Zum Inhalt der Seite

Himmel und Erde

Schatten und Licht, Interlude 1
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Nehmen und Geben

Siri hockte hinter einem Stalagmiten in der Tropfsteinhöhle unter der Festung Orio, die sich gut verborgen hinter einem Wasserfall befand. Von der Höhle hatte sie keine Ahnung gehabt, bis Merle sie unwissendlich hierher geführt hatte. Auch die Militärs, die dutzende Meter über ihr deren Tätigkeiten nachgingen, dürften ebenfalls von diesem Ort nichts wissen. Was Siri sehr gelegen kam. Für das, was sie mit dem Mädchen vorhatte, konnte sie keine Zuschauer gebrauchen.

Ein heftiger Schmerz zuckte durch ihr Kopf, als sie sich ihres Ziels nochmals versicherte. Trias, ihr Meister, war gegen ihr Vorhaben, doch sie ließ sich nicht davon abbringen. Seinem Argument, Allen könnte durch den Tod seiner Begleiterin von seinem Weg nach Chuzario abgebracht werden, setzte Siri entgegen, dass er um jeden Preis Merles Mörderin folgen würde. Und die Mörderin, so beschloss sie ein weiteres Mal, würde sie sein. Sein Leben gehörte ihr. Ihr Meister persönlich hatte es ihr geschenkt und niemand, nicht einmal ihre ehemalige Vorgesetzte, hatte das Recht ihn ihr wegzunehmen.

Das Katzenmädchen saß vor der Wasserwand, die nur sehr wenig Licht durchließ. Ihrem Profil nach zu urteilen war sie unbewaffnet, aber dessen konnte sich Siri unmöglich sicher sein. Dass es sich bei ihr momentan um ein einfaches Ziel handelte, war hingegen offensichtlich. Sie schien innerlich sehr aufgewühlt zu sein, sie verbarg nicht einmal ihre Aura.

Fast geräuschlos zog Siri ihre eigene Klinge. Um sich von der Dunkelheit nicht ablenken zu lassen, schloss sie ihre Augen. Mit Hilfe des Echos ihrer eigenen Schritte konnte sie sich orientieren, während sie sich langsam an Merle anschlich. Dass Merle sie nicht hörte, hatte sie nur dem ohrenbetäubenden Wasser zu verdanken. Die letzten zehn Meter bis zu ihrem Ziel legte sie laufend zurück. Sie schwang das Schwert waagerecht auf Merles Hals zu, doch auch wenn der Verstand ihres Opfers vernebelte war, ihre Instinkte waren hellwach. Siris scharfe Klinge sauste nur wenige Zentimeter über sie hinweg, als Merle sich zu Seite rollte. Sofort ging sie in Kampfstellung, doch als sie ihre Kontrahentin erkannte, entspannte sie sich.

„Siri, was machst du hier?“, rief sie überglücklich.

„Dich Töten!“, antwortete Siri mit Schmerz verzerrter Stimme und schlug zu, diesmal von oben. Als Merle die Bedeutung ihrer Worte erkannte, war es fast zu spät. Wieder schrammte das Schwert nur knapp an ihr vorbei, während sie mit eine Hüftdrehung auswich. Dem folgenden diagonalen Schlag entging sie mit einem überstürzten Sprung rückwärts, der sie gegen einen Stalagmiten schleuderte. Siri wollte den Augenblick der Verwirrung nutzen und stieß frontal auf sie zu. Der Verzweiflung nahe krallte sich Merle in die rundliche Spitze des Felsens hinter ihr und schwang sich über ihn hinweg. Sofort lief Siri ihr nach und stach blind an dem Stalagmiten vorbei ins Leere. Als sie das Hindernis ganz umrundet hatte, war ihr vermeintliches Opfer verschwunden.

„Feigling!“, schrie sie in die Finsternis hinaus. Das Attentat auf ihr Leben hatte Merle den Kopf gewaschen. Ihre Aura war nicht mehr wahrnehmbar.

„Ich will nicht mit dir kämpfen.“, schallte ihre Stimme von Wänden herab.

„Willst du etwa fliehen?“, köderte Siri sie. Wenn ihre Beute nicht über ihre Aura zu finden war, dann vielleicht über ihre Stimme.

„Nachdem ich solange nach dir gesucht habe? Nein, ich will nur reden.“

„Und ich will dich tot sehen. Wir können nicht beide haben, was wir wollen.“

„Warum? Hat Trias dir befohl…“

„Für Trias bist du nur Dreck!“, unterbrach Siri. Wenn es ihr gelang Merle zu reizen,… „Eine Laborratte hat die Aufmerksamkeit meines Meisters nicht verdient.“

Eine Minute lang herrschte Stille. Siri lauschte. Sie suchte nach den kleinsten Geräuschen, die Merle von sich geben könnte, nach ihren Atemzügen, nach Schnarren ihrer Krallen, welche sie unbewusst an dem Felsen wetze, hinter dem sie sich verkrochen hat. Doch der Wasserfall, so nützlich er auch für das Anschleichen gewesen war, machte ihren Plan zunichte.

„Was habe ich getan, dass du mich so hasst?“, hallte das Echo durch die Höhle.

„Du lebst. Reicht das nicht?“

„Wenn es wegen deiner Wache bei Hitomi…“

Merle brauchte nur den Namen dieser legendären Frau zu erwähnen und schon sprudelten die Erinnerungen aus Siris Gedächtnis heraus. Nur allzu gut erinnerte sie sich an das Gefühl an dem Grab ihres Vaters zu stehen. An den Stolz, den sie empfunden hatte, als sie am Bett von König Vans Liebsten wachte. An die Schmach, von ihrer eigenen Meisterin betrogen worden zu sein.

„Es reichte euch nicht mir meine Rache zu nehmen, es reichte euch nicht mir meine Ehre zu nehmen, jetzt wollte ihr auch noch meine Liebe.“, klagte Siri Merle an.

„Ich weiß nicht, was du meinst.“, verteidigte sie sich.

„Tut nicht so unschuldig! Euretwegen habe ich meinen Rachedurst Hitomi gegenüber aufgegeben und mich sogar mit ihr angefreundet. Euretwegen konnte ich meine Pflicht ihr gegenüber nicht erfüllen. Euretwegen bin ich ihr hinterher gejagt und euretwegen wurde ich zu dem gemacht, was ich bin. Das einzige, was mich noch am Leben erhält, ist Allen und den wollt ihr mir auch noch wegnehmen.“

„Allen? Aber…“

„Genug! Allens Leben gehört mir und weder ihr noch irgendjemand kann das ändern.“

„Glaubst du nicht, dass sein Leben nur ihm allein gehört?“, hielt Merle dagegen.

„Nein! Und wenn er sein letzten Atemzug nimmt, werde ich seinen Augen die Erkenntnis lesen, dass ich Recht habe. Dann folge ich ihm und wir werden die Ewigkeit gemeinsam erleben.“, widersprach Siri mit einer von Wahnsinn erfüllten Stimme. Merle schauderte.

„Wie meinst du das?“, hakte sie nach, um sich Siris Absichten vollends sicher zu sein.

„Ich werde ihn töten, wenn Meister Trias sagt, dass Zeit reif ist.“, bestätigte Siri die Befürchtungen des Katzenmädchens.

„Nein!“, schrie sie aus vollem Halse und warf sich Siri entgegen. Zu ihrer Überraschung kam Merle von der Höhlendecke auf sie zugeschossen. Sie wich mit einem Schritt zur Seite aus und schwang ihre Klinge, um ihre Gegnerin zu spalten, doch Merle schlug das Schwert mit bloßer Hand zur Seite. Sie landete auf allen Vieren, wirbelte einmal um sich herum an einen weiteren Schwertstreich vorbei. Mit der linken Hand bekam sie die Waffe jenseits des Griffes zu fassen, die rechte formte sie zu einer Faust und schmetterte sie mit dem Handrücken voran gegen Siris Schläfe. Die Gezeichnete flog meterweit davon und rollte auf dem harten Felsboden aus.

Mühsam rappelte sie sich wieder auf und zeigte Merle ihr Furcht einflössendes Gebiss. Diese erwiderte die Drohgeste mit einem Fauchen, warf das blutige Schwert beiseite und griff wieder an. Ihre Krallen zielten auf Siris Augen, doch die war schneller. Sie pflückte Merles Hand aus der Luft und schleuderte sie mit dem Rücken voran gegen einen Stalagmiten. Während dem Katzenmädchen sämtliche Luft aus den Lungenflügeln gepresst wurde, setzte Siri mit der Faust nach, um ihren Kopf zu zerschmettern. Jedoch stieß etwas sie in dem Bruchteil der Sekunde, die sie für den Schlag brauchte, durch einen Bodycheck zur Seite. Vollkommen überrascht und überrumpelt starrte sie den Neuankömmling an.

„Allen?“

Ihr Herz machte einen Sprung in ungeahnte Höhen, als sie seine Aura erkannte, und fiel im nächsten Augenblick in einen bodenlosen Abgrund, weil er sich mit gezogenem Schwert schützend vor der bewusstlosen Merle stellte.

„Was machst du?“, fragte Siri, obwohl sie die Antwort längst wusste.

„Niemand, und sei er noch so stark und mächtig, hat das Recht das Leben eines anderen für sich zu beanspruchen. Deine Kraft ist dir zu Kopf gestiegen.“, mahnte Allen.

„Willst du mich auf den Boden der Tatsachen zurückholen,…“, sagte Siri breit grinsend. „…obwohl du nur ein Mensch bist?“

Ehe er auch nur reagieren konnte, tauchte sie unter seine Deckung hindurch und packte seinen rechten Arm. Mit einem Schulterwurf katapultierte sie ihn quer durch die Höhle. Allen rollte sich ab und stand ohne größere Verletzungen auf. Inzwischen hatte Siri sich wieder mit ihrem Schwert bewaffnet und schritt langsam auf ihn zu.

„So, wie es jetzt ist, sollte es nicht sein.“, offenbarte sie ihm. „Anstelle von ihr sollte ich an deiner Seite sein.“

„Auch wenn du uns beide jetzt tötest, wird es nie wieder so sein wie früher.“, konterte Allen. „Hitomi hat mir von dem Weg erzählt, der vor einem toten Krieger liegt. Man ist zwar in bester Gesellschaft, dennoch geht man ihn allein.“

„Mit unserer Liebe können wir den Bann brechen. Dann können wir den Weg gemeinsam gehen.“

„Ich liebe dich aber nicht. Wenn du unbedingt einen Bann brechen willst, hol dir deine Freiheit von Trias zurück!“

„Ein Lebender kann das nicht.“, erwiderte Siri leise. „Der einzige Ausweg für mich ist der Tod.“ Mit dem Wasserfall im Rücken musste sich Allen anstrengen, um sie noch verstehen zu können. „Und ich wünsche mir mehr als alles andere, dass du mich auf diesem Weg begleitest.“

Plötzlich stürmte sie auf ihn zu und drosch mit ihrer Klinge auf ihn ein. Ihre Bewegungen waren viel zu schnell, als das Allen ausweichen konnte und so konnte er nicht anders als ihr Klinge zu blocken. Nach jedem abgewehrten Hieb schmerzten seine Arme mehr, bis er sie kaum noch anheben konnte und Siri entschied dem Kampf ein Ende zu machen. Ein Tritt in seinen Magen ließ Allens Oberkörper nach vorne sacken, ein Stoß mit dem Schwertgriff auf eins seiner Schulterblätter riss ihn zu Boden. Dann holte sie weit aus.

Aus dem Wunsch heraus nicht zu sterben fand Allen die Kraft, um sich mit dem Gesicht nach oben zu drehen und sein Schwert zu einer diagonalen Abwehr hochzureißen. Doch seine Klinge hielt ihrem Schlag nicht stand, das Metall brach. Siris Schwertspitze kam nur einen Millimeter vor seiner Halsschlagader zum Stehen. Verwundert sah Allen auf. Auf ihrer Wange glitzerte etwas, während die Zeit gnadenlos langsam verstrich. Schließlich hob Siri die Klinge ein weiteres Mal an und rammte sie auf seinen Hals zu. Doch der Schmerz blieb aus. Bevor Allen sich fragen konnte, was los war, traf ein Tritt seinen Bauch und er wurde bewusstlos. Siri zog das Schwert aus dem Boden, beugte sich zu ihn hinab und legte ihre Waffe in seine Hände.

„Ich gebe es dir zurück.“, flüsterte sie ihm zu. Dann nahm sie ihm seine Unterarmdolche samt Halfter ab und legte sie sich selbst an. Ohne Merle und Allen noch einen Blick zuzuwerfen, verließ sie Höhle.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück