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Himmel und Erde

Schatten und Licht, Interlude 1
von

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Ein ewiger Kreislauf

Todmüde lag Van in seinem Bett. Seine Augen waren geschlossen, während er Hitomis strahlendes Lächeln vor sich sah. Er wusste, dass dieses Bild nicht real war. Sie befand sich auf einem riesigen Luftschiff, weit weg von ihm. Zu weit. Es war nicht einmal ein paar Wochen her, als er sie zuletzt gesehen hatte, doch ihm kam es bereits wie eine Ewigkeit vor. Ein Zustand, der, wie er fürchtete, noch eine Ewigkeit lang anhalten konnte.

„Oder auch nur einen Augenblick.“, beruhigte Hitomis sanfte Stimme ihn. Daraufhin rief Van in Gedanken nach hier, fragte, wo sie sei. Ein sanfter Druck auf seine Lippen antwortete ihm. Verwundert öffnete er seine Augen. Es bot ihm ein Anblick, der schöner nicht sein konnte.

„Hitomi?“, fragte er erstaunt.

„Wer sonst?“, antwortete sie vergnügt. „Oder hast du jemand anderes erwartet?“

Van fand sich selbst auf einer weichen Liege wieder, auf deren Rand Hitomi saß, während sie ihren Oberkörper an ihn schmiegte.

„Nein…ja…ich dachte, Sophia hätte wieder einen Versuch unternommen mich zu…“, stammelte er.

„Macht sie das etwa immer noch?“, wunderte sich Hitomi. Zärtlich streichelte Van ihre Wange.

„Ja, aber sie gibt sich nicht mehr so viel Mühe. Dein Manöver in der Katzenpranke hat wohl gewirkt…irgendwie.“, vermutete er. Seufzend legte sie ihren Kopf auf seine Schulter.

Die Zeit verging, ohne dass sich einer von ihnen rührte. Genüsslich schnupperte Van an ihrem weichen Haar. Der Meeresduft war noch viel intensiver als sonst.

„Wie gefällt es dir auf dem Schiff des Drachenvolkes?“, fragte er schließlich.

„Nicht so gut. Die Bewohner unterrichten mich zwar, aber sonst reden sie nicht mit mir. Antigonos ist der einzige, der sich mit mir unterhält.“, beklagte sie sich.

„Verbringt ihr viel Zeit miteinander?“, hakte Van nach.

„Eifersüchtig?“, erkundigte sich Hitomi.

„Ein bisschen vielleicht.“, gab er zu. „Er kann bei dir sein und ich nicht.“

„Aber ich bin doch bei dir.“

„Es ist nur ein Traum. Das reicht mir nicht.“

Traurig lächelnd richtete Hitomi sich auf. Erst jetzt konnte Van ihre Kleidung sehen. Sie trug ein blaues Gewand aus Seide, geschmückt mit orangen Blumen und sich zufällig kreuzenden, weißen Linien. Um ihre Taille war eine breite, gelbe Schärpe gebunden. An ihren Füßen trug sie hölzerne Sandalen mit u-förmigen Riemen. Solche Kleidung hatte er noch nie zuvor gesehen. Er selbst war mit einem seiner Gewänder bekleidet.

„Das muss dir aber reichen. Denn anders als jetzt wird nicht sein.“, sagte sie ihm.

„Wie meinst du dass?“, fragte Van erschrocken.

„Steh auf! Ich will dir etwas zeigen.“, bat Hitomi. Während Van ihrer Bitte nachkam, sah er sich um. Sie beide befanden sich in einem Pavillon, der genauso wie die Liege aus mit Ornamenten verziertem Holz gebaut worden ist. Die beschauliche Holzkonstruktion wurde durch ein Geländer ohne Ausgang begrenzt. Als Van schließlich fest auf seinen Füßen stand, klappte sein Kiefer nach unten. Der Blick über das Geländer gab den Blick auf einen steilen Abhang frei. Über den ganzen Abhang verteilt standen Bäume mit blassrosa Blüten. Dahinter erstreckte sich schier unendliches Meer unter einem wolkenlosen Himmel.

„Dieses Szenario habe ich für die Erinnerung an meine alte Heimat erschaffen. Das Wasser war das schwierigste. Es sieht jeden Tag anders aus.“, erzählte Hitomi.

„Das ist alles sehr schön, aber was hat das mit unserer Beziehung zu tun?“, fragte Van ungeduldig.

„Gar nichts.“, antwortete sie. „Außer natürlich, dass dies der Ort ist, wo wir uns in Zukunft treffen.“

Unsicher sah er sie an.

„Das heißt, nicht dass wir uns auf Gaia nicht wieder sehen werden.“, beruhigte ihn Hitomi. „Was ich dir sagen wollte, ist, dass Gaia sich von der Ebene seiner Existenz her nicht groß von diesem Ort unterscheidet.“

„Aber dieser Ort nur in deinem Kopf. Ich kann ihn auch nur sehen, weil du mich eingeladen hast.“

„Und was sagt dir, dass es mit Gaia nicht genauso ist?“

„Das musst du mir erklären.“, verlangte Van.

„Erinnerst du dich noch an unseren ersten Besuch im Tempel der Fortuna? Damals erzählte uns der Vater von Cid, dass Gaia eine aus der Kraft der Gedanken des Drachenvolkes geschaffene Welt ist.“ Mit ihrem Blick schweifte sie über das Meer. „Genau wie dieses Stückchen Land hier. Es existiert nur in unseren Gedanken und ist daher für andere unsichtbar. Du musst wissen, dass Gaia vom Mond der Illusionen aus ebenfalls nicht sichtbar ist.“

„Aber von Gaia aus kann man den Mond doch sehen.“, widersprach er ungläubig.

„Stimmt.“, bestätigte Hitomi. „Und das ist auch der einzige Unterschied zwischen meiner kleinen Welt und Gaia. Während alles, was du hier siehst, nur in meinem Bewusstsein existiert, liegt Gaia im uns bekannten Universum der materiellen Ebene. Trotzdem ist Gaia nichts anderes als eine Ballung von Gedankenenergie, geschaffen durch den Willen des Drachenvolkes. Was aber noch viel wichtiger ist, dass die Aufrechterhaltung solcher Konstrukte Energie kostet. Allein dieses kleine Szenario erfordert sehr viel Konzentration.“

„Und wer erhält Gaia aufrecht? Das Drachenvolk?“, wollte Van wissen.

„Nein. Gaia ist eher so etwas wie eine sich selbst versorgende Maschine. Die Energie, die das Drachenvolk einmal aufgewendet hat, um Gaia zu erschaffen befindet sich in einem ständigen Kreislauf.“

„Einen Kreislauf?“

„Nun, das Drachenvolk erschuf erst einmal einen Planeten, der die Umgebung für Leben stellte.“, erklärte Hitomi. „Von da an begann der Kreislauf. Der Planet bringt neues Leben hervor. Diese Lebewesen wiederum bekamen laufend Eindrücke von dem Planeten, wodurch er auch in ihrer Vorstellung existiert. Somit investieren die Lebewesen Gedankenenergie in die Aufrechterhaltung von Gaia. Allerdings funktionierte die Sache nicht so gut, wie das Drachenvolk es sich erhoffte.“

„Warum das?“

„Weil es kein abgeschlossenes Energiesystem gibt. Es geht immer etwas Energie an die Umgebung verloren. Zum Beispiel als du mich gerufen hast, lag eine deiner Federn vor mir. Auch diese bestehen aus Gedankenenergie. Somit hast du also damals dem System Gaia Energie entzogen.“

„ Ich glaube, ich verstehe.“, sagte er. „Hat das Drachenvolk eine Lösung für dieses Problem?“

„Sie selbst können die verlorene Energie nicht ersetzen, da sie selbst Teil des Systems sind. Aber das System löst das Problem selbst, allerdings nicht so, wie das Drachenvolk es sich wünscht.“, sagte Hitomi. „Es holt einfach Lebewesen von der Erde zu sich, für deren Erschaffung es keine Energie aufbringen musste. Da Menschen anscheinend am meisten Gedankenenergie produzieren, bevorzugt sie der Planet. Ihre Gebräuche, Mythen und Fantasien gaben Gaia dann sein Gesicht.“

„Sag bloß, das Drachenvolk wollte sich mit einfachen Menschen nicht abgeben und hat sich deshalb in das Luftschiff verkrochen.“

„Erst hat das Volk diese Menschen akzeptiert. Die Tatsache, dass das Herzogtum Fraid von ihnen den Auftrag bekam, ihr Erbe und ihre Geschichte zu schützen, beweißt das. Aber nachdem die Menschen zu viele wurden und somit Ressourcen fehlten, brachen Kriege aus. Das Drachenvolk gab nach einiger Zeit die Hoffnung auf Frieden auf und verschanzte sich in seiner fliegenden Stadt. Irgendwann kamen sie dann zu der Erkenntnis, dass Kriege nicht nur unabwendbar, sondern auch notwendig wären.“ Als Hitomi das gesagt hatte, verhärteten sich Vans Gesichtzüge. Sie beobachtete für einen Moment seine Reaktion, ehe sie beschloss weiter zu erzählen. „In ihren Augen dezimieren Kriege die Menschen auf eine für den Planeten erträglichem Masse, woraufhin sie sie sich aber wieder ausbreiten, aneinander geraten und der Kreislauf von vorne anfängt.“

„Wie kann man so etwas auch nur denken?!“, fragte er schockiert.

„Sie leben hoch in der Luft und haben sein Jahrtausenden kein Krieg mehr erlebt. Sie wissen es nicht besser.“, erläuterte sie.

„Und bei diesen Leuten willst du bleiben?“, fuhr er sie an.

„Es gab auch unter ihnen einige, die das nicht akzeptieren wollen. Antigonos und Trias sind nur ein paar von ihnen.“, führte Hitomi weiter aus, ohne auf Vans Vorwurf zu achten.

„Trias? Warum erwähnst du ihn?“

„Weil Trias vorhat den Energiekreislauf von Gaia zu unterbrechen. Er will, dass sich die Menschen in Kriegen vernichten, doch anstatt die entstehenden Lücken durch andere Menschen wieder zu füllen, soll eine von ihm neu geschaffen Rasse ihren Platz einnehmen.“

„Die Gezeichneten? Aber sie sind doch auch Lebewesen.“

„Schon, doch deren Leben unterliegen auch Trias Kontrolle. Wenn die Vernichtung der Menschheit erreicht ist, was sollte ihn dann davon abhalten, seine Dienerschaft durch unerträglichen Schmerz zu töten?“

„Und dann würde Gaia nicht mehr existieren? Eine sehr gewagte Theorie, Hitomi.“

„Trias hat aber schon einmal versucht, Gaia zu zerstören.“

„Wann?“

„Ich glaube, die Entstehung von Zaibach geht auf seine Kappe. Von wem sonst sollte Kaiser Dolunkirk die Fehlinformation über die Schicksalsmaschine haben? Schließlich dachte er, dass die Sphäre alle Menschen glücklich machen würde, stattdessen steigerte sie die Kampfeslust. Hätten wir sie nicht abgeschaltet, wäre ganz Gaia im Krieg versunken.“

„Warum sollte er Gaia zerstören wollen?“, zweifelte Van.

„Sagte ich das nicht schon auf der Katzenpranke? Er will die Kriege beenden, die auf Gaia immer wieder toben. Es ist wohl Ironie des Schicksals.“, sagte Hitomi.

„Mir brummt der Schädel von soviel Theorie. Dabei wollte ich mich im Schlaf ausruhen.“; beschwerte sich Van.

„Das liegt wohl daran, dass du übermüdet bist und noch immer nicht schläfst.“, erwiderte sie lächelnd.

„Ich denke, dass hier ist ein Traum.“

„Auf Gaia siehst du tatsächlich auch so aus, als würdest du schlafen, in Wirklichkeit sind wir beide aber noch bei vollem Bewusstsein. Ich fürchte, ich muss dich jetzt zurück ins Bett schicken.“

„Kann ich nicht noch fünf Minuten bleiben?“, quengelte Van.

„Nein.“, kicherte Hitomi.

„Drei Minuten?“

„Nein!“

„Eine Minute?“

„Geh schlafen, Van!“, lachte sie.

„In Ordnung.“, gab er nach. Ohne Vorwarnung drückte er Hitomi sanft an sich und küsste sie. „Wenn wir uns das nächste Mal treffen, lass uns bitte nicht über das Berufliche reden, sondern die Physik deines Szenarios testen.“

„Ach! Und wie willst du das anstellen?“, fragte sie neugierig.

„Nun, zuerst sollten wir die Liege untersuchen. Mal sehen, wie viel Liebe das Holz aushält.“

„Gute Nacht, Van.“, verabschiedete sich Hitomi vergnügt, woraufhin sich seine Augen wie von selbst schlossen und er in das Reich der Träume glitt.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2007-10-28T20:27:58+00:00 28.10.2007 21:27
Es geht genauso fantastisch weiter, wie es geendet hat!^^
Diese FF macht wirklich süchtig!


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