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Grabbesuch

von

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Das Zwitschern der Vögel weckte mich. Unwillig stand ich auf und sah aus dem Fenster in einen violetten Himmel. Auf den Ästen der Bäume schimmerte Reif, obwohl der gestrige Tag mild gewesen war. Nachdem ich wie immer eine Scheibe ungetoastetes Weißbrot gegessen und mich angezogen hatte, trat ich hinaus in die Kälte, die man die Welt nennt.

Knirschend suchten sich meine Füße einen Weg durch die letzten Schneereste. Am See hielt ich inne. Ein einzelner, trauriger Schwan, der auf kühlem Grund stand. Ich bewunderte den See, den trotz der ersten warmen Sonnenstrahlen eine dicke Eisschicht überzog, die alles Leben fernzuhalten schien. So still, so ruhig, so friedlich lag er da.

Erst jetzt wurde es mir bewusst. Die Vögel. Sie hatten aufgehört zu singen. Ich schlang von einem plötzlichen Kälteschauer getrieben beide Arme um meinen Körper. Auf dem See breitete der Schwan seine Schwingen aus, die grau und eingefallen wirkten. Doch er flog nicht davon, sondern ließ seine Flügel unverrichteter Dinge wieder sinken. Ich betrachtete das Schauspiel mit grässlicher Häme; mir tat das Herz ganz weh, so sehr schämte ich mich für meine Freude an seinem Scheitern.

Ich wandte ihm den Rücken zu und ging weiter meines Weges, bis ich endlich davor stand. Immer noch herrschte diese merkwürdig violette Lichtstimmung über der Welt. Ich stand einfach nur vor ihm. Stand nur davor und dachte Nichts und spürte Nichts und tat Nichts. Stand einfach nur vor ihm. Stand davor und spürte, wie es Lüge in mir schrie, wie die Fassade zu bröckeln begann und der Schmerz überhand nahm. Panisch machte ich kehrt und lief wie besessen nach Hause.

Merkte, wie alles hochkam. Erinnerungen, die ich mehr zu unterdrücken suchte als Tränen.

Meine zittrige Hand konnte den Schlüssel kaum halten und ich traf das Schloss erst beim zweiten Versuch.

Hastig begab ich mich in die Wohnung, streifte meine Schuhe ab, ließ meinen Mantel auf den Boden fallen und ging ins Schlafzimmer. Ich rollte mich auf meinem Bett zusammen und weinte. Weinte solange, bis ich ganz tränenleer war.

Mit dem Blick an die weiße, nichts sagende Decke geheftet streckte ich mich aus. Der Sturm verzog sich, das Meer wurde ruhig. Stumpfen Glanz in den Augen, abgestumpft im Herzen. War ich noch am Leben?



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2007-08-24T13:12:35+00:00 24.08.2007 15:12
Hallo,

man merkt deutlich die Trauer, den Schmerz und die Einsamkeit in deiner Geschichte. Ich finde sie ist recht gut gelungen, auch wenn es den Leser interessieren würde was der Grund für diese Trauer ist. Ist aber nicht so mein Geschmack, ich dachte ich lass dir trotzdem mal nen Kommi da, dass ih die Geschichte gelsen und für gut befunden habe.


Mit freundlichen Grüßen

Steveboy


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