre: Shonen-Ai, Shojo-Ai, Alltag, Drama, Sad (?)

Pairing: Kai x Ray & Mariah x Emily

Beta: cada *knuddel* Vielen lieben Dank *flauschel* ^^

Disclaimer: Kai, Ray, Mariah, Emily, Go und Rin gehören Takao Aoki, San Francisco gehört mir leider auch nicht, aber die Idee.

Comment: Ich wollte mal etwas anderes versuchen.

Comment²: Ich liebe Go und Rin! >o<m
 

~*~
 

Es ist noch sehr früh als mein Wecker klingelt. Wiederwillig hebe ich eine Hand, um ihn auszuschalten. Nachdem das nervige Geräusch beseitigt ist, kuschle ich mich wieder in meine Decke, um noch eine Runde zu schlafen. Nur fünf Minuten oder so...

„Aufwachen, Schlafmütze, die Sonne lacht“, haucht mir eine verführerische Stimme ins Ohr.

Als könnte ich da weiterschlafen. Auch wenn ich gern würde... Seufzend blinzle ich leicht und das erste, was ich sehe, ist ein Gesicht, eingerahmt in orangenes Haar und zwei wunderschöne smaragdgrüne Augen, die mich anblitzen. Gähnend richte ich mich auf.

„Guten Morgen... Kann ich nicht noch ein klitzekleines bisschen schlafen?“, frage ich bettelnd.

„Nichts da! Du musst raus aus den Federn, mir wäre es auch lieber du würdest hier bei mir im Bett bleiben, aber du wolltest heute zu Kai, erinnerst du dich?“

Nahezu vorwurfsvoll blitzen mich die grünen Augen an und ich seufze ergeben. Stimmt ja, ich wollte heute zu Kai... Also stehe ich langsam auf, um mich umzuziehen.

„Ich weiß, es passt dir nicht, dass ich so oft zu Kai gehe, es tut mir ja auch Leid, aber er braucht mich momentan mehr als du!“, versuche ich zu erklären.

„Ich weiß, ich weiß, der arme, arme Kai braucht dich... Das weiß ich doch! Aber du bist kaum noch zuhause, ich sehe dich nur noch so selten, den ganzen Tag verbringst du nahezu mit ihm!“, erklingt die nahezu eingeschnappte und beleidigte Stimme vom Bett.

Während ich mir ein schönes chinesisches Outfit raussuche, muss ich kichern.

„Wenn man dich so reden hört, könnte man glatt meinen, dass du eifersüchtig bist!“, grinse ich.

„Eifersüchtig?! Auf Hiwatari?! Das ist... lächerlich! Auf den doch nicht!“

„Nun sei doch nicht eingeschnappt, Schatz, so war das nicht gemeint... Ich find das süß! Aber du solltest doch wissen, dass ich dich nicht betrügen würde, schon gar nicht mit Kai!“

Tadelnd blicke ich wieder zum Bett, als ich mich umgezogen habe. Kai und ich, was für eine absurde und abschreckende Idee! Doch ehe ich noch etwas sagen kann, wird die Türe aufgerissen und ein kleiner, rosa Haarschopf streckt sich ins Zimmer. Als sie sieht, dass wir wach sind, springt Rin sofort mit Anlauf auf das große Bett und lacht fröhlich.

„Ihr seid ja schon wach! Dann können wir ja frühstücken und danach in den Zoo gehen und dann ins Kino! Ich will diesen neuen tollen Animationsfilm sehen und danach Eis essen gehen!“, plappert sie munter los.

Lachend setze ich mich neben sie und wuschle ihr durch das Haar.

„Nun mal ganz langsam, Rin. Eins nach dem anderen. Ihr beide müsst das wohl zu zweit machen, ich geh heute Onkel Kai besuchen“, erkläre ich meiner Tochter lächelnd.

„Oh ja! Gehen wir Onkel Kai und Go besuchen!“, freut sie sich gleich.

„Nein, mein Schatz, ich werd ihn allein besuchen gehen, du musst leider hier bleiben.“

Beleidigt bläht sie die Backen auf und dreht sich von mir weg.

„Mommy! Ma will mich nicht mitnehmen!“, beschwert sie sich sogleich bei der Orangehaarigen.

Ich seufze nur ergeben. Dieses Mädchen ist ein solcher Sturkopf, genau wie ich...

„Emily, bitte erklär ihr, dass das heute nicht günstig ist“, flehe ich die Orangehaarige an.

„Tja, Rin vermisst dich halt auch. Du bist eben einfach zu wenig zuhause, liebste Mariah.“

Manchmal ist das Leben mit den beiden mehr als kompliziert. Ich möchte heute einfach nur zu Kai und Go, um nach den beiden zu sehen, da muss ich Rin nicht unbedingt dabei haben, in letzter Zeit ist Kai sowieso so zurückgezogen und verstört, es wäre besser sie würde bei Emily bleiben. Nur sind sie beide manchmal trotzig wie kleine Kinder. Ich habe mir ein Familienleben immer leichter vorgestellt...

„Tut mir Leid, meine beiden Lieblinge, aber ich muss wirklich los. Wir sehen uns heute Abend, okay? Ich bring auch Pizza mit!“

Dann gebe ich Rin ein Küsschen auf die Stirn und küsse Emily. Das Zauberwort „Pizza“ lässt beide gleich wieder ganz zahm werden. Sie sind manchmal wirklich süß...
 

~*~
 

In meinen schönen, dicken Wintermantel gepackt mache ich mich auf den Weg zu Kais Haus. Hätte mir jemand damals, zu unseren Beyblade-Zeiten, gesagt, dass ich einmal so viel Zeit bei Kai Hiwatari verbringen würde und mich um ihn kümmern würde, ich hätte ihn ausgelacht. Ja, damals, da habe ich ihn gehasst. Nicht einfach nur nicht gemocht, ich habe ihn gehasst. Schon allein für das, was bei der ersten Weltmeisterschaft passiert war. Für mich war er ein Verräter, der zurückgekrochen kam, als es vorbei war. Deshalb konnte ich auch nie verstehen, weshalb Ray ihm verziehen hatte, es war mir ein Dorn im Auge. Doch irgendwann, es war auf einem Turnier, kam Ray zu mir. Er blickte mich ernst an und ich erwiderte seinen Blick fragend.

„Was ist, Ray?“

„Ich... weiß, dass du Kai nicht magst, aber... Du bist meine beste Freundin, Mariah, und deshalb will ich es dir zuerst sagen. Ich hoffe, es ändert nichts zwischen uns, aber ich liebe Kai... Und er liebt mich. Ma-chan, wir sind... zusammen...“, stammelte der Schwarzhaarige damals nervös zusammen.

Er wirkte, wie ein kleiner Junge, der etwas ausgefressen hatte und es seiner Mutter schonend versuchte beizubringen. Was würde ich dafür geben, ihn nochmals so erleben zu dürfen...

„Du... und Hiwatari? Ein Paar? Ein Liebespaar? Also... so richtig...?“, hatte ich ungläubig gefragt.

Ein stummes, schüchternes Nicken war die einzige Antwort, die ich an diesem Abend erhalten habe. Es war der Anfang vom Ende, wie ich es nannte. Damals waren wir noch Blader gewesen, wir sahen uns oft auf Turnieren und ich erlebte die beiden auch oft als Paar. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich unsäglich eifersüchtig auf Kai gewesen bin, er verbrachte so viel Zeit mit Ray, es kam mir so vor, als würde er mir meinen besten Freund wegnehmen. Im Nachhinein weiß ich natürlich, dass es Blödsinn war und ist, aber ich war damals noch ein törichtes Mädchen. Es war auch zu dieser Zeit, als Emily und ich uns näher kamen, fühlte ich mich doch von Ray vernachlässigt.
 

Schließlich lebten mein bester Freund und ich uns so weit auseinander, dass wir uns zerstritten. Ich warf ihm schlimme und böse Dinge an den Kopf und er mir ebenso. Wir redeten nicht mehr miteinander und unsere Zeiten als Blader fanden ein Ende. Ich zog mit Emily zusammen nach San Francisco und verlor den Kontakt zu Ray endgültig. Ich bereute unseren Streit zu tiefst und mich überkam die Erkenntnis, dass mein Verhalten falsch gewesen war. Egal, ob ich Kai mochte oder nicht, Ray liebte ihn und das hätte völlig reichen müssen.

Es vergingen Jahre, ich lebte mit Emily in San Francisco und studierte, wir verlobten uns sogar. Erst unsere Hochzeit sollte den Kontakt wieder herstellen. Unsicher hatte ich damals die Einladung für die beiden geschrieben, ich weiß nicht wie, aber Emily hatte ihre Adresse herausgefunden. Die Einladung war an sie beide adressiert, nicht nur an Ray und Anhang. Ich wollte meinen guten Willen zeigen, wollte, dass sie merken, dass es mir Leid tut und ich eine zweite Chance wollte. An meinem Hochzeitstag war ich wohl hauptsächlich so nervös, weil ich nicht wusste, ob sie kommen würden.

„Hallo, Ma-chan.“

Ich stand im Hinterzimmer und machte mir gerade die Haare, als ich nach so langer Zeit endlich wieder Rays Stimme hörte. Beinahe wäre ich zu Tode erschrocken. Freudig fiel ich ihm um den Hals.

„Du bist gekommen... Du weißt gar nicht, wie viel es mir bedeutet...“, flüsterte ich.

„Natürlich bin ich gekommen... Wir sind gekommen... Schließlich war die Einladung für uns beide...“

„Ich... ich wollte dir sagen, wie Leid es mir tut! Wir hätten nie streiten sollen, wir hätten uns nie zerstreiten dürfen! Es tut mir so Leid... Wenn du Kai wirklich liebst, dann freue ich mich für euch... Für euch beide... Wirklich, glaube es mir...“

„Scht, nun beruhig dich doch. Wer will denn schon eine verheulte Braut sehen, hm? Wie wirkt denn das? Na komm, ich mach dir die Haare...“

Nickend hatte ich mich wieder gesetzt und er machte sich daran das Vogelnest auf meinem Kopf zu ordnen.

„Und? Bist du sehr nervös? Ich dachte immer, du willst nicht heiraten“, neckte er mich.

„So? Das dachte ich eigentlich auch von dir oder was ist das da für ein Ring an deinem Finger?“

Ray wurde leicht rot und räusperte sich verlegen.

„Nun ja... Nachdem die Einladung zu eurer Hochzeit kam, habe ich angefangen von einer Hochzeit in Weiß zu schwärmen... Und irgendwie... nya, er hat mir dann halt einen Antrag gemacht... Es war so süß! Wir wollten gemeinsam essen, ich hatte gekocht, aber Kai hat vom Büro aus angerufen und abgesagt und gemeint, ich könnte schon ins Bett gehen. Aber er wusste, dass ich das nicht machen würde, weil ich immer auf ihn warte, auch wenn er Überstunden macht. Und als er dann heim kam und ins Schlafzimmer kam, hatte er eine schwarze Katze auf dem Arm und kniete vor dem Bett nieder. Als er mich fragte, ob ich ihn heiraten will, hab ich ihn erst mal gefragt ob er spinnen würde und was denn die Katze sollte. Dann erst ist mir der Ring am Halsband aufgefallen! Und die Mieze, ich hab sie übrigens Mao genannt, hat mich so lieb angeguckt und... ach...“, erzählte Ray schwärmerisch.
 

Es war eine wunderschöne Zeremonie und Ray war mein Trauzeuge. Als wir am Abend in einem Tanzclub mit allen Gästen waren, schritt ich auf Ray und seinen Begleiter, welcher mich eher mürrisch ansah, zu und forderte diesen zum Tanzen auf. Sein Blick wurde kritischer und ich sah genau, wie Ray ihm unter dem Tisch gegen das Schienbein trat. Der Graublauhaarige stand schließlich widerwillig auf und begleitete mich zur Tanzfläche.

„Alles... Gute zur Hochzeit, Mariah“, murmelte er leise, als er seinen einen Arm um meine Hüfte legte und meine Hand nahm.

„Danke, Kai. Weißt du... ich glaube, wir beide mögen uns nicht sonderlich.“

„So könnte man es ausdrücken, ja“, murrte der Russe.

„Aber etwas entscheidendes verbindet uns... Ray.“

„Worauf willst du hinaus, Mariah?“, fragte er mich murrend.

„Wie ich gesehen habe, wollt ihr beide bald heiraten. Und ich will dabei sein, wenn mein bester Freund heiratet. Und ich will mich mit seinem Ehemann verstehen. Können wir nicht eine Art Waffenstillstand schließen? Für Ray?“, hatte ich ihn an jenem Abend gebeten.

Kurze Zeit schwieg der Russe, doch dann nickte er mir zu.

„Für Ray“, sagte er leise.
 

Tatsächlich schafften wir es, sehr zu Rays Freude, uns zusammenzureißen. Wenige Wochen nach meiner und Emilys Hochzeit hatten die beiden angefangen sich Häuser in unserer Gegend anzusehen. Von Ray erfuhr ich, dass Kai für die BBA arbeitete und eine Außenstelle hier in San Francisco leiten sollte. Nachdem Mister Dickenson im vergangenen Jahr in Rente gegangen war, dehnte sich die BBA unter Leitung von Miss Dickenson, Stanleys Enkelin, weiter aus. Nachdem sie ein wunderschönes Haus in unserer Nachbarschaft, das war Rays Wunsch gewesen, gefunden hatten, wurde recht schnell der Hochzeitstermin fix gemacht.

Die Hochzeit sollte das Atemberaubendste werden, was ich jemals erlebt habe. Das war auch ihre Absicht gewesen, die beiden wollten es unvergesslich für die Gäste machen. Ich war Brautjungfer. Oder eher Trauzeuge, wenn ich so daran zurückdachte. Es war ein Abend, an dem ich eine völlig andere Seite an Kai erlebte. Niemals hätte ich gedacht, dass er so was mitmachen würde – ein Kleid anziehen!

„Weißt du, dieses zarte Babyblau steht dir wirklich unglaublich gut, Kai“, neckte ich ihn.

„Halt den Mund, Mariah, halt einfach den Mund“, knurrte er mich an.

Die beiden Bräutigame trugen Hochzeitskleider, die Brautjungfern – das waren Emily, Hilary und ich – trugen Herrenanzüge und die Trauzeugen – das wiederum waren Lee, Bryan und Tala – trugen diese furchtbaren, kitschigen Kleider, die sonst als von den Brautjungfern getragen wurden. Auch die Gäste waren in ihren Einladungen gebeten worden, ihre Garderobe zu tauschen. Es hatte mich gewundert, dass wirklich alle Gäste – obgleich die Hochzeit nur im kleineren Kreise stattfand – dieser Bitte nachkamen. Nun, vielleicht lag es auch daran, dass allen Anwesenden sehr viel an Kai und Ray lag und sie ihnen diesen Gefallen deshalb taten. Noch nie hatte ich meinen besten Freund so glücklich gesehen, wie an jenem Abend. Er strahlte regelrecht und das lag nicht an dem mit Glitzer besetzten Kleid, das er trug. Allerdings war es schwer, sich das Lachen zu verkneifen, immerhin standen da unter anderem mein werter Bruder und drei der früher so gefürchteten Russen in mehr als nur peinlichen Kleidern. Dennoch, diese verrückte Idee sorgte dafür, dass wir heute noch von diesem Abend reden. Eine unvergessliche und romantische Traumhochzeit. Gefeiert wurde danach im Golden Gate Park – ein riesiges Aufgebot, einfach wundervoll!
 

Das Verhältnis zwischen Kai und mir wurde lockerer, wir verstanden uns teilweise sogar recht gut. Viele Abende verbrachten wir zu viert – Ray, Kai, Emily und ich. Eines Abends waren wir in einem sehr schönen Restaurant, es sollte ein besonderer Abend werden, denn Emily und ich wollten die beiden etwas sehr wichtiges fragen. Als die Nachspeise gebracht wurde, schien schließlich der richtige Zeitpunkt gekommen zu sein.

„Ray, Kai... Es ist... Ich habe eine Frage an euch. Eine sehr wichtige Frage“, begann ich.

„Und die wäre?“, fragte der Schwarzhaarige neugierig.

„Ray, ich... möchte ein Kind von dir.“

Ray verschluckte sich an seinem Erdbeereis und blickte mich aus ungläubigen Augen an, während Kai seine Arme besitzergreifend um ihn legte und mich ganz in alter Tradition mit Blicken umzubringen versuchte. Im Nachhinein muss ich zugeben, dass es auch mehr als ungünstig formuliert war.

„Emily und ich, wir wünschen uns ein Kind und ich könnte mir keinen besseren leiblichen Vater für dieses Kind vorstellen als dich, Ray. Wir... wollen keine anonyme Samenspende von irgendeinem Fremden, wir wollen jemand reales, den wir unserem Kind eines Tages auch als leiblichen Vater vorstellen können, wenn die Zeit dafür reif ist. Und ich könnte mir keinen besseren vorstellen, als dich“, erklärte ich.

„Wir wissen, es ist eine große Sache und ihr müsst darüber wohl erst mal nachdenken, aber... wir wünschen uns so sehr ein Kind...“, wisperte Emily.

Ja, wir beide wünschten uns eine Familie und hofften, dass Ray zustimmen würde. Natürlich musste er das erst mal mit Kai bereden, das war klar. Als wir das Restaurant wieder verließen, hielt uns der Russe zurück.

„Ray, geh doch schon mal vor, ich geh noch etwas spazieren, ja?“, meinte er noch an den Schwarzhaarigen gewandt.

Ray verabschiedete sich von uns und stieg in sein Auto, Kai begleitete uns in Richtung unseres Hauses, da Emily und ich zu Fuß da waren.

„Was ist, Kai?“, fragte Emily ihn direkt.

„Es freut mich, wenn ihr wirklich eine Familie gründen wollt und ich werde euch da sicherlich nicht im Wege stehen. Ray hätte sowieso am Liebsten schon im Restaurant ja gesagt. Das habe ich ihm angesehen. Dieses Leuchten in den Augen... Es gibt nichts, was er sich mehr wünscht als ein Kind... Deshalb habe ich meinerseits eine Bitte an euch... Es ist seit Wochen ein großer Streitpunkt zwischen Ray und mir, teilweise hatte ich sogar das Gefühl ihn deshalb zu verlieren... Er will unbedingt ein Kind, aber ich bin gegen eine Adoption. Das will ich nicht, es soll zumindest mit einem von uns blutsverwandt sein. Allerdings will er keine fremde Leihmutter, er will nicht, dass eine fremde Frau unser Kind austrägt... Deshalb... Wenn Ray der Vater eures Kindes sein soll, das du, Mariah, austragen willst, dann... würdest du die Mutter von meinem und Rays Kind sein, Emily?“

Überrumpelt schaute ich ihn an. Zu dem Zeitpunkt konnte ich ihn mir noch nicht so ganz als Vater vorstellen. Auch behagte mir die Idee, dass meine Emily von Kai schwanger werden sollte, nicht so wirklich. Dennoch, ich überließ ihr allein diese Entscheidung, war es doch schließlich ihr Körper.

„Wieso hast du Ray weggeschickt?“, fragte sie zuerst, ging nicht weiter auf Kais Frage ein.

„Weil... er soll noch nichts davon wissen, dass ich euch das hier gefragt habe. Solltest du das nämlich nicht wollen, Emily, dann wäre er so enttäuscht und das will ich nicht... Auch wenn ich verstehen würde, wenn du etwas dagegen hättest. Es ist wohl etwas anderes, jemanden nach einer Samenspende oder nach einer Leihmutterschaft zu fragen. Aber ich will auf keinen Fall, dass es ihn traurig macht, die Chance darauf ein Kind zu haben und wenn diese Chance dann zu Nichte gemacht wird. Deshalb wollte ich erst mit euch beiden allein sprechen. Bitte, denkt darüber nach. Gute Nacht.“

Schon war er verschwunden, denn wir waren in unserer Straße und Kai bog ab in die Richtung von seinem und Rays Haus, vor welchem ihr Wagen bereits geparkt stand. Es war seltsam, von Kai um etwas gebeten zu werden. Und es zeigte mir, wie viel ihm Ray doch bedeutete. Früher hätte ich niemals geglaubt, dass dieser Eisklotz – wie er von allen genannt wurde zu Zeiten des Bladens – so viel Liebe für einen anderen Menschen entgegenbringen konnte.
 

Es vergingen Tage, in denen Emily und ich nachdachten. Das heißt, eigentlich vergingen Tage, in denen meine Freundin nachdachte. Ich hatte ihr deutlich gesagt, dass es allein ihre Entscheidung war und, dass ich ihr da nicht reinreden will, aber dass ich ihr in jedem Falle beistehen werde. Denn was würde mir schon das Recht geben, ihr reinzureden, ob sie schwanger werden soll oder nicht? Ich weiß, dass für uns beide von Anfang an fest stand, dass ich das Kind bekommen würde. Emily liebte ihre Arbeit und deshalb wegen der Geburt und allem Urlaub zu nehmen, das wäre für sie nie in Frage gekommen. Umso überraschter war ich, als sie einige Abende darauf zu mir ins Wohnzimmer kam und sich neben mich setzte.

„Okay, ich mach es“, seufzte sie.

„Wirklich? Aber... hattest du nicht gesagt, dass für dich eine Schwangerschaft nicht in Frage kommt?“

„Mh... Ich mag die beiden, ich mag Kai und Ray wirklich sehr. Auch wenn ich glaube, dass ich ohne dich gar keinen Kontakt zu den beiden hätte, aber sie sind für mich wirklich gute Freunde geworden. Und eigentlich haben sie doch das selbe Problem wie wir, nicht? Sie wollen ein Kind, doch können sie es nicht nur zu zweit kriegen, aber auch wollen sie keinen Fremden haben. Keine fremde Leihmutter eben. Es war das eine, zu sagen, dass du unser Kind austrägst, schon allein, weil du dich darauf gefreut hast schwanger zu werden und all das. Aber es ist so gesehen etwas anderes. Also, ich mache es.“
 

Noch am selben Abend gingen wir zu Kai und Ray und sagten ihnen das. Ray war... nun ja, überrumpelt trifft es wohl noch am ehesten. Der Schwarzhaarige brach vor Freude zusammen, Kai musste ihn stützen. Es war ein unglaublich emotionaler Anblick. Keine Woche später war es dann soweit und ich war von Ray schwanger und Emily von Kai.
 

Die folgenden neun Monate waren eine Qual – zwei Schwangere in einem Haus, das ist furchtbar und dazu zwei über besorgte Väter in Spe. Auch wenn Kai anfangs gesagt hatte, er würde das ganze nur für Ray tun, so besorgt wie er Emily bei jedem Tun beobachtete, lag ihm jetzt schon viel an diesem Kind. Es machte richtig Spaß sich von den beiden Kerlen umsorgen zu lassen. Gegen Ende hatte es sogar einen Touch von der Wiedereinführung der Sklaverei. Aber hey, wer würde es nicht ausnutzen, wenn er mal Kai Hiwatari durch die Gegend scheuchen darf? Richtig, niemand, der ihn je kennen lernte würde sich diese Chance entgehen lassen. Okay, wenn ich so an die Schmerzen der Geburt denke, war das wohl das Mindeste...
 

Die Geburt von Go und Rin war der Moment, der aus uns eine Familie machte. Nicht zwei, sondern eine. Das Leben schien von Tag zu Tag schöner zu werden. Kai, Ray und Go waren eine perfekte kleine Vorstadtfamilie, zumindest ärgerte ich sie immer damit. So liebevoll wie Kai mit den beiden umging, war es kaum zu glauben, dass es der selbe Kai war, den ich damals bei der ersten Weltmeisterschaft kennen gelernt hatte. Allerdings war der Graublauhaarige nicht nur Ray ein guter Ehemann und Go ein guter Vater, sondern auch Rin ein guter Patenonkel – es war selbstverständlich für uns vier, dass wir gegenseitig die Patenschaft übernehmen würden. Wir wechselten uns damit ab auf die Kinder aufzupassen, sodass auch mal entweder Kai und Ray oder ich und Emily ein freies Wochenende hatten. Es schien wirklich alles perfekt und wir waren glücklich.

Ich wünschte, es hätte ewig so weitergehen können... Wieso... konnte es nicht einfach so weitergehen... Weshalb musste das passieren...?
 

Es war vor zwei Jahren. Go und Rin waren damals sieben und gingen uns ab und an wirklich sehr auf die Nerven, sie zankten sich wie Lee und ich früher, eben wie Geschwister. Die Familie Hiwatari-Kon war bei uns zu Besuch und während Go und Rin nach draußen verschwanden um zu Bladen – der Hauptstreitpunkt zwischen ihnen war, wer von beiden besser bladen konnte – setzten wir Erwachsenen uns in die Küche.

„Oh mein Gott, dieser Junge schafft mich...“, seufzte Ray erledigt.

„Tja, er scheint mir ganz der Vater zu sein“, kicherte ich und heimste mir einen bösen Blick von Kai ein.

„Als ich in seinem Alter war habe ich nicht so viel Blödsinn angestellt!“, widersprach mir der Graublauhaarige ärgerlich.

„Ach komm schon, er ist wie du. Er fordert jeden heraus, der einen Blade besitzt, nur um zu beweisen, dass er und Dranzer unschlagbar sind! Nun erzähl mir nicht, dass du dich da nicht wiedererkennst“, neckte ihn nun auch Emily.

„Und er hat sich diese furchtbaren, blauen Streifen angewöhnt aufzumalen. Dabei war ich so froh, als ich dir nach fünf Jahren Beziehung endlich diese blöden Dinger abgewöhnt hatte!“, mischte sich nun Ray ein.

„Hey! Drei gegen einen ist unfair! Und außerdem kann Rin ihre Eltern ja wohl mal auch nicht verleugnen, so eine Kratzbürste wie das Mädchen als sein kann“, gab uns der Graublauhaarige kontra.

„Wen meinst du damit nun?“, fragte Emily warnend.

„Tja, den leiblichen Vater, die leibliche Mutter, die andere Mutter, sucht es euch aus. Ihr könnt alle drei ganz schöne Kratzbürsten sein.“

„Das ist doch...! Du schläfst heute Nacht auf der Couch, mein Lieber und da kannst du dir mal überlegen, wie du dich da wieder entschuldigen kannst“, meinte Ray gespielt beleidigt und drehte sich weg.

„Das gibt es doch nicht... Ihr hackt auf mir rum und ich bin dann derjenige, der Sexverbot bekommt?! Das ist doch echt unfair!“, maulte Kai.

„Tja, das solltest du dir halt früher überlegen, ob du dich mit solchen Kratzbürsten wie uns anlegen willst“, kicherte ich frech.

Es wirkte alles so friedlich. Schließlich gingen wir dann raus, um zu gucken was die Kinder machten. Rin und Go bladeten vor dem Haus und scheinbar war Go am Gewinnen, das sah man an Rins mürrischem Blick. Dann kickte Dranzer Rins Blade raus und der Kleine grinste triumphierend – ganz der Herr Papa eben. Meine Tochter stapfte beleidigt auf ihren Blade zu, um ihn zu holen und Go danach noch mal herauszufordern, so wie ich das einschätzte. Doch sollte es zu dieser Herausforderung nicht mehr kommen...

Das einzige, was ich wahrnahm, war ein lautes Hupen und Rins Schreie. Dann erst sah ich das Auto, das auf meine Tochter zuraste und nicht mehr ausweichen konnte... Und Ray, der geistesgegenwärtig zu ihr hetzte und sie wegstieß, gerade noch rechtzeitig, denn dann kam das Auto... Rin hatte nur aufgeschürfte Hände und Knie... Aber Ray... überall war sein Blut, es war schrecklich. Er bewegte sich nicht, gab kein Lebenszeichen von sich. Ich hatte Rin zu mir gezerrt, um zu sehen, ob alles in Ordnung war und Kai hatte Rays Kopf auf seinem Schoß gebettet. Emily war sofort einen Krankenwagen rufen gegangen. Es war der schlimmste Tag in unser aller Leben und er sollte alles verändern.
 

Nach dem Unfall zog sich Kai von uns zurück, Go und er kamen uns kaum noch besuchen. Go ab und an noch, wenn er mit Rin nach der Schule zu uns kam. Aber von Kai hörte ich kaum noch etwas. Es beunruhigte mich, aber ich war mit meinen eigenen Gefühlen genug belastet, als dass ich mir zu diesem Zeitpunkt um ihn Sorgen gemacht hätte. Erst als mich die Schule von Go und Rin das fünfte Mal angerufen hatte, um Go abzuholen, da sein Vater nicht gekommen sei und der Junge nach zwei Stunden immer noch allein vor der Sporthalle saß.

Besorgt hatte ich meinen Patensohn abgeholt und zu Emily und mir nach Hause gebracht, dann war ich zu Kai gefahren. Unglaublich oft habe ich bei ihm geklingelt, doch er machte nicht auf. Zum Glück hatte ich noch den Zweitschlüssel, den mir Ray einmal gegeben hatte.

Als ich das Haus betrat, kam mir abgestandene Luft entgegen und das erste, was ich tat, als ich die Küche betrat, war die Fenster zu öffnen. Dann schaute ich in das Wohnzimmer in der Hoffnung, Kai dort anzutreffen – hochkonzentriert vor seinem Laptop, dem Grund, weshalb er schon oft alles um sich herum vergessen hatte. Nur sollte es leider nicht der Fall sein... Ja, Kai war im Wohnzimmer und saß auf der Couch. Obwohl... nein, das war nicht Kai. Das war nicht der Kai, den ich kannte, es war nur ein Schatten von ihm. Zusammengesunken und mit einer halb vollen Flasche Wodka in der Hand, unrasiert, ungewaschen und völlig fertig. Er bekam nicht einmal mit, dass ich den Raum betrat.

„Kai...? Was...?“, mehr brachte ich nicht raus.

Aus glasigen Augen blickte er mich stumpf und fragend an.

„Mariah...? Was machst du denn hier? Solltest du nicht auf der Arbeit sein oder so was?“, nuschelte er.

„Es ist vier Uhr nachmittags, Kai. Ich arbeite nur halbtags.“

„Vier Uhr? Das kann doch nicht sein... Go ist doch gerade erst zur Schule...“

Verwirrt suchte sein Blick die Uhr, die über dem Kamin hing. Kais Augen weiteten sich in Schock und Erkenntnis. Während er scheinbar verarbeitete, dass der Tag schon wieder fast rum war, sammelte ich die Flaschen ein, die im Raum standen. Teils voll, teils leer und manchmal etwas dazwischen.

„Du trinkst zu viel. Was soll das?! Willst du Go so ein gutes Vorbild sein?“, zischte ich wütend.

„Ich trinke ja nicht, wenn er da ist – und was geht es dich überhaupt an?!“, giftete er zurück und zündete sich eine Zigarette an.

„Ja, du trinkst nicht, wenn er da ist. Weil du gar nicht mehr mitkriegst, wann du deinen Sohn von der Schule abholen solltest!“, fauchte ich noch wütender.

„Blödsinn“, brummte Kai.

„Blödsinn? Blödsinn?! Die Schule von Go und Rin hat mich heute angerufen – zum fünften Mal in diesem Monat! Weil er ganz allein vor der Sporthalle stand und das ganze zwei Stunden, nachdem das Training zu Ende war. Sie haben versucht dich zu erreichen, aber du hast es ja anscheinend nicht einmal mitgekriegt, wie das Telefon geklingelt hat. Genauso wenig, wie du mitgekriegt hast, dass ich geklingelt habe und reingekommen bin. Was ist los mit dir, verdammt?!“, schrie ich ihm entgegen.

Inzwischen war er auch wütend, er war aufgesprungen, blickte mich zornig an.

„Hör auf dich einzumischen, das geht dich doch alles nichts an! Ich kann für meinen Sohn auch sehr gut allein sorgen. Du verstehst das doch gar nicht! Du verstehst mich doch gar nicht! Du kannst mich doch gar nicht verstehen...“

Gegen Ende war er wieder in sich zusammen gesunken, war leiser geworden und schließlich verstummt, als würde er sonst zu viel sagen. Und tatsächlich begann ich erst da zu verstehen.

„Kai... was soll das denn? Glaubst du, du kannst dadurch irgendwas ändern? Irgendwas verbessern? Es war ein Unfall, Kai... Ein Unfall...“, wisperte ich und ließ mich neben ihn auf den Boden sinken.

„Nein! Nein... ich... ich hätte irgendwas tun müssen... Ich stand einfach daneben... Das Auto... Ich... hätte es doch irgendwie verhindern müssen...“, murmelte Kai kaum hörbar.

„Ich war dabei, ich weiß, dass du nichts hättest tun können... Du hättest Ray nicht helfen können, nur indem du ihn davon abgehalten hättest. Und dann... wäre Rin überfahren worden und du weißt, dass Ray mit dieser Schuld nicht hätte leben können. Kai, es war ein Unfall.“

Immer wieder wiederholte ich diese Worte und legte meine Arme vorsichtig um ihn, zog den Graublauhaarigen in eine Umarmung. Anfangs recht steif, aber dann... ja, dann öffnete er sich mir... Kai fing an zu weinen, hemmungslos zu weinen...

„Ich liebe ihn! Ich habe Ray immer geliebt! Ich habe ihm versprochen, dass ich immer auf ihn aufpassen werde... Als wir damals zusammen gekommen sind, habe ich ihm versprochen, dass ihm nichts passieren wird, solange ich bei ihm bin... Ich habe es ihm doch versprochen... Wieso konnte ich mein Versprechen nicht halten? Wieso konnte ich ihm nicht helfen? Wieso, Mariah, sag mir wieso?! Warum...?“

Bei seinen Worten kamen mir selbst die Tränen. Niemals wäre mir in den Sinn gekommen, dass ihn Rays Unfall so sehr verändern würde. Wir weinten stumm nebeneinander und gaben uns für kurze Zeit den Halt, den einem nur ein wahrer Freund geben konnte. Und uns beiden war klar, dass wir niemals mit einem dritten über das hier reden würden. Als wir keine Tränen mehr hatten, ließ ich mich neben ihn fallen und griff nach einer der Wodkaflaschen. Skeptisch betrachtete mich der Russe und ich reichte ihm schließlich auch eine. Verstehend nahm er sie mir ab und wir stießen an.

„Auf all den Mist, der in unseren Leben passiert ist“, raunte er.

„Und auf all den Mist, der in unseren Leben noch passieren wird“, ergänzte ich und nahm einen tiefen Schluck.

Ich verzog das Gesicht und er lachte.

„Soll ich dir lieber Milch holen?“, neckte Kai mich.

„Ha, ha, ha. Ich vertrag mindestens genauso viel wie du“, brummte ich und nahm noch einen Schluck.

„Das wage ich zu bezweifeln, meine Liebe“, entgegnete der Graublauhaarige.

Einige Zeit tranken wir einfach stillschweigend, ich wartete, bis er anfing zu reden.

„Weißt du, ich hätte niemals gedacht, dass mir ein Mensch wie Ray jemals begegnen würde. Als ich ihn das erste Mal traf... Uh, ich konnte ihn absolut nicht leiden! Er wirkte irgendwie überheblich mit seiner Art, allen helfen zu wollen und dazu war er auch noch so freundlich und liebenswürdig... Einfach zum kotzen!“, lachte der Russe neben mir.

„Oh ja, ich weiß, was du meinst. So war Ray schon immer. Freundlich und liebenswürdig. Manchmal schon regelrecht nervig“, stimmte ich ihm zu.

„Aber... er war auch so einfühlsam und... Er war genau das, was ich gebraucht habe... Niemals hätte ich gedacht, dass ich fähig dazu wäre, einen Menschen jemals so sehr zu lieben...“, flüsterte Kai.

„Wieso?“, fragte ich verwirrt und griff nach einer anderen, angefangenen Flasche.

„Weißt du... Meine Eltern starben bei einem Autounfall... Und mein Großvater war ein elendiger Bastard... Die Demolition Boys waren mir weit mehr Familie, als mein Großvater... Ich... fühlte mich einsam, als ich zu den Bladebreakers kam. Einsam, obgleich Kenny, Max und Tyson immer um mich herumalberten... Ich war einsam im Herzen, egal ob sie da waren oder nicht... Als... als ich bei der ersten Weltmeisterschaft Tala, Bryan, Ian und Spencer wiedersah, war ich froh... Sie waren meine Familie und ich wollte zu ihnen zurück... Ich hatte nicht bedacht, dass sie unter der Kontrolle meines Großvaters standen und auch nicht, dass ich den Bladebreakers damit wehtat... Dass sie... Max, Tyson, Kenny und Ray... mir eine zweite Chance gaben, hat mir viel bedeutet...“

„Mh... Es hat dir viel bedeutet, aber wie konnte es passieren, dass du dich in Ray verliebt hast?“, fragte ich neugierig.

Er nahm sich eine Zigarette und zündete sie an. Nach einem Zug nahm ich sie ihm ab und zog selbst daran.

„Ich weiß es nicht... Er war immer für mich da... Er hörte mir zu und versuchte mir zu helfen... Wir wurden Freunde... Und... irgendwann... mehr... Es war... die Art, wie er mit mir umging, die meisten anderen hatten irgendwie... Angst vor mir, ich sah es ihnen immer an, auch Tyson, Max und Kenny, ein böser Blick von mir reichte und sie verstummten... Aber Ray... Er ließ sich nie von mir abschrecken, egal wie ich mich verhielt, er wollte mehr über mich wissen... Er hat sich für mich und für mein Leben interessiert... Bei ihm fühlte ich mich immer... wichtig...“, flüsterte Kai zur Antwort.

Ich nickte verstehend.

„Als... als ich ihm den Antrag gemacht habe und er ja gesagt hat, war das der glücklichste Tag in meinem Leben und ich wusste, dass mit Ray an meiner Seite jeder Tag glücklich sein würde...“

Ein trauriges und wehmütiges Lächeln zierte seine Gesichtszüge. Auch mich überkamen Trauer und Wehmut. Ray war mir schon in unserer Kindheit wie ein Bruder, wir waren immer unzertrennlich.

„Weißt du, Kai... Ray, Lee und ich, wir waren immer ein unzertrennliches Gespann... Wir haben uns geschworen, dass uns nichts trennen kann... Dennoch habe ich Ray aus den Augen verloren und sogar meinen Bruder... Gott weiß, wie dankbar ich war, als ich Ray wiederfand... Nur irgendwie... habe ich meinen Bruder unterwegs verloren... Auch, wenn ich ihn auf meiner Hochzeit und auch auf deiner und Rays Hochzeit war, wir waren uns nicht mehr so... nah wie früher... Wir hatten uns auseinander gelebt, jeder von uns führte sein eigenes Leben... Es war naiv von uns, zu glauben, dass wir einander immer so wichtig sein würden, wie wir es waren, als wir noch Kinder waren... Dass Ray und ich... dass wir wirklich so lange... Beste Freunde... Unzertrennlich... Eine Familie...“, murmelte ich unter Tränen.

„Mh... Ich weiß was du meinst... Egal, was für Pläne wir Menschen haben, das Schicksal macht uns oft einen Strich durch die Rechnung“, brummelte Kai.

Als wir die letzten Reste des Wodka geleert hatten, saßen wir einige Zeit wieder einfach nur schweigend da und taten nichts. Erst spät am Abend erhob ich mich vom Boden und wollte gehen.

„Kai... egal was ist, du kannst mich jeder Zeit anrufen, hörst du? Wenn du reden willst, oder Hilfe brauchst, du weißt, ich kann Go jederzeit von der Schule abholen. Bitte, ruf mich an, ja?“

Auch der Russe stand auf und wir standen uns kurz gegenüber, bevor er mich in eine Umarmung zog.

„Danke, Mariah... Ich weiß das wirklich sehr zu schätzen... Wie... kann ich mich dafür bedanken?“, fragte er mich flüsternd.

„Indem du wieder der wirst, der du einmal warst... Rasier dich mal, hör auf zu trinken und kümmer dich wieder um deinen Sohn“, forderte ich ihn auf.
 

Seit diesem Tag komme ich ihn oft besuchen, sehe nach ihm, passe auf, dass er die Finger vom Alkohol lässt, sich um Go und sich selbst kümmert und dass immer etwas zu Essen im Kühlschrank der beiden ist.

So wie heute.

„Hallo, Kai, wie geht es dir?“, frage ich lächelnd, als ich die Wohnung betrete.

„Tante Mariah! Tante Mariah!“, ruft mir Go freudig zu und spring mir um den Hals.

Der Junge haut mich irgendwann noch um...

„Hallo, Ma-chan.“

Mit einem leichten Lächeln lehnt der Graublauhaarige an der Küchentür und blickt mich an. Ich bin froh, dass er sich wieder gebessert hat. Ich begleite die beiden in die Küche, wo bereits etwas vom Chinesen und drei Teller stehen.

„Was machen wir heute?“, fragt mich Go neugierig.

Er weiß, dass ich meist nur zum Essen vorbei komme, wenn ich mal wieder etwas Leben in diese erkalteten Mauern bringen will. Und das stimmt ja auch...

„Wir... gehen heute deinen Daddy besuchen, na was hältst du davon?“, meine ich lächelnd.

Ich spüre Kais unterkühlten Blick in meinem Nacken, doch ich ignoriere ihn.

„Au ja! Kaufen wir dann auch wieder so schöne Blumen für ihn? Darf ich die aussuchen?“, fragt mich Go.

„Natürlich darfst du das!“
 

Als wir mit Essen fertig sind, schnappe ich mir meine Jacke und auch Kai und Go ziehen sich ihre Jacken an. Gemeinsam gehen wir zu einem Blumenladen. Während Go freudig einen schönen Strauß Blumen für Ray aussucht, zieht mich Kai zur Seite.

„Was soll das, Mariah?! Warum... warum musst du uns jede Woche dorthin schleppen? Du weißt, ich halte das nicht aus... Das ist zu viel für mich, Mariah...“, wispert er.

Ich antworte ihm nicht, halte meinen Blick auf Go gerichtet. Auf ein solches Gespräch kann und will ich mich jetzt nicht einlassen.

Mit einem wunderschönen Strauß aus weißen Rosen, weißen Lilien und gespickt mit zartrosa Rhododendren verlassen wir den Blumenladen wieder. Nur weiße Blumen wirken so traurig, finde ich... und Rhododendren heißen wohl soviel wie die Frage, wann wir uns wiedersehen... Das habe ich einmal aufgeschnappt...

Gemeinsam gehen wir durch die Straßen und ich weiß, dass Kai es nicht will. Ich weiß, dass es ihn immer wieder unendlich traurig macht... Aber...
 

Wir gehen den gleichen Weg, den wir immer gehen, ich denke, ich könnte diesen Weg inzwischen auch mit verbundenen Augen gehen. Meine Stimmung ist gesenkt, als wir endlich an unserem Ziel ankommen. Kai und ich bleiben stehen, während Go noch einige Schritte näher geht.

„Hallo, Ray“, wispere ich traurig.

„Warum tust du das... Wieso... er... kann dich doch sowieso nicht hören...? Er kann dich nicht hören, verdammt“, flüstert Kai.

Ich könnte schwören, dass dort etwas in seinen Augenwinkeln glitzert, doch das mag ich nicht glauben...

Es macht nicht nur ihn traurig, auch mich... Dieser Ort deprimiert mich jedes Mal aufs neue, aber ich brauche es, ich muss einfach hier sein...

„Hallo, Daddy! Weißt du, wir haben heute eine Mathearbeit zurückgekriegt und ich hab eine richtige, glatte eins geschrieben! Papa ist ganz stolz auf mich. Und Rin hat auch eine eins“, erzählt Go stolz.

Mein Herz krampft sich zusammen beim Gedanken daran, dass Ray ihm nicht antworten kann.

Es ist ein trauriger Ort und eine traurige Situation. Ich wünschte, ich könnte etwas ändern...

„Oh, Misses Chou, Mister Hiwatari, Go, es freut mich, Sie zu treffen!“, erklingt eine Stimme hinter uns.

Erschrocken fahre ich herum und lächle gezwungen.

„Hallo, Doktor Struck“, meine ich.

Kai nickt dem Arzt nur leicht zu und Go winkt ihm freundlich, dann tritt der Doktor in das Zimmer ein.

„Wie geht es ihm inzwischen?“, frage ich aus reiner Routine.

Eigentlich braucht er mir nicht einmal zu antworten, die Antwort hat sich doch bis jetzt nie geändert...

„Unverändert. Seine Werte sind normal, aber leider... Es liegt an ihm... Medizinisch gesehen ist alles in Ordnung mit Mister Kon, er ist fit. Es liegt momentan einzig und allein an ihm, wann er aufwacht“, antwortet Doktor Struck.

„Das ist doch Blödsinn! Es kann nicht nur an ihm liegen! Dann wäre er schon längst wach! Ray würde mir das nicht antun und Go auch nicht, er würde uns nicht so lange allein lassen, verdammt!“, fährt ihn Kai an.

„Tut mir Leid, Mister Hiwatari, aber so ist es nun einmal... Es fällt Menschen, die nach einem Unfall ins Koma fallen, sehr oft schwer wieder aufzuwachen... viele...“

„Nein. Sagen Sie das nicht, denken Sie es nicht einmal“, zischt der Graublauhaarige.

Beruhigend lege ich Kai eine Hand auf die Schulter und blicke ihn an.
 

„Kai... ich... sollte wieder gehen, es ist schon dunkel“, wispere ich, als es schon spät ist.

„Daddy! Darf ich heute bei Tante Mariah übernachten?“, fragt Go hastig.

„Von... von mir aus... Dann... kann ich vielleicht noch etwas bleiben“, murmelt Kai.

Lächelnd nehme ich Go an der Hand und verabschiede mich von Kai. Gemeinsam gehen wir heim. Vielleicht ist es ganz gut, wenn Kai einmal etwas Zeit allein mit Ray verbringt. Davor hat sich der Graublauhaarige bis jetzt immer wieder gedrückt, er sagt, er hält das nicht aus, seinen Geliebten so leblos vor sich zu sehen... Und... irgendwie kann ich das auch verstehen...
 

Daheim angekommen richte ich erst mal alles her, damit Go in Rins Zimmer übernachten kann. Meine Tochter freut sich natürlich riesig über den Überraschungsgast. Nur Emily steht dem ganzen leicht skeptisch gegenüber.

„Und du hast Kai ganz allein im Krankenhaus gelassen? Ich meine... er war bis jetzt glaub ich noch gar nicht allein bei Ray, seit diesem Unfall... Seit... Ray im Koma liegt“, murmelt meine Frau.

Ich muss leicht lächeln. Sie sorgt sich oft zu viel, ich denke das hat sie sich mit den Jahren bei mir abgeschaut. Kopfschüttelnd ziehe ich mich um und lege mich ins Bett zu ihr. Go und Rin waren schon im Bett.

„Kai... brauchte vielleicht einfach nur einen Stoß in die richtige Richtung... Ich... kann ihn verstehen, an seiner Stelle würde es mir auch schwer fallen, würdest du vor mir in einem solchen Bett liegen und aussehen als seist du tot“, entgegne ich nur.
 

Kaum, dass ich eingeschlafen war, höre ich das Klingeln des Telefons und stehe widerwillig auf. Auch Emily wacht ärgerlich auf, denkt sie wohl wie auch ich an irgendeinen dummen Telefonstreich. Wer sonst würde um diese Uhrzeit noch bei uns anrufen?

„Hallo?“, frage ich in den Hörer.

„Ma... Mariah... du... ihr... du musst kommen... Und... und... bring Go mit...“

Verwirrt starre ich den Hörer an. Das ist Kais Stimme, doch was ist los?

„Kai? Ist alles in Ordnung? Was ist passiert?“, frage ich.

„Komm... und... bring Go mit... Kommt ins Krankenhaus... Ray... er ist... aufgewacht... Die... Ärzte sagen, er hätte auf meine Stimme reagiert... Er ist... wach... Doktor Struck untersucht ihn, aber er ist wach...“

Vor Freude breche ich zusammen und der Hörer fällt mir aus der Hand. Ray... ist tatsächlich wieder aufgewacht... Kann Liebe wirklich so was bewirken? Kann es tatsächlich allein Kai gewesen sein, der meinen besten Freund wieder ins Reich der lebenden holte? Allein dadurch, dass sie sich unterhielten...?
 

~*~Fin~*~



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Kommentare zu diesem Kapitel (21)
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Von:  knoedelchen
2007-11-14T09:55:01+00:00 14.11.2007 10:55
Oi~ ich bin Erste >/////<"
Ich hasse ja eigentlich Mao, wirklich. Aber hier mag ich sie. Keine Ahnung warum. Das ist dein Zauber des Schreibens, Fiwi! *lachz*
Ich mag deinen Schreibstil immer mehr und ich glaube irgendwie, dass... alles gut wird. Ich weiß nicht wieso mir das jetzt in den Sinn kommt, aber alles wird gut...*grad ein wenig schwachsinn red*
... Ich liebe deine FFs und danke, dass ich es Probelesen durfte ;3
*knuddel*
Hast du toll gemacht ^__~
lg schmumo~



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