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Der Wolf im Schatten der Natur

Teil 1: Die Katastrophenzeit
von

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Schutzgeist

Tia...“, begann meine Mutter vorsichtig und ich drehte mich mit leerem Blick wieder zu ihr,

„Es hat heute nicht geregnet.“

„Aber...“

Erst jetzt spürte ich meinen nassen Körper, an dem die Kleidung klebte, „Ich bin ganz nass!“

Ich sprang auf, sah auf den Stuhl, dessen Sitz nun ebenfalls feucht war.

„Ich – ich versteh das auch nicht...“

„Und der Donner! Den Donner musst du doch gehört haben!“

Meine Mutter runzelte die Stirn und schüttelte fragend den Kopf, „Hast du vielleicht eine seltsame Bewegung gemacht als du draußen warst und dir so irgendwas verkrampft?“

„Nein, ich bin mir ganz sicher, dass es geregnet hat, oder... bilde ich mir jetzt auch noch die nasse Kleidung und die nassen Haare ein?“, hauchte ich verzweifelt.

„Nein, das nicht, du bist wirklich nass.. vielleicht hat es ja wirklich kurz geregnet... und ich hab es durch die Arbeit und den Fernseher nicht mitgekriegt?“

Ich schwieg, verstand die Welt nicht mehr. Entweder hatte ich Halluzinationen, was ich nicht glaubte, denn ich war schließlich nass oder niemand außer mir bemerkte die seltsamen Gewitter, was auch nicht möglich war.

„Geht’s dir besser? Möchtest du dich hinlegen?“, fragte meine Mutter.

Ich nickte betrübt.

„Ich hol dir schnell was zum Anziehen runter, kannst deine nassen Sachen ja über die Heizung legen.“

„Okay“, meinte ich und zog meine nassen Kleider im Badezimmer aus.

Kurz darauf brachte meine Mutter eine frische Hose und ein Top, welches ich sogleich anzog. Daraufhin legte ich mich auf das Sofa, wurde mit einem Mal unglaublich müde und bekam fast nicht mehr mit, wie meine Mutter sich neben mich setzte und mir behutsam über den Kopf strich.

Als ich aufwachte war einige Zeit verstrichen, die Sonne war schon längst untergegangen, doch ihr verbleibendes Licht erhellte noch immer den abendlichen Sommerhorizont.

Die Arme hinter dem Kopf verschränkt, starrte ich die Decke an und fragte mich leise, was nur los war Ich dachte darüber nach, wie ich mit Alex vorhin draußen war und sie den Donner nicht gehört hatte. Dann die Atemnot, die scheinbar durch das seltsame Gewitter verursacht wurde. Ich fand keine Antworten auf all die Fragen, die mich quälten. Das Miauen meiner weiß-grauen Katze Nala riss mich aus meinen Gedanken. Ich blickte neben das Sofa und schaute in ihre großen, hellgrünen Augen.

„Hallo Nala.“, begrüßte ich sie seufzend und bekam ein Miauen zur Antwort.

Die Katze sprang auf meinen Bauch und begann behaglich zu schnurren, als ich sie streichelte. Nala tapste auf meinem Bauch herum und legte sich letztendlich darauf, ihre Augen zu mir gewandt.

Grinsend betrachtete ich ihre zu kurz erscheinenden Beine und lies meine Finger zu ihrem Kinn wandern.

Mein Blick richtete sich wieder gen Zimmerdecke und Nala schlief schnurrend ein. Während ich den Perser-Kartäusermischling kraulte, versank ich wieder in Gedanken. Auf der weißen Zimmerdecke spiegelte sich mein Tagesablauf wieder, als ich aufstand, frühstückte, mit Alex zur Schule radelte, die Zeugnisvergabe bis zu den seltsamen Zwischenfällen, jedes mal, als ich draußen war.

bis zu den seltsamen Zwischenfällen, die jedesmal auftraten, wenn ich draußen war. Ich kam zu dem Schluss, dass das mit dem Regen einfach Pech gewesen sein musste und mein Zusammenbruch vielleicht nur eine seltene, seltsame Reaktion meines Körpers war. Ich beschloss, mich abzulenken und abzuwarten, ob sich solche Fälle wiederholen würden. Vorsichtig versuchte ich mich aufzusetzen, wobei Nala klagend und miauend von meinem Bauch rutschte und auf meinen Beinen landete.

„Oh, entschuldige, Nala!“, sagte ich leise und kraulte sie wieder hinter ihrem Ohr.

Doch meine Katze sah mich böse an und legte ihre Ohren leicht an.

„Ach komm, Nala“, beschwerte ich mich,

„So schlimm war das doch nicht“

Nala knurrte leise, doch ich wusste, dass sie mich nie kratzen würde.

„Ach, stell dich nicht so an.“, lachte ich und nahm sie auf meinen Arm, dabei miaute sie und hörte sich dabei an wie eine kaputte Kreissäge.

Ihr Schweif begann heftig zu wedeln.

„Ist ja gut“, murrte ich schließlich und setzte sie unter ihrem genervten Knurren und Miauen ab.

Daraufhin verließ sie das Wohnzimmer in höchster Eile und ich warf ihr ein leises „Zicke“ hinterher. Doch dann lächelte ich, ohne meine Katzen wäre mein Leben wohl genauso leer wie ohne Familie und Freunde. Ich folgte meiner Katze, lief allerdings an ihr vorbei, während sie heftig mit dem Schweif wedelnd bei der Tür zum Flur saß, stieg ich die Steintreppe zu meinem Zimmer hinauf und setzte mich auf mein Bett. Kaum, dass ich den Stift und das noch nicht ganz vollendete Bild von vorhin in der Hand hatte, hörte ich meine Mutter die Treppe hinaufsteigen und kurz darauf betrat sie mein Zimmer.

„Möchtest du was essen?“

Ich nickte, legte die Zeichenmaterialien wieder beiseite und stieg die Treppe wieder hinunter.

„Wie geht’s dir?“, fragte meine Mutter, während sie mir ein paar Teller in die Hand drückte.

Ich nahm die Teller entgegen, drückte meiner Mutter ein sanftes Bussi auf die Wange und deckte mit ihr gemeinsam den Tisch.

Auch mein Vater, der den ganzen Tag gearbeitet hatte, kam zur Haustür herein. Wir begrüßten ihn, er begrüßte uns und wir aßen gemeinsam.

Meine Mutter fragte:

„Hast du deine Sachen gepackt?“

„Nein“, antwortete ich, „Mach’ ich später.“

Zwar spielte ich mit dem Gedanken, meine Mutter auf das Geschehnis von vorhin noch einmal aufmerksam zu machen, ließ es dann aber doch bleiben und aß schweigend mein Toastbrot. Anschließend fragte ich, ob ich aufstehen dürfe. Dies bejahte meine Mutter, ich nahm Teller und Besteck und stellte es auf die Spülmaschine. Dann ging ich in Richtung Treppe, als meine Mutter plötzlich rief:

„Halt, mein Fräulein, räum’ die Sachen ein.“

Ich drehte wieder um, nahm das abgestellte Geschirr und räumte es ein. Dann ging ich nach oben und packte. Ein paar Hosen unterschiedlichster Längen, T-Shirts und Tops, Unterwäsche und alles andere, was man für einen Urlaub am Strand so brauchte.

Obwohl die Sonne schon untergegangen war, erstrahlte der Horizont noch in einem matten Licht und die Wärme des Tages legte sich auf die Erde. Auch wenn ich vorhin schon einige Stunden geschlafen hatte, war ich dennoch müde. Auch meine Schwester kam wieder nach Hause, packte ihre Sachen und legte sich ins Bett. Ich zog mir einen Jogginganzug an, putzte mir die Zähne und fiel müde auf die weiche Matratze. Die seltsamen Ereignisse an diesem Tag brachten mich schwer ins Grübeln. Doch ich war zu müde, um darüber nach zu denken und verfiel schnell in entspannenden Schlaf.

Mitten in der Nacht wachte ich auf, zog meine Hand langsam unter der Bettdecke hervor, griff verschlafen nach meinem Handy und öffnete es. Halb eins. Die Kirchenglocke des Dorfes schlug zweimal. Ich setzte mich auf und war unglaublich müde, dennoch zwang mich etwas aus dem mir gegenüberliegenden Fenster zu sehen. Es war außergewöhnlich hell. Den Mond konnte ich gut erkennen, doch er war nicht der Grund dieser Helligkeit, denn er war eine etwas breitere Sichel, die langsam über den Nachthimmel schlich. Grummelnd betrachtete ich den sternklaren Himmel. Ich war müde, doch irgendetwas hinderte mich daran mich wieder hinzulegen und weiter zu schlafen. Ein entferntes Zischen drang in mein Ohr.

Verwundert blickte ich mich um, als mein Blick wieder kehrtmachte und über das Fenster schweifte, kamen seltsame Farben aus dem Mond. Ich kniff die Augen zusammen, konnte es jedoch nicht genau erkennen und meine Neugierde trieb mich, meinen Kopf weiter nach vorne zu lehnen und gebannt auf das Farbenspiel zu starren.

„Sind das Nordlichter?“, fragte ich zweifelnd.

Ich versuchte zu verstehen, was am Sternenhimmel leuchtete, erkannte jedoch nicht, was es war. Es war etwas, was ich noch nie zuvor gesehen hatte, ein Phänomen von unglaublicher Schönheit und zugleich erschreckender Gefühle. Etwas, was meinen Atem wie die Realität eines Traumes, wie schwebende Fantasie, betäubte, meine Augen stumm an die Farbenschwingen weit oben am dunkelblauen Nachthimmel fesselte. Etwas, was wie Farben, wie Strahlen aus dem Mond schoss, Strahlen, die sich einander verwoben und ein wunderschönes Muster bildeten. Strahlen, rot wie Feuer, klar wie Wasser, blau wie der Himmel, leuchtend wie Blitze, glänzend wie Eis und grün wie die saftigste Wiese.

Es musste ein Traum sein.

Ich fand es schön und faszinierend, aber zugleich machte es mir Angst. Meine Augen waren noch immer wie festgebunden. Ich beobachtete, wie sich diese elementaren Strahlen langsam, nur wenige Meter vor meinem Fenster, zu einer Kugel formten, sich dann weiter verformten. Die Kugel nahm einen reinen Farbton an, schien, als wäre sie der Vollmond einer anderen Welt, kam immer näher an mein Zimmer heran, dann öffnete sich das Fenster mit einem Ruck.

Ein kalter Wind blies durch mein Zimmer, wirbelte sämtliche Zettel von meinem Schreibtisch und fuhr mir durch die Haare.

Ich spürte, wie Kälte, Wärme, Nässe und Trockenheit zugleich mein Zimmer einhüllten. Langsam nahm die Kugel, die noch immer vor meinem Fenster schwebte, die Konturen eines Tieres an. Die Gestalt, die sich langsam formte, ähnelte immer mehr einem Hund. Ich wagte kaum zu atmen, wollte aufwachen, aus diesem unheimlichen Traum oder mich einfach hinlegen und schlafen, falls es kein Traum war, wollte einfach nur meinen Blick abwenden, wollte schreien, mir die Augen zuhalten. Ich konnte keinen Muskel rühren, sie zitterten vor Angst und Anspannung. Ich selbst hatte keine Kontrolle mehr darüber. Meine Kehle war staubtrocken und ich schluckte, um sie zu befeuchten. Dann spürte ich gar nichts mehr. Keine Kälte, keine Wärme, keine Nässe, keine Trockenheit. Ein sanfter Wind wehte nun vor meinem Fenster, doch er wagte es nicht mein Zimmer zu betreten. Die Formung des Tieres war nun vollbracht. Ich sah seine kräftigen Hinterläufe und den locker hinab hängenden Schweif. Zitternd angespannt saß in meinem Bett, umklammerte meine Bettdecke und schaute fassungslos auf das Schauspiel vor meinem Fenster. Das Tier drehte sich um und blickte mich mit stechend roten Augen an. Aufrichtig, stolz und erhaben stand es in der Luft vor dem Fenster. Das schwache Mondlicht strahlte es von hinten an und das Tier schimmerte weiß darin. Das hundeähnliche Wesen schwebte durch Kopf zu ziehen, machte mich ganz klein und drückte die Bettdecke mit aller Kraft an die Matratze unter mir.

Ich presste meine Augen zu und unterdrückte alle Gedanken, flüsterte mir selbst zu, „Keine Angst, es ist nur ein Traum, es ist nur ein Traum, keine Angst! Ich zähle jetzt bis 3, dann öffne ich die Augen und ziehe die Bettdecke weg: 1… 2… 3!“

Ich hatte Angst, dennoch zog ich langsam die Decke von meinem Kopf und öffnete die Augen.

Das Tier war weg, er war nicht mehr da! Es war ein Traum, eine Einbildung, ein Streich meiner müden Fantasie, eine Halluzination! Erleichtert sank ich zurück in mein Bett, schloss die Augen und drehte mich zur Seite. Ich spürte mein Herz rasen, mit aller Gewalt hielt ich meine Augen zu, sie wollten sehen und wissen, was es war und ob es wahr war.

„Es war nur ein Traum, nur ein Traum, nur ein Traum, …“, sagte ich flüsternd, wurde immer leiser, bis ich schließlich verstummte und mein Herz ruhiger schlug.

Ein warmer Atem fegte stoßartig über meinen Nacken. Meine Haare sträubten sich und ein eiskalter Schauer durchzog meinen Körper. Ich blickte auf, drehte mich um und sah in zwei leuchtende, himmelblaue Augen, in die Augen eines Wolfes.

Ich wollte schreien als eine Stimme plötzlich sagte: „Ganz Ruhig! Ich tu’ dir nichts, keine Angst“

Jetzt konnte ich gar nichts mehr sagen, meine Kehle war wie zugeschnürt - der Wolf sprach mit mir. Plötzlich sprang der Wolf auf mein Bett, ich zog rasch meine Füße so eng zu mir wie es nur ging und das Tier legte sich hin.

„Ich bin Arcon, dein Schutzgeist.“

Sekunden vergingen, in denen der Wolf und ich uns gegenseitig stumm anstarrten, bis ich die Situation realisierte.

„B-Bitte?“, fragte ich fassungslos und umklammerte meine Bettdecke.

„Also“, fing Arcon an, „Jeder... oder fast jeder... oder auch nur ein paar Menschen haben ein Lieblingstier, wie ihr das nennt. Und deins ist der Wolf.“

Ich nickte misstrauisch, schluckte und dachte: „Das gibt es nicht, das kann also nur ein Traum sein, also, Tia, ganz ruhig, spiel mit in dem Traum, es ist dein Traum!“

Leichter gesagt als getan, wie ich feststellte und fragte dann leise, mit zitternder Stimme: „Wa-was ist hier los? Das-das ist doch… jetzt nur ein Traum…?“

„Das kann nur ein Traum sein.“, redete ich mir ein.

„Hehe…“, grinste der Wolf, „Ich dachte, du wolltest immer einem Wolf begegnen?“

Wieder schluckte ich und begann zu zittern.

„Ist es doch kein Traum?“, fragte ich mich.

Zwar tat mir der Wolf mit Namen Arcon nichts, dennoch hatte ich mir meine erste Begegnung mit einem Wolf anders vorgestellt.

Als ich nicht antwortete, sagte der Wolf freundlich: „Nun streng dich doch mal an! Ich tu dir schon nichts, ich bin hier, um dich zu beschützen! Der Tierische Regen hat dich ausgewählt einen Schutzgeist zu bekommen!“

Ich verstand gar nichts und fragte verwirrt: „Wie? Was? Ich… äh… tierische Regenfälle?“

„Das ist etwas schwer zu erklären“, begann der Wolf und legte den Kopf ein wenig seitlich, „Äh…, das ist so, den natürlichen Regen kennst du ja, das Wasser verdunstet, es bilden sich Wolken und dann regnet es.“

Ich nickte misstrauisch.

„Und den tierischen Regen, na ja, an jedem Tag steht er für ein bestimmtes Tier, heute war er für den Wolf. Jeder Mensch trägt die Seele eines Tieres in sich. Bei dir ist es der Wolf. Aber nur Menschen, die dieses Tier in ihrer Seele entdeckt haben, sind fähig den tierischen Regen zu spüren und überhaupt einen Schutzgeist zu erhalten. Das würde auch erklären, warum deine Mutter den Regen nicht bemerkte. Klar?“

Ich nickte wieder. Diese Ereignisse am Tag, der Regen, den meine Mutter nicht bemerkte, mein Zusammenbruch und nun dieser Traum, was ging vor? Das konnte doch kein Zufall sein.

„Aber warum bist du nicht schon letztes Jahr gekommen?“, stotterte ich zögernd.

„Also erst einmal möchte ich dir sagen, dass du mein erster Auftrag bist.“

„Wie, erster Auftrag?“, fragte ich verwundert.

Ich schien mich zu entspannen, was ich gar nicht verstand, schließlich unterhielt ich mich gerade mitten in der Nacht mit einem Wolf. Meine Angst vor Arcon verschwand langsam.

„Die Schutzgeister müssen erst einmal ausgebildet werden, so wie ihr in den Schulen, nur, dass wir 50 Jahre ausgebildet werden müssen. Eigentlich hätte ich noch fünf Jahre Ausbildung vor mir, aber die Katastrophenzeit ist bedrohlich nahe!“

„Warum ist nicht ein anderer Wolf-Schutzgeist zu mir gekommen? Und was genau hat es mit der Katastrophenzeit auf sich?“

„Es werden viele Naturkatastrophen kommen, vor denen ich dich beschützen muss! Unser Herr wollte einen anderen Schutzgeist zu dir schicken, doch ich sagte, dass du jetzt jemanden brauchst. Aus einem mir unbekannten Grund wollte ich dein Schutzgeist sein. In unserer Lehre machen wir oft Ausflüge in diese Welt... dabei bin ich dir bereits drei Mal begegnet. In deinem Zuhause, doch nicht hier, diese Begegnung ist schon viele, viele Jahre her. Damals warst du in einem Wald und hast ohne jeglichen Grund angefangen zu schreien und zu weinen.“

Gebannt hörte ich dem Wolf zu. Es stimmte, es kam früher oft vor, dass ich im Wald angefangen hatte zu schreien, denn ich hatte eine extreme Angst vor allen Krabbeltieren, egal ob Ameise, Marienkäfer oder Biene. Nun ist diese Angst bis auf die Spinnenphobie verflogen.

„Dann vor einigen Jahren, in einem anderen Land. Du warst in einem kleinen Dorf mit deinen Schwestern und anderen Menschen unterwegs. Du bist mir aufgefallen. Ich weiß nicht warum, doch deine Gegenwart hat meine Aufmerksamkeit auf dich gezogen. Versteh das nicht falsch, Tia.“

Das musste in Rumänien gewesen sein.

„Die dritte Begegnung war erst vor nicht ganz zwei Jahren, das war hier in deinem jetzigen Zuhause. Du warst auf dem Berg und fuhrst mit einem seltsamen Fahrzeug, als es sich plötzlich überschlug.“

Ich erinnerte mich an meinen Unfall, nur durch unheimliches Glück prallte nur der breite Gummireifen auf meine Nase. Bis auf eine Prellung am Arm und an der Nase war mir allerdings nichts passiert.

„Einem Schutzgeist ist es nicht erlaubt einem Menschen, der keinen Schutzgeist hat, zu helfen. Vor 2 Jahren handelte ich ohne nachzudenken und rammte das seltsame Fahrzeug, während es auf dich hinab stürzte. Es drehte sich, sodass dich statt dem gesamten Eisengerüst nur der Reifen erwischt hat. Danach bekam ich riesigen Ärger, doch das war es mir wert.“

„Da... das hab ich dir zu verdanken!?“, stutzte ich.

Der Wolf nickte, es schien ihm etwas unangenehm zu sein die Anerkennung und Freude in meiner Stimme zu hören,

„Ja... unser Meister hat diesen Vorfall natürlich auch zu Gehör bekommen. Natürlich bekam ich auch von ihm mächtigen Ärger, doch letztendlich ist es gut, einen Menschen vor physischen und psychischen Verletzungen zu bewahren. Und jetzt bin ich hier.“

Erstaunt sah ich auf den weißen Wolf an, wusste nichts zu sagen.

„Was ist mit dir?“, fragte der Wolf nun zaghaft.

„Ehm...“, stutzte ich, „Ich... weiß nicht“

„Weißt du, viele Schutzgeister erzählten mir von ihrer ersten Begegnung mit ihrem Schützling. Viele haben Angst, so wie du...“

Er hatte Recht, noch immer hatte ich Angst, doch sie schien mehr und mehr zu schwinden. Ein unangebrachtes Gefühl von Müdigkeit überkam mich in dieser ungewöhnlichen Situation und verleitete mich zum Gähnen.

„Langweile ich dich?“, fragte Arcon.

„Nein“, antwortete ich verschlafen.

„Ich bin nur müde“

„Na, dann schlaf gut. Gute Nacht!“

„Gute Nacht, Arcon.“, erwiderte ich und schloss die Augen.

Ich wusste nicht, wie ich auf die Idee kam einfach weiterschlafen zu wollen, als wäre nichts gewesen, schließlich lag ein Wolf am Fußende meines Bettes. Meine Gedanken brodelten

„Schlafen? Jetzt? Es ist ein Traum! Du kannst nicht in deinem Traum schlafen!“, sagte die eine Seite.

„Schlafen? Eine gute Idee. So ein dummer Traum... als ob ein Wolf reden könnte. Schlaf einfach, dann geht der Traum vorbei“, meinte die andere Seite.

Was sollte ich tun? Traum? Realität? Innerlich war ich empört über mein seltsames Verhalten, hatte keine Kontrolle darüber, so sehr ich mich auch anstrengte, und entspannte ich mich nach und nach.

„Und noch was“, hörte ich Arcon, „Wenn du mich brauchst oder einfach nur mit mir reden möchtest, sag’ einfach meinen Namen. Und schlag dir den Gedanken aus dem Kopf, jemandem etwas von mir zu sagen, nur du siehst mich!“

Ich nickte, glaubte das aber nicht. Es war schließlich ein Traum.

Um 4 Uhr weckte mich meine Mutter. Ich setzte mich gähnend auf und lugte durch das finstere Zimmer. Mein Traum fiel mir wieder ein und ich zog meinen Blick wie automatisch an die Stelle, an der Wolf in meinem Traum gesessen hatte. Doch dort lag ein in der Dunkelheit schimmerndes Fellknäul.

„Ach Nala.“, grinste ich.

Ich wollte sie nicht wecken und unterließ meinen Reflex sie zu streicheln. Vorsichtig zog ich meine Beine neben Nala unter der Decke an mich heran und versank in Gedanken.

Ein Wolf, ja das wär richtig cool. Aber dieser Traum... Er ließ mich nicht los.

Nun schlug ich meine Bettdecke von mir weg und hörte ein Niesen. Geschockt starrte ich zum Ende meines Bettes und mein Atem stockte.

„Es war wirklich kein Traum“, dachte ich und begann ein wenig zu zittern.

Das Fellknäul war nicht meine weiße Katze Nala. Arcon steckte seinen Kopf aus der Decke, die ich aus Versehen auf ihn geworfen hatte. Ich saß auf dem Bett und starrte ihn an. Der Wolf gähnte, reckte und streckte sich. Dann stand er auf und wedelte mit dem Schweif.

„Guten Morgen, du bist aber ein Frühaufsteher!“

„Normalerweise stehe ich nicht um 4 Uhr morgens auf“, murmelte ich verschlafen und gähnte.

Ich fragte mich, wie ich nur so ruhig bleiben konnte, obwohl ich doch gerade wieder mit diesem Wolf sprach. Auf eine eigenartige, magische Weise fühlte ich, dass mich etwas mit diesem Wolf verband.

„Tia! Beeil dich, schlaf nicht wieder ein!“, rief meine Mutter von unten.

Ich stieg aus meinem Bett während ich den Wolf misstrauisch anstarrte, welcher verschlafen seine Pfoten säuberte und nahm meinen Rucksack.

Bevor ich mein Zimmer verließ warf ich noch einen Blick zu meinem Bett, doch es war leer. Mein Atem zitterte. War ich verrückt? Oder war es doch nur ein Traum, der so real wirkte?

Langsam schweiften meine Augen durch das Zimmer, fanden nichts.

„Okay“, flüsterte ich langsam, „es ist nichts da“

So schloss ich meine Türe und drehte mich gen Treppe.

„Entschuldigung.“, flüsterte Arcon zu mir, während ich die Treppe hinunter in Richtung Haustüre ging.

Erschrocken blieb ich stehen und blickte hinter mich: Einige Stufen über mir stand der Wolf mit geneigtem Kopf, sah mich demütig an.

„We-weswegen?“, stammelte ich.

„Wegen heute Nacht, du hattest eine solche Angst… also entschuldige ich mich, weil ich dich erschreckt hab!“, erklärte er.

„Tia?! Schläfst du? Komm!“, rief meine Mutter von draußen.

„Komme!“, rief ich und beobachtete Arcon misstrauisch, während ich die Treppe hinunter ging.

Arcon saß stumm auf der Stufe und musterte mich mit weichem Blick.

„Hm - ja“, begann ich schließlich und zog mir meine Schuhe an, „Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass jemand anderes weniger erschrocken wäre und weniger Angst gehabt hätte, wenn ein Wolf sich vor dem Zimmerfenster aus irgendwelchen Feuer- und Wasserstrahlen formte. Dann erzählt er auch irgendwas von wegen tierischem Regen, Schutzgeist und Katastrophenzeit.“

Und ehrlich gesagt, verstand ich immer noch nicht, warum ich selbst so ruhig war und keine Angst hatte. Es war, als wäre es etwas ganz Normales.

Doch meine innere Ruhe siegte schließlich über die Empörung in mir, die dennoch wie eine kleine Flamme loderte.

Wir gingen zum Auto, ich gähnte verschlafen, während Arcon zugab: „Ich hätte es ja nicht so spannend machen müssen, ich wusste ja nicht, dass ihr Menschen so schnell Angst bekommt. Wenn ich das gewusst hätte, wäre ich gleich als Wolf in dein Zimmer marschiert.“

Ich setzte mich ins Auto und war zu müde, um genau verarbeiten zu können, was Arcon gerade gesagt hatte. Nun fuhren wir los, nach Cessinatico.

„Vielleicht gibt es wirklich diesen Schutzgeist für mich. Wenn es so ist, sollte ich mich freuen, dass ich einen Wolf habe.“, überlegte ich, schaute kurz aus dem Fenster und sah wie Arcon ‚durch den Wind’ lief.

Dann schlief ich wieder ein und wachte 5 Stunden später wieder auf. Wir mussten jetzt noch ungefähr 3 Stunden fahren. Aber jetzt wollten wir erst einmal eine Pause machen und hielten an einem Rastplatz neben der Autobahn. Als wir den Kofferraum öffneten lag Arcon darin. Erst jetzt merkte ich, dass er fast ganz weiß war, nur an seinem Rücken und seinem Kopf waren schwache, hellgraue Zeichnungen. Als er die Augen öffnete wollte ich etwas zu ihm sagen, doch niemand beachtete ihn, für meine Familie war er nicht da, also schwieg ich. Ich erinnerte mich daran, was Arcon zu mir sagte, als ich meine Augen wieder geschlossen hatte „…nur du siehst mich!“ Ich merkte, dass seine Augen nicht mehr rot waren, sondern ein klares, glänzendes Hellblau hatten. Wir holten die Semmeln heraus, die meine Mutter am vergangenen Abend gemacht hatte, setzten uns an einen Holztisch mitten auf einer kleinen Wiese und aßen. Arcon stand neben mir und starrte mich an.

„Was will er?“, fragte ich mich und sah ihn an.

Daraufhin setzte er sich neben mich, schaute mich lieb an und wedelte mit seinem Schweif. Warum bin ich so ruhig? Was hat es mit diesem Wolf auf sich? Warum ich? Es gab so viele Fragen, die mir durch den Kopf schwirrten, doch mit jeder Sekunde, in der Arcon neben mir war verging meine Angst und die Flamme meiner Empörung wurde immer kleiner. Als ich mich wieder auf meine Semmel konzentrierte, stand Arcon auf und begann wieder meinen Arm zu stupsen.

„Wenn Wölfe dasselbe Verhalten haben wie Hunde, dann denke ich mal, dass er bettelt.“, dachte ich.

Arcon grinste, stand auf und wedelte mit seinem Schweif.

„Ich kann dir jetzt nichts abgeben“, zischte ich leise zu ihm, woraufhin der Wolf seinen Kopf schief hielt,

„Wenn sie dich nicht sehen können.“

Dann widmete ich mich wieder meiner Semmel und Arcon begann zu glucksen,

„Danke, ich möchte auch gar nichts.“

Er sah mich lächelnd an, als studiere er meine Bewegungen. Was wollte er? Wie er mich betrachtete war mir unangenehm. Sein Blick war, als wolle er mich durchleuchten, als wolle er alles an mir und in mir sehen. Seine Augen waren weder von Begierde noch von Neugierde getrübt, sie waren rein und klar.

„Lass das bitte!“, rief ich genervt.

Meine Eltern und Alexandra sahen mich verwundert an, „Uhm… was?“

„Arcon starrt mich die ganze Zeit an!“, beschwerte ich mich, nicht daran denkend, dass meine Familie den Wolf nicht wahrnehmen konnte.

„Wer?“, fragte meine Mutter erstaunt.

„Arcon!“, wiederholte ich.

„Sie können mich nicht sehen und nicht hören!“, warf Arcon ein, „Ich wollte dich nicht...“

„Und wer soll das sein?“, fragte meine Schwester genervt und verdrehte ihre Augen.

„Da sitzt er! Das is‘n Wolf oder bist du blind?“

Einen Augenblick sah mich meine Familie etwas entsetzt und verwirrt an.

„Ein imaginärer Wolf, na klar!“

„Tia! Sie können mich weder hören noch sehen!“, mischte sich Arcon wieder ein.

Dieses Mal nahm ich ihn war und hielt mein Kommentar zurück.

„Und was ist dann Morgen? Ein Drache oder Eine Prinzessin?“, spottete meine Schwester, „Und gestern bildest du dir einen Donner und Regen ein! Noch was? Kannst du fliegen? Oder Feuer speien?“

Ich warf meiner Schwester einen äußerst verächtlichen Blick zu und sagte trocken: „Ha, Ha, Ha, wie lustig!“

Da sagte meine Mutter streng: „Jetzt hört doch mal mit diesem Gezicke auf, ihr beiden, oder wir fahren gleich wieder heim!“

Der drohende Blick meiner Mutter brachte uns zum Schweigen. Ich sah neben mich, doch Arcon war nicht mehr da. Verwundert blickte ich umher – nichts zu sehen. Wir frühstückten zu Ende und fuhren dann weiter. Im Auto dachte ich darüber nach, wie es sein konnte, dass es ein Lebewesen gab, falls Arcon eines war, das nur eine Person auf der Welt sehen könnte. Arcons Worte hallten in meinem Kopf wieder „…an jedem Tag steht der tierische Regen für ein bestimmtes Tier, heute war er für den Wolf. Jeder Mensch trägt die Seele eines Tieres in sich. Bei dir ist es der Wolf. Aber nur Menschen, die dieses Tier in ihrer Seele entdeckt haben, sind fähig den tierischen Regen zu spüren und überhaupt einen Schutzgeist zu erhalten.“

Ich fragte mich, ob andere, die auch den Wolf als Lieblingstier haben, Arcon sehen können. Ich blickte mich im Auto um.

Meine Mutter fuhr, mein Vater schlief und Alex hörte Musik. Ich überlegte kurz und flüsterte dann: „Arcon? Bist du da? Arcon?“

Ich lauschte und wartete kurz, er war nicht da.

„Wenn du mich brauchst oder einfach nur mit mir reden möchtest, sag’ einfach meinen Namen…“, hatte er gesagt, warum kam er dann nicht? Im nächsten Augenblick saß er zwischen Alex und mir, was mich aufschrecken und anschließend erleichtert ausatmen ließ.

„Was gibt’s?“, fragte er.

„Ich wollte dich nur fragen, ob…“, flüsterte ich und hielt inne, um zu schauen, ob jemand mich ansah,

„Ob dich auch andere sehen können, die auch den Wolf als Schutzgeist haben.“

„Nein, normalerweise nicht.“, sagte er.

„Also gibt es Ausnahmen?“, fragte ich, immer noch flüsternd.

„Ja… also, ach vergiss es, ist nicht wichtig!“

Daraufhin verschwand er.

„Warte!“, wollte ich ihm gerade nachrufen, als mir einfiel, dass der Rest meiner Familie ihn scheinbar wirklich nicht wahrnehmen konnte. Also beschloss ich einfach ruhig zu sein, holte meinen Mp3-Player und hörte Musik, bis ich wieder einnickte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Albireo
2008-08-30T16:00:40+00:00 30.08.2008 18:00
Spannendes Kapitel.
Gut geschrieben ^.^
Sehr schön =)
Nur Kleinigkeiten störten mich, ich schilder das mal per Beispiel.
Nach dem Essen zogen wir unsere Badesachen an, unsere Normale Kleidung darüber, und packten noch Handtücher und Sonnen Kreme in eine Tasche. Dann packten wir noch ein Kartenspiel, ein Backgammonspiel und einen Ball ein und gingen zum Strand. Dort zogen wir uns die Kleidung aus und gingen ins Wasser. Das Meer war relativ ruhig und die Sonne schien. Es war warm und das Wasser angenehm. Alex und ich schwammen und tauchten hinaus, und ließen uns wieder ans Ufer treiben. << Zu detailliert...wirkt nebenbei mehr wie eine AUF- als eine Erzählung.


Alle fünf Minuten kam irgend so ein Typ vorbei, der Teppiche, Handtücher oder Ketten verkaufen wollte
<< irgend so ein... *nicht so mag* *drop* Find ich auch wieder zu detailliert und es passt nicht zu deinem sonst sehr schönen und flüssigen Schreibstil.


Er wollte eigentlich schmollen, das sah man ihm an, doch er konnte sein Grinsen nicht unterdrücken, womit mit er sein Wohlgefallen ausdrückte.
<< Ah, das war meine Lieblingsstelle, das ist so kawaii, toll ausgedrückt, konnte ich mir bildlich vorstellen =3 *toll find*

Meine Schritte verlangsamten sich ernorm schnell, mein Gesicht verzog sich ängstlich und ich blieb reglos stehen, konnte keinen Finger rühren, jegliche Geräusche um mich herum wurden dumpf, nur das überwältigende, grausame Rauschen der Welle drang tief in mein Ohr und gestatte es mir nicht mich zu regen. << spitzenmäßige Formulierung, die Sätze sind ohne "und" hervorragend verbunden, super =D

Also, insgesamt gefiel mir das Kapitel ganz gut, den Mittelteil fand ich am besten, der Anfang war mir zu actionlos oo und das Ende fand ich etwas ungewöhnlich, aber durchaus passend.
Also, ich mach mich dann mal weiter an die Arbeit *wink*
LG
Johanna



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