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Freundschaft und Vertrauen

von

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Trotzdem war ich froh, dass er in Englisch und anschließend im Kunstunterricht nicht neben mir saß. Ich wollte einfach meine Ruhe haben und nicht dieses nervtötende Grinsen ertragen müssen. Die Mädchen aus unseren Kursen schienen das wohl etwas anders zu sehen. Sie tuschelten die ganze Zeit und kicherten blöd. Was fanden sie nur an ihm? Schließlich ignorierte er sie die ganze Zeit.

In Kunst bekamen wir den Auftrag ein Portrait zu zeichnen. Dabei fiel mir mein Bild aus Mathe ein. Die Idee Mizukis Portrait im Unterricht zu malen war eigentlich gar nicht so schlecht. So hatte ich genug Zeit für das Bild, da für die nächste Zeit ziemlich viele Prüfungen anstanden. Am Ende der Stunde hatte ich mehrere Skizzen angefertigt. Jetzt musste ich mir noch eine geeignete Technik überlegen. Bleistift und Pastellkreiden nicht – das verschmierte immer so sehr. Bei Portraits boten sich immer Ölfarben an. Oder vielleicht Aquarell? Ich sammelte meine Skizzen und Stifte ein und machte mich auf den Weg zu meiner Wohnung. Ich musste nur noch kurz beim Schreibwarengeschäft vorbei, weil ich noch ein paar neue Pinsel und ein paar Sachen für die Schule brauchte. Ich überlegte gerade, welche Technik für Mizukis Portrait wohl besser geeignet wäre, als mir jemand auf die Schulter tippte. Ich zuckte zusammen und sah meinen neuen Mathe-Banknachbarn vor mir stehen, als ich mich umdrehte. Der Typ ging mir wirklich langsam auf die Nerven. Jetzt lief er mir schon nach der Schule hinterher. Ich konnte mich eigentlich nicht daran erinnern, ihn aufgefordert zu haben, mich zu verfolgen. „Was ist denn?“ „Ich habe mir gedacht, dass ich dich ein Stück begleiten kann. Wir wollen ja offensichtlich in dieselbe Richtung. Ich wohne gleich am Ende dieser Straße dort“, er zeigte auf eine kleine Seitenstraße. Erst in dem Augenblick fiel mir auf, dass ich auch schon fast zu Hause war. Das konnte nicht sein. Jetzt wohnte der auch noch in meiner Nähe. Und wenn ich Pech hatte, dann würde ich ihm jeden Tag begegnen. Na toll, welch herrliche Aussichten.

Ich ging bis zum Schreibwarengeschäft und ließ Shin einfach stehen. Als ich wieder herauskam, war er zum Glück schon verschwunden, sodass ich in Ruhe zu meiner Wohnung gehen konnte.

Zu Hause angekommen schloss ich die Tür auf und schlenderte in die Küche, um mir einen Tee zu kochen. Anschließend ging ich zu meinem Zimmer. Die Schultasche ließ ich in die Ecke fallen - die Hausaufgaben konnten erstmal warten. Viel wichtiger war mir jetzt das Portrait. Seit mir in Mathe diese Idee gekommen war, spukte Mizukis Bild in meinem Kopf herum. Ich suchte meine Pinsel zusammen und nahm eine rote Tube mit Ölfarbe in die Hand. - Nein - Das ist wohl doch keine so gute Idee. Die dicken Ölfarben werden das Gesicht wohl eher erdrücken, also doch lieber Aquarell. Ich nahm einen Zeichenblock zur Hand und übertrug meine Skizzen mit feinen Pinselstrichen auf das Papier.

Als es plötzlich an der Tür klingelte, blickte ich erschrocken auf. Wer konnte das sein? ich bekam eigentlich nie Besuch. Ich versuchte aufzustehen, was sich gar nicht als so einfach erwies, da meine Beine eingeschlafen waren. Ich war so in das Malen vertieft gewesen, dass ich gar nicht bemerkt hatte, wie unbequem ich gesessen hatte. Wie viel Zeit wohl inzwischen vergangen war? Bis ich an der Tür angekommen war und öffnen konnte, hatte es ein zweites Mal geklingelt.

Ich traute meinen Augen kaum. Da stand doch dieser arrogante Shin tatsächlich vor MEINER Tür. Woher wusste er, wo ich wohne? Ich hatte es ihm schließlich nicht gesagt.

„Äh hallo. Ich wollte dich mal fragen, ob du mir den Schulstoff von der letzten Woche geben könntest.“ Er wirkte etwas verlegen- „Ich wollte dich nicht stören“, fügte er hinzu und sah mich an. Erst da ging mir auf, wie seltsam ich aussehen musste in dem weißen Kittel und den alten Hosen, die ich immer anzog, wenn ich etwas malte. Was sollte ich nun tun? In meiner Wohnung haben wollte ich ihn eigentlich nicht, es war schon schlimm genug, dass er sie jetzt kannte, aber draußen stehen lassen? Das wäre zu unhöflich gewesen. „Also gut, komm rein. Du kannst meine Hefter mitnehmen.“ Ich führte ihn in den größten Raum der Wohnung, den ich als Aufenthaltsraum eingerichtet hatte. In der Ecke standen eine orangefarbene Couch und ein kleiner runder Tisch und an den Wänden standen zwei Schränke, die überwiegend mit meinen Büchern gefüllt waren. Ich wies auf die Couch. „Setz dich.“ Er nahm Platz und sah sich aufmerksam um. „Lebst du allein hier?“ Na toll, das hatte ich nun davon, dass ich ihn hereingebeten hatte. Schon stellte er lästige Fragen. „Ja, schon seit zwei Jahren. Ich lebe schon lange nicht mehr bei meinen Eltern.“ Hoffentlich gab er jetzt Ruhe. Er sagte tatsächlich nichts weiter und beobachtete mich nur, Aber gerade das machte mich nervös. Irgendwie hatte ich das ungute Gefühl, dass mir meine Gefühle für meine Eltern anzusehen waren und ich drehte mich schnell um. „Ich gehe jetzt die Sachen holen. Möchtest du einen Tee?“ „Ja, danke.“

Ich verließ das Wohnzimmer und suchte alle meine Hefter zusammen. Jedes Mal, wenn ich an meine Eltern erinnert wurde, wurde ich traurig. Anfangs hatte ich sie verabscheut, ja gehasst, für ihren Egoismus. Aber ich hatte sie auch vermisst, es waren schließlich meine Eltern. Nun hatte ich seit drei Jahren keinen Kontakt mehr zu ihnen. Meine Oma hatte mir erzählt, dass sie sich vor fast zwei Jahren hatten scheiden lassen, aber sie wusste auch nichts Genaueres oder sie erzählte es mir zumindest nicht. Ich hatte mich an ein Leben alleine gewöhnt. Alle Menschen, die mir etwas bedeuteten, hatten mich früher oder später im Stich gelassen. Mama, Papa, Mizuki - sie existierten nur noch in meiner Erinnerung. Meine Oma wohnte in einem Haus außerhalb der Stadt, sodass ich sie nur selten besuchen konnte. Und Freunde hatte ich keine.

Ich ging in die Küche und nahm die Teekanne mit dem heißen Tee und zwei Tassen mit ins Wohnzimmer. Als ich eintrat, stand Shin gerade vor meinem Bücherschrank. Er blickte auf und meinte: „Wow, du kannst ja fast ´ne Bibliothek eröffnen. Hast du die alle gelesen?“ „Mh“, ich nickte zustimmend. Er wirkte beeindruckt: „also, bis gerade eben habe ich unsere Büchersammlung zu Hause für groß gehalten, aber das hier“ – er deutete auf den größeren Schrank, der eine Längsseite des Raumes einnahm – „übertrifft unsere bei weitem. Und dann erst diese alten Wälzer, die findet man doch nur in Antiquariaten... Echt klasse!“ „Danke.“ Ich hatte nicht gedacht, dass er sich so für Bücher interessierte. Ich betrachtete die Bücherreihen lächelnd. Auch Mizuki hatte ihren Teil zu der immensen Sammlung beigetragen, da sie mir oft Romane geschenkt hatte. Da fiel mir schlagartig wieder das Portrait ein. Ich legte die Hefter auf der Couch ab, stellte die Teekanne und die Tassen auf den Tisch und flitzte in mein Zimmer. Als es vorhin geklingelt hatte war ich in aller Eile aufgestanden und hatte es einfach liegen gelassen. Hoffentlich war es noch nicht zu spät! Ich betrachtete mein Werk. Es war genau das passiert, was ich befürchtet hatte. Die Farben waren verlaufen. Ruiniert war es noch nicht, aber es würde nicht mehr so werden, wie ich es mir vorgestellt hatte. Toll, jetzt musste ich wegen diesem arroganten Kerl in meinem Wohnzimmer noch mal ein neues malen! Ich ging mit dem Bild in der Hand wieder zurück zum Wohnzimmer. Shin hatte gerade meine Hefter in der Hand. „soll ich dir irgendetwas erklären?“ Er sah zwar nicht so aus, als bräuchte er Hilfe und ich musste widerwillig zugeben, das er doch intelligenter war, als ich zunächst vermutet hatte. Außerdem musste ich mir schleunigst überlegen, wie ich den Kerl am schnellsten, aber doch höflich wieder loswurde. Er blickte auf. „Mh? - Nein, ist schon ok. Das meiste habe ich davon an meiner alten Schule schon gehabt.“ Dieses selbstsichere Gerede und dieses Grinsen brachten mich schon wieder fast auf die Palme. Wie konnte ich ihn loswerden? Es sah im Moment nicht so aus, als ob er in den nächsten Minuten vorhätte zu gehen. Doch ich wurde in meinen Gedanken unterbrochen: „Doch du kannst mir helfen, das hier verstehe ich nicht ganz.“ Er deutete auf eine schwierige physikalische Gleichung. Ich sah sie mir genauer an und erklärte sie ihm dann. „Ok. Ich werde dann mal gehen“, meinte er schließlich, stand auf und ging zur Tür. !wir sehen uns dann morgen!“ Wieso musste er mich daran erinnern? Das schlimme war, dass wir morgen eine Doppelstunde Mathe haben würden. Immerhin war ich ihn für heute Abend los. Ich sammelte das Geschirr ein und trug es in die Küche. Ich widmete den Hausaufgaben eine Stunde und wollte eigentlich noch ein paar Seiten meines neuen Romans lesen, war jedoch so müde, dass mir schon nach fünf Minuten die Augen zufielen.



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