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Die fremde Stadt

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Die fremde Stadt

Drei Monate ist es nun her, dass sie alles verließ, was sie kannte und liebte. Sie stieg in die alte, rote Regionalbahn ein, winkte ihrer Mutter noch einmal zum Abschied und schon ging die Reise los. Es war keine sehr lang Fahrt, die über mehrere Tage ging... ja es war nicht einmal Nacht, als sie ankam... und doch waren jene sechs Stunden Fahrt jenes großes Hindernis, dass sie von ihrer Familie und ihren Freunden trennten.

Sie fühlte sich allein und verloren in der Stadt, in der sie niemanden kannte, in denen jedes Gesicht eines war, dass in der großen Masse der Heimkehrenden verschwamm. Sie war anonym, unerkannt und unbeachtet. Wer sollte auch die junge Frau beachten, die mit viel zu schweren Gepäck in den Straßen umherirrte?

Selbst ihre Fragen nach der richtigen Straßenbahnlinie wurden oftmals ignoriert und wenn man ihr doch mal antwortete, so kannte sich keiner in der Stadt aus... als sie dann doch eine ältere, nette Dame fand, die ihr die Straßenbahnnummer und das richtige Ticket nennen konnte, war sie noch lange nicht angekommen.

Als Dorfkind an freie Landschaften gewöhnt, in denen selbst die kleinsten Busse niemals voll besetzt waren, in der jeder Jeden kannte, kam sie sich in den engen und viel zu vollen Waggons gefangen vor. Jeder schien sie anzustarren, als eine Fremde zu registrieren und sie deswegen zu verachten.

Und so war sie froh, als sie endlich aus den Zug steigen konnte, raus in die Luft, die - von hohen Häusern immer noch beengt - freier und leichter schien als die Bahnen. Und doch ging das umher irren wieder los. Wo waren die Straßen, die sie suchte? Wo das Haus, in das sie musste?

Die Sonne verschwand hinter dem künstlichen Horizont aus Backstein und Beton, es wurde dunkel und kalt. Die junge Frau fühlte sich nicht sicher, bei den düsteren Gestalten auf den Wegen und den wenigen Verkehr auf den Straßen. Und doch fand sie nur jenen Mann, den sie auch suchte.

Kein Vergewaltiger hatte ihr aufgelauert, kein Verbrecher sie ausgeraubt... lediglich das Zimmer stellte sich als Betrug heraus.

Oh... es war da und möbeliert. Es war bewohnbar und einsatzfähig... hatte Fenster, Türen, Wände, Strom und Wasser. Aber es war leer und kahl. Die erhoffte Geborgenheit blieb aus und sie fühlte nicht mehr als Beklemmung.

Und während sie auspackte, überlegte sie, wie sie die kommende Zeit nur überstehen sollte.
 

Heute - drei Monate später - ging sie flott an jenen Straßen vorbei, die sie einst fürchtete. Ebenso ignorant geworden wie jene anderen Stadtmenschen, waren ihr die Pfade, die kargen die Bäume, der kleine Park und die anonymen Menschen ebenso vertraut wie einst der grüne Wald und das riesige Feld ihrer Familie.

Doch die Beklemmung der Fremde, das Gefühl nicht dort hinzugehören wo sie war und die stete Angst vor allem, war noch immer Allgegenwärtig.

Einsam sein - hatte mal jemand gesagt - ist nicht schlimm. Es ist nicht grausam, nicht schrecklich... es ist nur ungewohnt. Allein und ein Teil der Masse zu sein, ist die schlimmste Strafe, die ein Mensch erhalten kann.



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