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Father Dest's Erbe

Fortsetzung zu "Sinnlose Versprechen"
von

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Es gibt Tage, die für einen mehr parat halten, als einem lieb ist.
 

Es gibt Tage, an denen sich weitaus mehr ereignet, als man sich vielleicht erhofft.
 

Es gibt Tage, an denen alles anders kommt, als man denkt.
 

Jason konnte seinen Ohren nicht recht trauen. Alles, was Lance ihm erzählte, klang so unwirklich und an den Haaren herbeigezogen. Immer wieder schüttelte er den Kopf über die Details, die ihm so ungewohnt bereitwillig offenbart wurden. Sollte er die letzten Monate über in einer Parallelwelt existiert haben, so abgehoben und realitätsfern das auch klang?

„Du spinnst doch!“

Er machte eine abfällige Geste, stand auf und postierte sich vor dem Couchtisch.

Dann sah er auf Lance hinab und verdrehte die Augen. „Und das soll ich dir abnehmen?“
 

Seltsamerweise blieb Lance völlig gelassen und auch ernst, wie die ganze letzte halbe Stunde schon. „Wenn nicht, dann ziehe ich das eben allein durch“, bemerkte er wie beiläufig. Ganz als ob es ihm einerlei wäre, ob Jason sich nun beteiligen würde oder nicht.
 

„Ich habe mir wochenlang jegliche Informationen über ihn eingeholt und da willst du mir solchen Unsinn weismachen!?“, fuhr Jason aufgebracht fort. „Unter Garantie hätte ich zumindest auf ein oder zwei Indizien für seine damaligen Taten stoßen müssen. Das ist viel zu abwegig. In dem Alter hatte er doch noch gar nicht den Einfluss besessen, den er für eine Vertuschung brauchte. Und das bei dieser Größenordnung!“

Unruhig begann Jason damit, im Zimmer auf- und abzugehen. Fast hätte er dabei seine Hände in die Hüften gestemmt, verkniff sich aber diese Geste dann doch ob seiner ohnehin schon unbeherrschten Art. Außerdem wäre er sich lächerlich vorgekommen. Und wenn er jetzt eines ausdrücken wollte, dann war es Ernsthaftigkeit.
 

„Komm wieder runter und setz' dich bitte wieder“, bat Lance in einem viel zu vernünftigen Tonfall, der Jason ebenso missfiel wie die Story, die ihm eben aufgetischt worden war. Doch um nicht undankbar zu erscheinen – schließlich schien ihm Lance nach allem, was geschehen war, zu vertrauen – und keinen Streit anzufangen, gehorchte er. Dennoch ziemlich widerwillig stoppte er in all seinen Bewegungen und ließ sich zurück auf das Sofa fallen.

„Gut. Gehen wir das noch mal langsam durch.“ Den Daumen von sich abspreizend meinte er: „Erstens: Tyrone hatte schon frühzeitig Ambitionen auf Macht. Dagegen spricht absolut nichts, zumal es seinem widerwärtigen Naturell entspricht.“ Jason hielt anschließend den Zeigefinger von sich gestreckt. „Zweitens: Er gründete ein Unternehmen und scheiterte, wenn auch nicht offiziell. Auch darin sehe ich keine Widersprüche. Doch nun kommen wir zu den ganzen Ungereimtheiten.“

Provokativ hob er seine andere Hand hoch und hielt sie Lance vor das Gesicht. „Davon gibt es zu viele, um sie an einer Hand abzuzählen“, kommentierte er überflüssigerweise, denn Lance hatte den Wink mit dem Zaunpfahl auch so schon verstanden.

'Weiter', deutete der dunkelhaarige junge Mann durchaus geduldig mit einem Fingerzeig seinerseits an.

„Tyrone hat 'Terry's factory' gegründet, in der Hoffnung, damit den Markt von Asht-Zero in Sachen Hausbau zu erobern“, machte Jason weiter, ohne allzu sehr auf die Gelassenheit seines Freundes zu achten. Wohlweislich. „Seine Architekten bauten die schönsten Häuser zu den besten Konditionen. Ein Irrwitz, wenn man bedenkt, dass er daran nie und nimmer verdienen konnte. Ja?“

Bereitwillig nickte Lance und sah dabei in die funkelnden Augen von Jasons. Das Braun flackerte geradezu.

„Er hätte mit jedem Haus einen derben Verlust erleiden müssen, doch er heimste dennoch genug Kohle ein, um sich nicht nur mal eben so über Wasser halten zu können. Mit den billigsten Baustoffen, mangelhaftem Material und schlechter Bezahlung von Arbeitskräften hat er in den Augen vieler das Unmögliche möglich gemacht. Dieser Mistkerl“, Jason hätte ihn gern noch mieser beschimpft, ließ es aber für diesen Moment bleiben. „Er hat die Bauherren dazu gezwungen, teilweise auf wichtige, tragende Wände und oder Stützpfeiler zu verzichten. Die Häuser sollten trotz aller Rücksichtslosigkeiten nach außen hin sicher wirken und es am besten auch noch sein. Einwände?“, höhnte er in Lance' Richtung, den er sowieso nicht mehr aus den Augen ließ. Selbst die kleinste Regung, die Lance outen würde, ihm einen Bären aufgebunden zu haben, würde ihm nicht entgehen. Obwohl sich der Ältere bisher wirklich gut hielt, hatte Jason nicht vor, zu glauben, was angeblich die Wahrheit war. Während seiner eigenen Nachforschungen über Zundersby hätte er doch darauf stoßen müssen. Etwas anderes wollte er nicht wahrhaben. Es ging einfach nicht.

„Da du nichts sagst, interpretiere ich das mal als ein 'Nein'. Anfangs haben sich Tyrones Angestellte also über ihn hinweggesetzt, meintest du, und die Häuser gegen seinen Willen nicht unzulänglich gebaut. Zundersby verstärkte daraufhin den Druck auf sie und begann mit seinen ersten Erpressungen...“ Jason seufzte laut. „Ich trau ihm das ja alles zu, so ist es ja nicht, aber es geht hier um mehr als ein paar nicht der Norm entsprechenden Häuser.“ Kurz verbiss er sich in seiner Unterlippe und fuhr sich geistesgegenwärtig durch Haar.

„Verdammt!!! Es geht hier um Menschenleben!“, brach es dann ungestüm aus ihm heraus. „Du willst mir doch nicht sagen, dass man den Tod von drei Menschen einfach unter den Tisch kehren kann? Zundersby war gerade Mal Mitte Zwanzig.“ So alt wie ich, fügte er in Gedanken an. „Wie soll er da schon die Mittel dazu gehabt haben? Heute ist das was anderes...“, verstummte er, als er einen Stich im Herzen spürte. Tyrone hatte es immerhin geschafft, den Mord an seinem Vater zu vertuschen.
 

„Wenngleich du das nicht einsehen möchtest, er hat es geschafft, den Tod der Familie als unglücklichen Unfall zu verkaufen“, erwiderte Lance nüchtern.
 

„Unglücklicher Unfall“, echote Jason abfällig. „Dieses Arschloch ist echt zu allem fähig.“ Er konnte sich nicht mehr beherrschen. Zu tief saß der Schmerz, der ihm von diesem Mann zugefügt worden war. Schon vor über drei Jahrzehnten soll es Tote auf Kosten von Zundersby gegeben haben, ohne dass er dafür belangt worden war. Das war zu viel.

„Verdammt noch mal! Kann dieses widerwärtige Etwas nicht endlich das bekommen, was es verdient hat?“

Mit rasendem Pulsschlag vergrub er seine Finger in seinen Haaren.
 

„Sshhhh“, legte Lance behutsam seine Hände auf die Hüften des anderen und zog ihn nah an sich heran. Bedächtig fuhr seine Rechte unter Jasons Hemd und legte sich sanft auf die erhitzte Haut.
 

„Dieser Verbrecher wird noch büßen!“, knurrte der blonde, junge Mann und stemmte beide Hände gegen Lance' Brust. Wild stierte er ihn an und biss die Kiefer fest aufeinander, bis die Zähne knirschten. Eine Weile lang sahen sie sich nur an und Lance begann damit, seine Hand Jasons Rücken auf- und abzufahren. Hauchzart wanderten seine Finger die Wirbelsäule hoch und runter und spürte wohlwollend die sich ausbreitende Gänsehaut.

„Und du bist dir wirklich sicher, dass sein Schloss von einem seiner damaligen Architekten entworfen worden ist? Und dass wir dort einen Hinweis dafür finden werden, dass er gegen alle möglichen Sicherheitsvorkehrungen und gesetzliche Vorlagen verstoßen hat? Tut mir wirklich leid, wenn ich das so unverblümt sage, aber das klingt vollkommen lächerlich.“

Herausfordernd blitzte er seinen Gegenüber an, der sich immer noch nicht aus der Ruhe bringen ließ und sogar uneingeschüchtert mit seinen sachten Liebkosungen fortfuhr. Jason spürte deutlich die Hitze, die in ihm zu wallen begann, ließ sich aber nicht auf die Gefühle ein, die in ihm peu a peu geweckt wurden.
 

„Spielen wir doch mal meine Theorie weiter durch“, meine Lance mit leiser, fester Stimme. „Stell dir vor, du bist Zundersbys Angestellter und wirst auf einmal – ohne jegliche Vorwarnung – zu eindeutigen Sabotagen gezwungen. Auf deine Gegenwehr hin folgt Erpressung. Vielleicht gar Erniedrigung oder Morddrohung. Tyrone scheut schließlich vor nichts zurück.“ Andächtig ließ er seinen Zeigefinger um Jasons Bauchnabel kreisen. „Und nun würdest du dazu angehalten werden, ihm ein Schloss zu bauen, das nur von Prunk und Luxus so strotzt. Insbesondere in dem Wissen, dass jederzeit Menschen wegen deiner bewusst begangenen Fehler sterben können. Würdest du nicht irgendeinen Beweis hinterlassen, der Zundersby hinter Gitter bringen kann? Irgendein Indiz dafür, dass er Unschuldige bereitwillig zu opfern bereit ist? Wenn der Hinweis auch noch so klein und unbedeutend anmuten mag, würdest du es nicht wenigstens versuchen? Sei es nur aus dem Grund, nicht endgültig die Hoffnung zu verlieren?“

Intensiv sah er seinen Freund an.

„Oder würdest du der vollkommenen Ohnmacht ob deiner grauenvollen Taten den Vorzug gewähren?“

Unauffällig wanderten seine Hände nach oben und legten sich in den Nacken des anderen. Kaum merklich begannen seine Finger Druck auszuüben.
 

Jason blickte Lance unablässig in die blauen Augen und zog seine Brauen ein Stück weit zusammen.

„Du möchtest mir sagen, dass in dem Schloss des Mistkerls irgendwo ein Beweis für seine Unehrlichkeit und seinen Betrug schlummert? Das klingt nicht nur absurd, das ist es auch.

Und selbst wenn nicht“, hakte er gleich selbst ein, „weder du noch ich können einfach so hineinstolzieren und danach suchen.“
 

„Warum nicht?“, begann Lance zu schmunzeln.
 

„Wie stellst du dir das vor? Reingehen und sagen 'Hier bin ich'? Sicher...“
 

„Warum nicht?“, wiederholte Lance.
 

Leicht den Kopf schüttelnd schmiegte sich Jason den kraulenden Händen entgegen. „Natürlich“, ächzte er.
 

„Darauf sind sie beim besten Willen nicht vorbereitet. Mit Vorankündigung brauchen wir dort nicht auftauchen, das ist klar. Da können wir unser Todesurteil gleich selbst unterschreiben. Aber“, überging er sofort seinen letzten Satz, der der Wahrheit viel zu nahe kam, „wenn sie nicht damit rechnen, dass einer von uns dort auftaucht, können sie – ER – nicht schnell genug reagieren. Der Vorteil läge auf unserer Seite.“
 

„Einer von uns?“

Fragend beugte sich Jason etwas nach vorne, um Lance wieder besser im Blick zu haben. Er fühlte dessen Finger immer noch in seinem Nacken, ließ sich davon aber nicht beirren.

„Denkst du, ich lasse ich dich allein in die Höhle des Löwen gehen?“
 

„Das sollst du ja gar nicht, auch wenn ich dich lieber sicher zuhause wissen würde.“

Als Jason nach einer Minute immer noch nichts entgegnete, fügte er hinzu: „Wenn Zundersby wüsste...“

Weiter kam er nicht, denn dann konnte er sich nicht mehr zurückhalten, seine Lippen stürmisch auf die von Jason zu pressen. Gierig verschaffte er sich Einlass und keuchte erregt auf, als er plötzlich leidenschaftliche Hände auf seinem Rücken spürte. Doch so intim ihr Kuss auch war, er wurde jäh unterbrochen. Ehe Lance Jason ins Gesicht blicken konnte, hatte dieser es abgewandt.
 

Es pochte.

Es schlug so wahnsinnig derb gegen seine Brust.

Jason krallte in den dünnen Stoff über seinem wild schlagendem Herzen und rang um Fassung. Genau in dem Moment, wo er sich Lance' Berührungen hingegeben hatte, war es aufgeblendet. Wie aus dem Nichts. Und völlig ernüchternd. So schnell konnte kein Mensch verdrängen! Geschehenes ließ sich nicht rückgängig und erst recht nicht an einem Tag vergessen machen. Das wäre viel zu schön, um wahr zu sein. Nein, er hat seine Sünde noch nicht vergessen. Gewiss nicht. Schließlich fühlte er auch jetzt noch die Erde unter seinen Fingernägeln, wenngleich er sie unter der Dusche wie ein Irrer gereinigt hatte. Er mochte Aspir in sich tragen, doch Lance hatte Jason zurück an die Oberfläche geholt. Den Teil seines Seins, der seine Eltern zutiefst verehrte und der genau wusste, was er angerichtet hatte. Emotionale Kälte mochte kein probates Mittel im täglichen Leben sein, doch insgeheim wünschte er sie sich doch zurück. Trotz seiner Erkenntnis, dass er ohne Liebe nicht leben wollte oder auch konnte.

Mit leicht bebenden Fingern strich er sich durchs Haar, sah dabei den Couchtisch vor sich an oder mehr durch ihn hindurch. Oh ja, er wollte Tyrone von Zundersby zur Strecke bringen, doch der Preis, den er dafür bezahlen musste, war hoch. Den er bereits dafür bezahlt hatte, weitaus höher...

Wenn er jetzt nicht die Kraft besaß, diesem elendigen Wesen noch einmal die Stirn zu bieten, dann war alles umsonst. All die Strapazen, all der Schmerz, die Schmach, die Isolation, Aspir... alles hätte er sich von Anfang an sparen können.

Nichts konnte mehr so sein wie es war. Sein Leben hatte sich drastisch verändert, er hatte sich einmal im Kreis gedreht und das Schicksal herausgefordert.

Es gab kein Zurück mehr.

„Zundersby wird bezahlen“, knurrte er, als Lance' Hand seine Schulter berührte.

Mit wild blitzenden Augen blickte er auf. „Was muss ich tun?“
 

„Versuchen, unsichtbar zu sein.“
 

„Nichts leichter als das“, antwortete Jason mit einem aufgesetzten Lächeln.
 

„Ich meine es ernst.“
 

„Ich auch.“
 

Abwägend streiften sich ihre Blicke. „In der Tiefe liegt die Wahrheit. Geschützt von all jenen Wänden, die um sie errichtet wurden. Nur der kann sie finden, der hinter alles blickt, das ihn zu täuschen vermag.

Das ist deine wahre Aufgabe, Jason.“
 

„Einfach gesagt, ich soll mich hineinschleichen und nach etwas suchen, das mit bloßem Auge nicht sofort zu erkennen ist, während du alle ablenkst.“
 

„Ganz richtig.“
 

„Keiner außer dir wird wissen, dass ich mich ebenfalls dort aufhalte... Gar nicht unklug.“
 

„Danke“, erwiderte Lance charmant, rühmte sich aber nicht wirklich. Zu viel lag noch vor ihnen. Die eigentliche Gefahr drohte ihnen erst noch. Er konnte Jason kaum ins Gesicht sagen, dass ihr Leben am seidenen Faden hing, sobald sie auch nur in die Nähe des Schlosses kamen. Mit oder ohne Ankündigung war dabei einerlei.
 

Doch Jason wusste dies auch so. Es brauchte ihm keiner zu sagen. Während er seinen Körper straffte und eiserne Miene zum bösen Spiel machte, dachte er an seinen Vater. An Father Dest, der bis zu seinem Tod für das Gute gekämpft hatte. Gegen Tyrone und seine leidigen Artgenossen. Mit seinen eigenen Mitteln und Methoden.

„Morgen früh werden wir Zundersby einen Besuch abstatten.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2008-05-24T10:38:33+00:00 24.05.2008 12:38
Oo was war denn dan?
Erst fallen die zwei förmlich übereinander her und man denkt sich "jippieeh"...und dann das..tze =)
Bin sehr gespannt wie die beiden das anstellen wollen :D

Greetz Morri


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