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Blind Dragon

Das Auge des Orion
von

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Intermezzo: Wissend

Zweiundvierzig.

Ronga befolgt Kariyuus Ratschläge gewissenhaft. Er verlässt die Insel mit dem großen Turm, die, von einem natürlichen Bannkreis geschützt, auf keiner Karte verzeichnet ist und auch niemals sein wird. Lediglich ihre Bewohner finden dorthin zurück. Jedoch geht er nicht, ohne in jahrelangen Friedensverhandlungen die verschiedenen Lebensformen der Insel zu einer friedlichen Allianz zu einigen.
 

Zweihundertachtundzwanzig.

Ein Vulkanausbruch tilgt jegliches Leben auf der Insel. Die Natur erholt sich langsam, doch menschliches Leben entwickelt sich dort nicht mehr. Allein der Turm des Alchemisten bleibt als Zeuge der Tatsache, dass es dort überhaupt dergleichen gab. Zu ihm wird Lavande etwa alle 30 Jahre zurückkehren. Diese Zeit benötigt eine Generation im Durchschnitt, um die nächste hervorzubringen.

Die Prophezeiung des Drachen tritt ein. Ronga spendet Lavande nach Kräften Trost, doch nach und nach weicht jegliches Mitgefühl aus ihr. Sie beginnt, pro Generation je einen Drachen aus Karyiuus Blutlinie in den Turm zu verschleppen und dort zu brechen. Rongas Frage nach dem Warum beantwortet sie mit einer Redensart, die auf der Insel verbreitet gewesen ist. Sie besagt, dass ein Drache, der nur zornig genug ist, den ganzen Planeten - man war dort nie davon ausgegangen, auf einer Scheibe zu leben - in zwei Hälften spalten könne. Es braucht keinen Gelehrten, um sich auszumalen, dass sie gedenkt, auf diese Weise selbst getötet zu werden.
 

Fünfhundertdreiunddreißig.

Lange Zeit weicht Ronga nicht von Lavandes Seite, billigt sogar ihr Vorhaben, wenn auch nicht die Methoden. Er scheint der Einzige zu sein, der wenigstens noch ein Stück weit zu dem warmen Wesen vordringen kann, das sie einmal besessen hat.

Jahrhunderte lang hält er ihr die Treue, doch schließlich wendet er sich im Alter von 533 Jahren von dem schönen Gesicht ab, dessen Züge nach und nach erkaltet sind. Statt ihren Grausamkeiten weiterhin beizuwohnen, macht er sich daran, die gigantischen Landen fern der Insel zu bereisen. Ebenso wie diverse Ober- und Unterwelten. Er lernt die Sprache jedes Reiches, das er besucht, stiftet Frieden, wo immer er kann, sammelt Unmengen an Wissen auf jedem Gebiet, ohne sich jedoch damit zu brüsten, oder jemals sein Ziel aus den Augen zu verlieren, den Drachen zu finden, von dem Kariyuu ihm erzählt hat. Seine Fähigkeit, Gedanken zu lesen weitet sich, zusammen mit dem magischen Vermächtnis seines Freundes, zu deutlichen Zukunftsvisionen aus, die keiner Interpretation mehr bedürfen, jedoch sehr eigenwillig sind in Häufigkeit und Umfang.

Das Auge des Orion versteckt Ronga dort, wo der Erfüller seines Wunsches es am wenigsten vermutet: Direkt vor dessen Nase, mitten in der Öffentlichkeit. Er stiftet es mal diesem, mal jenem Museum. Tatsächlich bleibt es unentdeckt.
 

Zahllose Jahre später.

Ronga hat aufgehört, sein Alter auszurechnen. Der Fortschritt macht ihm zu schaffen. Er hat Mühe, seine Sinne in der gewohnten Schärfe zu erhalten, weil die Technik ihnen überall die Arbeit abnehmen will. Das ewige Leben und Sterben um ihn herum und der Hass, den Lavande ihm seit langem offen entgegenschleudert, machen es ihm nicht gerade leichter, sich gegen den Stumpfsinn zu wehren, der in ihm aufkommt und ihm ein alternatives Grab anbietet. Er ist versucht, sein Vorhaben aufzugeben, den zu finden, der Lavande töten kann. Es ist leicht, dem Stammbaum des toten Drachen zu folgen, doch bisher hat keiner in dieser Familie diesen toten Blick besessen, ohne dabei nicht auch völlig leer und nicht mehr ansprechbar zu sein. Wen auch immer Lavande sich geholt hat, er starb zumeist noch im Turm, sofern er einen Weg fand, sich selbst das Leben zu nehmen. Die, denen die Flucht gelangt, wurden zu leblosen Hüllen, denen jeglicher Antrieb fehlte, wieder am Leben teilzunehmen, oder gar einen Ausweg aus dem Fluch zu suchen.

Lavande findet dank der Tatsache, dass es sich bei ihren unfreiwilligen Gästen nie um Einzelkinder handelt in jeder Generation eine neue Zielscheibe. Sie ist es leid, in den wenigen lichten Momenten, die sie hat. Solche Stunden verbringt sie mit Ronga, der Bestand hat in der Vergänglichkeit um sie herum. Beide warten. Keiner von ihnen untätig.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Nochnoi
2007-09-28T17:02:57+00:00 28.09.2007 19:02
Endlich finde ich nach dem ganzen Stress der letzten Tage Zeit, wieder deine Geschichte weiterzulesen ^.^

Auch dieses Kapitel finde ich sehr interessant, endlich erfährt man ein bisschen über Ronga. Ich kann verstehen, warum er des Lebens nach all dieser Zeit allmählich müde wird, wobei es mich ja sehr interessieren würde, wie alt er nun eigentlich wirklich ist :) Offenbar schon ein ganz schön alter Brocken XDD


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