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Seelenopfer

von

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Brennt sich in meine Seele

Wo ist sie hin

die Hoffnung?

Gehst du mit ihr

oder bleibst du in der Starre des Nichts?
 

Leise wie eine Maus, schlich sich ein triefnasser Pharao zum Hintereingang des Spieleladens, öffnete mit einem leichten Knarzen die schon etwas in die Jahre gekommene Holztür und kam direkt in den Lagerraum von Großvater Mûto, in dem sich alle möglichen Kisten mit diversen Inhalten stapelten. Feuchte Spuren hinterlassend, stolzierte er trotz seiner etwas derangierten Erscheinung durch einen Pfad zwischen den Kisten, als sei alles in bester Ordnung, wobei ihm seine schmale Statur, die schräg stehenden Augen und die geschmeidigen Bewegungen die Anmut einer Katze verliehen.
 

Er legte die Hand auf einen silbernen Knauf, um die Tür zu öffnen, die in den vorderen Teil des Spieleladens führte, wovon eine Treppe in den ersten Stock aufging, die zu den Wohnräumen - so auch Yugis und nun ebenfalls seinem - führte, wobei er hoffte, Großvater Mûto hätte den Spieleladen schon geschlossen und sich in sein Zimmer zurückgezogen, so dass er ungesehen hinaufkäme. Wirklich nach Gesellschaft sehnen, tat er sich nämlich nicht, wollte lieber allein sein und nachdenken. Yugi würde mit Sicherheit Zuhause sein, allerdings verstand dieser sehr schnell, wenn der Pharao einmal Zeit für sich brauchte und würde ihn nicht weiter stören, wenn er das nicht wollte. Allerdings, ganz so unbesorgt war sein Aibou nun auch wieder nicht, wie er bemerkte, als er in seinen triefnassen Klamotten ins Badezimmer schlürfte und dabei Yugi über den Weg lief.
 

“Um Himmels Willen, Yami! Was hast du denn angestellt? Du bist ja klitschnass!”, stellte dieser treffend fest und musterte ihn mit kritischen Augen.
 

“Ach, ich bin nur einen Regenguss geraten, nicht weiter tragisch”, wiegelte er ab. “Ich trockne mich jetzt schnell ab und alles ist wieder in Ordnung.” Yugi schüttelte ungläubig den Kopf. Es war ja nicht nur die Tatsache, dass sein Seelenpartner in einen Regenschauer geraten war, die ihn sorgte, sondern das auffällige Verhalten, welches dieser seit geraumer Zeit an den Tag legte. Eigentlich hatte es bereits kurz nach seiner “Wiedergeburt”, wie sie es nannten, begonnen. Der Pharao machte meistens einen ziemlich abwesenden und nachdenklichen Eindruck, wollte sehr oft allein sein und lachte so wenig, dass es schon ungesund sein musste, um es mit Jonouchis Worten auszudrücken, der sich ebenfalls schon Sorgen machte. Außerdem hielt er sich meist stundenlang irgendwo draußen in der Stadt oder im angrenzenden Wald auf, wo er lediglich ziellos und nachdenklich, so unglaublich verlassen wirkend, durch die Gegend wandelte. Das konnte einfach nicht mehr normal sein. Deshalb meinte Yugi nun auch:
 

“Und ob es das ist. Du solltest nicht so leichtsinnig sein, sonst holst du dir noch einmal eine Lungenentzündung. Du siehst vollkommen durchgefroren aus - im Sommer mag so was ja noch angehen, aber bei der Kälte? Wieso hast du denn keinen Schirm mitgenommen, es regnet doch schon fast den ganzen Tag, da war es abzusehen, dass es bestimmt wieder anfängt. Oder du hättest dich irgendwo unterstellen und Großvater bescheid geben können, dass er dich abholt”, hielt er ihm einen Vortrag. Obwohl Atemu diese Vorhaltungen ungelegen kamen, lächelte er freundlich, da er wusste, dass sich Yugi nur um ihn sorgte, weil er ihn so gern hatte und meinte:
 

“Du hast Recht, Aibou, das hätte ich wohl. Aber ich habe keinen Grund gesehen, deinen Großvater aus dem Laden zu holen und den Schirm”, er zuckte mit den Schultern, “hab ich einfach vergessen. Aber wie du siehst, geht es mir gut. Du solltest dir nicht so viele Gedanken um mich machen, so ein kleiner Regenschauer bringt mich nicht um.” Yugis Gesicht drückte ein wenig seine Enttäuschung aus, denn er wusste ganz genau, dass Yami wusste, dass der eigentliche Grund seiner Sorgen ein anderer war - dass dieser sich so wenig um seine Gesundheit sorgte, war nur eine kleine Auswirkung dessen. Aber der Pharao wollte einfach nicht darüber sprechen. Schon zu oft hatte Yugi versucht, diesbezüglich etwas aus ihm herauszubekommen. Er wusste nur, dass es etwas damit zu tun hatte, dass Atemu jetzt wieder unter den Lebenden weilte. Irgendein ganz bestimmter Grund hatte ihn zurückgeführt, ein Grund, den er niemandem verraten wollte.
 

“Also, gut”, erwiderte er deshalb lediglich, mit einem besorgten Blick, der ausdrückte, du wirst mir sowieso nichts verraten, also lasse ich dich erstmal in Ruhe, aber später werde ich doch erfahren, was mit dir los ist.
 

Yami wandte sich ab und begab sich ins Badezimmer, befreite sich von seiner nassen Kleidung und bemerkte an seinem Zittern, welches ihm erst jetzt aufzufallen schien, dass er wohl doch besser heiß baden oder zumindest duschen sollte. Abtrocknen und ein warmer Schlafanzug würden wahrscheinlich nicht ausreichen, um seinen Kreislauf wieder genügend in Schwung und damit mehr Wärme in seinen Körper zu bringen. Er seufzte leicht, aber aus tiefstem Herzen. Warum musste das Schönste auf Erden gleichzeitig das Schmerzvollste sein? Warum musste jede Bewegung zur Qual, jedes Sinnen zu schmerzlicher Sehnsucht werden?
 

Endlose Momente schienen zu vergehen, bevor er aus seinen verlorenen Gedanken erwachte und bemerkte, dass er schon länger bewegungslos und nackt vor der Duschkabine stand, ohne sie zu betreten, während ihm noch kälter geworden war, so dass er nun mit den Zähnen klapperte. Schnell stieg er unter die Dusche und drehte sie heißer als gewöhnlich auf. Normalerweise meinte er, sich bei dieser Temperatur zu verbrühen und stellte das Wasser nie so warm ein, doch diesmal konnte es gar nicht heiß genug sein. Seine Haut rötete sich wie bei einem Sonnenbrand, doch trotzdem breitete sich eine Gänsehaut über seinem Körper aus.
 

Den geschmeidigen Bewegungen einer Katze gleich, glitt er aus der Dusche hervor und langte nach einem roten Bademantel, welcher an einem Haken an der in hellem Beige befliesten Wand hing, um hineinzuschlüpfen. Auch dieser gehörte natürlich Yugi und war, wie alles andere, von seinem kleinen Alter Ego ausgeliehen. Wenn man den ehemaligen Pharao so betrachtete, erschien er einem seltsam zerbrechlich, strahlte er doch normalerweise eine unglaubliche innere Stärke aus, so war von dieser kaum noch etwas zu sehen, wirkte er vielmehr klein und verloren. Nur wenig von seiner königlichen Aura war noch übrig - das Wenige, das tief in seiner Seele verankert war und selbst dann nicht weichen würde, wenn alles andere unterging.
 

Mit den Fingern fuhr er sich durch die nassen Haare und versuchte sie dazu zu bringen, nicht wie ein Busch im Wald auszusehen, denn auch im nassen Zustand waren sie störrisch wie eh und je. Selbst Atemu waren seine eigenen Haare schon immer ein Rätsel gewesen. Nicht nur, dass sie von Natur aus so abstanden - nur die Zackenform war hergerichtet, damit die Frisur nicht wie ein Mopp aussah - hinzu kam, dass sie - ebenfalls von Natur aus - dreifarbig waren. Etwas, was es eigentlich nicht geben durfte. Auch in dieser Hinsicht war er außergewöhnlich, was ihn im Moment aber nur störte. Der einzige Mensch, der diese Gemeinsamkeit mit ihm teilte, war Yugi, sein Seelenpartner.

Doch wie gerne hätte er keine Vergangenheit als Pharao gehabt, wie gerne wäre er ein ganz normaler Jugendlicher gewesen wie Yugi, Jonouchi und Honda. Langsam fürchtete er, dass er sich nie in dieser Welt einleben würde. Nicht, dass er nicht mit den modernen Dingen zurechtkäme - im Gegenteil, er lernte sehr schnell - aber es war alles so fremd hier, als würde er, egal was er tat, niemals vollkommen dazugehören, weil er immer mit dem Wissen leben musste, dass er etwas besonderes war, mit dem Wissen um seine Vergangenheit als Pharao und den dunklen Mächten, die ihn stets heimgesucht hatten und dies sicher auch in Zukunft tun würden - wenn er diese Zukunft überhaupt haben würde.
 

Auf leisen Sohlen tappte er aus dem Badezimmer und in Yugis Dachgeschosszimmer hinein, in dem er nun ebenfalls ein Bett hatte, was das ohnehin schon kleine Zimmer winzig erscheinen ließ. Atemu hatte sich bereits Gedanken gemacht, ob er sich nicht eine Arbeit und eine eigene Wohnung suchen sollte, doch Yugi hatte davon nichts hören wollen. Und außerdem, wie sollte das denn gehen? Yami sah nicht so aus, als wäre er bereits achtzehn und außerdem hatte er keinerlei Papiere vorzuweisen. Das war ohnehin so eine Sache, die ihnen Kopfzerbrechen bereitete. Kurzum, er war dazu gezwungen, erstmal hier zu bleiben. Außerdem machte sich Yugi immer mehr Sorgen um ihn, wegen seines auffälligen Verhaltens und würde ihn deswegen erst recht nicht gehen lassen.
 

Atemu setzte sich auf sein Bett und blickte aus dem Fenster, betrachtete stumm den Regen, der nun in Fäden hinunterfiel. Das Wetter spiegelte wirklich gut seinen Seelenzustand. Yugi betrachtete kopfschüttelnd seinen Aibou, wie er mit triefendnassen Haaren und im Bademantel verloren dasaß und sich nicht rührte.
 

“Soll ich dir die Haare machen?”, stand er plötzlich mit einem breiten Lächeln im Gesicht auf, mit welchem er ihn aufzuheitern versuchte. Yami blickte irritiert auf, als erwache er aus einem tiefen Traum. Woran er wohl gedacht hatte? Vielleicht an seine Zeit als Pharao? An seine Freunde und Gefährten von damals? Aber wenn er sie so vermisste, warum war er dann nicht im Jenseits, bei ihnen, geblieben?
 

“Danke, Yugi. Aber das ist nicht nötig.” Und schon ruhte sein Blick wieder auf dem Regen.
 

“Du siehst aus, als hättest du eine Eins-A-Depression”, diagnostizierte Yugi.
 

“Bitte?”, weiteten sich Atemus rötliche Augen. “Das ist doch…”
 

“Absurd? Also, mein Yami, glaubst du, ich bin blind?”, lächelte Yugi ein wenig verletzt, dass ihm sein Seelenpartner so wenig vertraute. “Du bist die ganze Zeit in offensichtlich trübsinnige Gedanken versunken, läufst mutterseelenallein stundenlang durch die Gegend oder sitzt gedankenverloren vor dich hinstarrend herum, statt mal etwas zu unternehmen und nie lächelst oder gar lachst du. Du spielst nicht mehr Duel-Monsters und starrst höchstens deinen Schwarzen Magier an. Außerdem ignorierst du die Einladungen deiner Freunde. Jonouchi, Anzu und Honda fragen sich auch schon, was mit dir los ist und selbst Seto Kaiba wirft dir verwunderte Blicke über dein merkwürdiges Verhalten hinterher. Das passt einfach nicht zum König der Spiele.”
 

“Ich bin nicht mehr der König der Spiele, das weißt du doch.”
 

“Darum geht es jetzt eigentlich nicht und das weißt du. Also weich mir nicht aus und sag endlich, was mit dir los ist. So kann das doch nicht weitergehen.”
 

Atemu wandte seinen Blick weg von Yugi und irgendwo an einen Punkt auf dem Nachtschränkchen. Seine Augen sprachen Bände, über seine Lippen kam jedoch kein Ton. Yugi seufzte, hatte sich bereits damit abgefunden, keine Antwort mehr zu erhalten und sich schon halb abgewendet, als er plötzlich ein:
 

“Es tut mir leid”, vernahm. Überrascht wandte er sich wieder um. “Ich fürchte, ich habe einen schlimmen Fehler gemacht. Aber ich kann jetzt noch nicht darüber reden, nein, jetzt noch nicht”, die letzten Worte kamen nur noch geflüstert über seine Lippen. Anschließend ließ er sich aufs Bett fallen, ungeachtet seiner nassen Haare und schloss die Augen. Unglaublich schnell war er eingeschlafen und hinterließ einen Aibou, der ihn überrascht anblickte und in dessen Magengegend sich ein ganz komisches Gefühl breit machte, nach dieser unheilvollen Aussage. Im Gegensatz zu seinem Yami konnte er diese Nacht nicht gut schlafen, da er sich ständig fragte, was für einen Fehler dieser wohl gemeint hatte. Was konnte nur geschehen sein, dass selbst den starken Pharao so sehr mitnahm und er nicht mal darüber reden konnte?



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Kassia
2007-07-29T10:57:47+00:00 29.07.2007 12:57
Das Verhältnis zwischen Yugi und Yami war schön beschrieben; also Yuugis Sorge und Yamis, ähm, Depressionen wegen seines Fehlers. Ansonsten war ja nicht so viel los, was einerseits frustrierend ist, aber andererseits natürlich die Spannung für Kapitel 3 erhöht, weil man ja nun wissen will, was mit dem Querkopf Yami denn eigentlich genau los ist.
Der Katzenvergleich an sich ist, finde ich, zwar passend für Yami, aber es ist schade, dass er ein wenig, ich nenn es mal "überreizt" wird, weil du ihn zweimal auf der ersten Seite dieses Kapitels gebracht hat. Ich glaube, nur einmal verwendet hätte er besser gewirkt. Gut finde ich auch deinen bisher sehr einheitlichen Stil. Das erleichtert nämlich das Lesen, trotz deiner mitunter doch recht langen Sätze.
Dass Yuugi Yami fragt "ob er ihm die Haare machen soll" ist dagegen irgendwie merkwürdig, weil, na ja, eigentlich ist das ja eher ne Frauenfrage. Aber es war nett gemeint von ihm und vielleicht ist ihm auch einfach kein anderer Gesprächseinstieg für DepriYami eingefallen.
Trotzdem ist ein schönes Kapitel, das mehr Fragen aufgeworden, als beantwortet hat.
Von:  HerzAs
2007-07-27T17:33:23+00:00 27.07.2007 19:33
wow schön o-o
Ich kann richtig mit Yami mitfühlen und auch mit Yugi...
Und obwohl nichts "spektakuläres" passiert find ich es spannend geschrieben, weil man nicht weiß, oder nicht sicher ist, was Yami hat.
Vor allem ist es sehr lebhaft geschrieben, so dass man ohne Probleme in die Geschichte versinken kann.
Du hast einen echt tollen Stil!
Ich bin schon gespannt auf das nächste Kapitel!


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