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Himmel und Erde

Schatten und Licht, Interlude 1
von

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In der Empfangshalle

„Bleiben sie bitte hier, Botschafterin.“, bat der Berater, der Merle und Allen auf dem Markt begleitet hatte. „Ich werde seine Majestät über die Dringlichkeit ihres Anliegens in Kenntnis setzten. Er wird sie empfangen, sobald es ihm möglich ist.“

„Vielen Dank.“, erwiderte Merle höflich. Ihr Blick prüfte schnell die prunkvolle Empfangshalle, in der sie mit Allen warten sollten, und die Personen, mit der sie den riesigen Raum teilte. Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass niemand zuhören konnte, zischte sie dem Himmelsritter zu: „Was verschweigst du mir, Allen Shezar?“

„Einiges, Merle, aber nichts davon hängt mit unseren Fall zusammen.“, antwortete er ebenso leise.

„Das soll ich dir glauben?“, verlangte sie zu wissen. „Vor wenigen Wochen noch warst du blind und taub, und jetzt hast du bessere Sinne als ich?“

„An dem Zustand meiner Sinne hat sich nichts geändert.“, versicherte er.

„Woher wusstest du dann von dem Beobachter auf dem Dach? Oder von dem...“

„Ich wusste es einfach und ich hab keine Ahnung, woher.“, unterbrach er sie heftig und atmete tief durch. „Von einem Moment auf den anderen war mir die Existenz des Boten bewusst, ebenso die Positionen der Agenten.“

Zweifelnd starrte sie ihn an und zwang sich dann ruhiger zu werden. Wieder Herr über ihre Gefühle werdend wandte sie sich ab.

„Ist das schon mal vorgekommen?“

„Nein. Heute war es das erste Mal.“

„Nicht zu fassen.“, lachte Merle trocken. „Du erinnerst mich an Hitomi.“

„Hoffentlich werde ich diesem Vergleich gerecht.“, gab Allen ernst zurück. „Ihre Einsichten kamen stets zur richtigen Zeit.“

„Meistens jedenfalls.“, gab sie zu und fügte im Stillen hinzu, dass ihre beste Freundin durch ihren Blick in die Zukunft diese nur selten abgewendet hatte.

Eine schier endlose Zeit standen die beiden nahe beieinander und sagten kein Wort. Das geschäftige Treiben in der Halle drang kaum noch zu ihnen vor, nur ein lautes Ausatmen durchbrach gelegentlich die selbst gemachte Stille. Anstatt auf ihre Umgebung zu achten, gestattete Merle es sich Allen mit all ihren Sinnen außer den Augen zu erfassen. Auch wenn die beiden sich nicht berührten, wurde die Luft zwischen ihnen stetig wärmer. Eine dezente Spur seines Schweißes in der Luft verriet ihr, dass er nervös war. Mit einem tiefen Atemzug ließ sie sich seinen Duft auf der Zunge zergehen. Sie genoss durchaus die Eindrücke, die er auf die Nervenstränge ihrer Sinnesorganen hinterließ, doch seine vor Ungeduld schäumende Aura zerrte an ihrem Geist.

„Was ist los?“, fragte sie ihm ins Gesicht. Äußerlich blieb Allen die Ruhe selbst.

„Was soll los sein?“

„Allen.“, erwiderte Merle sanft. „Glaubst du wirklich, du kannst etwas vor mir verbergen?“

Einen Moment lang lag in seinem Blick etwas herausforderndes, als wolle er ihr sagen, er könne es ja versuchen. Dann aber schloss er für einen Augenblick seine Augen, was er ihrer Meinung nach sonst nie tat. Als er sie wieder geöffnet hatte, starrten sie ins Leere.

„Erinnerst du dich noch an die Schlacht gegen Zaibacher, bei der ich meinen Stützpunkt aufgeben musste?“

„Natürlich.“, antwortete sie und blickte selbst etwas wehmütig drein. „Als wäre es gestern gewesen.“

„Damals hatte ich keine Angst vor dem Kampf, obwohl uns eine Übermacht gegenüberstand.“, erzählte er. „Denn ich wusste, dass der Feind kommt, und ich konnte mich und die Festung darauf vorbereiten. Aber jetzt...“ Seufzend ließ er seinen Blick durch die majestätische Halle schweifen. „Jetzt weiß ich ebenfalls, dass eine Schlacht bevorsteht, aber ich kann nichts tun außer zu warten.“

„Du musst nicht hier sein.“, erwiderte Merle. „Geh in eine der Kasernen der Stadt und versetze sie in Alarmbereitschaft. Du kannst dir auch die Stadtpläne ansehen und leicht zu verteidigende Plätze aussuchen, wo sich die Bevölkerung zur Evakuierung sammeln kann. Mit dem König werde ich alleine fertig“

„Wahrscheinlich weißt du besser als ich, dass solche Pläne bereits existieren und die Soldaten mich nur auslachen würden.“, konterte er. „Wenn ich auch nur allein durch meine Anwesenheit deiner Stimme mehr Gewicht verleihen kann, ist es besser, ich bleibe hier.“

„Mach dich nicht verrückt!“, riet Merle. „Wir sind nur die Boten, schon vergessen? Es mag zwar hartherzig klingen, aber wir sind für die Leben in dieser Stadt nicht verantwortlich, sondern andere. Wir können sie nur warnen und unsere Unterstützung anbieten.“

„Glaubst du das wirklich?“

„Ja, aber ich weiß auch, dass du mir nicht zustimmst. Sonst hättest du Van nie Asyl gewährt und nie versucht Fraid zu verteidigen, obwohl Aston es dir verbot.“

„Glaubst du etwa, es war falsch?“, erkundigte Allen verdutzt.

„Bitte versteh mich richtig. Ich bin dir sehr dankbar. Du hast uns gerettet. Ohne dich wären Van und Hitomi den Zaibachern hoffnungslos ausgeliefert gewesen. Ich würde zusammen mit Flüchtlingen durch die Welt ziehen, wäre wahrscheinlich schon tot oder, noch schlimmer, würde leben ohne dich zu kennen.“, erklärte sich Merle. „Aber was bitte schön hatte Fraid von dem riskanten Einsatz deines Lebens und das deiner Mannschaft. Einen Guymelef und ein halbes Dutzend Männer, mehr nicht! Der König wusste bereits, dass seinem Land Krieg drohte und die Anzeichen dafür waren kaum zu übersehen. Er kam deswegen früher von einer Reise zurück. Zuletzt musste Cid uns sogar noch raus boxen. Du hättest nie kommen brauchen.“

„Seit wann bist du so abgebrüht?“, wunderte sich Allen.

„Seitdem ich auf eine harte Art und Weise lernen musste, was die Arbeit in einem Team wirklich bedeutet.“, antwortete Merle ernst. „Es bedeutet, dass man sich die Aufgaben teilt und sich darauf verlässt, dass andere sie gewissenhaft erledigen, während man selbst sich größte Mühe gibt um sich dem Vertrauen seiner Gefährten würdig zu erweisen.“

„Du vergleichst internationale Politik mit Teamarbeit?“, entgegnete er ungläubig, doch sie ließ sich nicht beirren.

„Ja, das tue ich. Ein König muss immer das Wohl der eigenen Bevölkerung im Blick haben und sich darauf verlassen können, dass der König des Nachbarlandes es ebenso hält. Wäre es nicht so, würde jeder von ihnen den Wald vor lauter Bäumen nicht erkennen.“

Allen konnte sich nicht zurückhalten und lachte so leise es ihm möglich war.

„Du überraschst mich, Merle!“, amüsierte er sich, während er versuchte wieder ernst zu werden. „Nach allem, was wir erlebt haben, hätte ich nie gedacht, dass du so naiv sein kannst.“

„Trotz meiner vielfältigen Talente bin und bleibe ich ein junges Mädchen.“, antwortete sie spitz. „Darum bin ich gespannt zu erfahren, was unser alter Herr Ritter zu dem Thema zu sagen hat.“

Autsch, dachte Allen und versuchte das Diplomatenlächeln aufzusetzen, welches er bei Milerna schon so oft gesehen hatte.

„Ich weiß es nicht, ehrlich! Etwas Zeit, um darüber nachzudenken, wäre nicht schlecht.“, behauptete er.

„Ha!“, platzte es aus Merle heraus. „Heißt das, du stimmst mir zu?“

„Wohl kaum, aber es könnte sein, dass ich meine Meinung auf Grund deiner ändern muss.“, verteidigte er sich. „Außerdem, wenn man dich so reden hört, könnte man meinen, du seist eine Bewunderin König Astons.“

„Wie kannst du...“, setzte Merle wütend an, doch Allen unterbrach sie.

„Als wir zusammen das erste Mal nach Astoria kamen, hat er mir genau die gleichen Argumente an den Kopf geschmettert. Und er war es auch, der seinen Enkel und dessen Volk opfern wollte, um sein eigenes zu retten.“ Deutlich sah Merle sein triumphierendes Lächeln, das er zu verstecken versuchte. „Folgt man dieser Argumentation, würde man den ganzen Wald abholzen, nur damit der eigene Baum mehr Licht, Wasser und Luft bekommt.“

Anerkennend schnalzte Merle mit der Zunge.

„Stimmt. Aber wenn man sich ganz alleine um den riesigen Wald kümmert, ist man hoffnungslos überfordert.“

„Keiner von uns hat recht. Können wir uns darauf einigen?“

„Nur wenn du mich zum Essen in deine Villa einlädst.“

„Sind deine Mahlzeiten so schlecht?“, erkundigte sich Allen scherzhaft und fing sich einen unauffälligen Ellbogenstoß in die Rippen ein. Er wollte gerade mit einer weiteren Bemerkung nach setzten, als er den königlichen Berater auf Merle zukommen sah.

„Botschafterin, seine Majestät Franziskus VI gewährt euch eine Audienz.“, verkündete dieser steif. „Bitte folgen sie mir!“

Merle bedankte sich und ließ sich aus der Empfangshalle führen. Überrascht stellte sie fest, dass sie nicht auf dem Weg zum Thronsaal waren. Ein Dutzend umrundete Ecken später fanden sie sich im privaten Bereich der Königsfamilie wieder. Zutiefst verwundert und misstrauisch betrat Merle den Raum, in den sie der Berater winkte und sie zurückließ. Es war ein großes Zimmer, mit einem riesigen Schreibtisch in der Mitte und Bücherregalen an den Wänden. Fenster gab es keine, stattdessen erleuchtete ein winziger Energiestein an der Decke den ganzen Raum. Von dem fast schon hypnotisierenden Licht fiel ihr Blick auf den gepolsterten Stuhl am anderen Ende des Tisches und die Person, die sich zum Gruß erhob. Sich wieder auf die örtliche Etikette besinnend sank Merle auf ihre Knie.

„Willkommen in Sarion, Botschafterin.“, begrüßte sie der König. „Hat euch die Stadt gefallen?“

„Sie ist sehr lebhaft.“, lobte Merle. „Und ihre Architektur ist einzigartig. Ich fühle mich geehrt, hier sein zu dürfen.“

„Ich hoffe, meine Leibgarde hat es euch nicht zu einfach gemacht.“, schmunzelte Franziskus. Wieder einmal wurden ihre Vorstellung über den Haufen geworfen. Nachdem, was Van und Sophia über ihn erzählt hatten, hätte Merle einen Eisblock als König erwartet. Selbst seine eigene Tochter sah nicht sehr oft das Lächeln, das momentan im Gegensatz zu dem durchgedrückten Rücken und der gespannten Körperhaltung stand. Selbst die grauen Ansätze in seinem hell braunen Haar schienen stramm zu stehen. Ihr gegenüber jedoch, einem fremden Katzenmädchen und simplen Abgesandten eines Nachbarstaates, verhielt er sich fast freundschaftlich. „Der Flugkontrolle zur Folge habt ihr als euren Nachnamen de Farnel angegeben. Was hat es damit auf sich?“

„König Van de Farnel hat mich als seine Schwester adoptiert.“, erklärte sie.

„Ach ja? Muss ich euch mit Euer Hoheit ansprechen?“

„Nein, euer Majestät.“

„Hat er eure Adoption auf dem Turnier bekannt gegeben?“

„Ja, euer Majestät.“

„Ich hätte doch hinfliegen sollen.“, ärgerte sich der König und wandte sich dann dem anderen Besucher zu. „Ritter Allen Shezar, auch ihr seid willkommen. Ehrlich gesagt war ich überrascht, als ich von eurer gemeinsamen Ankunft hörte. Darf man euch beiden gratulieren?“

Schlagartig stieg Merle Röte ins Gesicht, doch Allen blieb gewohnt gelassen.

„Ich fürchte, das wäre voreilig, euer Majestät.“, dementierte er. „Ich bin lediglich als Zeuge anwesend.“

„Bitte steht auf und nehmt Platz! Sonst habe ich die Stühle hier umsonst angeschafft.“, forderte Franziskus sie auf und setzte sich demonstrativ. Nachdem beide seiner Bitte nachgekommen waren, fragte er: „Was ist der Grund eures Besuches?“



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