Herzen auf dem Meeresgrund
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Herzen auf dem Meeresgrund
Es ist, als ob jemand auf mich einschlägt, aber ich spüre den Schmerz nicht. Fast so als wäre mein ganzer Körper taub. Aber trotzdem gibst du mir den totalen Schmerz, der mich voll und ganz ausfüllt. Als würde ich seit Stunden im Wasser liegen und meine Haut würde aufquellen, sich ganz langsam lösen. Was bleibt von mir über, wenn du mir alles nimmst? Sag mir, was bleibt?
Doch du verstehst nicht, bist wie ein unschuldiges Kind, das einfach nicht begreifen kann, was gerade geschieht. Dafür nehme ich es umso mehr wahr, spüre es mit jeder Faser. Wieso willst du nicht verstehen, dass ich der Einzige bin, der dich so sehr lieben kann, wie nichts auf dieser Welt?
Mit müden Augen sah Toshiya zu der schlafenden Gestalt neben sich, war versucht eine Hand nach ihm auszustrecken, doch bevor sie das makellose Gesicht erreichen konnte, ließ er sie wieder sinken. Die ganze Nacht hatte er nicht schlafen können, hatte sich unruhig hin und her gewälzt, jedes Mal wenn er seine Lider aufgeschlagen hatte, füllten seine Augen sich mit Tränen, weil er es einfach nicht wahrhaben wollte. Er liebte diesen Mann doch, mehr als alles andere und nun wollte dieser ihm ernsthaft weiß machen, dass er dabei war sich in jemand anderes zu verlieben? Wie konnte Shinya nur so grausam zu ihm sein.
"Nein, mein Engel.. Dich trifft keine Schuld.", wisperte Toshiya kaum hörbar, strich dem Jüngeren nun doch eine Strähne aus dem Gesicht. "Dich trifft keine Schuld.."
Es war, als wartete Toshiya auf eine Reaktion, doch der Jüngere schlief und nahm die Worte vermutlich nicht einmal wahr.
Schließlich ließ der Ältere von ihm ab, setzte sich auf, blickte anschließend auf die noch schlafende Gestalt hinab. Ein leises Seufzen entwich seiner trockenen Kehler, klang fast schon verzweifelt. Es war unfair! Shinya lag so nah neben ihm und er durfte ihn nicht berühren. Er sollte um ihn kämpfen, aber es verließ ihn immer der Mut, die Kraft dazu. Würde er nun um ihn kämpfen und der Blondschopf würde sich letztendlich gegen ihn entscheiden, es würde ihm nicht nur das Herz brechen, nein, es würde ihn voll und ganz zerstören.
"Eine.. eine Bootsfahrt?!", wiederholte Toshiya nicht gerade begeistert und legte den Kopf dabei schief. Nein, solche Ausflüge waren nicht wirklich von der Sorte, die er bevorzugte. Wenn das Schiff sich auf und ab bewegte, manchmal hatte er sich da wirklich übergeben wollen und das wusste ihr Leader, schlug es dennoch vor.
Ganz im Gegensatz zum Bassisten, reagierte Shinya wie ein kleines Mädchen, welches gerade zum ersten Mal ein Puppenhaus geschenkt bekam – begeistert. "Wirklich?! Die würden nur für uns aufs Meer hinausfahren?" Ein Glänzen in seinen Augen war kaum zu übersehen.
Kaoru, dem völlig egal war, was die anderen davon hielten, hatte seinen Blick auf Shinya gerichtet und lächelte ihn an. "Na selbstverständlich!"
"Kao! Hältst du das wirklich für eine gute Idee? Du weißt doch, dass Tosh schon beim Tretbootfahren seekrank wird!", wandte Die nun ein, denn er fand das gar nicht so spaßig.
"Dann kann er ja auch hier bleiben.", meinte der Älteste daraufhin leicht bissig, woraufhin der andere etwas erwidern wollte, jedoch von Toshiya gestoppt wurde.
"Lass gut sein, Die.. Ich werd's schon überleben." Niemals würde er es zulassen, dass Kaoru sich unbeaufsichtigt an Shinya ranmachen konnte. Er wollte wissen, was genau er ihm zu sagen hatte, denn dann erst konnte er sich ganz sicher sein, dass seine Liebe für Shinya viel größer war. Und überhaupt, woher kam auf einmal diese plötzliche Gefühlswandlung des Leaders? Als ob Liebe einfach so auftauchen würde. Soetwas musste sich entwickeln und fing logischerweise bei einer Verliebtheit an und Toshiya vermutete ganz stark, dass Kaoru diese Verliebtheit einfach überbewertete und aus Angst vor den Schmerzen nicht gekämpft zu haben - die damit verbunden waren, wenn man sich zu tief hineinsteigerte - dem Drummer schöne Augen machte. Sollte dies der Fall sein, dann war es einfach schlicht und ergreifend ungerecht! Immerhin hatte der Zweitjüngste Shinya ja auch nicht gleich angeflirtet. Zuerst hatte er sich seiner Gefühle ganz sicher sein wollen und das war er nun schon seit zwei Jahren. Nur wegen der Vermutung, dass sein Objekt der Begierde wohl heterosexuell orientiert war, hatte er sich nichts anmerken lassen, nichts getan. Und nun hatte er den Salat! 'Ich weiß gar nicht, wen ich jetzt mehr hassen soll.. Kaoru oder.. mich selbst.'
Keine zehn Minuten später machten die fünf sich auf den Weg zum Hafen.
"Bist du dir sicher, dass es gehen wird? Sonst kann ich auch mit dir hier bleiben, das würde mir gar nichts ausmachen.", schlug Die vor, doch Toshiya lehnte dankend ab und lächelte dabei leicht. Erstens durfte er Kaoru und Shinya doch nicht aus den Augen lassen und zweitens wollte er dem Rotschopf nicht auch noch die Tour verderben.
Schon als der Bassist das kleine Boot betrat, schien es ihm ziemlich wacklig, auch wenn es sehr stabil aussah. Man konnte auch nicht über die Reling fallen, da eine durchsichtige Plane mit der Überdachung des "freien Teils" verbunden war. Drinnen gab es einen kleinen Tisch und eine Sitzbank umzu. Doch da man sich draußen auch hinsetzen konnte, tat Toshiya dies erstmal, blickte dabei zu den anderen, die aufs Wasser schauten.
Als es nach wenigen Minuten losging, konzentrierte er sich auf den Boden und atmete tief durch, wurde jedoch zunehmend blasser, je weiter sie vom Ufer wegrückten. Er konnte ja nicht einmal sehen, was der Leader und der Drummer eigentlich trieben.
Im nächsten Augenblick wurde ihm schon eine Hand auf den Rücken gelegt. "Lass uns rein gehen, Tosh. Du siehst gar nicht gut aus.." Und so half Die ihm aufzustehen, begleitete ihn hinein, wo sie sich setzten. Kyô saß ihnen gegenüber, blätterte in den Magazinen herum, die er gefunden hatte und schien sich dabei furchtbar zu langweilen – so sehr, dass er nach kurzer Zeit den Kopf auf die Tischplatte legte und versuchte zu schlafen.
Schließlich ging es Toshiya wirklich ein wenig besser und als Die ihn auf den nun schon schlafenden Blondschopf aufmerksam machte, musste er sogar etwas grinsen. Doch sein Grinsen erstarb, als er bemerkte, dass wenn Kyô und Die bei ihm waren, die anderen beiden ganz alleine sein mussten. Schnell krabbelte er ganz auf seinen Sitz, zog die Gardine etwas bei Seite und sah hinaus. Im nächsten Moment wünschte er sich, er hätte es nicht getan, denn er sah, wie Kaoru und Shinya draußen eng beieinander standen – zu eng. Es schien, als ob Toshiya gerade rechtzeitig hinausblickte, denn nun bekam er mit, wie seinem Schwarm eine Strähne aus dem Gesicht gestrichen wurde, und die Hand, die diese Bewegung ausgeübt hatte, sich auf seine Wange legte. Am liebsten hätte er sich weggedreht, aber er starrte wie gebannt auf die beiden, die ihn nicht bemerkten, da sie ganz in ihrer eigenen Welt versunken waren, welche nun auch körperlich keine Distanz mehr zuließ – und dies galt auch für ihre Lippen. Ein Kuss. Ein Herz. Ein Riss.
Ein Riss, welcher sich immer weiter durch Toshiyas Herz zu schlängeln begann, doch weit kam er nicht. Kaoru, dieser Bastard, hatte ihm das Herz herausgerissen und es Shinya auf einem silbernen Tablett serviert, nur damit dieser es über dem eisigen Meer ausleeren konnte. Da sank es nun, sein Herz, immer tiefer in die Dunkelheit hinein. Immer tiefer bis zum Grund.
Fast hätte er es nicht wahrgenommen, aber eine warme Hand legte sich nun auf seine Augen, fing seine Tränen auf. Dazu drückte ihn eine weitere Hand näher an den warmen Körper hinter ihm, nachdem diese den Vorhang wieder zugezogen hatte. Auch wenn Toshiya sich nicht darauf konzentrierte, so wusste er, dass es nur Die sein konnte, der versuchte sein Herz zu retten, doch es entglitt ihm immer wieder in der Tiefe des Meeres.
"Kleiner dummer Toshimasa. Das war bestimmt ihr erster Kuss und du musstest natürlich live dabei sein, nicht wahr? Weshalb suchst du dir auch ausgerechnet ihn aus? Wieso willst du dich so unbedingt ins Unglück stürzen?", raunte der Rotschopf leise in sein Ohr und drückte ihn fester an sich. 'Ich würde dich viel glücklicher machen.'
"Weißt du was, Die?!", erklang es auf einmal hinter ihnen. "Wenn du mich fragst, dann bist du noch viel blöder als Toshiya."
"Halt die Klappe, Kyô.", zischte der Angesprochene nur und wiegte seinen Schützling in seinen Armen hin und her, versuchte ihn dadurch ein wenig zu beruhigen.
"Ich mein ja nu-"
"Es will aber niemand wissen, was du meinst, also sei einfach still!" Daraufhin schwieg der Blondschopf also und bis zur Ankunft bei der Insel, zu welcher sie wollten, verharrten sie in dieser Stellung, denn Toshiya regte sich nicht und auch Die machte keine Anstalten ihn loslassen zu wollen.
Als sie angekommen waren, hatte Die sich Toshiya eigentlich schnappen und versuchen wollen, ihn ein wenig abzulenken, aber da dieser nun schon verschwunden war, beschloss er, sich einfach alleine die Zeit zu vertreiben, denn immerhin blieb ihm ja nichts anderes übrig, aber vielleicht lief er so dem Bassisten ja auch mal zufällig über den Weg.
"Toshiya?!" Drei Stunden später waren alle am vereinbarten Treffpunkt und sahen den Angesprochenen mehr oder weniger verdutzt an, denn von dessen etwas längeren, schwarzen Haaren war nichts mehr zu sehen. Stattdessen waren sie kurz und braun gefärbt. Eine breite Strähne hing ihm vor einem Auge und verdeckte dieses.
"Was hast du mit deinen Haaren gemacht?!" Der Leader sah ihn nicht gerade begeistert an.
"Sie sind ab."
"Ja, das seh ich auch. Aber hatten wir nicht vor einer Weile vereinbart, dass wir vorher besprechen, wenn einer etwas an sich machen lässt, damit wir genau abwiegen können, wie es in Ordnung wäre? Erinnerst du dich, Toshimasa?! Ich denke nicht, und deine Haare sind einfach nur-"
"Kaoru, jetzt halt doch mal die Luft an!", funkte ihm der andere Gitarrist dazwischen und legte einen Arm um die Hüfte Toshiya's, zog ihn näher an sich. "Ich weiß gar nicht, was du hast - sieht doch gut aus!"
"Drankleben können wir sie jetzt jedenfalls auch nicht mehr.", gab Kyô nun von sich und stieß sich von der Mauer ab, an welcher er sich gelehnt, ging in Richtung Boot. Zwar folgten die anderen ihm, konnte ihn jedoch nirgends mehr auffinden. Da er jedoch an Board sein musste, fuhr das Boot auch wieder Richtung Hafen. Während Kaoru und Shinya an Deck blieben, machten Die und Toshiya es sich drinnen bequem. "Also.. ich finde wirklich, dass dir diese Frisur sehr gut steht." Leicht lächelte Toshiya ihn an, nickte dankend. Es war lieb von Die, dass er ihn aufheitern wollte, aber gerade würde das wohl eher nicht klappen, da er noch immer ziemlich angeschlagen war - dass es wegen Shinya war, verstand sich wohl von selbst.
"Tosh.. Nun lass doch den Kopf nicht so hängen.. Ich meine, sicher ist das jetzt nicht leicht für dich, aber-"
"Was verstehst du schon? Du hast doch überhaupt keine Ahnung davon, wie es mir geht!", fuhr Toshiya ihn an und Die zuckte leicht zusammen. Wie konnte er ihm das nur an den Kopf werfen? Das war doch.. unsinnig! Von wegen Die hätte keine Ahnung davon, wie es ihm wohl gerade ging! Der einzige Unterschied war, dass er seinen Liebsten nicht jemand anders hatte küssen sehen. Mit einer Ernsthaftigkeit in den Augen, wie selten, sah der Rotschopf seinen Schwarm nun also an. "Jetzt hör mir mal zu! Ich weiß wirklich, dass es nicht leicht für dich ist! Für mich ist es das nämlich auch nicht! Und dass du keine Ahnung davon hast, das weiß ich. Aber gerade deswegen-"
"Warte! Es.. es tut mir leid. Ich wusste ja nicht, dass.. Es tut mir leid." Mit einem entschuldigenden Blick sah er den Älteren an, beugte sich zu ihm und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. 'Ich bin so dämlich.. Keif ihn an, dabei ist er selbst in einen der beiden verliebt..' Im nächsten Moment hatte er sich erhoben und war auf Dies Schoss geklettert. "Lass mich das.. vernünfig entschuldigen.." Etwas verwirrt sah der Rotschopf den Kleinen an, ehe er diesem die breite Strähne aus dem Gesicht strich. "Was genau-"
"Shh..!" Toshiya legte ihm einen Finger auf die Lippen, ehe er ihn mit seinem Mund ersetzte. Gefühlvoll küsste er Die nun, welcher darauf nur zu gerne einging. 'Er weiß doch nicht etwa, dass ich.. aber.. Ach egal, er küsst mich und das ist die Hauptsache.' Doch anstatt den Kuss gleich wieder zu lösen, vertiefte Toshiya ihn noch, ließ ihn leidenschaftlicher werden, seine Hände strich über Dies Brust und auch dessen Hände blieben nicht untätig, stahlen sich unter das Shirt des anderen und schoben es langsam hoch.
"Wenn ihr mich fragt, seid ihr alle beide vollkommen bescheuert.", meldete ein gerade aufgetauchter Kyô sich zu Wort. Die verdrehte die Augen, sah ihn an, nachdem er sich von Toshiya gelöst hatte. "Dich fragt aber niemand."
"Es ist trotzdem bescheuert und so offensichtlich, dass du-"
"Kyô, wir.. wir sind doch beide nur verzweifelt.. Verstehst du? Was.. würdest du denn machen, wenn.. der den du liebst.. da draußen.." Weinend schmiegte Toshiya sich an die Brust des Rotschopfes, welcher ihn schützend an sich drückte. Mit einer hochgezogenen Augenbraue sah Kyô sich das an. "Aaaha.", meinte er, denn er war doch nicht dumm, hatte sehr wohl bemerkt, dass Die auf Toshiya stand, jedoch sagte er nun nichts mehr und auch Die war einigermaßen zufrieden, denn sein Geheimnis war noch nicht ans Licht gekommen.
Es war bereits spät und Shinya war mit seinem neuen Freund ausgegangen. Toshiya hielt es alleine in ihrem Zimmer einfach nicht mehr aus, deswegen hatte er das Zimmer des Rotschopfs aufgesucht. "Die? Darf ich reinkommen?" Langsam öffnete der Brünette die Tür und trat in den dunklen Raum. "Die?"
Gleich im nächsten Moment wurde er gegen die geschlossene Tür gedrückt. "Ich hoffe, du warst noch nicht fertig damit, dich zu entschuldigen." Zuerst war Toshiya etwas überrascht, lächelte dann jedoch leicht und legte schließlich die Arme um den Körper des anderen. "Aber natürlich nicht.. Ich kann nach diesem Kuss doch nicht davon ausgehen, dass du mir dann schon verziehen hast, oder?" Als Antwort bekam Toshiya nur wieder die Lippen des anderen aufgedrückt. "A-aber Die.. warte kurz. Bevor.. wir irgendwas machen.. Sag mir.. es ist nicht Shinya in den du verliebt bist oder?"
Die blinzelte leicht, was der andere jedoch nicht sehen konnte, da es dunkel war. "Nein, Toshiya. Es ist nicht Shinya."
