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Himmel und Erde

Schatten und Licht, Interlude 1
von

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Startschwierigkeiten

Nachdem die Kapelle die erste Tanzrunde beendet hatte, strömten die Paare zurück zu den Tischen. Van und Sophia versicherten sich ihrer Freundschaft durch ein offenes Lachen, derweil schmunzelte Tanai über den Eifer, den Cid an den Tag legte, und mahnte fast lautlos zur Ruhe. Milerna hingegen sah man es an ihrem Diplomatenlächeln an, dass sie über ihren Begleiter Trias nicht glücklich war. Mit gebührendem Abstand zueinander verließen sie die Tanzfläche. Zuletzt kamen Merle und Allen ineinander eingehakt auf den Tisch des Königshauses zu. Neugierig blickte sie zu ihm auf, woraufhin er ihr zunickte und etwas zuflüsterte. Fast zu spät merkte sie, dass Trias vor sie trat.

„Allen Shezar!“, grüßte er und hielt dem Ritter seine Hand hin. „Wie immer ist es eine Freude, sie zu sehen.“

Der jedoch ignorierte den Gruß, wies stattdessen auf Merle, die noch immer etwas überrascht war, und erwiderte im selbstgefälligen Ton: „Baron, ich habe die Ehre ihnen Prinzessin Merle de Farnel vorzustellen.“

„Sehr erfreut, sie kennen zu lernen.“, erwiderte Trias. Merle fing sich. Nur mit einer Spur von Nervosität bot sie ihm ihre Hand an.

„Ganz meinerseits, Baron!“, antwortete sie, bevor er mit dem ausgestreckten Arm ihre Finger packte und seine Lippen auf ihren Handrücken presste. Sie konnte noch vor Schreck ihre Augen aufreißen, dann erstarrte die Welt um sie herum und sie konnte sich nicht mehr bewegen.

„Jetzt können wir in Ruhe reden.“, meldete sich Trias Stimme in ihrem Kopf.

„Was soll das?“, wollte Merle entrüstet erwidern, doch an Stelle von Worten formten sich nur Gedanken.

„Ich manipuliere unsere Wahrnehmung der Zeit. Dank der Barriere um deine Aura brauche ich dafür Hautkontakt. Du kennst dieses Gefühl, nicht wahr?“

„Warum?“

„Damit wir reden können.“

„Ich habe ihnen nichts zu sagen.“

„Auch keine Fragen?“, gab Trias überrascht zurück. „Wo du dir so viel Mühe gegeben hast, mir auf die Schliche zu kommen?“

„Sie würden sie mir sowieso nicht ehrlich beantworten. Wenn sie denn ehrlich wären, dann nur auf eine Art, die ihren Zielen dient.“, schnaubte Merle.

„Ich hoffe, in der Beziehung unterscheiden wir uns. Ich habe nämlich ein paar Fragen an dich.“

„Raus aus meinem Kopf!“

„Falls es dich beruhigt, ich kratze nur an der Oberfläche. Die Manipulation jeder Art von Wahrnehmung ist im Gegensatz zum Eindringen in das Gedächtnis ein leichter Eingriff.“

„Was fällt ihnen ein mich zu duzen. Ich bin schließlich…“

„…eine Prinzessin?“, beendete Trias ihren Satz. „Ohne allen nötigen Respekt, das bist du nicht. Genauso wenig, wie ich ein Baron aus Astoria bin.“

„Fragt!“, würgte Merle.

„Erinnerst du dich an deine wirklichen Eltern?“

„Nein.“

„Erinnerst du dich an irgendetwas vor der Zeit im Palast?“

„Nein.“

„Denkst du, dass es Zufall war, dass man dich gefunden hat?“

„Ja.“

„Ah, du bist dir nicht sicher.“, stellte Trias vergnügt fest. „Während einer Gedankenrede kann man nicht lügen. Wusstest du das nicht?“

„Raus!“, befahl Merle.

„Noch nicht. Zweifel sind gut. Sie zwingen uns Dinge von einem anderen Standpunkt aus zu betrachten. Ich werde dir meinen verraten.“

„DAS…“

„Anhänglich, aufgeweckt, verspielt,…“

„…IST…“

„…ein bisschen überdreht und ein paar Jahre jünger.“

„…MEIN…“

„Die besten Eigenschaften für ein kleines Mädchen, um sich mit einem Jungen anzufreunden.“

„…KOPF!“

Plötzlich war Merle frei. Blitzschnell zog sie ihre Hand zurück und verpasste mit der anderen Trias eine schallende Ohrfeige.

„Was fällt euch ein?!“, verlangte sie den Tränen nah zu wissen. Eilig zog sich Trias wenige Schritte zurück, ohne seine gebeugte Haltung zu verlassen.

„Bitte verzeiht, eure Hoheit!“, bat er scheinbar ehrlich. „Ich habe den Abstand falsch eingeschätzt.“

Angesichts dieser Lüge konnte sich Merle kaum noch zurückhalten.

„Ihr solltet das Reden von nun Prinzessin Milerna überlassen.“, knurrte sie.

„Sehr wohl.“

Auf ihrem Weg zum Tisch ging sie zwischen Van und Allen hindurch. Verbissen blinzelte sie die Feuchtigkeit aus ihren Augen. Während Allen nur kurz, aber sichtbar sein Schwert packte und sich dann aufmachte ihren Stuhl für sie zurückzuziehen, schob Van mit seiner Linken sein oberstes Gewand zur Seite und zeigte Trias so den Griff seiner Waffe. Danach wandte er sich Sophia zu, die an Merle herangetreten war und sich zu ihr hinabbeugte. Das Katzenmädchen jedoch wies sie zurück, woraufhin Van sie zu ihrem Platz begleitete.
 

Der ganze Abend war eine einzige Katastrophe. Anders konnte es Merle nicht beschreiben. Seufzend lehnte sie sich an das nördliche Ende der östlichen Bar. Vor etwa einer Stunde hatte sie die Verlosungen der sechzehn Champions, die schon vor Tagen aus dem Teilnehmerfeld auf Grund ihrer bisherigen Erfolge ausgewählten worden sind, auf die gleiche Anzahl von Qualifikationsgruppen ausgeführt. Von da an hörte die Bevorzugung der Champions auch schon auf. So wie jeder andere auch mussten sie sich durch ein KO-System kämpfen, um als einziger der Gruppe an den Finalrunden teilzunehmen zu können. Van, der keine Erfolge vorweisen konnte, war in einer siebzehnten Auslosung zugeteilt worden. Als Ausgleich dafür, dass die Streiter dieser Gruppe nur den Hauch einer Chance hatten weiterzukommen, durften sie im zentralen Ring kämpfen, der ein paar tausend Zuschauer fasste. Die anderen fünfzehn Ringe konnten jeweils nur von wenigen hundert besucht werden. Für mehr hatte das Geld einfach nicht gereicht. Dass der Andrang riesig sein würde, daran zweifelte Merle nicht. Schon allein für die Familien der Teilnehmer war kaum genügend Platz. Nach der Verlosung hatte sie die Fragen einiger Adligen zum Turnier beantwortet, abgesehen davon war es zu keinerlei Gesprächen gekommen.

Vor der Verlosung war es nur fast so schlimm gewesen. Nachdem Van, Allen, Sophia und Milerna ein ernsteres Gespräch mit Gespräch mit Vertretern großer Redereien aus Astoria angefangen hatten, konnte Merle plötzlich nicht mehr mitreden. Von Wirtschaft hatte sie keine Ahnung. Zwar hätte sie durch ihr Wissen das Thema aus sicherheitstechnischem Blickwinkel bereichern können, doch zögerte sie immer noch, allein den Umstand preiszugeben, dass sie viel aus eigener Erfahrung wusste. Sich völlig fehl am Platze fühlend hatte sie sich unauffällig abgesetzt, nur um festzustellen, dass sie niemanden sonst kannte, außer Cid, der auf Grund seines Alters und seiner Begleitung Tanai, ebenfalls nicht als ernstzunehmenden Gesprächpartner angesehen wurde. Abwechselnd hatte er mit beiden getanzt und sich in den Pausen dazwischen gut mit ihnen unterhalten. Allein sein kindlicher Zauber hatte Merle den Angriff Trias auf ihre Psyche vergessen lassen, doch jetzt, da sie niemanden zum Reden hatte, konnte sie an nichts anderes mehr denken. Cid war längst weg. Tanai hatte darauf bestanden. Froh darüber, dass Cid seine eigene Art von Familie gefunden hatte, hatte Merle sich von beiden verabschiedet.

„Und jetzt steh ich hier.“, flüsterte sie und nippte an dem stark alkoholischen Getränk, das sich bestellt hatte. Angewidert verzog sie das Gesicht. Sofort stellte sie das Glas zurück

Eigentlich würde es reichen, wenn sie ins kalte Wasser springen und sich in einer der Gesprächsrunden drängeln würde, die sich auf den ganzen Saal verteilt hatten. So, wie sie es sonst auch machte. Was hatte sie schon zu verlieren. Ihre Tarnung als wohl erzogenes Mädchen war dank Trias sowieso schon aufgeflogen.

Tarnung, dachte sie säuerlich. Langsam begann sie sich zu fragen, ob irgendwann mal eine Zeit kommen würde, in der sie ihr Selbst nicht mehr verstecken musste.

„Denkst du immer noch an die Sache mit Trias?“, sprach eine wohlbekannte Stimme sie von hinten an. Eine Stimme, der der Merle in den vergangen Tagen zu vertrauen gelernt hatte.

„Ab und zu.“, gab sie zu. „Auf so etwas war ich nicht vorbereitet.“

„Da gebe ich mir so viel Mühe und unserer Baron von Gnadenlos ruiniert alles.“

„Trotzdem danke ich dir, Sophia.“, sagte Merle lächelnd, nachdem sie endlich die Kraft gefunden hatte sich zu der anderen Prinzessin umzudrehen. „Van hat mir zwar vieles beigebracht, aber für den Feinschliff braucht es eine Frau.“

„Gleichfalls.“, erwiderte Sophia heiter. „Wie vorteilhaft es sein kann, dass man klein ist, wissen weder Van noch Gesgan.“

„Kein Wunder. Vans Lehrer Vargas war ein Riese.“, erinnerte sich Merle wehmütig.

„Der Abend war sich hart für dich.“, sagte Sophia mitfühlend, mit einer Spur von Hinterlist. „Aber glaub mir, im Gegensatz dazu, was jetzt auf dich zu kommt, war das Kinderkram.“

„Hä?!“, wunderte sich Merle, doch anstatt zu antworten, zog Sophia sie an der Hand hinter sich her. Plötzlich fiel dem Katzenmädchen eine Gruppe junger Mädchen und Frauen auf, der die Prinzessin entgegen steuerte. Sophia ließ Merle los und schaute sie ernst an.

„Deine Herkunft und deine Vergangenheit mag ein Hindernis sein, aber Hindernisse können auch Sprungbretter sein.“, mahnte sie und grinste dann. „Das ist etwas, das mir Van im Kampf beigebracht hat.“ Mit einer respektvollen Handbewegung forderte sie Merle auf voran zu gehen. Im Unterleib der frischgebackenen Prinzessin machte sich flaues Gefühl breit, doch sie leistete keinen Widerstand. Erhobenen Hauptes schritt sie auf die Schar junger Adliger zu. Freundlich nickte sie den neugierigen Gesichtern zu.

„Herzlich Willkommen in Farnelia, meine Damen.“ Da alle Personen, die einen vergleichbaren Status wie selbst genossen, an ihrem Tisch gesessen hatten, wusste Merle, dass diese Geste ausreichte. Von den Mädchen erwiderte jede die Begrüßung mit einem Knicks. „Amüsieren sie sich?“

„Ja, euer Hoheit.“, sagte eine der jungen Frauen. „Das hielt einiges an Überraschungen bereit und wir werden in unserer Heimat viel zu erzählen haben.“

„Ich hoffe, es waren nicht zu viele Überraschungen.“

„Nein, auf keinen Fall. Vielen unseren Bällen würden ähnliche Ereignisse eine gewisse Würze verleihen, die ihnen leider fehlt.“

„Zum Beispiel…“, meldete sich ein Mädchen vorsichtig zu Wort. „…war eure Begegnung mit Baron Trias sehr erheiternd.“

Überrascht zog Merle ihr Brauen nach oben.

„Er hatte es verdient.“, meldete sich eine andere Frau zu Wort. „Er beruft sich inzwischen viel öfter auf seine Position als königlicher Berater, anstatt auf seinen Titel und seine Besitztümer. Stets fordert er Privilegien, die sonst nur einem König zustehen.“

„Ist das Video echt?“, platzte eine Frau dazwischen, die nur wenige Meter von Merle entfernt stand.

„Welches Video meint ihr?“, hakte Merle beunruhigt nach.

„Das aus der Festung Orio, auf dem man sieht, wie ein Katzenmädchen eine Wache und einen Offizier niederschlägt.“

Leugnen hatte wohl wenig Sinn.

„Ja, es ist echt, wobei ich hoffe, dass es nicht verschleiert, warum ich es getan habe.“

„Ich rede nicht mit Mörder.“, verkündete die Frau, woraufhin sie sich von der Gruppe zurückzog. Zögernd folgte ihr der Rest.

„War ja klar!“, resignierte Merle, merkte dann aber dass drei Mädchen, die alle jünger waren als sie, geblieben waren. „Und?“, fragte sie schief lächelnd. „Gibt es etwas, dass ihr wissen wollt?“

„König Van und Allen Shezar haben vorhin deutlich gemacht, dass sie für euch kämpfen würden.“, erwiderte eines der Mädchen. Ihre Anführerin vielleicht, überlegte Merle. „Obwohl ich glaube, dass ihr keine Wachen nötig habt.“

Urplötzlich drängte sich die Mädchen um Merle und redeten auf einmal auf sie ein. Abwehrend hob sie die Hände.

„Ganz ruhig, eine nach der anderen bitte.“, beruhigte sie ihre Verehrerinnen.

„Bitte trainiert uns im Schwertkampf!“

„Euch trainieren? Aber…“

„Sophia habt ihr doch auch trainiert. Jedenfalls hat sie das behauptet.“

Missmutig blickte Merle über ihre Schulter, doch Sophia lächelte nur.

„So einfach ist das nicht.“, versuchte sie wieder zu den Mädchen gewandt zu erklären. „Das Turnier wird mich die ganze Zeit über in Atem halten und wenn es vorbei ist, werdet ihr wieder abreisen.“

„Aber für Sophia findet ihr doch auch Zeit. Trainiert uns mit ihr zusammen.“

„Sophia!“, flehte Merle, doch sie erntete nur ein Schulterzucken.

„Ich hab nichts dagegen. Ich glaube sogar, es ist gut für mein Selbstvertrauen, wenn ich den Frischlingen den ein oder anderen Schwung zeigen darf.“

„Dann ist es entschieden.“, freute sich eines der Mädchen. Merle gab auf.

„Nein, ist es nicht.“, verkündete sie. „Erst brauche ich eine Erlaubnis eurer Eltern.“

„Hä?! Warum das denn?“

„Seht es einfach als Prüfung an. Wer es nicht schafft, seine Eltern zu überzeugen, hat bei mir nichts verloren.“, erklärte Merle und dachte dann kurz nach. „Morgen ist ein Ruhetag, ehe das Turnier anfängt. Ihr habt den ganzen Tag Zeit euren Vater oder eure Mutter zur Villa zu schaffen. Dort werde ich euren Eltern eine Kopie der Erklärung vorlegen, die auch schon Sophias Vater unterschrieben hat.“ Plötzlich blitzen ihre Augen verwegen. „Außerdem habe ich nur vor dem Frühstück Zeit für das Training. Ihr solltet also Frühaufsteher sein.“ Sophia kicherte erst, dann aber beruhigte sie die eingeschüchterten Mädchen.

„Keine Sorge! Meisterin Merle ist nicht annährend so erwachsen, wie sie sich gibt.“

Verärgert beschloss Merle, diesen Kommentar zu ignorieren. Entschlossen, sich ihre Würde nicht rauben zu lassen, fuhr sie fort: „Nennt mir bitte eure Namen und die eurer Eltern!“



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